Eine Kehrtwende: Europa auf dem Weg zu einer Wirtschafts- und Finanzunion?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30.5.2020 – wir danken!

Wie es allenthalben erst einmal „quietscht“bei dieser Kehrtwende für Europa zu mehr Gemeinsamkeit, der dennoch auch ein großer Moment für Europa werden könnte. Mei, die Kehrtwende für Europa von Merkel und Macron bleibt jetzt hochaktuell, besonders weil die EU-Kommission jetzt noch auf 750 Milliarden aufgestockt hat (https://taz.de/EU-Rettungsplan-in-der-Coronakrise/!5685085/ externer Link) So bleibt es, wie Ulrike Herrmann schreibt, jetzt doch ein großer Moment für Europa. Aber – so schreibt sie weiter: Die großen Fortschritte finden für Europa in der Krise statt.

So wird die Coronapandemie für Europa eben auch ein Chance

Für die Europäische Union, um gemeinsam weiter voran zu kommen, waren zwei zentrale Fragen zu lösen: Wie kann ein Wiederaufbaufonds zur Finanzierung der Krise innerhalb der Verträge konstruiert werden, ohne die Schulden zu vergemeinschaften – und ohne in den hochverschuldeten Staaten (des Südens) weitere Schulden anzuhäufen? (https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-krise-angela-merkel-ursula-von-der-leyen-1.4922663?reduced=true externer Link)

Scholz, der deutsche Finanzminister, und Le Maire, der französische Finanzminister (https://www.handelsblatt.com/politik/international/bruno-le-maire-im-interview-die-zukunft-der-eu-als-politischer-kontinent-als-wirtschaftsmacht-steht-auf-dem-spiel/25742266.html externer Link), entwickelten die Idee des Eigenmittelfonds im EU-Haushalt – und konnten so dieses Problem angehen. Scholz hielt Kontakt zu Kanzlerin Merkel, traf sie auch persönlich. Le Maire tat das Gleiche mit dem französischen Präsident Macron. Und der stimmte sich wiederum mit Scholz ab. Im Hintergrund sprach man auch mit der EU-Kommission, die ja auch frühzeitig für diesen Plan gewonnen werden sollte.

Trotzdem zögerte Merkel – schließlich waren es ja neue, bisher „unbegangene“ Wege – und sagte erst „Ja“, als sie sicher sein konnte, dass auch wichtige Stützen aus CDU und CSU mitgehen würden.

Von der Leyens Kommission übernahm dann die Struktur des Vorschlages – und erhöhte ihn noch um 250 Milliarden Euro – wohl auch als Zugeständnis an diese „sparsamen Vier“. (siehe dazu weiter unten) (https://taz.de/Wiederaufbaufonds-fuer-die-EU/!5687074/ externer Link)

Die zukünftige Finanzierung kann ja durchaus durch eine eigene Finanzierung der Europpäischen Union – endlich! – z.B. über eigene Steuern gewährleistet werden, wie der Haushaltskommissar noch vorschlägt. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-hilfsprogramm-1.4922317?reduced=true externer Link)

Fährt die Kanzlerin damit auf SPD-Kurs? Oder doch nur gewohnt zaghaft vorsichtig auf einem „Überlebenskurs“ für eine gemeinsame Europäische Union, die dann auch für eine europäische Mehrheit zukunftsfähig wird? Jedenfalls noch ist nichts gewonnen – und es wird auch sehr viel an der deutschen Kanzlerin Merkel liegen – und ob sie die EU-Ratspräsidentschaft für einen derartigen Ausbau der EU nutzen wird und kann? (https://taz.de/!5686807/ externer Link) Jetzt also zunächst doch weiter auf dem Weg für eine zukunftsfähige Europäische Union.

Und es wird jetzt auch wirklich deutlich, wie dieser aktuelle Schritt nur ein erster Schritt sein kann. Gemäß einiger KommentatorInnen werden die draufgesattelten 250 Milliarden Euro zunächst ohnehin im weiteren Clinch um die Finanzierung für diese „sparsamen Vier“ wieder geopfert werden – obwohl die EU damit, um zukunftsfähig zu werden, noch immer weit unterfinanziert sein wird.

Längst Notwendiges für ein gemeinsames Europa – eine Wirtschafts- und Finanzunion hin zu einer echten Währungsunion wird jetzt durch die Krise – in einem ersten Ansatz – möglich: Europa – nach einer Kehrtwende in Deutschland – doch noch auf dem Weg zu einer Wirtschafts- und Finanzunion?

Wer kann das jetzt auch schon so in seiner ganzen politischen Tragweite für die Zukunft Europas nachvollziehen? Denn dies wäre jetzt fast zu schön, um wahr zu sein: hat Merkel (mitsamt der GroKo (= FiMi Scholz) und zusammen mit Macron aus Frankreich es jetzt hinbekommen eine Vision für Europa zu schaffen? (https://lostineu.eu/scholz-hat-eine-vision/ externer Link)

Zunächst also zusammen mit einer Kehrtwende von Kanzlerin Merkel — und Cerstin Gammelin erklärt warum: „Nur wenn Europas Binnenmarkt wieder läuft, geht es auch Deutschland gut.“ (https://www.sueddeutsche.de/politik/europa-merkels-wende-1.4914105?reduced=true externer Link)

