ALG, Hartz IV, „Grundsicherung“: Von Absicherung des Existenzminimums und gar angstfreier Existenzsicherung immer weiter entfernt

Dossier

Wer nicht spurt, kriegt kein Geld„… Die schwarz-rote Koalition plant, die Mitwirkungspflichten und Sanktionen bei der Grundsicherung massiv zu verschärfen – schlimmer als zu Hartz-IV-Zeiten: Terminversäumnisse und Jobablehnungen sollen härter geahndet werden, mit Leistungskürzungen bis hin zur kompletten Streichung von Regelsatz und Unterkunftskosten. Die Bundesregierung spricht von einer Neuausrichtung, die das Fördern und Fordern wieder in den Mittelpunkt stellen soll. Die Bundesregierung steuert so sehenden Auges auf einen Verfassungsbruch zu. Denn das Bundesverfassungsgericht hat 2019 klargestellt, dass Kürzungen über 30 Prozent des Regelsatzes verfassungsrechtlich nicht gedeckt sind. (…) Bei der Reform handelt es sich somit um Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten, die rechtlich unsicher, moralisch verwerflich und ökonomisch sinnlos ist…“ Kommentar von Christopher Wimmer vom 15.10.2025 in ND online externer Link („Neue Grundsicherung: Schlimmer als das Hartz-IV-Regime“) als gute Einleitung zu einer Auswahl erster Fakten und Kommentare, aber auch Proteste:

  • So knallhart soll die neue Grundsicherung werden: Psychisch Kranke müssen sich rechtfertigen, Mieter sollen ihre Vermieter rügen… New
    „Der Entwurf für die neue Grundsicherung sieht einige überraschende Verschärfungen vor. Dass ausgerechnet Menschen, die Grundsicherung erhalten, ihre Vermieter wegen eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse rügen, ist schwer vorstellbar. Schon Mieterinnen und Mieter, die keine staatlichen Hilfeleistungen erhalten und weniger abhängig sind, tun sich sehr schwer damit. Laut Auswertungen von Mietervereinen haben bisher weniger als fünf Prozent aller Menschen, die eine überhöhte Miete zahlen, eine formelle Rüge eingereicht. Der Grund: Die formalen Voraussetzungen und die Sorge, die Wohnung zu verlieren, halten die Menschen davon ab. Doch nach Plänen der Bundesregierung werden Grundsicherungsbezieher genau das tun müssen – ihre Vermieter rügen und dies dem Jobcenter nachweisen. Ansonsten darf das Jobcenter die Kosten der Unterkunft streichen – mittelfristig würden die Betroffenen dann so oder so ihre Wohnung verlieren, wegen Mietschulden. (…)
    Menschen mit psychischen Erkrankungen sollen künftig strenger kontrolliert werden. Sie sollen künftig persönlich beim Jobcenter vorsprechen. So soll geprüft werden, ob die Betroffenen wirklich psychisch krank sind. Diese Regelung könnte sich als problematisch erweisen. Wie groß die betroffene Gruppe ist, zeigen ältere Auswertungen von Krankenkassendaten aus Studien im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Mehr als ein Drittel der Leistungsberechtigten erhält im Laufe eines Jahres eine psychiatrische Diagnose; Fachkräfte in Jobcentern schätzen in ihrer Praxis häufig sogar die Hälfte bis zwei Drittel als psychisch erkrankt ein. Sprich: Persönliche Anhörungen könnten künftig einen größeren Teil der Verfahren betreffen, mit allen belastenden Konsequenzen für die Betroffenen, aber auch der Arbeitsbelastung in den Jobcentern…“  Eine Analyse von Tina Groll vom 13. November 2025 in der Zeit online externer Link (paywall )
  • Ob „Hartz IV ist zurück“ oder „schlimmer als Hartz IV“: Neue Grundsicherung erhöht soziale Spaltung, ist ein sozialpolitischer Skandal – und stärkt Rechtsaußen
    • Hartes Urteil an Merz-Regierung: Bürgergeld-Reform erhöht soziale Spaltung – und stärkt Rechtsaußen
      UN-Experte warnt: Härtere Sanktionen bei Bürgergeld erhöhen soziale Spaltung und befeuern Rechtspopulismus in Deutschland. (…) Damit folge die Bundesregierung einem internationalen „Trend zum strafenden Sozialstaat“, warnt der UN-Sonderberichterstatter für Armut und Menschenrechte, Olivier de Schutter. In diesem System gälten Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger als „zu korrigierende Subjekte“ und sozialer Schutz als Gnade – obwohl er in Wirklichkeit ein Menschenrecht sei. „Damit“, so Schutt, „bereiten die etablierten Parteien den Boden für den Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte.“ (…)
      Der belgische Völkerrechtler De Schutter warnt daher in einem Bericht für die UN vor dem Trend zum „strafenden Wohlfahrtsstaat“, der sich international ausbreite. So enthält in Frankreich das Mindesteinkommenssystem (revenu de solidarité active) seit 2024 die Verpflichtung, dass Leistungsempfängerinnen und -empfänger mindestens 15 Stunden pro Woche Aktivitäten nachgehen müssen, trotz starker Bedenken der Nationalen Menschenrechtskommission
      …“ Artikel von Stephan Kaufmann vom 11.11.2025 in der FR online externer Link
    • Schlimmer als Hartz IV: Neue Grundsicherung ist ein sozialpolitischer Skandal
      Die geplante Grundsicherung droht mehr Schaden als Nutzen zu bringen. Die Kürzung von Unterkunftskosten und Sanktionen könnten Betroffene in die Obdachlosigkeit treiben. Warum ignoriert die Regierung die Lebensrealität der Schwächsten? Der Entwurf zur neuen Grundsicherung ist ein sozialpolitischer Skandal. Ich habe als Betroffene die Einführung der Agenda 2010 miterlebt und kann Ihnen sagen: Diese geplanten Änderungen sind schlimmer als Hartz IV. Wie befürchtet, zeigen die Regierenden wenig Verständnis für die Lebensrealität der Betroffenen – und noch weniger für die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Anders lässt sich nicht erklären, dass eine Totalsanktion Menschen bewusst in die Obdachlosigkeit treiben könnte. Kein Gesetz zuvor hat die Unterkunftskosten als Strafe gekürzt. Mit der neuen Grundsicherung wäre das erstmals möglich. (…)
