Gewerkschaft feministischer denken. AG Feministische Lohnarbeitskämpfe zum bevorstehenden 8. März 2020

express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und GewerkschaftsarbeitDer Internationale Frauentag naht. An vielen Orten weltweit beziehen auch GewerkschafterInnen Position für eine geschlechtergerechte Welt. Wie letztes Jahr bereits in Ansätzen erkennbar, können die (internationale) Mobilisierungskraft feministischer Bündnisse und die hier vorzufindenden Arbeits- und Gesellschaftsvisionen unsere häufig ritualisierten Protestformen und unsere gewerkschaftlichen Zukunftsvisionen in Bewegung bringen und bereichern. Gleichzeitig liefert gewerkschaftliche Praxis allerhand konkrete Kämpfe für eine betriebliche Fundierung feministischer Bewegungen. Dass einigen trotz thematischer Parallelen die (kulturelle) Kluft für einen Schulterschluss noch zu groß erscheint, sollte beiden Seiten Ansporn sein, kontinuierlich und in konstruktiver Auseinandersetzung aufeinander zuzugehen: Um die grundlegenden gesellschaftlichen Kämpfe in der gegenwärtigen politischen Lage auszufechten, bedürfen wir alle der Bündelung unserer Kräfte. Die feministische Mobilisierungswelle ist für uns als GewerkschafterInnen Anlass, unsere Arbeit einmal mehr zu reflektieren – denn natürlich ist unsere Bewegung selbst nicht frei von Diskriminierungsformen und allzu oft verschwinden die Fragen, die sich damit stellen, im gewerkschaftlichen Alltag…“ Artikel der AG Feministische Lohnarbeitskämpfe erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 02/2020 – die AG ist ein Zusammenschluss von GewerkschafterInnen:

Gewerkschaft feministischer denken

AG Feministische Lohnarbeitskämpfe* zum bevorstehenden 8. März

Der Internationale Frauentag naht. An vielen Orten weltweit beziehen auch GewerkschafterInnen Position für eine geschlechtergerechte Welt. Wie letztes Jahr bereits in Ansätzen erkennbar, können die (internationale) Mobilisierungskraft feministischer Bündnisse und die hier vorzufindenden Arbeits- und Gesellschaftsvisionen unsere häufig ritualisierten Protestformen und unsere gewerkschaftlichen Zukunftsvisionen in Bewegung bringen und bereichern. Gleichzeitig liefert gewerkschaftliche Praxis allerhand konkrete Kämpfe für eine betriebliche Fundierung feministischer Bewegungen. 

Dass einigen trotz thematischer Parallelen die (kulturelle) Kluft für einen Schulterschluss noch zu groß erscheint, sollte beiden Seiten Ansporn sein, kontinuierlich und in konstruktiver Auseinandersetzung aufeinander zuzugehen: Um die grundlegenden gesellschaftlichen Kämpfe in der gegenwärtigen politischen Lage auszufechten, bedürfen wir alle der Bündelung unserer Kräfte. Die feministische Mobilisierungswelle ist für uns als GewerkschafterInnen Anlass, unsere Arbeit einmal mehr zu reflektieren – denn natürlich ist unsere Bewegung selbst nicht frei von Diskriminierungsformen und allzu oft verschwinden die Fragen, die sich damit stellen, im gewerkschaftlichen Alltag.

Feministische Kämpfe als transformatorische Kraft

Die Mobilisierungskraft feministischer Kämpfe hierzulande hat sich nach Jahren feministischer Maulwurfsarbeit am Internationalen Frauentag 2019 ausdrucksstark in den größten Demonstrationen bundesweit seit Jahrzehnten gezeigt: 75.000 Menschen sind für eine Welt ohne geschlechtsbezogene Diskriminierung und Gewalt auf die Straßen gegangen. Hier fiel eine gesellschaftliche Umbruchstimmung mit der Vernetzungs- und Bündnisarbeit aus feministischen Zusammenhängen in eins: Eine Vernetzungskonferenz mit über 400 Teilnehmenden im Herbst 2018 hatte eine große Strahlkraft. Bundesweit wurden fast 40 lokale Bündnisse gebildet, um den symbolträchtigen 8. März generationen-, themen- und spektrenübergreifend vorzubereiten. In diesen Zusammenschlüssen wurde nicht nur die Bandbreite queerfeministischer Kämpfe sichtbar – auch der Wunsch wurde deutlich, sich über linke, akademische Kulturen hinaus zu bewegen und Lohnarbeitskämpfe (und damit auch Gewerkschaften) in die Auseinandersetzung miteinzubeziehen (zu den damit einhergehenden Herausforderungen vgl. Wolf in express 1/19; Garneau in express 5/19).

