Freie Gewerkschaften oder Gewerkschaftsfreiheit?

Quelle:  Artikel von Rolf Geffken  vom Januar 2013 Aus dem Text:

  • Im Allgemeinen sind sich aktive GewerkschafterInnen einig: Sie treten ein für eine freie gewerkschaftliche Betätigung. Hier und anderenorts. Aber was heißt das? Freie gewerkschaftliche Betätigung nur für „Freie Gewerkschaften“, also hierzulande für Mitgliedsgewerkschaften des DGB? Oder: Freie Betätigung einschließlich der Gründung auch anderer, neuerer autonomer Gewerkschaften? Allein die Frage offenbart ein Dilemma: In ihr wird die rechtliche Frage nach der Grenze und dem Inhalt einer Freiheit vermengt mit der Frage nach der politischen Richtigkeit der Forderung. Die Frage nach dem Recht wird verwechselt mit der Frage der richtigen Politik. Und von diesem Schritt ist es nicht mehr weit zur Frage, ob die vermeintlich „richtige“Gewerkschaftspolitik auch mit rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden kann und darf.
    Für die DGB-Gewerkschaften ist dies längst keine Frage mehr. In einer Vielzahl von sog. Statusverfahren haben diese immer wieder Arbeitsgerichte bemüht, um anderen Organisationen die Gewerkschaftseigenschaft oder gar deren Tariffähigkeit abzuerkennen.
    Juristische Mittel dienten dabei einem politischen Zweck: Der Reduzierung gewerkschaftlicher Konkurrenz. Vordergründig könnte man sagen: Das nutzt dem Prinzip der Einheitsgewerkschaft. Gewerkschaftspluralismus ist keine Forderung der Arbeiterbewegung.
    Die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung schwächt die Gegenmacht der Gewerkschaften. Die Einheit der Gewerkschaften fördert gewerkschaftliche Gegenmacht.
    Doch wie verhalten sich solche allgemeinen Thesen zur konkreten gewerkschaftlichen
    Realität?…“

Sowie:

  • „… Die DGB-Gewerkschaften täten gut daran, ihre Politik der Ausgrenzung anderer Organisationen nicht auf aktive kampfbereite Verbände auszudehnen. Sie machen sich damit nicht zuletzt auch selbst angreifbar: Sie übersehen, dass sie begonnen haben, ein anderes Kriterium der Gewerkschaftseigenschaft nach der Rechtsprechung selbst nicht mehr oder nur noch begrenzt zu erfüllen. Es ist das Kriterium der sog. „Gegnerfreiheit“. Nur solche Organisationen, die auch strukturell frei sind von unternehmerischem Einfluss gelten als Gewerkschaften. (…) Wie man sieht: Die DGB-Gewerkschaften stehen im Glashaus. Sie sollten sich selbst weit mehr als bisher fragen: Was macht eigentlich eine Gewerkschaft aus? Wie können wir wieder zum ursprünglichen Selbstverständnis der Gewerkschaften zurückfinden? Ist der praktische Beweis kollektiver Kampffähigkeit nicht das entscheidende Kriterium gewerkschaftlicher Arbeit?...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=24965
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