Arbeitskämpfe in Europa: Neubeginn einer Bewegung oder letztes Aufbäumen?

"Capitalism is the Virus" - Statement from IWW Ireland on a class response to Covid-19Madrid, Paris, Brüssel: In zahlreichen europäischen Ländern kommt es seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie zu einer ungewöhnlich hohen Zahl an Arbeitskonflikten, darunter Streiks in Fabriken, Logistikunternehmen und Dienstleistungsbetrieben. (…) In einer ersten Phase traten die Streiks vor allem im Gesundheitsbereich und in großen Lagerhäusern wie etwa von Amazon auf, und in einer zweiten Phase verstärkt in Fleischfabriken und in der Landwirtschaft. Insofern waren die seit der Pandemie als „essentiell“ bezeichneten Bereiche besonders betroffen – nicht zuletzt, weil es dort während der Lockdowns eine besonders starke Arbeitsbelastung gab und Schutzmaßnahmen für die Arbeiter*innen häufig unzureichend waren. Das betraf vor allem den Gesundheitsbereich – in mehreren europäischen Ländern waren um die 10 % aller mit dem Coronavirus Infizierten Arbeitende aus diesem Sektor, und Schutzkleidung war nicht ausreichend verfügbar. Es ist geradezu zynisch, dass in den nun als essentiell definierten Sektoren die Arbeit bereits vor der Pandemie besonders schlecht bezahlt und gesundheitsgefährdend war, und dies hat sich während der Pandemie eher verschlechtert…“  Artikel von Jörg Nowak vom 9. September 2020 in der Berliner Gazette online externer Link und weitere Zitate aus diesem Beitrag:

  • „(…) Viele der Streiks während der Coronakrise wurden von den Belegschaften selbst geführt und kleinere Gewerkschaften und Basiskomitees spielten eine große Rolle in den Konflikten. Insofern gibt es durchaus Zeichen für eine Wiederbelebung der Basisaktivitäten in den Betrieben. Auf der anderen Seite ist das erhöhte Konfliktpotential von Seiten der Arbeiter*innen angesichts der schon begonnenen und noch zu erwartenden Stellenstreichungen und Lohnsenkungen eher noch zu gering, um eine alternative Perspektive durchzusetzen. (…) Wenn die Arbeiter*innenbewegung in Europa als Antwort auf diese schon begonnene und noch anstehende Welle der Entlassungen in den nächsten sechs Monaten keine gut organisierten Ansätze der Gegenwehr sowie Alternativkonzepte entwickelt, wird sie sich in einer Welt wiederfinden, die sie kaum wiedererkennen wird. Besonders gut bezahlte Stellen in der Industrie werden noch rarer und der Bereich der persönlichen Dienstleistungen wird eine weitere Verschlechterung bzw. eine weitere „Uberisierung“ erleben mit noch mehr Scheinselbständigkeit und Arbeit auf Abruf – ein Modell, das heute schon Lieferdienste und das LKW-Gewerbe prägt. Insofern geht es für so etwas wie den europäischen Sozialstaat, den die Arbeiterbewegung einst erkämpft hat, definitiv ums Überleben. Bisher ist im Gefolge der Coronakrise weder auf der Ebene von Alternativkonzepten noch auf der Ebene europäischer transnationaler Koordination viel passiert – die Coronakrise und der anstehende ökologische Umbau würden jede Menge Steilvorlagen für konstruktive Gegenkonzepte bieten, aber solche Gelegenheiten müssen auch ergriffen werden. Mit dem allmählichen Abflauen der Corona-Infektionen bietet sich vielleicht auch die Gelegenheit, der Offensive des Kapitals etwas entgegenzusetzen. Deutlich ist jedenfalls, dass sehr schwierige Bedingungen auf die Arbeiter*innenklasse in Europa (und auch anderswo) zukommen, aber solch eine Zuspitzung kann auch die Gelegenheit bieten, die aktuelle Produktionsweise abzuschaffen und die drohende Klimakatastrophe abzuwenden.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177948
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