Studie zu (immer noch zu vielen) Workaholics in Deutschland: Rund zehn Prozent der Erwerbstätigen arbeiten „suchthaft“

Frohes Schaffen – Ein Film zur Senkung der ArbeitsmoralRund ein Zehntel der Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet suchthaft, ergibt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie auf Basis repräsentativer Daten von 8000 Erwerbstätigen. Von suchthaftem Arbeiten Betroffene arbeiten nicht nur sehr lang, schnell und parallel an unterschiedlichen Aufgaben, sie können auch nur mit schlechtem Gewissen freinehmen und fühlen sich oft unfähig, am Feierabend abzuschalten und zu entspannen. Führungskräfte zeigen überdurchschnittlich oft Symptome suchthaften Arbeitens. (…) Der Untersuchung zufolge arbeiten 9,8 Prozent der Erwerbstätigen suchthaft. Weitere 33 Prozent arbeiten exzessiv – aber nicht zwanghaft. 54,9 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten dagegen „gelassen“. Und eine kleine Gruppe arbeitet zwar nicht viel, aber zwanghaft...“ HBS-Meldung vom 25.05.2022 externer Link zur Studie von Beatrice van Berk, Christian Ebner und Daniela Rohrbach-Schmidt: Wer hat nie richtig Feierabend? Eine Analyse zur Verbreitung von suchthaftem Arbeiten in Deutschland externer Link in der Zeitschrift Arbeit 3/2022 vom April 2022 – siehe mehr zu einem unserer Lieblingsthemen:

  • Einige Workaholics sind unter uns. Eine Abschätzung der Verbreitung von suchthaftem Arbeiten in Deutschland
    „Und schon sind wir mittendrin in einem scheinbaren Generationenkonflikt, wenn wir sowas zu lesen lesen bekommen: »Viele junge Menschen verweigern sich der 40-Stunden-Woche. Manch einer hält uns deshalb für vergnügungssüchtig. Dabei wehren wir uns lediglich gegen eine Arbeitsmoral, die krank macht«, schreibt Lea Schönborn unter der Überschrift Teilzeit ist nicht gleich Aperol-Zeit externer Link. Sie zählt sich zu dieser „Generation Z“, also den nach 1995 Geborenen. Denen eile, so die Autorin, »auf dem Arbeitsmarkt der Ruf voraus, sich vor allem um ihre Work-Life-Balance zu sorgen.« Und sie zitiert: »Studien belegen: Der jungen Generation ist freie Zeit mindestens genauso wichtig wie Erfolg im Job, die Work-Life-Balance hat bei der Wahl eines Arbeitgebers einen hohen Stellenwert … Jugendliche wollen ungern Überstunden für die Karriere ableisten und genauso wenig am Wochenende arbeiten – sogar, wenn sie dafür einen entsprechenden Ausgleich bekommen würden. Und ja, auch Teilzeit finden viele von uns attraktiv.« Aber, so Schönborn, das bedeute nicht, dass man faul sei, sondern: »Stattdessen heißt es einfach nur, dass wir unser Wohlbefinden priorisieren – bevor es zu spät ist.« Sie schreibt dann weiter von einem angeblichen „Missverständnis zwischen den Generationen“.
    Und wer ist die andere Generation? Man ahnt es schon, vor allem diese Baby Boomer: »Viele Menschen jenseits der 40 haben hart geschuftet, um sich ihre Position zu verdienen. Daraus folgern sie: Die Neuen auf dem Arbeitsmarkt müssen mindestens genauso hart arbeiten wie wir, damit sie es verdient haben, irgendwann – wenn sie älter sind –, ein gutes Leben zu führen.« Und schnell werden abgrenzende Zerrbilder an die Wand geworfen von „den Älteren“: »Unsere Werte haben sich verschoben im Vergleich zu denen der vorherigen Generationen. Wir brauchen keine Statussymbole, keine fetten Autos und ausladenden Vorstadtvillen.« Man muss nicht besonders begabt sein, um zu verstehen, dass die unterstellten Werte sicher nur für einen Teil der Älteren gelten und ebenfalls übergriffig ist es, „die“ Jüngeren unter so einem Dach zu vereinen: »Wir wollen in der Gegenwart leben. Ich will mich nicht aus Liebe zum Job oder um der Weltrettung willen in den Burn-out arbeiten.« Und sie schlussfolgert: »Wir Jungen haben einen Vorsprung, weil wir wissen, wie wir nicht leben wollen. Wir haben gesehen, wohin es führt, wenn sich unsere Eltern kaputt arbeiten: Burn-out und sehnsüchtiges Warten auf die Rente. Deshalb wollen wir lieber jetzt glücklich sein.«
    Nein, hier soll jetzt keine Grundsatzdebatte eröffnet werden, ob das nicht ein sehr oberflächlicher, mit zahlreichen Klischees gepflasterter Blick auf einen kleinen Teil der Welt ist, den man sich leisten können oder der von anderen mit ihrer Arbeit ermöglicht werden muss. Hier soll stattdessen vor dem Hintergrund der vorgetragenen Klage, was „zu viel Arbeit“ auslösen kann, der Blick gerichtet werden auf Ergebnisse einer neuen Studie, die sich mit einer Gruppe beschäftigt, die gleichsam Rekorde aufstellt, wenn es um Arbeitsvolumina geht – und die tatsächlich neben ihrer Funktionalität für eine lange und intensive Erwerbsarbeit ausgerichteten Gesellschaft oftmals auch einen individuellen Tribut zahlen muss für das, was sie geleistet haben, wie das bei vielen anderen Suchterkrankungen auch der Fall ist, bei dem langandauernder Konsum zu schweren körperlichen Schäden führt bzw. führen kann…“ Beitrag vom 27. Mai 2022 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Siehe vom Mai 2019: Irgendwann kommt für uns alle der Ruhestand – und was passiert dann? Götz Eisenberg fordert eine Detox-Kur gegen die Arbeitssucht
  • Siehe auch die Rubrik im LabourNet-Archiv: Arbeitssucht v.a. mit den Arbeiten von Prof. Dr. Holger Heide vom Institut für sozialökonomische Handlungsforschung (SEARI), zu „Arbeitssucht in der Arbeitsgesellschaft“ und u.a.:
    • Arbeitssucht – individuelle und sozialökonomische Dimensionen
      Vortrag von Holger Heide gehalten auf der Fachtagung „SUCHT 2000“ der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren in Karlsruhe, 13. – 15. November 2000
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=201179
nach oben