Ein Stück weit (= was die ganzen finanziellen Ausmaße betrifft!) ist also das Engagement für ein gemeinsames Europa jetzt doch auch von Erfolg gekrönt! Angesichts der Tatsache, dass – beispielgebend jetzt die USA – es keine Rückkehr in eine alte „Normalität“ geben kann, wird der Weg in das gemeinsame Europa einfach doch so gut wie unausweichlich für die Europäer – alle zusammen -, schon allein weil die bisherige ökonomische Weltmacht USA einfach „wegschwächelt“ (https://www.ipg-journal.de/regionen/nordamerika/artikel/detail/das-ende-des-amerikanischen-traums-4372/ externer Link) – und damit Europa nur noch die Chance hat eigenständig als „Dritte Macht Europa“ – neben China und den USA – im Weltwirtschaftsgeschehen eine Rolle zu spielen. (https://taz.de/Nationale-Alleingaenge-in-Coronazeiten/!5684493/ externer Link)

So geht es jetzt doch ein wenig los – in die richtige Richtung! Weil diese Corona-Krise doch noch – anders als die Finanzkrise noch – zum Sargnagel des Neoliberalismus wird. (https://taz.de/Oekonom-ueber-Coronakrise/!5682238/ externer Link)

Eine Kehrtwende für Europa – mit Merkel und Macron – und von allen wichtigen Seiten nur Zustimmung.

Die Kennzeichnung des jetzigen Vorschlags zur Krisenfinanzierung durch Europa als Kehrtwende ist bei Kanzlerin Merkel ja durchaus angemessen, weil der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze hatte kürzlich noch festgestellt, „von Kohl zu Merkel gibt es einen Bruch im Verständnis eines gemeinsamen Europa“ (vgl. auf der Seite 10 unten f. bei https://www.labournet.de/?p=171111).

Nun hat die Kanzlerin sich doch für eine weitere Perspektive für Europa aufgeschlossen gezeigt: Jetzt also gibt es mit dieser GroKo – interessanterweise – ein gewissen Durchbruch für Europa wieder? (https://www.fr.de/meinung/merkel-macron-praesentieren-plan-corona-hilfen-chance-eine-eu-reform-13769399.html externer Link)

Und Eric Bonse meint, Kanzerin Merkel musste sich jetzt einfach bewegen: (https://lostineu.eu/warum-sich-merkel-bewegen-musste/ externer Link)

Cerstin Gammelin schlüsselt noch einmal genauer auf, warum – aus Sicht der Ökonomie – sich die deutsche Kanzlerin doch bewegt hat: „Nur wenn Europas Binnenmarkt wieder läuft, geht es auch Deutschland gut. (https://www.sueddeutsche.de/politik/europa-merkels-wende-1.4914105?reduced=true externer Link)

Eine exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche kann nur funktionieren, wenn es Absatzmärkte gibt. Nur die ebenso wie Deutschland ihren Vorteil aus dem Export ziehenden „frechen Vier“ in Europa scheinen das noch nicht verstanden zu haben. (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/oesterreich-niederlande-daenemark-schweden-die-frechen-vier-kolumne-a-04fe15d7-7435-4bd2-8d66-b9b94a8b9f7e externer Link) Und legen sich einfach quer! Und sie erleben den erforderlichen Widerspruch jetzt, weil es wohl richtig unverschämt (= ohne Scham) angesehen werden muss, wenn solche vom Binnenmarkt für sich „profitierenden“ Volkswirtschaften die EU nur noch als Vorteil für sich – gegen den ökonomischen Sinn eines gemeinsamen Marktes – für sich in Anspruch nehmen wollen. (https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-eu-oesterreich-niederlande-kredite-1.4916068 externer Link)

Und wo sind Absatzmärkte – wenn nicht in der EU – noch zu finden?

Und wo sind diese Absatzmärkte noch zu finden? Der Handel mit den USA ist eingebrochen – Der asiatische Markt ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Übrig bleibt da der europäische Binnenmarkt, rechnerisch der größte weltweit. Und geht es ihm gut, kann es auch Deutschland gut gehen.

Der Wiederaufbaufonds – auch wenn er mit 500 Milliarden noch zu klein ist (https://sven-giegold.de/deutsch-franzoesischer-vorschlag/ externer Link) – kann gerade Ländern wie Italien und Spanien helfen (https://www.ipg-journal.de/regionen/europa/artikel/detail/ein-grosser-schritt-fuer-europa-4375/ externer Link), ihre Wirtschaft zu stärken und die Infrastruktur zu erneuern, so hilft das am Ende auch Deutschland. (https://www.sueddeutsche.de/politik/europa-merkels-wende-1.4914105?reduced=true externer Link)

Der Merkel-Macron-Plan ist ein gemeinsamer Schritt für eine Wirtschafts- und Währungsunion in die richtige Richtung.