      Besonders beunruhigen mich die geplanten Änderungen bei den Unterkunftskosten (KdU). Schon jetzt decken die Pauschalbeträge für Mieten die realen Kosten auf dem Wohnungsmarkt nicht ab. Doch statt diese Beträge anzupassen, sollen sie weiter sinken – angeblich, um zu sparen. Dabei ist klar: Kein Vermieter senkt deshalb die Miete. Im Gegenteil, die Bürokratie für Vermieter wird durch die neuen Regelungen noch aufwendiger. Sie müssen Formulare ausfüllen und detaillierte Auskünfte geben
      …“ Artikel von Janina Lütt vom 11.11.2025 im Freitag online externer Link
    • Reform des Bürgergeldes: Weimar lässt grüßen
      Für Nicole Mayer-Ahuja könnte die Gängelung von Langzeitarbeitslosen fatale Folgen haben (…) Arbeitslosigkeit gilt nicht mehr als ökonomisches und politisches Problem, sondern als Schuld der Betroffenen, die deshalb Zwang und Erziehung »verdienen«. Wer erinnert sich noch an den Zweck der Arbeitslosenversicherung: die Arbeitskraft von Lohnabhängigen zu sichern, indem man nicht sofort jeden Job (unabhängig von Lohn und Qualifikation) annehmen muss? (…) Die verschärfte Drohung mit Elend und moralischer Brandmarkung trifft alle, die um ihren Job fürchten. Sie spart kaum Geld, vergrößert aber das Machtgefälle zwischen Unternehmen und denen, die jede Arbeit akzeptieren, mehr leisten, mehr schlucken müssen, um bloß nicht an das Jobcenter zu geraten. Studien zeigen: Wer AfD wählt, hat besonders oft Angst vor Arbeitslosigkeit und besonders wenig Einfluss auf die eigene Arbeit. Nach der »Aussteuerung« von Millionen kam 1933 der rechte Terror an die Macht. Wer das riskiert, sollte nicht regieren.“ Kommentar von Nicole Mayer-Ahuja vom 11.11.2025 in ND online externer Link
    • Hartz IV ist zurück
      „… Jede:r Leistungsberechtigte muss nun nach diesen Bestimmungen eine Gegenleistung abliefern, um das Existenzminimum zu erhalten. Sie oder er muss sich sein „unverfügbares Grundrecht“ durch regelgerechtes Verhalten verdienen. Macht sie oder er es nicht, kommt die Bestrafung. Über die Folgen von Sanktionen wurde schon viel geschrieben, es gibt zahlreiche Studien und es gibt bis heute nicht genügend Arbeitsstellen für die Menschen in der Grundsicherung, weil das Stigma und die Diffamierungen ihr Übriges dazu getan haben. Es gibt sie, die sogenannten „Totalverweigerer“. Es ist jedoch immer die Frage, warum sind sie das? Welche Gründe stecken dahinter: Ängste, Blockaden, Traumata, etwas Ungesagtes. Das gilt es zunächst zu hinterfragen, bevor geurteilt und verurteilt wird. Und dabei das höchste Gericht zu ignorieren, ist für die Betroffenen mit Sicherheit nicht hilfreich.“ Artikel von Inge Hannemann vom 6. November 2025 in gewerkschaftsforum.de externer Link
    • Die Vorverroher
      Irgendwo bei 100 Milliarden fing die Begründung an, warum man Bürgergeldbezieher*innen stigmatisieren und knechten muss. Dann waren es nur noch 30, dann 4, dann 1, nun ist klar: Die Verschärfungen werden uns viel Geld kosten plus die Verrohung der Gesellschaft als weitere Steilvorlage für den Faschismus.“ Cartoon von Guido Kühn vom 10. November  2025 externer Link
    • Siehe zum Thema übrigens auch das Dossier: „Gerechte“ Sopo oder „antifaschistische“ Wipo – nicht allein gegen den Rechtsrutsch ausreichend und doch nicht in Sicht
  • Wissenschaftlicher Beirat des Bundesfinanzministeriums will u.a. durch komplette Anrechnung des Minijob-Lohnes in der Grundsicherung zu „Mehrarbeit“ antreiben
    • Wie das neue Bürgergeld Mehrarbeit belohnen soll
      Wer 100 Euro mehr verdient, soll 30 Euro davon behalten dürfen, schlägt der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums vor. Für Minijobs jedoch soll das nicht gelten. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums fordert für die neue Grundsicherung größere Belohnungen für Mehrarbeit. Von 100 Euro Zusatzverdienst sollten grundsätzlich 30 Euro übrig bleiben, heißt es in einer Stellungnahme des Beirats, die dem Handelsblatt vorliegt. Das werde den Anreiz zur Mehrarbeit massiv steigern, ist Jörg Rocholl überzeugt. Rocholl ist Präsident der European School of Management and Technology in Berlin und leitet den Beirat. Für den Staat sei das sogar aufkommensneutral – unter einer Bedingung: Einkommen bis zur Minijob-Obergrenze müssten komplett mit dem Bürgergeld verrechnet werden. Arbeit würde sich damit künftig stärker lohnen, sobald man über die Minijobgrenze hinaus verdient. Die Minijob-Obergrenze liegt seit Anfang 2025 bei 556 Euro. Zum Vergleich: Der Regelsatz des Bürgergelds für Alleinstehende beträgt derzeit 563 Euro. Dazu kommen bei Bedarf noch Wohngeld und Kinderzuschlag. Wer einen Minijob ausübt, darf aktuell bis zu 190 Euro davon behalten, ohne dass diese auf das Bürgergeld angerechnet werden. (…)
      Wenn man in diesem zweiten Schritt der Reform den Lohn eines Minijobs komplett mit dem Bürgergeld verrechne, senke das die Kosten des Staates für die Erhöhung der Arbeitsanreize im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung insgesamt, schreibt der Beirat. Denn es verhindere, dass die Gesamtzahl der Leistungsbeziehenden stark steige.
      Werde der Lohn für einen Minijob komplett verrechnet, könnte dieser zudem auch nicht länger „als Tarnkappe für Schwarzarbeit genutzt werden“. In den Jobcentern wird vermutet, dass Minijobs häufig zur Verschleierung von Schwarzarbeit genutzt werden. Zahlen gibt es dazu – wenig überraschend – nicht. (…)
      Daneben sollten aber auch Teilzeitbeschäftigte, „bei denen der begründete Anfangsverdacht besteht, dass sie weniger arbeiten als möglich“, zu Weiterbildung oder gemeinnütziger Tätigkeit aufgefordert werden – soweit sich das mit der Betreuung von Kindern oder Angehörigen verbinden lasse, fordert der Beirat. Denn bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten steigerten zwar den Anreiz, mehr zu arbeiten, „garantieren aber nicht, dass Betroffene tatsächlich immer Vollzeit arbeiten“.
