Reale Barbarei: Warum es keine Reorganisation des Kapitalismus gibt – und was droht, wenn wir das nicht zur Kenntnis nehmen.

Kapitalismuskritik„Gegenwärtig kursiert innerhalb emanzipatorischer und akademischer Milieus die Vorstellung, die anhaltende globale Eskalation von Kriegen, ökologischer Krise und geopolitischer Polarisierung markiere keine finale Krise des Kapitalismus, sondern lediglich eine brutalisierte Form seiner erfolgreichen Reorganisation auf neuer Basis (Digitalisierung, globales Krisenmanagement, multipolare Regulierung). Das ist gefährlich illusionär und verkennt die Tiefe der Krise, verwechselt chaotische Zersetzung mit »strategischer Reorganisation« – und klammert aus, was nicht ins Hoffnungsschema passt: die Eskalationslogik kapitalistischer Reproduktion, die strukturelle Ohnmacht bürgerlicher Steuerung – sowohl gesamtwirtschaftlich (Zusammenbruch der WTO) als auch politisch (Lähmung und Bedeutungsverlust der UNO, Faschisierung) – und das (aktuelle) Fehlen jeder relevanten international organisierten revolutionären Gegenmacht…“ Artikel von Andreas Buderus in der jungen Welt vom 15. September 2025 externer Link und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Artikel von Andreas Buderus in der jungen Welt vom 15. September 2025 externer Link: „(…) Das heutige globale kapitalistische Reproduktionsregime ist nicht einfach eine neue Variante des Neoliberalismus oder eine technologische Übergangsformation. Es stellt die final parasitäre Phase der global durchgesetzten Kapitalverwertung dar – ein Stadium, in dem Akkumulation nicht mehr über produktive oder kriegerische Marktausweitung, sondern nur noch über Zerstörung, Enteignung, finale Vernutzung sämtlicher natürlicher und globaler Ressourcen und Entwertung funktioniert. Das richtet sich direkt gegen die übergroße Mehrheit der Abhängigen und Unterdrückten, der Arbeiter, Clickworker, Subsistenzbauern, kleinen Selbständigen und Handwerker und Marginalisierten weltweit, die, wenn sie nicht mehr in der Mehrwertproduktion vernutzt werden können, als kapitalistische »Überbevölkerung« betrachtet werden. Dies betrifft aktuell die als »überflüssige Bevölkerung« identifizierten und abqualifizierten Menschen im Gazastreifen, im Jemen, in der Subsahara, im Kongo und weiten Teilen Lateinamerikas. Für diese ist im kapitalistischen Weltsystem kein Platz mehr, und sie werden durch Kriege und Massaker immer weiter dezimiert. Konsequenterweise richtet sich dann auch genau gegen diese Menschen als Flüchtende die zunehmend militärische Abschottung der USA und der »Festung Europa«. (…)
    These 1: Was als »Reorganisation« erscheint, ist das final parasitäre Stadium des global durchgesetzten kapitalistischen Reproduktionsregimes. (…)
    These 2: Der Nationalstaat kann keine kapitalistische Reorganisationsinstanz mehr sein. (…)
    These 3: Die globale ökologische und klimatische Verwüstung ist kein Kollateralschaden, sondern finale Funktion. (…)
    These 4: Es gibt kein »Ende der Geschichte« – aber auch keine kapitalistische Zukunft. (…)
    These 5: Die multipolare Welt ist keine Alternative, sondern Ausdruck imperialistischer Generalmobilmachung. (…)
    These 6: Der heutige Imperialismus bestätigt Lenins Analyse – mit Zeitverzögerung. Lenins Charakterisierung des Imperialismus war in ihrer Tendenz richtig, aber zeitlich verfrüht (…)
    These 7: Revolutionäre Perspektive statt linksliberaler scheinemanzipatorischer Lagerpolitik. Die Aufhebung des selbstmörderischen Widerspruchs kann nicht darin liegen, sich in das eine oder andere geopolitische Lager oder die eine oder andere von den Herrschenden angebotene Illusion von »Völkerrecht«, »regelbasierter Ordnung«, »feministischer Außenpolitik«, »Green New Deal«, »Identitätspolitik« oder »Antifaschismus« zu flüchten. (…)
    Statt dessen muss gelten: präzise Markierung des zunehmend offen zu Tage liegenden parasitären und zerstörerischen Charakters des Kapitalismus – ohne Illusionen in und auf Reform oder demokratisch-ökologische Reorganisation; Aufbau internationaler revolutionärer Organisationen, die keiner nationalen Bourgeoisie und keinem der supranationalen Machtblöcke verpflichtet sind, sondern einzig und allein dem Klasseninteresse der Arbeiterinnen und Arbeiter, Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit; Analyse und Benennung des global tobenden Krieges nicht nur als »moralische Katastrophe«, sondern als zwingender ökonomischer Ausdruck kapitalistischer Reproduktion und Verwertungslogik in ihrer parasitären und faulenden imperialistischen Endphase – und Überführung dieser Analyse in eine konkrete Praxis des »revolutionären Defätismus«. (…)
    Revolutionärer Defätismus bedeutet, den global tobenden Krieg nicht nur als »moralische Katastrophe« zu kritisieren, sondern als ökonomisch notwendigen Ausdruck der kapitalistischen Verwertungslogik. Daraus ergibt sich eine konkrete Praxis: die Untergrabung des Burgfriedens in den Metropolen, die Weigerung, nationale Kriegsziele mitzutragen, die Verbindung sozialer Kämpfe im Alltag mit dem internationalen Widerstand gegen Krieg und Barbarei. Die Konsequenz lautet: Bruch statt Anpassung.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=230649
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