Also doch mit Merkel und Macron einen (https://www.tagesschau.de/ausland/corona-deutschland-frankreich-eu-101.html externer Link) 500 Milliarden-EU-Haushalt- der „Merkron“-Plan (https://www.tagesspiegel.de/politik/500-milliarden-euro-fuer-notleidende-eu-staaten-merkel-und-macron-werben-fuer-ihren-wiederaufbau-plan/25842526.html externer Link), der nun alle wieder zusammenführt, die über eine Finanzierung durch Coronabonds (vgl. „Machtkampf in Europa über eine solidarische Finanzierung…  https://www.labournet.de/?p=171111) sich vorher so zerstritten hatten. (https://www.sueddeutsche.de/politik/euro-anleihen-union-1.4912664?reduced=true externer Link)

Und auch SPD-Chef Walter-Borjans lobt diese deutsch-französische Initiative: Sie ist goldrichtig, weil sie die dringend notwendige Hilfe für die von Corona am härtesten betroffenen Staaten nicht als Almosen der reichen für die armen Mitgliedstaaten begreift, sondern als eine gemeinsame Leistung der Europäischen Union. Und dieses Lob muss als besonders gelten, weil sein Rivale in der SPD Olaf Scholz diesen Plan wesentlich mitentwickelt hat – also keinen Dissens mehr in der SPD über den Wirtschaftskurs. (https://www.rnd.de/politik/merkel-und-macron-wollen-wiederaufbauplan-im-umfang-von-500-milliarden-euro-UTD6OHUAVRBL7H672BYUABZ6LM.html externer Link)

Ein Dissens über die weitere Entwicklungsmöglichkeiten der längerfristigen Finanzierung der Europäischen Union bleibt jedoch – erst einmal – auch in der SPD, da Barley (MdEP) hier – erst einmal wie die Kanzlerin auch – nur ein Notprogramm sieht, das eben keinesfalls für eine dauerhafte Finanzierung der EU taugen könnte. (https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-corona-hilfen-barley-spd-lobt-deutsch.2932.de.html?drn:news_id=1132110 externer Link)

Die angemessene Größenordnung steht jedoch auch weiter im Raum. Dabei ist es schon eine Frage, ob diese 500 Milliarden dafür ausreichen können? (https://sven-giegold.de/deutsch-franzoesischer-vorschlag/ externer Link)

Auch Italien ist durch diesen Schritt erst einmal „beglückt“, aber kann für sich erst einmal nur einen „Schritt“ für sich erkennen. (https://www.ipg-journal.de/regionen/europa/artikel/detail/ein-grosser-schritt-fuer-europa-4375/ externer Link) So sehr es bei dieser Kehrtwende in Europa sich um einen „großen Schritt“ handelt, so wenig bleibt dann doch unter dem Strich für Italien.

Nun hat doch die EU-Kommission schon einmal noch auf 750 Milliarden aufgestockt. (https://taz.de/EU-Rettungsplan-in-der-Coronakrise/!5685085/ externer Link)

Ein Zeichen jedenfalls, dass Europa auf seine ökonomische Zukunft nicht verzichten will und wird, denn die USA und China pumpen Billionen Dollar in ihre Wirtschaft, um ihre Unternehmen zu stabilisieren. Augenmaß für die angemessenen Dimensionen bewies der grüne Haushaltspoitiker Rasmus Andresen, der von einem „kleinen Schritt in die richtige Richtung“ sprach. (https://taz.de/Wiederaufbau-Plan-der-EU/!5685204/ externer Link)

Der Welt-Ökonom Heiner Flassbeck merkte noch an, es wäre irre, wenn der Staat diese Schulden zurückzahlen würde. (https://taz.de/!5685203/ externer Link) oder noch der Ökonom Dullien (https://taz.de/Volkswirt-ueber-EU-Hilfsfonds/!5687072/ externer Link).

Es bleiben also noch weitere Aufgaben zur Klärung während der deutschen Ratspräsidentschaft ab Anfang Juli. (https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europ%C3%A4isches-parlament/rolle-und-aufgaben externer Link) Und auch hierfür ist eine Neu-Orientierung angesagt, denn die deutsche Politik trägt für das Auseinanderdriften in der EU erhebliche Verantwortung. Kurzum ein ganzes Jahrzehnt an Krisen – seit der Finanzkrise 2008 f. – hat Europa tief gespalten, moniert der Leiter des DIW, Marcel Fratzscher. (https://taz.de/Nationale-Alleingaenge-in-Coronazeiten/!5684493/ externer Link) Dies hat zu einem Aufstieg des Nationalismus und des Protektionismus, sowie zu einem Verlust an Solidarität und Vertrauen in Europa geführt. Die Folge waren politische Fliehkräfte und eine wirtschaftliche Divergenz, die inzwischen eine grundlegende Bedrohung für die Europäische Union darstellen. (Marcel Fratzscher)

Deutschland hat dann – in der Finanzkrise – einem Rettungsschirm und Hilfen zugestimmt, aber sich gleichzeitig bewusst gegen notwendige Schritte zur Vollendung einer Wirtschafts- und Währungsunion gestellt. (Marcel Fratzscher „Dritte Macht Europa“ in der TAZ vom 23.5.20: https://taz.de/Nationale-Alleingaenge-in-Coronazeiten/!5684493/ externer Link – siehe auch weiter zu den Schwerpunkten des DIW noch: https://taz.de/DIW/!t5020265/ externer Link)

Der deutschen Kanzlerin Merkel geht es bei diesem Plan keineswegs um eine grundlegende Wende in Europa hin zu einer gemeinsamen Finanz- und Währungsunion.