Die Übernahme des international gewachsenen Schlachtrufs »Frauenstreik« verdeutlicht das Bedürfnis, im wahrsten Sinne des Wortes radikal – also an die Wurzel gehend – feministische Themen in den Mittelpunkt der Debatten um die Zukunft dieser Welt zu stellen.

Die Parallelen zu »Fridays for Future« sind augenfällig. Beide tragen zur Debatte um die gesellschaftliche Verteilung und Bewertung von Arbeiten und zu den Diskussionen über Ziele und Notwendigkeiten von Lohnarbeitskämpfen, der Organisierung in Gewerkschaften und politischen Streiks bei.

Anschlussfähigkeit – unser gewerkschaftliches Eigeninteresse

Die Forderungen des feministischen Streiks knüpfen an unsere gewerkschaftlichen Kämpfe an, und wir können tatkräftige feministische Unterstützung hierbei nur begrüßen. Wie sich die gemeinsame Arbeit konkret gestaltet, kann nur lokal entwickelt werden. Das breite Feld zwischen Solidaritätsaktionen für Betriebskämpfe durch feministische Bündnisse und einem gewerkschaftlichen Blick auf das eigene Lohnarbeitsverhältnis bietet viel Freiraum für eine neue gesellschaftliche Kraft.

Unser gewerkschaftliches Ziel, für ein »Gutes Leben für Alle« zu streiten, findet sich in einer queerfeministischen Zukunftsvision wieder. Doch es wird deutlich, dass hier »Arbeit« sehr viel umfassender gemeint ist: Arbeit ist mehr als Lohnarbeit und muss stets mit der (privatisierten) Re-Produktion des Lebens zusammengedacht werden: Haus- und Fürsorgearbeiten – nicht nur für Alte, Kranke und Kinder – sind Arbeitsleistungen, auch wenn sie nicht entlohnt werden! Diese ins Zentrum der eigenen Zukunftsvision zu stellen, bedeutet letztendlich die Anerkennung der allseitigen Abhängigkeit und damit den Widerstand gegen eine kapitalistisch-patriarchale Verwertungs- und Herrschaftslogik, die strukturell maßlos und gegenüber den konkreten Bedürfnissen und Beziehungen der Menschen – also uns – gleichgültig ist.

Feministische Debatten leuchten damit aus, wie gesellschaftliche und betriebliche Probleme stets ins Private verschoben werden und welche Abgründe sich auftun, wenn diese Arbeit doch als Lohnarbeitsverhältnis auftritt. Dass hier Prekarität und hohe Arbeitsbelastungen anzutreffen sind, verwundert nicht, da die kapitalistische Verwertungs- und Profitlogik an ihre Grenzen stößt: Der Kapitalismus braucht die konstante (soziale) Reproduktion des Lebens, um die Arbeitskräfte zu erhalten. Die Kosten dafür haben traditionell immer die Arbeitskräfte und ihre Familien getragen – unter kapitalistischen Bedingungen erscheinen sie aus einzelunternehmerischer Perspektive als externe Kosten und werden entsprechend als Privatangelegenheit behandelt. Wo dies infolge von Protesten nicht (mehr) gelingt, übernimmt der Sozialstaat als ideeller Gesamtkapitalist die Reproduktionssicherung jenseits von privatisiertem Risiko und Familie. Dieses Modell ist durch veränderte Lebensstile und den Neoliberalismus im Zerfall begriffen. Dem Versuch, diese Reproduktionsleistungen selbst zu ökonomisieren, sind enge Grenzen gesetzt, da sich die Produktivität in diesen meist arbeitsintensiven Berufsfeldern nur schwer steigern lässt. 

