Oxfams Studie zu sozialer Ungleichheit: 12 Milliarden Stunden (Frauen)Arbeit – ohne bezahlt zu werden

Dossier

Lunapark21: Unbezahlte Care-Arbeit – ein „öffentliches“ Gut?„Kinder betreuen, Angehörige pflegen und für den Haushalt sorgen – dies ist unersetzlich für die eigene Familie, aber auch für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Den Löwenanteil dieser Arbeit übernehmen noch immer Frauen und Mädchen – häufig ohne Wertschätzung. Unsere neueste Studie zu sozialer Ungleichheit zeigt: Weltweit leisten Frauen und Mädchen täglich weit über 12 Milliarden Stunden Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit – unbezahlt. Würde man ihnen auch nur einen Mindestlohn für diese Arbeit zahlen, wären das umgerechnet über 11.000.000.000.000 (das sind übrigens Billionen) US-Dollar pro Jahr. Oder anders ausgedrückt: „Weltweit erbringen Frauen und Mädchen jedes Jahr Pflege- und Sorgeleistungen, die das Vermögen der Superreichen bei Weitem übersteigen. Doch während der Reichtum der Einen ins schier Unermessliche steigt, leben Frauen häufiger in Armut.“ (Dr. Ellen Ehmke, Analystin für soziale Ungleichheit bei Oxfam) Dieses Missverhältnis schafft und verschärft soziale Ungleichheit: Frauen sind im Schnitt schlechter ausgebildet als Männer, verdienen weniger und besitzen weniger Vermögen. Ganz konkret: Weltweit besitzen Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Frauen verdienen im Schnitt 23 Prozent weniger. Frauen sind häufiger von extremer Armut betroffen, insbesondere in dem Alter, in dem sie Kinder bekommen und versorgen. Die bittere Wahrheit ist: So bereichernd Pflege- und Fürsorgearbeit für die Gesellschaft ist, so arm macht sie viele Frauen, die sie leisten. Das muss sich ändern…“ Meldung von und bei OXFAM Deutschland vom 20. Januar 2020 externer Link, siehe weitere Beiträge zur Frauenarbeit und Wohlstands-Kluft im neuen Dossier:

  • Das bisschen Haushalt – Who cares?
    „Hast Du Dich schon mal gefragt, wieviel Zeit Du in Deinem Leben mit Waschen, Putzen, Kochen verbringst? Damit, Deine Kinder zur Schule zu bringen oder Deine Verwandten im Alter zu pflegen? All das ist Arbeit, die täglich überall auf der Welt geleistet wird. Größtenteils von Frauen. Fast immer unbezahlt. Und oft kaum wertgeschätzt. Wusstest Du zum Beispiel, dass der finanzielle Wert der von Frauen geleisteten Hausarbeit, Pflege und Fürsorge mindestens 11.000.000.000.000 (das sind übrigens Billionen) US-Dollar pro Jahr beträgt? Was das Ganze mit Dir zu tun hat? Finde es heraus und starte Deine interaktive Reise!…“ Eine sehr erhellende interaktive Reise von und bei OXFAM vom Januar 2020 externer Link
  • Die Wohlstands-Kluft zwischen Männern und Frauen
    „… Kurz vor dem Beginn der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos legt die Hilfsorganisation Oxfam ihren Ungleichheitsbericht vor. Auch in diesem Jahr warnt sie darin, dass der Unterschied zwischen Arm und Reich in der Welt weiterhin dramatisch hoch sei und die Vermögenskonzentration an der Spitze im vergangenen Jahr erneut zugenommen hat. Doch in diesem Jahr sticht ein Aspekt des Reports besonders hervor: Die finanzielle Kluft zwischen Männern und Frauen. (…) Um diese finanziellen Ungleichheiten zukünftig auszuräumen fordert Oxfam, mehr in öffentliche Kinderbetreuung und soziale Absicherung zu investieren, sowie weltweit Frauenrechte und -organisationen zu stärken – vor allem in ärmeren Ländern, wo Oxfam zufolge die Unterschiede zwischen den Geschlechtern noch weitaus dramatischer sind. In ländlichen Gebieten ärmerer Länder verbringen Frauen täglich bis zu 14 Stunden mit Pflege- und Fürsorgearbeit, wie Oxfam berichtet. Auf die Frage, wer die Kosten für entsprechende Programme tragen soll, hat die NGO ebenfalls einen Vorschlag: In Deutschland und auf der ganzen Welt müssten Konzerne und Menschen mit sehr großem Vermögen einen fairen Anteil zum Allgemeinwohl beitragen: „Die Bundesregierung muss sich für eine weltweite Mindeststeuer einsetzen und Entwicklungsländer dabei unterstützen, Konzerne stärker zu besteuern“, so Oxfam. Auch in reicheren Ländern wie Deutschland verschärfe die vornehmlich von Frauen geleistete Fürsorgearbeit die Ungleichheiten im Wohlstand. Solange es nicht ausreichend öffentlichen Angebote gebe für etwa Kinderbetreuung, könnten in Familien mit hohem Einkommen beide Eltern viel früher wieder arbeiten gehen als in Familien mit niedrigerem Einkommen. Dadurch werde die Ungleichheit zwischen Haushalten noch weiter vertieft, warnt Oxfam. Hier sieht auch das WEF weiterhin Handlungsbedarf: Um die nach wie vor großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Wirtschaft zu vermindern, sei eine schnelle Reduzierung der Gehalts- und Einkommenslücke notwendig, forderte das WEF. Auch eine längere Elternzeit für Väter würde zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen.“ Beitrag von Katja Joho vom 20. Januar 2020 bei der WirtschaftsWoche online externer Link
  • [Interview] Philosophin Federici: Die unbezahlte Arbeit von Frauen ist Milliarden wert – das Vermögen haben aber andere
    “Weltweit leisten Frauen und Mädchen täglich über 12 Milliarden Stunden Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit – unbezahlt. Würde man ihnen nur einen Mindestlohn dafür zahlen, wären das umgerechnet über 11.000.000.000.000 US-Dollar pro Jahr. (…) Kontrast: Warum wird reproduktive Arbeit in unserer Gesellschaft noch immer so wenig geschätzt? Federici: Weil es der kapitalistischen Klasse Milliarden erspart hat. Wie wäre das, wenn all die Leistungen, die Frauen kostenlos verrichtet haben, bezahlt hätten werden müssen? Damit meine ich all die Leistungen, die nötig sind, um es Menschen zu ermöglichen, um sieben Uhr morgens aus dem Haus zu gehen und um sieben am Abend wieder zurückzukommen. Oft scheint es so, als wäre der gesamte Wohlstand in der Welt von Männern erarbeitet – von der sogenannten Arbeiterklasse. Aber hinter all diesen Männern standen immer unsichtbare, ungewürdigte und unbezahlte Frauen. Viele von ihnen befanden sich auch in gefährlichen Situationen, denn es ist schwierig, einen gewalttätigen Mann zu verlassen, wenn man finanziell abhängig von ihm ist. Daher hängt reproduktive Arbeit auch mit häuslicher Gewalt zusammen. Kontrast: Also beeinflusst der Kapitalismus auch unser privates Leben? Federici: Ganz eindeutig, denn es gibt kein privates Leben. Die Idee von Privatsphäre ist ein Mechanismus, um zu verschleiern, dass die Familie eine Fabrik ist. Die Familie ist Teil des kapitalistischen Fließbands – und zwar jener Teil, der die Arbeiter und Arbeiterinnen produziert. Die Familie produziert täglich und über Generationen die Fähigkeit der Menschen zu arbeiten, denn Menschen sind ja nicht immer fähig dazu. Wenn man komplett zerstört nach Hause kommt, dann braucht man jemanden, der einen wieder zusammensetzt – zum Beispiel mit Essen, Sex oder Trost. Kontrast: Was sind alternative Organisationsformen für reproduktive Arbeit? Federici: Ich sehe reproduktive Arbeit als ein kollektives Projekt, das wir sozialer und kooperativer gestalten müssen. Dabei denke ich zum Beispiel an die Kooperation in der Kinderbetreuung oder in der Essenszubereitung. Wie das genau ausschauen soll, müssen wir diskutieren, aber wir werden schon einen Weg finden. Es gibt kein richtiges Modell. Wichtig ist, dass diese Arbeit gemeinsam erledigt wird – auch gemeinsam mit Männern. Zwar gibt es vielleicht bestimmte Tätigkeiten, für die Frauen besser geeignet sind oder die sie lieber machen, aber wir sollten nicht annehmen, dass Fürsorge grundsätzlich weibliche Arbeit ist. Und natürlich braucht diese Arbeit auch die notwendigen Ressourcen. …“ Interview von Isabel Frey mit Silvia Federici vom 21.01.2020 bei Kontrast.at externer Link
  • Ausbeutung ist männlich: Simon Poelchau über den aktuellen Oxfam-Bericht sowie vermeintliche Haupt- und Nebenwidersprüche
    „Manch ein Traditionslinker tut feministische Kämpfe um Gleichstellung gerne als Nebenwiderspruch ab. Stattdessen geht es ihm darum, den angeblichen Hauptwiderspruch, den zwischen Kapital und Arbeit, zu überwinden. Der aktuelle Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam zeigt aber, dass Kapitalismus und Sexismus in Wirklichkeit weitaus enger miteinander verwoben sind, als manch einer es wahrhaben will. Die kapitalistische Produktionsweise würde nämlich nicht ohne die kostenlose Ausbeutung von Frauen funktionieren. Frauen leisten täglich weltweit über zwölf Milliarden Stunden unbezahlter Arbeit, indem sie zu Hause kochen, putzen, Kinder aufziehen und sich um kranke Verwandte kümmern. Würde diese Arbeit bezahlt, würde der Kapitalismus nicht funktionieren. Die Folge für Frauen auch hierzulande: Ihr Arbeitstag hört nicht auf, wenn sie nach Hause kommen, sie verdienen weniger, kriegen eine geringere Rente, sind häufiger von Armut betroffen und oft genug noch finanziell von Männern abhängig. Gleichzeitig besitzen Männer weltweit 50 Prozent mehr an Vermögen und profitieren so von dieser Ungleichheit. Bei Ungleichheit geht es also nicht nur um arm oder reich. Es ist auch eine Frage des Geschlechts. Und Ausbeutung ist männlich.“ Kommentar von Simon Poelchau vom 20. Januar 2020 bei neues Deutschland online externer Link
  • Siehe auch aktuell im LabourNet Germany: Ist es radikal, alle Care-Arbeit selbst zu erledigen? Viele Frauen können nur deshalb Karriere machen, weil sie Haushalt und Fürsorge auslagern – an weniger privilegierte Frauen
  • Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: Debatte um Ungleichheit und Umverteilung
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161620
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