An dieser Schwäche, dass es Merkel keineswegs um eine grundlegende Wende in der Finanz- und Haushaltspolitik der EU geht, hakt auch Stephan Hebel in der FR ein: Es handelt sich um eine „einmalige Kraftanstrengung“, tönt die deutsche Kanzlerin. (https://www.fr.de/meinung/corona-hilfen-merkel-macron-sparsame-vier-gut-boese-13774365.html externer Link)

Zwar weicht die Kanzlerin Merkel jetzt mit diesem deutsch-französischen Plan ein wenig von der bisherigen Haltung ab, sich grundsätzlich gegen gemeinsame EU-Schulden zu wenden. Aber sie tut es gerade nicht, um mehr Konvergenz, also einheitlichere ökonomische Verhältnisse durch einen dauerhaften Ausgleich zwischen reichen und ärmeren Staaten zu erreichen. Die deutsche Kanzlerin macht es gerade nur – krisenbedingt – um das für das weitere Auseinanderfallen anfällige System Europas, wie es gerade erforderlich erscheint, in die nächste Zukunft zu retten. (https://www.fr.de/meinung/corona-hilfen-merkel-macron-sparsame-vier-gut-boese-13774365.html externer Link)

Und Marcel Fratzscher (DIW = siehe oben schon) betont dazu noch einmal, Deutschland hat bei seiner Ratspräsidentschaft ab 1. Juli jetzt die Chance die Integration Europas zu stärken. Auf der wirtschaftlichen Seite gehört dazu die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion – mit einer Fiskal- und Kapitalmarktunion. (Marcel Fratzscher) (https://taz.de/Nationale-Alleingaenge-in-Coronazeiten/!5684493/ externer Link)

Die CDU erklärt dazu nur gleich, sie wolle keinesfalls – wie Alexander Hamilton Ende des 18. Jahrhunderts – eine Währungsunion (wie den Dollarraum) schaffen. (Siehe dazu: https://www.fuw.ch/article/amerikas-langer-kampf-um-den-dollar/ externer Link)

Diesen Kurs einer auf nationale Alleingänge abgestellten Politik – noch in – aber dennoch gegen Europa – hat das Bundesverfassungsgericht für die Anleihekäufe der EZB noch einmal gegen den zuständigen Europäischen Gerichtshof ausgeweitet.

Heribert Prantl sah in dieser Förderung eines Separatismus in Europa auch schon die Gefährdung Europas. (https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-heribert-prantl-verfassungsgericht-ezb-europa-rechtsgemeinschaft-1.4901395?reduced=true externer Link)

Ja, die Ökonomin Ulrike Herrmann sah in dieser Gerichtsentscheidung eine reine Reduzierung auf deutsche Nationalinteressen – was sie fassungslos machte. (https://taz.de/EZB-Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!5680003/ externer Link) Ja, es wurde sogar zur Frage, ob jetzt von Seiten der EU ein Vertragsverletzungsverfahren deshalb angestrebt werden müsse – denn die die Demokratie-verachtenden Länder wie Polen und Ungarn sahen sich jetzt durch diese gegen eine zentrale europäische Institution wie den EuGH gerichtete Entscheidung in ihrem Kurs gegen Europa bestätigt.

Die Kommissionspräsidentin von der Leyen hat jedenfalls auf die entsprechende Anfrage schnell reagiert. (https://sven-giegold.de/gute-nachricht-rechtsgemeinschaft/ externer Link) Und sie sah sofort die Gefahr für die Europäische Rechtsgemeinschaft – ausgerechnet angestoßen von einem höchsten nationalen Gericht. (Zu einem weiteren Überblick siehe bitte noch ab der Seite 2 unten „Und das Bundesverfassungsgericht stellt sich gegen den EuGH bei der Geldpolitik der EZB“ bei https://www.labournet.de/?p=172175 – bis zur Seite 5)

Jetzt doch – erst einmal – kein Zerfall der Europäischen Union in dieser Corona-Krise, aber eine konsequente „Wiederauferstehung“ eines gemeinsamen Europa steht jetzt noch aus – einem Europa, das mit dem Monnet-Plan begann (https://europa.eu/european-union/sites/europaeu/files/docs/body/jean_monnet_de.pdf externer Link pdf).

Vor jetzt 70 Jahren begann so der Start für ein gemeinsames Europa. Diese mutigen Politiker gaben so den ersten Anstoß zur Einigung unseres Kontinents, so die Europa-Abgeordnete Gabriele Bischoff, die jetzt schon einmal an der Vorbereitung der Konferenz über die Zukunft Europas beteiligt war.  https://www.fr.de/meinung/neustart-europa-13774184.html externer Link)

Und mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Juli könnte es einen neuen Schub bekommen. Und endlich kapieren vielleicht noch alle zusammen, wie – bisher – unvollendet die Europäische Union ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik war. (https://www.fr.de/meinung/merkel-macron-praesentieren-plan-corona-hilfen-chance-eine-eu-reform-13769399.html externer Link) Richtig verstanden – d.h. ohne die radikal allein auf den Markt Fixierten – könnte auf der Grundlage diese Merkel-Macron-Plans jetzt die Europäische Union mit ihren ganzen bisherigen Defiziten weiter entwickelt werden.

