[Rezension] Das Märchen vom Sparzwang: Die italienische Ökonomin Clara E. Mattei entlarvt Austerität als ideologische Erfindung gegen die Arbeiterklasse

Austerity kills„… Auf die Frage, wie genau Sparmaßnahmen und der Aufstieg rechter Kräfte zusammenhängen, hat Clara E. Mattei eine verstörend klare Antwort gefunden. Ihr bereits 2022 im Original erschienenes Buch »Die Ordnung des Kapitals« zeigt deutlich auf, »wie Ökonomen die Austerität erfanden und dem Faschismus den Weg bereiteten«. Mattei legt nun in deutscher Übersetzung eine akribisch recherchierte Genealogie der Sparideologie vor – und eine Warnung vor deren politischen Konsequenzen. (…) Austerität dient nicht der volkswirtschaftlichen Vernunft, sondern dem Schutz kapitalistischer Machtverhältnisse. Das Kürzen sozialer Leistungen – von Bildung über Arbeitslosengeld bis zur Infrastruktur – folgt einem Muster, das sich vom Italien der Zwanzigerjahre bis zum Griechenland der Finanzkrise 2010 nachzeichnen lässt…“ Aus der Rezension von Maren Romstedt vom 14. August 2025 in Neues Deutschland online externer Link und mehr daraus/dazu:

  • Weiter aus der Rezension von Maren Romstedt vom 14. August 2025 in Neues Deutschland online externer Link: „… Doch nicht die Politik oder die Regierenden allein waren dafür verantwortlich – es waren die Ökonomen, die die Austerität erfanden. Basierend auf Archivmaterial der Banca d’Italia, des De’-Stefani-Archivs, der Bank of England und des Churchill Archives Center rekonstruiert Mattei minutiös, wie Ökonomen wie Ralph Hawtrey oder Luigi Einaudi die Sparpolitik als alternativlose Notwendigkeit darstellten. Das Bild, das sich aus den Quellen ergibt, ist ernüchternd: eigentliches Ziel der Austerität war die Disziplinierung der Arbeiter*innenschaft und die Stabilisierung der Klassenverhältnisse unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Rationalität. Wirtschaftsfragen sollten »entpolitisiert« und ideologiefrei behandelt werden – ein Trugschluss, denn hinter der vermeintlich objektiven ökonomischen Vernunft stand die Ideologie des Kapitals. Mattei zeigt eindrücklich auf, welcher Stereotyp von der Arbeiter*innenschaft in den Köpfen dieser Ökonomen vorherrschte: allgemeine Faulheit und Eigenverantwortung für die wirtschaftliche Misere aufgrund unproduktiven Arbeitens. Diese Narrative klingen erschreckend vertraut – sie erinnern an Diskurse über Griechenland in den 2010er Jahren oder über heutige Debatten über Bürgergeldempfänger*innen in Deutschland. Das wahre Gesicht der Austerität wird in den historischen Quellen schonungslos enthüllt: Es ging weder um Inflationsbekämpfung noch um Haushaltsstabilisierung, sondern um die Sicherung der Profite durch Einschränkung des Binnenkonsums und systematische Lohndrückung. Auf diese Weise sollte billig exportiert und es konnten schnelle Gewinne erzielt werden. Arbeitslosigkeit wurde in den Dokumenten mehrfach als »notwendiges Übel« bezeichnet – ein Instrument, das die Arbeiter*innen diszipliniert, jeden Lohn zu akzeptieren und Widerstand effektiv verhindert. (…) Matteis Warnung erinnert an Max Horkheimer Diktum von 1939: »Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.« In einer Zeit, da sich rechte Bewegungen europaweit im Aufwind sehen und die Austeritätspolitik als alternativlos gepriesen wird, ist diese historische Lektion von beunruhigender Aktualität. Dagegen hilft die Einsicht, dass es sich bei der Austeritätspolitik um eine politische Entscheidung handelt, mit verhängnisvollen Konsequenzen. Matteis akribische Rekonstruktion ihrer Entstehungsgeschichte zeigt: Das vermeintlich Unabwendbare ist menschengemacht – und damit auch veränderbar.“
  • „Die Ordnung des Kapitals: Wie Ökonomen die Austerität erfanden und dem Faschismus den Weg bereiteten“ von Clara E. Mattei erschien in der Übersetzung von Thomas Zimmermann 2025 bei Brumaire zum Preis von 22 Euro (586 Seiten) – eins der wichtigsten Bücher für linke wirtschaftliche Alternativen in der letzten Zeit  – oder wie Thomas Piketty schreibt: „Ein Must-Read, mit wichtigen Lehren für die Zukunft“

Siehe zum Thema von vielen:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=230090
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