Dass diese Debatten innerhalb der Gewerkschaftswelt bereits hohe Anschlussfähigkeit haben, zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen aus den Tarifrunden der EVG, Post, IG Metall und jetzt auch in der kommenden Tarifrunde im Öffentlichen Dienst bei ver.di. Es trifft einen Nerv der Zeit, wenn neben Lohnforderungen auch Forderungen zur Arbeitszeit- und zu Arbeitsbedingungen gestellt werden. Die mediale Berichterstattung hierüber zeugt von hohem Interesse, und Umfragen zeigen, dass – vor die Wahl zwischen Geld oder Zeit gestellt, verstärkt die Option »freie Tage« gewählt wird. Dies bedeutet für viele die Möglichkeit, der generellen Belastungszunahme durch Arbeitsverdichtung, Flexibilisierung und indirekte Steuerung zumindest punktuell zu entfliehen.

Gewerkschaftskultur im Betrieb – Motor für beteiligungsorientierte Gewerkschaftsarbeit

Für uns ist hier entscheidend, dass die betrieblichen Diskussionen zu einem gewerkschaftlichen Mobilisierungsschub und einer Veränderung der Gewerkschafts- und Betriebskultur führen können. Sich zu vergegenwärtigen, wie Arbeitsbedingungen unmittelbar auf das Privatleben wirken, bestärkt die empfundene Widerstandsnotwendigkeit. Über das Private zu sprechen, baut Vertrauen untereinander auf und zeigt, dass es nicht um individuelles »Versagen«, sondern um strukturelle Probleme geht. Aus dem »Ich« wird ein »Wir«. Aus individuellen werden so kollektive Motoren für Widerstandsprozesse.

Hierdurch wird erlebbarer, dass Ge­werkschaftsarbeit nicht eine ausgelagerte Verhandlungsführung fernab des eigenen Arbeitsortes ist, sondern konkrete Solidaritätserfahrung und Kampf im Betriebsalltag für kollektive Grenzziehungen notwendig sind. Dass diese Haltung gestärkt werden muss, liegt nicht zuletzt daran, dass in Zeiten von auf die einzelbetriebliche Situation abstellender Öffnungsklauseln für Betriebsvereinbarungen, aber vor allem auch individualisierender ausbeuterischer Selbststeuerung durch systematisch zu eng gestrickte Projektvorgaben und zu wenig Personal, die persönliche und kollektive Haltung täglich herausgefordert wird.

In diesem Sinne ist Gewerkschaft auch die Anerkennung und Unterstützung der kontinuierlichen Beziehungsarbeit, die Menschen in ihren individuellen Emanzipationsprozessen vollziehen, um für sich selbst und andere einzustehen.

Diese Entwicklung stützt die Verschiebung von einer Stellvertreterpolitik hin zu beteiligungsorientierter Gewerkschaftsarbeit. Insbesondere die Mobilisierungstechniken des Organizings sind hierbei zu erwähnen und spiegeln interessanterweise soziale Kompetenzen, die (in patriarchalen Gesellschaften) insbesondere Frauen zugeschrieben werden: Zuhören, Fragen stellen, Alltagsprobleme ernst nehmen, Menschen zusammenbringen, Beteiligungsprozesse organisieren und Menschen zum Selbst-Handeln ermutigen.

Gewerkschaft als soziale Bewegung

Wir dürfen die vielfältigen gesellschaftlichen Probleme wie Faschisierung, den sozial-ökologischen Kollaps, Migrationsbewegungen, Digitalisierung und Vermarktlichung des »Privaten« nicht als ferne politische Kampfplätze abtun, etwa weil sie eben nicht »im Betrieb« und »tarifpolitisch« angegangen werden könnten. Im Betriebsalltag sind diese Konflikte zu finden und im Betriebsalltag gilt es konkrete Lösungen dafür zu entwickeln.

Es gilt sich auch einzugestehen, dass wir dem nicht allein mit dem gängigen Tarifkampf um ein paar Prozentpunkte mehr Lohn entgegentreten können und wir daher verstärkte und neue Schlagkraft brauchen. Wir müssen konfliktorientierter und hierbei auch kreativer werden. Die aktive Gestaltung von Bündnisarbeit ist unser Eigeninteresse, mit dem wir unser politisches Mandat ernst nehmen und stärker werden können.

Dies ist dort auch schlicht existentiell notwendig, wo der ökonomische Druck für einen traditionellen Streik fehlt: Wenn sich die Arbeit durch Streikhandlungen auftürmt, Arbeitgeber Geld einsparen und den Beschäftigten einreden können, dass sie die ihnen Anvertrauten gefährden verlieren wir das entscheidende Element, unsere gewerkschaftlichen Handlungsmacht. Hier braucht es andere Streikstrategien und andere Argumente gegenüber Beschäftigten und Öffentlichkeit.