Ja, wir werden wohl direkt gezwungen sein, nicht mehr in eine alte Normalität zurückzukehren. Adam Tooze, der Wirtschaftshistoriker kann daher auch keine Möglichkkeit erkennen, in einen alten – gewohnten – Zustand der Wirtschaft – sein Paradebeispiel ist die USA – zurückzukehren. (https://www.blaetter.de/ausgabe/2020/mai/unsere-normalitaet-kehrt-nicht-zurueck externer Link) Es wird also zur wichtigen Frage für die Zukunft Europas werden, ob der deutsche Finanzminister Olaf Scholz eine Vision hat, (https://lostineu.eu/scholz-hat-eine-vision/ externer Link) und inwieweit er dann diese Vision noch umsetzen kann?

Und dazu gehört einfach, wie – endlich doch – konsequent dieser Finanzminister auch gegen die Steuerhinterziehung vorgehen wird. (https://sven-giegold.de/tag/steuerflucht/ externer Link. Und zu dem was vorher dazu noch alles schon geschah vergleiche auch „Darf der Staat – zu Lasten des Steuerzahlers und mit hilfe des Steuergeheimnisses – Steuerhinterziehung betreiben?“ (https://www.labournet.de/?p=163091). Siehe dazu auch die Studie Dax in Steueroasen von Fabio de Masi: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/36.steuerpolitik.html externer Link)

Dazu kommen noch die um ihren Lohn geprellten Mindestlöhner

Besonders die um ihren angemessenen Lohn geprellten Mindestlöhner werde bei dieser Vision ein Auge darauf haben müssen, damit doch auch diese 2,4 Millionen Beschäftigten noch ihren richtigen Mindestlohn erhalten. (https://www.rnd.de/politik/dgb-24-millionen-beschaftigte-werden-um-den-mindestlohn-geprellt-LAYEJYZKCZGXZJSX5WXUKIYFCM.html externer Link)

Und dieser Betrug um den Mindestlohn betrifft auch uns alle, wie der DGB noch heraushebt. (https://www.dgb.de/++co++516acf66-a0ea-11ea-bab3-52540088cada externer Link)

Diese Schwäche bei den Mindestlöhnern setzt sich dann auch bei den krisernbedingten Lohnersatzleistungen fort, die einfach auch höher sein müssten (80 %), wie Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband es auch beim Kurzabeitergeld fordert. (https://taz.de/Sozialfunktionaer-zu-Verdienstausfaellen/!5687562/ externer Link)

Ein Wiederaufbaufonds von 2 Billionen könnte angemessener sein.

Die Chancen einer finanziell angemessenen Unterstützung durch das EU-Parlament mit einem Wiederaufbaufonds in der Größenordnung von 2 Billionen – also das vierfache des französisch-deutschen Finanzplans – sind ja direkt wegweisend gut. (https://sven-giegold.de/europaparlament-starker-wiederaufbaufonds/ externer Link)

Einigermaßen zufriedenstellend kann jedoch nur diese Größenordnung von 2 Billionen für Europa werden. Da hat das EU-Parlament einfach den sichereren „Durchblick“ und Erfahrung. Dabei setzt schon dieser 500-Milliarden Plan auch die ganzen Zauderer jetzt doch erst einmal unter Druck. (https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-macron-corona-hilfspaket-1.4912662?reduced=true externer Link) Selbst wenn sich schon gleich einige „Profiteure“ (Exportüberschüsse) erst einmal querlegen. (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/oesterreich-niederlande-daenemark-schweden-die-frechen-vier-kolumne-a-04fe15d7-7435-4bd2-8d66-b9b94a8b9f7e externer Link)

Dieser Finanzierungsplan auf EU-Ebene ist doch wenigstens endlich einmal „ein Schritt in die richtige Richtung“, wie der Ökonom Sebastian Dullien im einzelnen noch festhält. (https://taz.de/Volkswirt-ueber-EU-Hilfsfonds/!5687072/ externer Link) „Nur einen Schritt“ kann auch Sven Giegold bisher nur erkennen – aber doch noch nicht der ganze Weg zur Krisenlösung. (https://sven-giegold.de/deutsch-franzoesischer-vorschlag/ externer Link)

Jedoch Eric Bonse entdeckt bei dem deutschen Finanzminister Olaf Scholz jetzt eine Vision für Europa (https://lostineu.eu/scholz-hat-eine-vision/ externer Link), die eben nur noch entsprechend finanziell ausgestattet werden müsste.

Die krisengeschädigten Kommunen bei den Investitionen nicht im Regen stehen lassen,

da die Kommunen – nach dem Ausbleiben der Gewerbesteuer – auch schnell als die wichtigste Quelle für staatliche Investitionen ausfallen müssen. (https://www.sueddeutsche.de/politik/rettungsschirm-corona-krise-solidaritaet-1.4914791?reduced=true externer Link)

Deshalb betont Finanzminister Scholz diese Debatte über diese 57 Milliarden für die Kommunen muss jetzt geführt werden. (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_87892920/finanzminister-olaf-scholz-will-milliarden-schutzschirm-fuer-kommunen-.html externer Link)

Jedoch der Städtetag bekennt sich zu diesem Plan von Scholz – und nennt ihn eine Chance auf einen großen Wurf. Jedoch Bayerns Landeschef Markus Söder tut diesen Schuldenplan einfach als Unverschämtheit ab. Dieser Mangel an Solidarität – des vielleicht noch bei seinen Städten etwas reicheren Südens – untergräbt dann noch den deutschen Föderalismus. (https://www.sueddeutsche.de/politik/leserdiskussion-wie-sollte-aermeren-kommunen-geholfen-werden-1.4916030 externer Link)

