Auf Kampfmittel verzichtet. Nicht wenig, nicht genug: 70 Jahre Montanmitbestimmung

Mitbestimmung!„… Fragen nach der Eigentumsordnung und Mitbestimmung blieben Kernanliegen der westdeutschen Arbeiterbewegung – auch des 1949 gegründeten Deutschen Gewerkschaftsbunds. In seinen »Wirtschaftspolitischen Grundsätzen« (Münchener Programm) forderte der DGB einen Dreiklang aus Mitbestimmung, Vergesellschaftung und gesamtwirtschaftlicher Planung in den Schlüsselindustrien. Auch wenn dessen Führung bereits ihre Treue gegenüber der neuen alten Ordnung bekundete, boten die Grundsätze Anknüpfungspunkte für fortschrittliche Reformvorhaben. (…) Der ausgehandelte Teilerfolg versprach einerseits die bereits angesprochene relativ weitreichende Mitbestimmung, brach diese letztlich aber aus dem Dreiklang im Münchner Programm heraus und isolierte damit die Forderungen nach Vergesellschaftung und gesamtgesellschaftlicher Planung langfristig. Auch eine Ausweitung der Mitbestimmung über die Montanindustrie hinaus gelang nicht. Obendrein: Adenauer strebte zu dieser Zeit die Wiederbewaffnung an. Noch sträubte sich die SPD. Im Gegenzug für die Montanmitbestimmung sollte der DGB Mobilisierungen gegen die Regierungspläne unterlassen. Trotz Fügsamkeit der Gewerkschaftsoberen wurde die Vereinbarung von Staatsseite aus gekippt, als 1952 das gewerkschaftsfeindliche BetrVG verabschiedet wurde. Zwei Jahre später positionierte sich der DGB, an dessen Basis die Wiederbewaffnung schon lange weitgehend auf Ablehnung stieß, offiziell gegen diese. Auf Streiks als Kampfmittel verzichtete er – erneut.“ Artikel von Michael Henkes in der jungen Welt vom 10.04.2021 externer Link – siehe dazu:

  • Kompromiss mit dem Klassenfeind: Am 7. Juni 1951 trat in der Bundesrepublik das Montan-Mitbestimmungsgesetz in Kraft New
    „Robert Schuman, ein französischer Staatsmann mit deutschen Wurzeln, schlug bereits fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Vereinigung der deutschen und französischen Schwerindustrie in der »Montanunion« vor. Wirtschaftlich ergab die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) durchaus Sinn. Die Kohle in Westdeutschland bildete so eine, wie man heute sagen würde, vertikale Lieferkette mit den Erzen in Frankreich. Im Laufe der 1950er-Jahre verlor die Montanunion jedoch an Bedeutung. Öl und Erdgas nahmen die Rolle der Kohle als Energieträger ein. »Damit das europäische Projekt nicht mit der Kohle an Wirkung und Bindekraft verlor«, analysiert der Heidelberger Politikwissenschaftler Eckart Stratenschulte heutzutage, »wurde die zuvor auf die Schwerindustrie beschränkte Integration auf die gesamte Wirtschaft ausgeweitet«. Gleiches gelang der Arbeiterbewegung zunächst nicht. Diese hatte sofort nach Kriegsende im Sommer 1945 in den Westsektoren verhindert, dass der Alliierte Kontrollrat die Schwerindustrie demontieren ließ. Der frühere Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, erinnert an die Geschichte: »Es waren deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich teilweise auf die Maschinen gesetzt haben, um das zu verhindern. Und die haben gesagt: Das eine haben wir verhindert, jetzt wollen wir auch über das, wie es weitergeht, mitbestimmen.« (…) Die Hans-Böckler-Stiftung feiert den Geburtstag der Montanmitbestimmung diesen Montagnachmittag unter dem Motto »Mitbestimmung sichert Zukunft« online mit einer Expertenrunde. Gratulieren dürfen Repräsentanten aller demokratischer Parteien. »Die Montanbestimmung ist die einzige Mitbestimmung, die ihren Namen verdient«, ist auch der linke Ökonom Heinz-J. Bontrup in Feierlaune. Hier könne weder Kapital noch Arbeit etwas alleine entscheiden, sagte er dem »nd«. »Man muss einen Konsens finden, sonst entscheidet ein Dritter, der Neutrale, im Aufsichtsrat«, so der Wirtschaftsprofessor der Universität Siegen. Dies diszipliniere beide Seiten im Aufsichtsrat, einen Kompromiss zu finden. »Ein Diktat des Kapitals ist hier ausgeschossen. Alle anderen Mitbestimmungsgesetze ermöglichen dagegen ein solches Diktat.« In den 1990er Jahren war Bontrup, der heute Sprecher der Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik ist, Arbeitsdirektor bei einer Thyssen-Tochter. »Leider gilt das Montanmitbestimmungsgesetz aber nur noch für gut 80 000 von rund 40 Millionen abhängig Beschäftigten«, gibt Bontrup aber zu bedenken. Das Gesetz sei im Laufe der Zeit zu einer Marginalie verkümmert.“ Artikel von Hermannus Pfeiffer vom 6. Juni 2021 in neues Deutschland online externer Link
  • Und wir empfehlen die Kritik (auch der GoG) im LabourNet-Archiv
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=188805
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