      Eine komplette Anrechnung des Minijob-Lohnes werde unterm Strich dazu führen, dass einige ihre geringfügige Beschäftigung aufgeben und sich mit dem Bürgergeld begnügen – oder lieber schwarzarbeiten, erwarten die Experten. Letzteres könne man verhindern, indem die Jobcenter konsequenter auf Mitwirkung drängen, also vor allem zumutbare Jobs anbieten. Falls es diese nicht gibt, sollen die Betroffenen im Zweifel in einer kommunalen Beschäftigungsgesellschaft tätig werden. (…)
      Generell plädiert der Beirat dafür, den Begriff der „Bedürftigkeit“ strikter zu fassen – und die Beweislast dafür den Bürgergeldempfängern zuzuschreiben…“ Artikel von Barbara Gillmann vom 7.11.2025 im Handelsblatt online externer Link („Wie das neue Bürgergeld Mehrarbeit belohnen soll“)Weitere Reformpläne im SGB II – Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats des BMAS
      Aus dem Wissenschaftlichen Beirat des BMAS dringt durch, dass auch eine Reform der Erwerbstätigenfreibeträge geplant ist. Der Vorschlag lautet: Für Einkommen oberhalb der Minijob-Grenze sollen künftig von 100 Euro Zusatzverdienst grundsätzlich 30 Euro verbleiben. Gleichzeitig wird vorgeschlagen, Minijobs vollständig anzurechnen, da diese „oft als Tarnkappe für Schwarzarbeit genutzt“ würden. Dadurch solle eine Erhöhung der Arbeitsanreize im Bereich sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erreicht werden. Zudem sollen SGB-II-Beziehende künftig stärker zu Weiterbildung oder gemeinnütziger Tätigkeit aufgefordert werden. (…)
      Ein höherer Freibetrag ist selbstverständlich sinnvoll und wird auch den Arbeitsanreiz stärken. Allerdings gibt es viele SGB-II-Beziehende, die nur über einen Minijob den Einstieg in eine Erwerbstätigkeit finden – sei es zur Arbeitserprobung oder als erster Schritt in ein Unternehmen. Eine vollständige Anrechnung dieser Einkommen ist daher kein geeignetes Mittel. Entscheidend wären stattdessen mehr Qualifizierung und Weiterbildung, angepasste Freibeträge im Minijobbereich für eingeschränkt leistungsfähige Personen sowie eine Anrechnungsfreiheit der ersten Lohnzahlung.
      Zudem muss endlich der Erwerbstätigenfreibetrag im SGB XII angepasst werden. Während im SGB II bei einem Minijob-Einkommen von 100 Euro die gesamte Summe anrechnungsfrei bleibt, sind es im SGB XII lediglich rund 32 Euro. Das ist ungerecht und muss dringend geändert werden!
      Auch ist der Generalverdacht, der auch hier wieder geäußert wird, fatal. Bestraft werden sollten Unternehmen die Schwarzarbeit ermöglichen und durchführen
      .“ Aus dem Thomé Newsletter 37/2025 – 09.11.2025 externer Link
  • Tacheles e.V.: Wir schlagen Alarm! Die neue Grundsicherung gefährdet Existenzen! 
    „Die fünf gravierendsten Eingriffe des Referentenentwurfs zum 13. SGB-II-Änderungsgesetz aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 16.10.2025
    Das mit der „Neuen Grundsicherung“ gesetzliche Verschärfungen auf Bürgergeldempfänger zukommen würden, war abzusehen. Dass aber bewusst die Gefährdung von Existenzen hingenommen und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen werden, ist nicht hinnehmbar. Daher wollen wir bereits in einer frühen Phase der Gesetzgebung die aus unserer Sicht fünf gravierendsten Punkte herausarbeiten und öffentlich machen. Diese Regelungen führen zu einer Abkehr von sozialrechtlichen Mindeststandards und etablierten Schutzmechanismen und dürfen nicht verabschiedet werden.
    Die fünf gravierendsten Eingriffe:
    1. Direkte Folge EINES versäumten Termins: Verpflichtungsverwaltungsakte (…) Eine Rückkehr zum normalen Vorgehen auf Grundlage eines Kooperationsplans ist nicht vorgesehen. Ein verpasster Termin kann demnach zum dauerhaften Verlust der partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe führen – falls diese überhaupt noch gewollt ist – und eröffnet dem Jobcenter die Möglichkeit, Leistungsbeziehende mit schikanösen Pflichten pro Pflichtversäumnis mit 30 Prozent der Regelleistung faktisch dauerhaft zu sanktionieren.
    2. Nicht wahrgenommene Termine: Die „Todsünde“ in der Neuen Grundsicherung (…) Wenn Leistungsberechtigte nach Entzug des vollen Regelbedarfs nicht innerhalb eines Monats beim Jobcenter erscheinen, z.B. weil die Post nicht zugegangen ist, die Person wegen einer Angststörung die Post nicht öffnen kann oder weil die Person sich im Krankenhaus befindet, bekommen Betroffene im darauffolgenden Monat die Leistungen eingestellt und verlieren den Krankenversicherungsschutz. Ist der Bescheid über die Einstellung der Leistung rechtskräftig, entfaltet die Nichterreichbarkeitsfiktion im geplanten § 7b Abs. 4 SGB II-E eine folgenreiche Wirkung: Selbst bei der nachträglichen Anerkennung eines wichtigen Grundes für das Nichterscheinen können die entzogenen Grundsicherungsleistungen vom Jobcenter nicht mehr nachgezahlt werden. Ein längerer Klinikaufenthalt kann demnach existenzielle Notlagen auslösen. (…)
    3. Die neue Mitwirkungspflicht für Leistungsberechtigte: umfassende Nachweispflichten bei Bewerbungen. Leistungsberechtigte sind nach dem Gesetzentwurf nicht mehr „nur“ verpflichtet, sich um eine Arbeit zu bemühen, sondern dies auch nachzuweisen. (…) Zwei Problemlagen: Selbst, wenn Leistungsberechtigte sich beworben und nur die rechtzeitige Vorlage des Nachweises verpasst haben, können sie sanktioniert werden. (…) Wenn Leistungsberechtigte im Nachhinein beweisen, sich doch beworben zu haben, bleibt der nicht form- oder fristgerechte Nachweis trotzdem bestehen und kann mit einer 30-Prozent-Leistungskürzung sanktioniert werden. (…) Bisher enden Sanktionen, wenn die auferlegte Pflicht nachträglich erfüllt wird (§ 31b Abs. 2 S. 2 SGB II). Nach dem geplanten Recht, soll die Rücknahme der Sanktion frühestens nach einem Monat erfolgen (§ 31b Abs. 3 SGB II-E). (…) Selbst wenn alle Bewerbungsbemühungen erfüllt werden, würde die dreimonatige Sanktion bestehen bleiben, weil die erste Nachweisfrist nicht eingehalten wurde. Leistungsberechtigte sollen demnach auch dann weiter sanktioniert werden, wenn sie sich um einen Job bemühen und dies entsprechend der Vorgaben des Jobcenters nachweisen.