Es bleibt eben auch wichtig, Heimat braucht auch Solidarität – jetzt eben auch unterhalb der europäischen Ebene! (https://www.sueddeutsche.de/politik/rettungsschirm-corona-krise-solidaritaet-1.4914791?reduced=true externer Link)

Es darf jetzt eben nicht darauf ankommen, dass immer noch als „letzte Hoffnung“ EZB bleibt. (https://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/de/article/10656357.letzte-hoffnung-ezb.html externer Link)

Die gesamte Dimension der Hilfen ist jedoch noch nicht klar. (https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/europaeische-corona-hilfen-weitere-500-milliarden-fuer-europas-wirtschaft/25753552.html?ticket=ST-6583-O53CtHQ9ql3iYcaRAZia-ap6 externer Link)

Und so hat das EU-Parlament sowie die europäischen Grünen sich für Aufbauhilfen – jedoch in ganz anderen Dimensionen eingesetzt: (https://sven-giegold.de/eurogruppe-fonds-fuer-wiederaufbau/ externer Link)

Während der Bundestagsabgeordnete De Masi findet, es braucht erst einmal eine Bazooka (https://www.fabio-de-masi.de/de/article/2711.ich-will-eine-bazooka-auf-europ%C3%A4ischer-ebene.html externer Link) und dabei dürfen die Steuern der Dax-Unternehmen in den Steueroasen nicht vergessen werden. (Siehe die Studie dazu bei Fabio de Masi: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/36.steuerpolitik.html externer Link)

Diese jetzige Gemeinsamkeit für Europa ist – bisher – jedoch noch zeitlich beschränkt, wie auf die Marktfreiheit fixierten Ökonomen ganz schnell wieder betonen  (https://www.deutschlandfunk.de/corona-hilfsfonds-fuer-eu-laender-oekonom-sieht-merkel.694.de.html?dram:article_id=476984 externer Link) – und für diese ist es jetzt keinesfalls ein Schritt, der fortgesetzt werden muss…

Und auch aus der SPD klingt es eher restriktiv, da es sich bei diesem Programm allein um ein – eben zeitlich befristetes – Notprogramm handele – also eine Perspektive für eine gemeinsame Finanzierung Europas erscheint noch nicht geklärt. (https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-corona-hilfen-barley-spd-lobt-deutsch.2932.de.html?drn:news_id=1132110 externer Link)

Aber wenn die deutsche Politik es noch nicht einmal fertig bringt, dass der rechtmäßig zustehende Mindestlohn für 2,4 Millionen davon Betroffene gezahlt wird (https://www.rnd.de/politik/dgb-24-millionen-beschaftigte-werden-um-den-mindestlohn-geprellt-LAYEJYZKCZGXZJSX5WXUKIYFCM.html externer Link), der muss sich dann auch schwer tun, den angemessenen finanziellen Ausgleich für die betroffenen Kommunen zu gewährleisten. (https://www.sueddeutsche.de/politik/leserdiskussion-wie-sollte-aermeren-kommunen-geholfen-werden-1.4916030 externer Link)

Dagegen hält der Bundestagsabeordnete Fabio De Masi (Linke): Europa erweist sich in der Not! (https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/15.eurokrise.html externer Link)

Wer jetzt zu viel kürzt, verlängert nur die Krise.

Sicher ist deshalb auch, dass die gemeinsame Finanzierung der EU auch weitergedacht werden muss (https://www.fr.de/meinung/merkel-macron-praesentieren-plan-corona-hilfen-chance-eine-eu-reform-13769399.html externer Link), wenn auch diese 500 Milliarden ein guter erster Baustein sein wird. (https://taz.de/Volkswirt-ueber-EU-Hilfsfonds/!5687072/ externer Link) … und vorher wurde schon etwas kleinteilig rum“operiert“ – und daraus haben jetzt Merkel und Macron Europa wenigstens doch befreit: Nun stellen also die Unionspolitiker in dieser GroKo – frei nach Lieschen Müller gerechnet – die Grundrente in Frage (siehe zum Stand der Debatte Matthias Birkwald: https://www.matthias-w-birkwald.de/de/topic/9.schlagworte.html?tag=Grundrente externer Link)

Dabei kommen den Unionspolitikern andererseits die hohen Corona-Ausgaben – ja, wer soll das bezahlen? – gerade recht, da sie doch – siehe Lieschen Müller – auch noch die Unternehmen durch Steuersenkungen entlasten wollen – und wenn der Staat jetzt den Gürtel enger schnallen muss, wissen die Unionspolitiker auch, wo sie den Rotstift als erstes ansetzen wollen: bei der Grundrente. Das kann Ulrike Herrmann schon einmal die Zornesröte ins Gesicht treiben, wenn jetzt die Krise dazu genutzt wird, um die Kapitaleigner auf Dauer zu begünstigen. (https://taz.de/Debatte-um-Coronakosten/!5682396/ externer Link)

