Gefährliche Gleichmacherei

Arbeit&Wirtschaft 6/16 mit dem Schwerpunkt Neoliberalismus„Alle sollen so wettbewerbsfähig werden wie der Exportweltmeister Deutschland: Diese Forderung ist ökonomisch unsinnig. In der im Jahr 2008 schlagend gewordenen Finanzkrise und in der darauffolgenden Wirtschaftskrise rückte eine lange Jahre vernachlässigte Tatsache ins Zentrum der Aufmerksamkeit: nämlich dass sich innerhalb der Eurozone große Unterschiede entwickelten. In der Wirtschaftssprache werden diese „makroökonomische Ungleichgewichte“ genannt, die nicht unwesentlich zur Krise beitrugen. Eines dieser Ungleichgewichte betrifft die Zahlungsbilanzen. Einige Länder, allen voran Deutschland, aber auch kleinere Länder wie die Niederlande und Österreich, erwirtschaften regelmäßig zum Teil riesige Überschüsse, was im Wesentlichen bedeutet, dass sie mehr exportieren als importieren. Andere Länder, wie zum Beispiel Spanien, Portugal oder Italien, verzeichnen dagegen Defizite, ihre Einfuhren übersteigen also ihre Exporte.
Die öffentliche Meinung – dominiert vom neoliberalen Mainstream in der Ökonomie – hat rasch eine simple und auf den ersten Blick auch einleuchtende Erklärung zur Hand: Die Defizitländer würden schlechter wirtschaften, sie seien weniger effizient und nicht so fleißig, deshalb zu teuer und zu wenig wettbewerbsfähig. Sie würden über ihre Verhältnisse leben und Schulden anhäufen. (…) Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist (…) nur dann ein sinnvolles Konzept, wenn diese nicht nur in Außenhandelsstatistiken ihren Niederschlag findet, sondern wenn sie auch den Wohlstand der Bevölkerung erhöht. Es ist gut, wenn hochproduktive und leistungsfähige Volkswirtschaften viel exportieren. Aber dies muss sich in kaufkräftiger Binnennachfrage, in Einkommen und Realkapitalinvestitionen niederschlagen. Denn dann wird auch mehr importiert, und die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte halten sich in Grenzen…“
Beitrag von Thomas Delapina, Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, vom 12. August 2016 bei arbeit-wirtschaft.at externer Link aus Arbeit&Wirtschaft 6/16 mit dem Schwerpunkt Neoliberalismus

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