    4. Abkehr von einer Sanktion mit dem Ziel einer Verhaltensänderung: Sanktionen als Strafe zur Ahndung von Fehlverhalten und keine ergänzenden Sachleistungen (…) Damit hat in der „Neuen Grundsicherung“ die Sanktion als Grundrechtseingriff nicht mehr das Ziel einer Verhaltensänderung bei Betroffenen, sondern sie ist eine von dieser Zielsetzung losgelöste starre Strafe, die repressiv Fehlverhalten ahnden und mit Angst vor der „Tat“ abschrecken soll. Das steht jedoch der Intention des „Sanktionsurteils“ des BVerfG (BVerfG 5.9.2019 – 1 BvL 7/16, 3. Rn 131) diametral entgegen. (…) Wir weisen zudem darauf hin, dass in Fällen von Leistungskürzungen von mehr als 30 Prozent keine ergänzenden Sachleistungen, also Lebensmittelgutscheine, mehr vorgesehen sind (…)
    5. Keine Chance mehr auf eine neue Wohnung: Verschärfungen bei den Wohnkosten und Nachweispflichten für Vermieter: (…) Mit der geplanten Neuregelung sollen die Unterkunftskosten ab dem ersten Tag des Leistungsbezugs auf das 1½-fache der örtlichen Mietobergrenze begrenzt werden (…) Vermieter sollen künftig verpflichtet werden, dem Jobcenter und dem Sozialamt Auskünfte über die Mietsache, diesbezügliche Abrechnungsdetails sowie die mit der Vermietung verbundenen Kosten zu erteilen. (…) Wird diese Auskunfts-, Mitwirkungs- und Formularpflicht unter Wohnungsgebern bekannt, ist zu erwarten, dass sie künftig noch weniger bereit sein werden, an Leistungsbeziehende nach SGB II oder SGB XII zu vermieten. (…)
    Insgesamt hat die „Neue Grundsicherung“ mit einer echten Grundsicherung im Sinne von Existenzsicherung nichts mehr zu tun. Sie ist vielmehr ein Frontalangriff auf Leistungsberechtigte, deren Existenz auf vielen Ebenen direkt bedroht wird. Wir schlagen daher Alarm und fordern Wohlfahrts- und Sozialverbände, Gewerkschaften, Kirchen sowie alle Organisationen, die die Interessen armer und einkommensschwacher Menschen vertreten, ebenso wie die demokratische Öffentlichkeit und die Parteien auf, die geplanten Neuregelungen entschieden zu kritisieren und dafür zu sorgen, dass sie nicht wirksam werden. Wir möchten auch betonen, dass solche gesellschaftlich spaltenden Gesetze dazu führen werden, dass Menschen dauerhaft das Vertrauen in Regierung und Staat verlieren. Diese Regelungen sind mithin ein gefährlicher Schritt hin zur Demontage von Sozialstaat und Demokratie und müssen dringend verhindert werden…“
    Analyse von Frank Jäger, Sozi Simon und Harald Thomé vom 4. November 2025 bei Tacheles e.V. externer Link
  • Diese Grundsicherung verdient ihren Namen nicht
    Die Bundesregierung will aus dem Bürgergeld eine Grundsicherung machen. Das ist nicht nur rechtlich schwierig. Sie vergisst dabei, was der Sinn des Sozialstaats ist. (…) Diese Grundsicherung höhlt die Idee der Grundsicherung aus
    Doch die Reform ist nicht nur verheerend, weil ihr mit Fehlinformationen der Weg bereitet worden ist. Sie ist nicht nur verheerend, weil sie soziales Elend garantieren und dafür sorgen wird, dass Menschen ihr Zuhause verlieren (auch wenn Friedrich Merz kürzlich erst behauptete, in Deutschland fände jeder ein Dach über dem Kopf, der eins brauche, sodass man sich wirklich fragte, ob in seinem Stadtbild noch nie ein Obdachloser vorkam). Sie ist vor allem deswegen verheerend, weil sie die grundsätzliche Idee dessen, was eine Grundsicherung ist und was sie zu leisten hat, aushöhlt. (…)
    Egal, ob pflegebedürftige Mutter oder starker Joint
    Dass künftig nun weniger oder gar keine Leistungen mehr bekommen soll, wer sich bei Termin zwei, drei oder vier im Jobcenter nicht blicken lässt, kann man als Detail abtun. Warum, denkt sich der fleißige Steuerzahler ohne Existenzkrisenerfahrung, sollte jemand, der seinen Kalender nicht im Griff hat, das Recht haben, dem Staat auf der Tasche zu liegen? Doch mit Robert Henry Cox lässt sich auf dieses vermeintliche Detail anders blicken: Die Einschränkung, dass die Grundsicherung nur unter bestimmten Konditionen gilt, die man sich durch zuverlässige physische Anwesenheit im Jobcenter verdienen muss, stellt die Grundsicherung als Ganzes infrage. Und damit die Idee, dass Menschen ein genuines Anrecht auf staatliche Unterstützung haben. Folgt man Cox, ist es egal, ob jemand nicht zum vereinbarten Termin erscheint, weil die pflegebedürftige Mutter gestürzt oder der Joint am Vorabend zu stark gewesen ist. Ein soziales Recht ist ein soziales Recht
    …“ Artikel von Ann-Kristin Tlusty vom 1. November 2025 in der Zeit online externer Link
  • Woran bei neuer Grundsicherung nicht gespart wird: Bürokratie und enormer Mehraufwand für die Umsetzung und die geplante Umkehr der Beweislast
    • Umkehr der Beweislast bei neuer Grundsicherung zu Lasten von Bürgergeld-Beziehern und mehr Bürokratie
      Die Forderung, die Beweislast beim Bezug von Bürgergeld – künftig Grundsicherung – umzukehren, hat in den vergangenen Monaten Fahrt aufgenommen. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, plädiert in einem Gastbeitrag in “Welt” für einen „Paradigmenwechsel“: Nicht mehr das Jobcenter, sondern die Betroffenen selbst sollen fortlaufend und belastbar nachweisen, dass sie sich ernsthaft um Arbeit bemühen. Damit knüpft Steiger sichtbar an die Linie von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an, der einen „Herbst der Reformen“ angekündigt und harsche Konsequenzen für Arbeitsverweigerung in Aussicht gestellt hatte.
      Bereits im Sommer 2024 hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Beweislastumkehr gefordert – ein Paradigmenwechselzu Lasten von Bürgergeld-Beziehern und mehr Bürokratie in den Ämtern.
      Heute gilt im Sozialverwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz: Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen, bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen und hat auch entlastende Umstände zu berücksichtigen. Leistungsberechtigte müssen mitwirken, Tatsachen angeben und – auf Verlangen – Beweismittel bezeichnen, doch die Beweisführung liegt nicht pauschal bei ihnen. (…)
      Die Beweislastumkehr würde den Grundmodus umdrehen: Aus punktuellen Mitwirkungspflichten würde eine permanente Bringschuld. Die „Bewerbung um Hilfe“ müsste regelmäßig erneuert werden, flankiert von lückenlos dokumentierten Bewerbungsaktivitäten, Absagen, Kontaktaufnahmen, Fortbildungsnachweisen und einer generellen Bereitschaft, auch in bislang ungewohntem Tätigkeitsfeld zu arbeiten.
