Vor 60 Jahren: Endlich Anspruch auf Lohn bei Krankheit [nach einem der längsten Streiks]

Kampf für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1958 in Peine. Foto: IG Metall-Zentralarchiv„… Der 1. Juli 1957 war ein wichtiges Datum für deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter: An diesem Tag vor 60 Jahren trat das Arbeiterkrankheitsgesetz in Kraft. Das Gesetz gestand Arbeitern zum ersten Mal in der Geschichte bei Krankheit einen Anspruch auf Unterstützung durch den Arbeitgeber zu, zunächst auf einen Zuschuss. Arbeiter, die wegen Krankheit nicht arbeiten konnten, bekamen früher Krankengeld von den Krankenkassen. Es war erheblich niedriger als der vorherige Lohn. Das Arbeiterkrankheitsgesetz verpflichtete die Arbeitgeber von jetzt an, die Beträge aufzustocken: zunächst auf 90 Prozent des Lohns ab dem dritten Fehltag, nach einer Gesetzesänderung 1961 auf 100 Prozent ab dem zweiten Fehltag – und zwar bis zu sechs Wochen lang. (…) 1956/57 hatten mehr als 34 000 Metallarbeiter in Schleswig-Holstein in einem monatelangen Arbeitskampf einen Tarifvertrag über eine Lohnfortzahlung erstritten. 114 Tage hatten sie dafür gestreikt. Es war der längste Streik seit 1905 und der drittlängste der Bundesrepublik. Dieser Arbeitskampf setzte den Bundestag unter Druck, das Thema endlich anzugehen. Und so entstand 1957 das Arbeiterkrankheitsgesetz…“ Themenbeitrag der IG Metall vom 30. Juni 2017 externer Link und dazu auch:

  • 50 Jahre Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – auch für Arbeiter New
    „Wer krank ist, der hat Lohnausfälle: So war es für Arbeiter lange in Deutschland. Während Angestellte im Krankheitsfall die volle Lohnfortzahlung erhielten, mussten Arbeiter für dieses Recht kämpfen. Ein Streik von rund 18.000 Metallarbeitern brachte 1957 einen ersten Erfolg. Die Gleichstellung kam 1970. (…) Ein erster Gesetzentwurf der SPD 1956 wurde im Bundestag abgelehnt mit der Begründung „zu teuer für die Wirtschaft“. Ein Jahr später aber bot sich eine günstige Gelegenheit – in der Tarifrunde von 1957. Erneut fordert die IG Metall die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Arbeiter. Reinhard Bispinck: „Und sie hat das dann in Schleswig-Holstein auch zum Arbeitskampf gebracht. Und das war jetzt kein Zufall, sondern das war die Werftindustrie. Die IG Metall war da hoch organisiert. Die Branche brummte. Und von daher war auch die Kampfkraft einigermaßen hoch und das war auch gut, denn es wurde fast vier Monate lang gestreikt.“ (…) Als härtester Arbeitskampf der Nachkriegsgeschichte gilt dieser Streik der Metallarbeiter bis heute. Er war der eigentliche Startpunkt für das viel spätere Bundesgesetz. Rolf Bender, damals unter den Streikenden in Kiel, erzählt in den 90ern der Rheinzeitung von der großen Solidarität: „Allein die IG Metall in Mannheim hat uns damals 3.000 Pakete mit Lebensmitteln nach Kiel geschickt.“ (…) Ohne die Bereitschaft, allein oder organisiert für ein Gesetz zu streiten, das allen Fest-Angestellten Lohnfortzahlung bei Krankheit garantiert, hätte das 50 Jahre junge Gesetz, um das es geht, kaum seine Form behalten können – und die Sicherheit geben können, die es derzeit noch bietet. Dass sich das je nach politischer Wetterlage ändern kann und streitbare Geister gefordert sind, davon ist der langjährige Leiter des Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung Reinhard Bispinck überzeugt: „Dafür gibt es viele empirische Belege, dass immer dann, wenn wir eine konjunkturelle Krise hatten, dieses Thema immer wieder hochkam. Und ich bin mir vergleichsweise sicher, wenn wir jetzt in ein konjunkturelles Tal rutschen, wenn die Arbeitslosigkeit ansteigen sollte, wird diese Diskussion um die Lohnfortzahlung wieder auf die Tagesordnung kommen, weil man dann nach Kompensation, nach Ausgleich sucht. Das heißt, wir werden diese Diskussion nicht das letzte Mal geführt haben.“ Beitrag von Katrin Sanders vom 1. Januar 2020 bei Deutschlandfunk externer Link Audio Datei (Audiolänge: ca. 19 Min., hörbar bis zum 19. Januar 2038)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=118282
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