EuGH stärkt AirBnB: Erhalt von Wohnraum verstößt gegen das EU-Recht

5.000 Menschen in London für Recht auf Wohnen„Kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember 2019, erging ein fatales Urteil für Mieter*innen in der EU. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) vereitelte den Versuch Frankreichs, AirBnB schärfer zu regulieren. (…) Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte Klage gegen AirBnB erhoben, weil der Konzern ohne eine Maklerlizenz Immobilien vermittelte. AirBnB dagegen bestritt, als Immobilienmakler tätig zu sein. Das französische Makler-Gesetz (Loi Hoguet) sei nicht auf AirBnB anwendbar, weil dies mit der E-Commerce-Richtlinie kollidiere. In seinem Urteil vom 19. Dezember 2019 schloss sich der EuGH der Argumentation von AirBnB an. Der Konzern erbringe einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ nach der E-Commerce-Richtlinie und genieße die grenzüberschreitende Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt. Das französische Recht sei daher nicht anwendbar. Für Städte, die gegen die grassierende Umwandlung in Ferienwohnungen ankämpfen, ist das EuGH-Urteil ein „herber Rückschlag“, wie der Österreichische Städtebund kritisiert. Bereits im Vorfeld der Entscheidung hatte ein Bündnis von zehn europäischen Städten, darunter Berlin, München, Wien, Amsterdam, Barcelona, Brüssel und Paris, in einem offenen Brief vor den Folgen eines negativen Urteils gewarnt. Doch vergeblich. Denn den erforderlichen Zugriff auf AirBnBs Vermietungsdaten hat das Luxemburger EU-Gericht nun nahezu unmöglich gemacht. Das dürfte sich auch negativ auf Gerichtsverfahren in Deutschland auswirken…“  Beitrag von Jana Mattert und Thomas Fritz (Attac AG De-Privatisierung) vom Januar 2020 externer Link – siehe daraus zudem:

  • „… Im Dezember 2018 schöpften deutsche Städte kurzzeitig Hoffnung, weil das Münchener Verwaltungsgericht eine Klage von AirBnB Irland gegen ein Auskunftsverlangen der Stadt München abgewiesen hatte. Nach diesem Urteil wäre der Konzern verpflichtet gewesen, die geforderten Vermietungsdaten der Münchener Verwaltung zu übermitteln. Doch aufgrund von Zweifeln am Münchener Urteil ließ der Bayrische Verwaltungsgerichtshof im August 2019 AirBnBs Berufung zu. In ihrer Begründung verwiesen die bayrischen Richter*innen auf das Telemediengesetz, mit dem die E-Commerce-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wurde. Weil der Herkunftsstaat Irland für die Kontrolle von AirBnB zuständig sei, dürften andere EU-Staaten nur im begründeten Einzelfall die Dienstleistungsfreiheit des Konzerns einschränken, so die Richter*innen. Tatsächlich heißt es im Telemediengesetz, dass ein Diensteanbieter nur „im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen“ darf. Voraussetzung dafür ist, so der Verwaltungsgerichtshof, ein auf konkrete Personen oder Wohnungen bezogener Anfangsverdacht, den die Stadt München jedoch nicht erbracht habe. Letztlich fordern die Richter*innen damit die Quadratur des Kreises. Denn um solche konkreten Verdachtsfälle zuverlässig entdecken zu können, bräuchten die Städte den Zugriff auf die Vermietungsdaten, den sie aber nicht erhalten. Zwar steht die Entscheidung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs noch aus, doch nach dem EuGH-Urteil erscheint es kaum noch möglich, dass München das Auskunftsverlangen gegenüber AirBnB wird durchsetzen können. Denn nun ist das bayrische Gericht auch noch an das fatale Urteil aus Luxemburg gebunden. (…) Mit seiner Datenblockade kannibalisiert AirBnB aber nicht nur Wohnraum, sondern beschert den öffentlichen Kassen auch noch Verluste. Die Anonymität der Wohnungsinserate auf seiner Plattform erlaubt all den unseriösen Anbieter*innen nämlich die massenhafte Vermeidung von Einkommen-, Gewerbe- oder Übernachtungssteuern. (…) Das AirBnB-Urteil des EuGH unterminiert daher nicht nur den Kampf gegen Zweckentfremdung, sondern auch gegen Steuerbetrug…“ – Letztlich müsste die E-Commerce-Richtlinie geändert werden; diese war ja die maßgebliche Basis der EuGH-Entscheidung.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160186
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