      Wer diese Kaskade an Nachweisen nicht kontinuierlich erbringt, riskiert die Kürzung oder Streichung von Leistungen. Das Konzept setzt damit auf messbare Aktivität statt auf eine behördliche Gesamtwürdigung – und verschiebt die Verantwortung für die Belegführung vollständig auf die Leistungsberechtigten
      …“ Beitrag von Dr. Utz Anhalt vom 26.10.2025 bei gegen-hartz.de externer Link

    • Das „Bürgergeld“ soll entsorgt werden. Der Koalitionsausschuss hat gekreist und die Umrisse einer „neuen Grundsicherung“ auf den Weg gebracht
      „… Ein vorläufiges Fazit: Es gibt viele Stellen in dem anstehenden Gesetzgebungsprozess, auf deren Ausformulierung man gespannt sein darf. Eines ist aber bei diesen teilweise nebulösen, in anderen Fällen extrem kleinteilig angelegten Verfahrensanforderungen klar wie das Amen in der Kirche: Das wird enormen Mehraufwand für die personengebundene Umsetzung in den letzten Außenposten unseres Sozialstaats, also den Jobcentern, produzieren müssen, denn es sind keine erheblichen Entlastungen des Personals an anderer Stelle zu erkennen, die den Mehraufwand auch nur kompensieren könnten. Und das trifft auf ein Institutionengefüge, dass seit Jahren strukturell unterfinanziert ist. Keine gute Perspektiven sowohl für die Menschen hinter wie vor den Schreibtischen.“ Beitrag vom 24. Oktober 2025 von und bei Stefan Sell externer Link – aber es gibt Alternativen:
    • Soziale Gerechtigkeit: Mehr Anreize für Privatiers
      872.000 Deutsche gehen keiner geregelten Erwerbsarbeit nach. Es wird Zeit für eine bessere Arbeitsvermittlung und Leistungsentzug für Verweigerer.
      W ie immer war CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann einem großen Skandal auf der Spur, als ihm auffiel, dass der Wohlstand dieses Landes von tätiger Arbeit abhängt. Wenn alle Däumchen drehen, kommt das Bruttosozialprodukt nicht von der Stelle. Dummerweise drehen nach Linnemanns Bauchgefühl ziemlich viele Däumchen, die eigentlich zur Wertschöpfung bewegt werden könnten. Wer hält den Laden noch am Laufen? Wo wird wieder in die Hände gespuckt? (…) Inzwischen gehen 872.000 Deutsche keiner geregelten Erwerbstätigkeit mehr nach, sondern leben von Dividenden, Gewinnausschüttungen oder Mieteinnahmen. Und weil die Aktienkurse gestiegen sind, die Profite sprudeln und eine gewaltige Erbschaftswelle übers Land rollt, werden immer mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt. Inzwischen lassen sich in Deutschland doppelt so viele wie vor 20 Jahren auf diese Art ihren Lebensunterhalt von der Allgemeinheit finanzieren. (…) Es gibt Erwerbslose, die auf die leistungslose Unterstützung schlicht deswegen angewiesen sind, weil sie für den regulären Stellenmarkt ungeeignet sind: zu teure Klamotten, zwei linke Hände, keine Zeit. Manche argumentieren mit ihrer grundsätzlichen Lebenshaltung, wonach sie fremdbestimmte Lohnarbeit für menschenunwürdig halten. Also für sich selbst. Und dem will man natürlich nicht widersprechen…“ Kommentar von Bernd Kramer vom 26.10.2025 in der taz online externer Link
  • Schmarotzer aller Länder! Das Bürgergeld wird umbenannt, die Idee von »selbstverschuldeter« und »unverdienter« Armut bleibt
    „… Der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Industrieländern eingeführte Sozialstaat war ein konterrevolutionäres Projekt. Er war und ist eine Reaktion auf die Gefahr revolutionärer Klassenkämpfe, die zwangsläufig mit der kapitalistischen Produktionsweise verbunden ist – aber er ist keine »Errungenschaft der Arbeiter*innenbewegung«, als die er in linken Kreisen oft idealisiert wird. Denn seine konkrete Ausgestaltung diente von Anfang an der Aufspaltung des Proletariats in verschiedene Kategorien, die gegeneinander ausgespielt werden können. (…) Radikale Kämpfe gegen die Schikanen des Sozialstaats – die uns aktuell auch beim Streit um die Krankschreibung, Leistungen der Pflegeversicherung oder eine vor Altersarmut schützende Rente betreffen – werden sich nur entwickeln können, wenn wir nicht mehr von den vom Sozialstaat erst geschaffenen Kategorien der proletarischen Armut an Produktionsmitteln ausgehen, sondern das gesamte System des Arbeitszwangs infrage stellen.“ Artikel von Christian Frings vom 21. Oktober 2025 in ak 719 externer Link
  • Gesetzentwurf zur Grundsicherung: Jetzt kommt Hartz V
    Die schwarz-rote Koalition will das Bürgergeld-System grundlegend ändern und Menschen härter sanktionieren. Wer einmal eine Arbeit ablehnt, soll kein Geld mehr bekommen. Wir veröffentlichen den Referentenentwurf des Arbeitsministeriums. „Wer mitmacht, hat nichts zu befürchten“, drohte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas bei der Vorstellung der neuen Grundsicherung. Damit will die schwarz-rote Regierung das Bürgergeld ersetzen. Mit weiteren Verschärfungen in diesem Bereich wolle Ministerin Bas „bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist“ gehen.
    Auf welcher Seite dieser Grenze die Bundesregierung stehen wird, blieb dabei allerdings offen. Der erste Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums, den wir veröffentlichen, zeigt: Die SPD plant zahlreiche bislang unbekannte Verschärfungen für die Grundsicherung
    …“ Beitrag von Arne Semsrott vom 20. Oktober 2025 bei FragDenStaat externer Link
  • Vom »Herbst der Reformen« zum Winter der sozialen Kälte: Was die Abschaffung des Bürgergeldes für den Sozialstaat bedeutet
    „… Bundessozialministerin Bärbel Bas will zwar durch eine Härtefallregelung im Gesetz verhindern, dass Menschen, die kognitiv, gesundheitlich oder psychisch beeinträchtigt sind, sanktioniert werden. Leistungsberechtigte, die keinen Telefonanschluss haben und aus Angst vor dem Jobcenter dessen Briefe nicht mehr öffnen, dürften die neue Härte im Umgang mit den Armen jedoch zu spüren bekommen, auch wenn sie kaum dem Bild des »Totalverweigerers« entsprechen.
    Drohkulisse gegenüber Arbeitenden und Gewerkschaften
    Der alten, im Volksmund »Hartz IV« genannten Grundsicherung für Arbeitsuchende, sieht die neue Grundsicherung zum Verwechseln ähnlich. Dadurch erhöht die Koalition nicht bloß den Druck auf Langzeiterwerbslose, jeden Job anzunehmen, sondern baut auch eine weitere Drohkulisse gegenüber Belegschaften, Betriebsräten und Gewerkschaften auf, die unter dem Damoklesschwert von Hartz V, wie man die neue Grundsicherung nennen sollte, gezwungen sein könnten, schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne zu akzeptieren.