Aber hundert Milliarden Euro werden dem Staat in diesem Jahr fehlen – und diese Grundrente in ihrer sozialen Beschränktheit würde 1,4 Milliarden Euro im Jahr kosten, sodass schon einmal klar ist, dass sich dieses Loch von 100 Miliarden Euro mit dem Streichen dieser bescheidenen Grundrente bestimmt nicht stopfen ließe. Dazu fällt noch auf, dass diese Sparfüchse der Union – bei der Grundrente – nicht müde werden, die gänzliche Abschaffung des „Soli“ (Söder) zu fordern. (https://www.ksta.de/politik/csu-chef-soeder-fordert-abschaffung-des-solidaritaetszuschlags-noch-vor-dem-sommer-36595246 externer Link)

Dies würde satte 9 Milliarden Euro im Jahr kosten – und allein die reichsten 5 Prozent der Bevölkerung begünstigen. (https://niedersachsen.dgb.de/themen/++co++6cb8cd6a-c411-11e9-8223-52540088cad externer Link) So gibt sich die Union sehr freigiebig, wenn es darum geht die Wohlhabenden – wieder einmal – zu begünstigen. (https://taz.de/Debatte-um-Coronakosten/!5682396/ externer Link)

Die Debatte um Gleichheit und Ungleichheit wird sich also jetzt aktuell in dieser Frage der GroKo zuspitzen: „Grundrente für die Armen – oder Soli-Entlastung für die Reichen?“

Inzwischen wird ja die Debatte um die rasant gewachsene Ungleichheit – unter der Anregung des Ökonomen Thomas Piketty – schon breit geführt: (https://www.labournet.de/politik/wipo/finanzmaerkte/steuerpolitik/debatte-um-ungleichheit-und-umverteilung/)

Ulrike Herrmann weist deshalb daraufhin: „Wie ein Brennglas bündelt dieser Streit, wie die Konfliktlinien in den nächsten Monaten verlaufen werden. Der Staat will viele Milliarden ausgeben, um die corona-geschwächte Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dabei wird die Frage immer sein, wer profitiert und wer verliert? (https://taz.de/Debatte-um-Coronakosten/!5682396/ externer Link) So wird der Corona-Virus zum sozialen Spaltpilz auch noch. Ulrike Herrmann sieht daher nicht die Geldentwertung als ökonomisch relevant oder gar gefährlich an, sondern dass eine falsche Corona-Politik die Kluft zwischen arm und reich weiter verschärft.

Keinesfalls darf die Krise jetzt dazu genutzt werden, um die Wohlhabenden – noch einmal – „hinterrücks“ strulturell zu entlasten. Ökonomisch wäre es unsinnig – und politisch bedrohlich. (Siehe auch Debatte um Gleichheit und Ungleichheit bei Labournet: https://www.labournet.de/?p=61517)

Schön wird das noch ergänzt von Ulrike Herrmann mit der Frage: Schulden statt Spekulation – oder Corona wird die Finanzmärkte verändern (https://taz.de/Debatte-um-Steuern-in-Coronakrise/!5684680/ externer Link) – auch eine kleine Auseinandersetzung über die ökonomische Dummheit der AfD. Zunächst behandelt Herrmann die Frage, inwieweit überhaupt Steuern – wie die Vermögenssteuer – zur finanziellen Bewältigung der Krise taugen? Und sie kommt zu dem Schluss, es würde tatsächlich wenig bringen, sie zu erhöhen, un diese – gewaltigen – Coronaschulden abzutragen. Wenn die Vermögenssteuer 10 Milliarden Euro im Jahr in die staatlichen Kassen spülte, könnte es bis zu hundert Jahre dauern, die Coronaschulden abzubezahlen.

Auch bei weiteren Steuer-Erhöhungen (Erbschaftssteuer, Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer, Bekämpfung der Steuerflucht) könnte vielleicht weitere Milliarden pro Jahr eingespielt werden (vielleicht 40) Aber auch dieses Steuerplus würde niemals reichen um diese gewaltigen Coronaschulden nennenswert abzutragen…

Weltweit verfolgen daher die Staaten eine andere Strategie um ihre Schulden abzubauen: Der Trick heißt „finanzielle Repression“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Finanzielle_Repression externer Link). Wenn die Zinsen weitaus niedriger liegen als das nominale Wachstum, schwinden die Schulden von selbst, weil sie im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung immer kleiner werden. Die Zeit nach der Finanzkrise war ein Beispiel dafür: Damals stiegen die Staatsschulden rasant an, weil Banken und Wirtschaft gerettet werden mussten. Die Last war für die Länder finanziell aber mühelos tragbar, weil gleichzeitig die Zinsen gegen Null sanken. (https://taz.de/Debatte-um-Steuern-in-Coronakrise/!5684680/ externer Link)

Und nun kommen wir zum nächsten Paradox: Die niedrigen Zinsen konnten „im Prinzip“ nur die Vermögenden tangieren, aber die „fliehen“ einfach aus den Geldanlagen in Aktien und Immobilien – und bedrücken z.B. über den Wohnungsmarkt die Normalverdiener.