Mutmachende Beispiele lassen sich etwa bei Auseinandersetzungen im Krankenhaus finden: Vor zehn Jahren waren diese vom öffentlichen Aufschrei begleitet, realistische Streikstrategien sowie die Tarifierbarkeit von Personalbemessung schienen undenkbar. Inzwischen gibt es erfolgreiche Erfahrungen mit neuen Streikstrategien und breite Solidarisierungen von Bündnissen für mehr Personal im Krankenhaus.

Dieses Experimentieren verstehen wir als Suchbewegung einer Gewerkschaftserneuerung, die uns Mut macht!

Internationale FrauenStreikbündnisse: Lernbewegungen & Auftakt 2020

Dass es sich lohnt, die feministischen Kräfte verstärkt auf dem Radar zu haben, zeigen auch folgende Schlaglichter: In der Schweiz sind im Juni 2019 im Rahmen einer gewerkschaftlichen Kampagne und Tarifauseinandersetzungen zusammen mit feministischen Gruppen eine halbe Millionen Menschen auf die Straße gegangen (vgl. Hollinger in express 7/19). In Spanien traten Millionen von Menschen im letzten Jahr am Internationalen Frauentag in den Streik. In Lateinamerika legten die Frauenstreikbewegungen ganze Städte lahm. In den USA gingen Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Politik von Trump zu demonstrieren. In Indien, der Türkei und an vielen weiteren Orten der Welt waren Straßen und Plätze voller Frauen, Queers und solidarischer Männer im Streik gegen die herrschende Gewalt. In Irland wurde das Abtreibungsrecht erkämpft, die Me-too Debatte stellt einen Meilenstein dar, wenn es darum geht, Berichte über Übergriffe und sexualisierte Gewalt gegen Frauen ernstzunehmen, Präventionskampagnen verschieben zunehmend die Ansprache von Opfern (»Achte darauf, dass du nicht …«) auf Täter (»Mach das nicht«). Diese Welt ist in Bewegung!

Um in Deutschland die lokale Arbeit der Frauenstreik-Bündnisse für den 8. März 2020 wieder zu bündeln, fand vom 17. bis 19. Januar 2020 in Jena ein Vernetzungswochenende statt. Es kamen VertreterInnen aus 17 deutschen Ortsgruppen und aus Wien zusammen.

Die Diskussionen waren nachdenklich, inhaltlich-politische Konfliktthemen bekamen Raum. Die Fragen nach Vernetzung und insbesondere die Verankerung der politischen Agenda im eigenen (Lohnarbeits-)Leben sind richtungsweisend. Nach dem spontanen Auf- und Ausbruch folgt nun ein Ringen um Kontinuität, Verbreiterung und Lernfelder. Wesentlich erscheint uns hierbei der Wille zum konstruktiven Streiten nach innen beim energischen gemeinsamen Kämpfen nach außen. Die Vernetzungsleistungen werfen ganz allgemeine Bündnis­fragen auf, wie Akteure mit verschiedenen Kulturen, Handlungslogiken und -möglichkeiten respektvoll zusammenarbeiten können.

Die Aktionsformen werden wieder vielfältig und lokal höchst unterschiedlich sein. Als ein gemeinsames Element wurde jedoch der öffentliche Sitz-Streik und das Posten von Fotos und Kommentaren unter #ichstreike8M gewählt.

Gewerkschaftliche Handlungsmöglichkeiten

Die Vernetzung unter denjenigen, die sich im Feld der Lohnarbeit bewegen, ist merklich vorangeschritten und hat nicht zuletzt dazu geführt, einen Brief an Gewerkschaftsaktive, Gremien und ihre Vorsitzenden zu schreiben, in dem zur Zusammenarbeit aufgerufen wird. Dieser Brief wird vom Vernetzungstreffen unterstützt und ist auf der Homepage abrufbar (Frauenstreik.org). Uns eint die Erkenntnis, dass bei aller Euphorie der Schlachtruf »feministischer Streik« insbesondere AktivistInnen mobilisiert und als Bindeglied gut funktionieren mag – er ist aber nicht das mobilisierende Thema, schon gar nicht für breite Teile der Bevölkerung. Konkrete Themen, konkrete Forderungen und konkrete GegnerInnen müssen lokal und systematisch eingebracht und angegangen werden.