    Schon Hartz IV wirkte als Disziplinierungsinstrument für die Beschäftigten, mit dem man den deutschen Niedriglohnsektor zum größten dieser Art in Europa gemacht hatte. Zwar wurde der Niedriglohnsektor durch die Einführung und mehrfache Erhöhung des Mindestlohns wieder verkleinert. Nun droht aber wieder eine Expansion. Nicht zufällig erreichte der Dax nach Bekanntwerden der Beschlüsse des Koalitionsausschusses, einem schwarzen Tag für den Sozialstaat, einen historischen Höchststand. (…)
    Eine zivilisierte Gesellschaft garantiert ihren Mitgliedern das soziokulturelle Existenzminimum auch dann, wenn diese gesetzlich festgelegte Verhaltensnormen missachten. Das unterscheidet sie positiv von faschistischen und Militärdiktaturen, in denen drakonische Strafen und institutionalisierte Gewalt zum Alltag der Menschen gehören. Wenn das Gesetz zur Abschaffung des Bürgergeldes die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes missachtet, folgt dem »Herbst der Reformen« ein Winter der sozialen Eiseskälte
    .“ Artikel von Christoph Butterwegge vom 17.10.2025 in ND online externer Link
  • Petition: Nein zu schärferen Sanktionen beim Bürgergeld: Das Existenzminimum ist nicht verhandelbar!
    „… Wir dürfen nicht zulassen, dass das Existenzminimum wieder verhandelbar wird! Ich sage: NEIN zu schärferen Sanktionen beim Bürgergeld! Herr Merz, Frau Bas – ich war dabei, als das Bundesverfassungsgericht 2019 über diese Sanktionen verhandelte. Damals hieß das Bürgergeld noch Hartz IV. Auch damals regierten Union und SPD. Die Richterinnen und Richter fragten immer wieder: Gibt es Belege, dass Sanktionen wirken? Gibt es Daten, dass Menschen durch Kürzungen schneller Arbeit finden? Es gab keine. Die Bundesregierung wich der Antwort immer wieder aus und schwieg – stundenlang. Bis der damalige Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, schließlich sagte: „Nein, solche Belege gibt es nicht. Im Gegenteil – Sanktionen bis zum Verlust der Wohnung sind oft kontraproduktiv.“ Mit diesem Satz fiel die Mauer des Schweigens. Und das Bundesverfassungsgericht entschied klar: Das Existenzminimum ist unantastbar. Totalsanktionen sind verfassungswidrig. Ich werde diesen Moment nie vergessen. Es war ein Hochakt der Demokratie – und ein Sieg über politische Willkür. Und jetzt, nur sechs Jahre später, sagen Sie wieder: „Wir müssen die Menschen härter heranziehen.“ Das bedeutet: Arbeitssuchende geraten erneut unter den Generalverdacht des Sozialbetrugs, während der jährliche Schaden durch Steuerhinterziehung hundertmal größer ist. Nein, Frau Bas. Nein, Herr Merz. Wer mehrfach nicht zu Terminen im Jobcenter erscheint, braucht mehr Hilfe – nicht mehr Druck. Die Drohung, die eigene Wohnung zu verlieren, ist keine Maßnahme, die unserem Sozialstaat würdig ist. Der Zugang zu staatlicher Unterstützung muss einfacher werden, nicht schwieriger. ✍ Unterzeichne jetzt, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen – und teile diese Petition. Wir werden nicht schweigen, bis diese „Reform“ gestoppt ist!“ Petition gestartet von Joy Ponader bei innn.it  im Oktober 2025 externer Link an Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas, siehe dazu:
  • Debatte über schärfere Sanktionen: „Die meisten sind nur ein bis zwei Schicksalsschläge vom Bürgergeld entfernt“
    Helena Steinhaus ist Mitgründerin des Vereins „Sanktionsfrei“ und engagiert sich für arme Menschen. Im Interview spricht sie über Klischees über Erwerbslose und Schikanen vom Jobcenter. (…) Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses zur „Neuen Grundsicherung“ sind nicht weniger als ein kalkulierter Verfassungsbruch. Die Koalition hat sich auf eine massive Entrechtung von Menschen in Armut geeinigt. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht nur Sanktionen bis maximal 30 Prozent für zulässig erklärt hat, Totalsanktionen nur in absoluten Ausnahmefällen. Die verstärkten Sanktionen werden niemanden in Arbeit bringen und nicht den Haushalt sanieren, sie werden aber für viel Leid und Not sorgen. Die Abschaffung der Karenzzeit für Wohnen wird große Existenzsorgen erzeugen. Hier werden Menschen in Bürgergeld für zu hohe Mieten bestraft, anstatt dass überteuerten Mieten politisch Einhalt geboten wird. (…)  Wir als Verein sehen das als gezielte Kampagne. Die CDU hat das Bürgergeld zum Wahlkampfthema gemacht. Auch die SPD hat dafür gesorgt, dass ein gesellschaftlicher Druck entsteht, um 2003 die Agenda 2010 – also Hartz IV – durchsetzen zu können. Damals tauchte etwa „Florida-Rolf“ auf. (…) Gegen die Einführung von Hartz IV gab es damals massive Proteste. Die Menschen haben sich solidarisiert. Diesen gesellschaftlichen Rückhalt gibt es heute so nicht mehr – weil viele sich überhaupt nicht angesprochen fühlen. Es geht vermeintlich nur um die anderen, die Faulen, den Abschaum der Gesellschaft. Was nicht stimmt: Die meisten von uns sind nur ein bis zwei Schicksalsschläge vom Bürgergeld entfernt…“ Interview von Madlen Haarbach vom 11.10.2025 im Tagesspiegel online externer Link
  • Die neue Grundsicherung bedeutet sozialen Abstieg per Gesetz
    Die Bürgergeld-Reform der Bundesregierung nützt Chefs, deren Beschäftigte die Arbeitslosigkeit noch mehr fürchten müssen, Vermietern, die zahlungsschwache Mieter leichter loswerden können – und der AfD, die aus sozialem Abstieg politisches Kapital schlägt. (…)
    Künftig sind die Gängelungsmöglichkeiten der Behörden so weitreichend, wie seit Jahren nicht mehr – es sei denn, die Richter in Karlsruhe erklären die Änderungen für verfassungswidrig, was wünschenswert wäre.