Die untere Hälfte der Deutschen besitzt nur 1,3 Prozent des Volksvermögens – bzw. die meisten besitzen fast gar nichts – deshalb sind niedrige Zinsen nur für Menschen lästig, die über nennenswerte Spareinlagen verfügen. Deshalb „tangieren“ die niedrigen Zinsen – trotz AfD, die für die Kleinsparer kämpft – vor allem die Wohlhabenden. Die niedrigen Zinsen sind aber gerade deshalb auch wieder gar nicht folgenlos, wie das Jahrzehnt nach der Finanzkrise zeigt. Der deutsche Aktienindex DAX schoss in abstruse Höhen: Im Februar 2020 erreichte er knapp 14 000 Punkte. Seit der Finanzkrise – nach der eben nur noch Aktien und Immobilien „etwas wert“ waren – war der Aktienindex um satte 276 Prozent gestiegen (es gab eben auch immer mehr Leute mit viel Geld – also Reiche). Die deutsche Wirtschaft war in diesem Zeitraum nur um 14,5 Prozent gewachsen. (https://taz.de/Debatte-um-Steuern-in-Coronakrise/!5684680/ externer Link)Ähnlich geht es dann bei den Immobilien zu: Sie wurden seit der Finanzkrise in Deutschland im Schnitt einfach über 90 Prozent teurer.

Die freigesetzte „Finanzhydraulik“ der niedrigen Zinsen

Zunächst profitieren die Vermögenden davon, dass der Staat jetzt – mit dem Kurzarbeitergeld – die Einkommen stabilisiert. (https://www.dgb.de/themen/++co++a94a239e-6a99-11ea-bab2-52540088cada externer Link) Und wie die Dekade seit der Finanzkrise zeigt, setzen die niedrigen Zinsen eine seltsame Finanzhydraulik frei: Die Renditen fallen zwar – doch die Vermögenswerte explodieren. Dieser Reichtum hat reale Konsequenzen, denn die Aktienkurse und die Immobilienpreise können nur ständig steigen, wenn die Dividenden und die Mieten nachziehen.

In der Folge wird also versucht, die Löhne zu drücken und die Mieten hochzuschrauben. Verlierer dabei sind die Normalverdiener, die jetzt bei den Einkommen und den Ausgaben gleich doppelt in die Zange genommen werden. – Und nicht selten machen dann die Mietkosten gleich 40 Prozent des Nettolohnes aus.

Und aktuell wird diese Corona-Krise diese Trends noch weiter verstärken – und die Ungleichheit verschärfen. (Vgl. schon bisher: https://www.labournet.de/?p=61517 externer Link)

Höhere Steuern für die Wohlhabenden haben daher Sinn, wenn mit ihnen nicht die Abtragung der Schuldenlast ins Auge gefasst wird, sondern wenn die Einnahmen jetzt dazu dienen, dass der Staat mehr investiert, die Pflegekräfte besser bezahlt oder die Hartz IV-Sätze anhebt. (https://taz.de/Debatte-um-Steuern-in-Coronakrise/!5684680/ externer Link)

Trotzdem greift es einfach zu kurz, nur über Steuern zu diskutieren. Mindestens genauso wichtig wäre es, die Mieter besser zu schützen und Lohndumping zu verhindern.

Deutschland spaltet durch die grandiosen Vorteile auf den Finanzmärkten (siehe auch „financial repressing“) die Europäische Union

Deutschland hängt dadurch die restlichen EU-Staaten einfach – die EU-Kommissarin Margarethe Vestager sieht daher – entsprechend dem Analyse-Vokabular einer Liberalen – eine Wettbewerbsverzerrung. (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-deutschland-ist-in-der-eu-spitzenreiter-bei-corona-hilfen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200518-99-101463 externer Link) Auf Nachfrage räumte die EU-Kommissarin ein, dass sie von dieser Entwicklung jetzt überrascht ist. (https://taz.de/Staatsbeihilfen-der-EU/!5686923/ externer Link) Dabei ist dieses rücksichtslose – ins nationalistische zurückfallende – deutsche Verhalten (https://taz.de/Staatliche-Wirtschaftshilfen-in-EU/!5683959/ externer Link) schon bei der Blockierung der gemeinsamen Eurobonds, um den Finanzmarktvorteil bei den Staatsanleihen (siehe dazu „Machtkampf in Europa um eine solidarische Finanzierung u.a. mit Eurobonds & Co. als Überlebensfrage der Europäischen Union“: https://www.labournet.de/?p=171111 – und dort insbesondere die Seiten 6 f. – und weiter auch „Bis jetzt bekommen die anderen EU-Staaten keine gemeinsame Perspektive“ auf den Seiten 8 f.) darauf angelegt eine Gemeinsame Europäische Union zu beseitigen.

Dabei hatte noch Stephan Schulmeister skizziert, wie sich ein Transformationsfonds ohne große Schulden realisieren lasse (https://www.derstandard.at/story/2000113393359/klimaziele-sind-ohne-schulden-unerreichbar externer Link).

Und die Geschichte mit Corona ging schon vorher los: Nun hat das Europaparlament auch schon einmal einen Wiederaufbaufonds beschlossen (https://sven-giegold.de/europaparlament-starker-wiederaufbaufonds/ externer Link; Zerstörung des europäischen Hauses verhindern – Wie umgehen mit einer grotesken Ungleichheit in einer mächtigen Klimakatastrophe. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl: https://www.labournet.de/?p=172175). Zur im Hintergrund drängenden Verteilungsfrage – auch seit der Finanzkrise 2008 – siehe insbesondere ab der Seite 7 f. (ungefähr in der Mitte) – sowie dort besonders noch einmal: „Noch ein Blick zurück: Wer musste für die letzte Finanzkrise schon zahlen?“)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30.5.2020 – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173243
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