Für eine gesellschaftliche Verankerung braucht es zudem kontinuierliche Arbeit und niederschwellige Aktions- und Mobilisierungsformen sowie kollektive Räume zur ­Politisierung der Erfahrungen. Die vielschichtigen Emotionen, wie etwa Ärger, Angst, Frust, werden allzu oft individuell verarbeitet. Wut auszudrücken – insbesondere kollektiv und in der Öffentlichkeit – ist etwas, das sich Frauen nach wie vor häufig erst in Emanzipationsprozessen aneignen.

In unserer Gewerkschaftswelt können wir die dafür notwendigen kollektiven Räume schaffen, sei es durch Aktive Mittagspausen, Betriebsversammlungen oder interne Fortbildungen in der Arbeitszeit. Selbst-initiierte Zeit im Team, um über indirekte Steuerung und die persönliche Folgen davon zu sprechen, ist die Mühe wert. Teambasierte Widerstandsmöglichkeiten lassen sich am besten gemeinsam finden, nicht zuletzt weil so auch das Durchhalten sicherer ist: eine Whatsapp-Gruppe ohne den Chef einzurichten, sich gegenseitig zuuzsichern, nicht ›aus dem Frei‹ einzuspringen, Pausenzeiten und Gesetzesvorgaben einzuhalten oder gemeinsam Überlastungsanzeigen zu schreiben…

Da der diesjährige 8. März ein Sonntag ist, lässt sich die Ladenöffnungs-Debatte gut befeuern – nur im öffentlichen Nahverkehr, im Krankenhaus und anderen gesellschaftlich notwendigen Bereichen sollte am Sonntag gearbeitet werden, und das langfristig planbar und mit Schichtzulagen. Der Sonntag könnte für Regeneration und Zeit füreinander stehen: Wir bestreiken die Hausarbeit oder kollektivieren sie an einem öffentlichen Ort. Dies kann gemeinsam öffentlichkeitswirksam gefeiert werden – Männer sorgen für das Buffet und Kinder-Spielaktionen. Frauen und Queers vernetzen sich, lernen voneinander, bestärken sich und schmieden an den großen Plänen weiter.

Der Schlachtruf »Feministischer Streik!« ist natürlich eine juristische und machtpolitische Herausforderung für Gewerkschaften. Insbesondere wenn man an der gesellschaft­lichen Ordnungsfunktion durch die Jahrzehnte des Sozialabbaus festgehalten hat und noch immer an die sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit glaubt. Dass dies eine Einbahnstraße der Zugeständnisse ist und zur Spaltung innerhalb der ArbeitnehmerInnen führt, ist vielerorts ersichtlich. Die Zeiten spitzen sich jedoch zu und das Ruder Richtung kämpferische Grundhaltung umzusteuern würde neue Kräfte in die ArbeiterInnenbewegung bringen.

Wenn also in den Gewerkschaften die Alltagsthemen der Menschen wieder ins Zentrum gestellt werden sollen, liegen die Anknüpfungspunkte zum Aufbegehren am 8. März auf der Hand. Hier geht es um eine andere Verteilung von Geld, Zeit und Arbeit. Bei diesem Streik geht es um die zentralen Themen der Gewerkschaften, die durch diesen Streik ganz ohne tarifpolitische Leitlinien und Arbeitskampfordner, ohne Streikgeld und von unten organisiert in die Öffentlichkeit getragen werden. Der Aufruf der Gewerkschaftsspitzen zu einer Beteiligung, wie IG Metall und ver.di es zum globalen Klimastreik am 21. September 2019 getan ­haben, wäre ein guter Anfang.

Es wäre eine Bereicherung für Gewerkschaften und Frauenstreikbündnisse, wenn die Frage, wie diese Gesellschaft sich in den nächsten zehn Jahren zum Wohle der Menschen statt gegen sie entwickeln muss, gemeinsam diskutiert würde. Die feministische Perspektive auf Veränderung ist zentral. Sie stellt die Frage, was im Mittelpunkt steht: der Mensch und die Natur oder der Profit. Und wie überall – auch im Betrieb und in Gewerkschaften beginnt Widerstand und Veränderung im direkten Kontakt miteinander.

Artikel der AG Feministische Lohnarbeitskämpfe erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 02/2020

* Die AG ist ein Zusammenschluss von GewerkschafterInnen

express im Netz unter: www.express-afp.info externer Link

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