    Denn der aktuelle Regelsatz von 563 Euro liegt bereits am Existenzminimum und wird seit Jahren kleingerechnet. Der Paritätische Wohlfahrtsverband schrieb im April: »Die Regelleistungen decken weiterhin nicht die zentralen Bedarfe. Um Armut zu vermeiden, müssten die Leistungen der Grundsicherung auf über 800 Euro angehoben werden.« Eine Kürzung um 30 Prozent garantiert also soziales Elend. Bisher galt: Bei mehrfachen Terminverstößen durften – stufenweise ansteigend – maximal 30 Prozent des Regelsatzes gekürzt werden. Das sieht ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 vor. Heiz- und Mietkosten waren bei Sanktionen ausgenommen. Damit ist es nun vorbei. Künftig sind die Gängelungsmöglichkeiten der Behörden so weitreichend, wie seit Jahren nicht mehr – es sei denn, die Richter in Karlsruhe erklären die Änderungen für verfassungswidrig, was wünschenswert wäre.
    Denn der aktuelle Regelsatz von 563 Euro liegt bereits am Existenzminimum und wird seit Jahren kleingerechnet. Der Paritätische Wohlfahrtsverband schrieb im April: »Die Regelleistungen decken weiterhin nicht die zentralen Bedarfe. Um Armut zu vermeiden, müssten die Leistungen der Grundsicherung auf über 800 Euro angehoben werden.« Eine Kürzung um 30 Prozent garantiert also soziales Elend.
    Chefs und Vermietern ausgesetzt
    Noch verheerender wird sich die Ausweitung der Sanktionen auf die Miete auswirken. Sollten die Jobcenter die Überweisungen an den Vermieter einstellen, droht Betroffenen im schlimmsten Fall Obdachlosigkeit. Und das mitten in einer sozialen Krise, die sich schon jetzt ausweitet. Allein in Berlin hat sich die Zahl der Obdachlosen in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Der Senat rechnet bis Ende 2029 mit einem Anstieg der Wohnungslosen-Zahl um knapp 60 Prozent – auf dann mehr als 85.600 Personen. Ist es wirklich im gesellschaftlichen Interesse, diese erschreckende Zahl noch zu steigern? Günstiger wird der Sozialstaat dadurch sicher nicht. Profitieren würden vermutlich nur einige Vermieter und Immobilieninvestoren, die mit Hilfe der neuen Sanktionen womöglich einfacher zahlungsschwache Mieter aus Wohnungen in begehrten Lagen herauskündigen könnten.
    Für derart drastische Sanktionsmaßnahmen gibt es keine sachliche Rechtfertigung. (…)
    Eine der wenigen sinnvollen Änderungen beim Übergang von Hartz IV zum Bürgergeld der damaligen Ampel-Regierung betraf die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs – dabei sollten Qualifikation und langfristige Vermittlung gegenüber der Vermittlung in den nächstbesten Job im Vordergrund stehen. Doch auch diese kleine Verbesserung hat Schwarz-Rot nun kassiert. Laut Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas gilt künftig wieder der Vermittlungsvorrang.
    Damit erhärtet die Bundesregierung den Eindruck, dass die nachhaltige Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit keineswegs im Mittelpunkt ihrer Bemühungen steht. Naheliegender ist die Vermutung, dass die neue Grundsicherung vor allem dem Zweck dient, die Mittelschicht zu verunsichern. Wer Angst haben muss, beim Jobverlust nach einer kurzen Schonphase im Arbeitslosengeld I in den Niedriglohnsektor hineinsanktioniert zu werden, überlegt sich vielleicht zwei Mal, ob er nach einer Gehaltserhöhung fragt oder dem Chef widerspricht. Zu dieser Interpretation passt auch die Abschaffung der sogenannten Karenzzeiten auf das Schonvermögen, also das Vermögen, das nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird. Wer zu viel Erspartes hat, erhält keine Leistungen
    …“ Artikel von Jörg Wimalasena vom 10. Oktober 2025 in Jacobin.de externer Link – aber leider nicht ohne die Keule der „Leistungsgerechtigkeit“:

    • „… Wie wird sich ein älterer deutscher Arbeitnehmer fühlen, der nach Jahrzehnten seinen Job verliert und dann auf dem Sozialhilfe-Niveau von Zuwanderern landet oder gar nicht einmal diese staatliche Hilfe erhält, weil er nach Ansicht des Gesetzgebers ein zu hohes Vermögen angespart hat? In der ohnehin aufgeheizten Migrationsdebatte wäre ein solches Szenario ein Wahlgeschenk an die AfD – jene Partei, die Bundeskanzler Friedrich Merz einst halbieren wollte – und die laut aktuellen Umfragen mittlerweile stärkste politische Kraft in Deutschland ist…“
  • Jann-Luca Künßberg am 11. Oktober 2025 auf bluesky externer Link:
    Ich möchte, dass Menschen auf Kosten der Solidargemeinschaft leben können – es sind immer nur einige, die wenigstens wollen das. Ich möchte, dass die politische Freiheit derjenigen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht selbst helfen können, unter allen (!) Umständen gewahrt bleibt.
    Ihre Stimme ist ohnehin schon weniger wert im politischen Output. Ich akzeptiere auch Arbeitsverweigerung als aktive Nutzung von Freiheit – das Risiko, das sich so etwas ausbreitet, halte ich für überaus gering.
    Ich mache mal einen heiklen Vergleich, der gerne kritisiert werden darf: Von der Kunstfreiheit profitieren auch Künstler (und wir alle), die gar keinen Gebrauch von ihr machen idS, dass sie deren Schutz bedürfen – das tun ja nur die wenigsten.
    Die praktische Inanspruchnahme eines Freiheitsrechts ist aber möglicherweise wichtig, weil sie Gesellschaft an die Bedingung der Möglichkeit erinnert. Die Haltung eines Nicht-einfach-irgendeinen-Job-machen-Wollens ist dann von zentralem Wert für unser Lebensmodell.
    Und nochmal: Es sind bloß einige wenige in der Grundsicherung, die diesen Schutz auf die Art in Anspruch nehmen, so eine Differenz herausstellen und das Nachdenken über Alternativen, letztlich über eine andere Vorstellung von Freiheit provozieren.
    Das ist ein relativ geringer Preis für den Wert, nicht zur Arbeit gezwungen werden zu können – wovon wiederum alle profitieren. Dann gibt es eine gewisse Zahl von Menschen, bei denen der Staat – wir als Gemeinschaft – scheitern, sie (mit unserem Bildungssystem etc)
    in die Lage zu versetzen, überhaupt von ihrem Recht auf freie Berufswahl Gebrauch machen zu können. Daraus leite ich die ethische Pflicht ab, dass die Gemeinschaft für diese Menschen sorgt, ohne sie zu irgendetwas zu zwingen.
    Weiterhin möchte ich, dass jeder in prekärer Lage ausgeruht und überlegt den nächsten Schritt planen kann. Denn die meiste Arbeit ist nicht mobil und flexibel. Arbeit, Wohnort, Familie, vielleicht bescheidenes Eigentum hängen für viele eng lokal zusammen.
    Ändert sich eine Variable, stellt das oft mehr als nur eine Existenz vor komplexe Herausforderungen, denen nicht mit dem nächstbesten Job begegnet werden kann. Das muss selbstredend mit dem angemessen Anspruch auf zurückhaltende Verwendung geteilter Mittel abgewogen werden.
    Aber die Absolutsetzung nur einer Seite der Prämissen ist kein wünschenswerten Umgang mit schutzwürdigen Interessen. Im Übrigen folgt mein Text schon der kritikwürdigen politischen Realität eines europäischen Menschenrechtsselektivismus (Harro von Senger),
    aus dem überhaupt erst folgt, dass wir Arbeitslosigkeit als rein soziales Problem sehen, obwohl das Recht auf Arbeit ein Menschenrecht in der UEMR ist.
    Weil die Debatte eher Richtung Arbeitspflicht zu kippen droht, lade ich herzlich dazu ein, hier gemeinsam zu überlegen, wie wir sie wohl führen würden, gälte dies Recht auch bei uns als solches.
    Dass es nicht so ist, spricht der Arbeit der Menschen einen Wert ab, der ihr eigentlich zusteht. Das ist in einem Land, das sich gerne mit seinem Arbeitsethos kleidet, doch bemerkenswert.
    “ zu:
  • Härte statt Hilfe: Wie die Politik Sozialleistungen zum Problem erklärt
    Vom „Sozialschmarotzer“ zum „Totalverweigerer“: Seit Jahrzehnten halten sich Falschmeldungen und Stereotype über Menschen, die vom Sozialstaat Leistungen beziehen. Fachleute zeigen auf, warum Politikerinnen und Politiker solche Narrative bedienen und warum sie in der Gesellschaft verfangen…“ Artikel von Paulina Thom und Matthias Bau vom 30. September 2025 auf correctiv.org externer Link
  • Liebe arbeitende Mitte, du hast Angst vor dem Abstieg: Lass uns zusammen kämpfen!
    Ich spüre Angst und Wut in diesem Herbst der Reformen. Wieder trifft es die Schwächsten – und immer mehr auch die Mitte. Aber wir müssen dieser Entwicklung nicht hilflos begegnen…“ Kommentar von Janina Lütt vom 09.10.2025 im Freitag online externer Link
  • Ende des Bürgergeldes: Jobcenter als Besserungsanstalt
    Das Bürgergeld ist bald passé. In Deutschland soll es offenbar wieder darum gehen, vor dem Jobcenter Angst zu haben…“ Kommentar von Barbara Dribbusch vom 9.10.2025 in der taz online externer Link
  • „Herbst der Reformen“ – Welche Grenzen zieht das Existenzminimum?
    Der Staat muss Geld ein­spa­ren – nicht zu­letzt im So­zi­al­haus­halt, wenn es nach der Union geht. Kri­ti­ke­rin­nen und Kri­ti­ker hal­ten stets das Exis­tenz­mi­ni­mum ent­ge­gen, das keine gro­ßen Kür­zun­gen er­lau­be. Doch was steckt ei­gent­lich da­hin­ter? An­na­le­na Mayr mit einem Bei­trag zur Ver­sach­li­chung…“ Gastbeitrag von Dr. Annalena Mayr vom 16. September 2025 bei beck-aktuell externer Link

Grundinfos:

  • Bürgergeldreform. Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Dossier im Portal Sozialpolitik externer Link mit u.a.:
    • Referentenentwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (»Bürgergeldreform«) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 10.11.2025 externer Link
  • Referentenentwurf zu den geplanten SGB II – Änderungen bei Tacheles veröffentlicht
    Die schwarz-rote Regierung will das SGB II grundlegend reformieren unter anderem verschärften Arbeitszwang einführen und massiv bis zur Existenzvernichtung sanktionieren. Das Ganze heißt dann „Dreizehntes Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (13. SGB II-ÄndG). Wir veröffentlichen den Vorentwurf der geplanten Änderungen, damit jeder schon mal in die Regierungspläne einarbeiten kann.:“

  • Vom Bürgergeld zur Grundsicherung: Synopse zum Referenten-Vorentwurf des 13. SGB II-Änderungsgesetzes
    Wir erläutern in dieser Fachinformation, wie sich das Bürgergeld konkret verändern würde, sollte die Bundesregierung ihr jüngst bekannt gewordenes Gesetzesvorhaben umsetzen…“ Meldung vom 23. Oktober 2025 des Paritätischen externer Link zur Synopse externer Link : Vom Bürgergeld zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Überarbeitete Gesetzesfassung mit markierten Änderungen (Vergleich Bürgergeld – Stand: 02.10.2025 – und Referentenentwurf „Neue Grundsicherung“ – Stand: 16.10.2025)
  • Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze.
    Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – Bearbeitungsstand: 16.10.2025 bei FragDenStaat externer Link
  • Bürgergeld: Geleakter Gesetzentwurf für Neue Grundsicherung zeigt deutliche Verschärfungen
    Union und SPD wollen noch in diesem Jahr die neunen Regelungen für eine sogenannte neue Grundsicherung setzen, die das Bürgergeld ab 2026 ersetzen soll. Während die Koalitionsabstimmungen offiziell andauern, ist ein erster Entwurf an die Öffentlichkeit gelangt, der unserer Redaktion vorliegt. Der Leak zeigt klare Verschärfungen – mit spürbaren Folgen für Leistungsbeziehende, aber auch für Jobcenter und Kommunen.
    Und so soll die “Neue Grundsicherung” aussehen
    Nach derzeitigem Stand zielt die Reform auf drei große Stellschrauben: strengere Sanktionen, eine abgesenkte Vermögensfreigrenze und einen schärferen Umgang mit unangemessen hohen Unterkunftskosten. Demnach soll es künftig 100-prozentige Leistungskürzungen für Menschen geben, die wiederholt zumutbare Arbeit konsequent ablehnen. Das sogenannte Schonvermögen, also der Vermögensbetrag, der bei der Bewilligung unberücksichtigt bleibt, soll von 40.000 auf 15.000 Euro sinken. Zudem ist vorgesehen, die Karenzzeit bei deutlich zu hohen Mieten abzuschaffen…“ Beitrag von Carolin-Jana Klose vom 7.10.2025 bei gegen-hartz.de externer Link, siehe auch:

  • Zeitplan der SGB II-Änderungen: Namensänderung in „Neue Grundsicherung“ einschließlich diversen Verschärfungen und Drangsalierungen zum 1. Juli 2026
    Nach mir vorliegenden Informationen soll der Referentenentwurf zu den geplanten SGB II-Änderungen nun Mitte/Ende November 2025 vorgelegt werden. In der Folge ist vorgesehen, dass die erste Runde Änderung im SGB II, einschließlich Namensänderung in „Neue Grundsicherung“, diversen Verschärfungen und Drangsalierungen zum 1. Juli 2026 erfolgen soll.
    Sollte sich die Bundesregierung jedoch nicht einigen können, könnte sich der Zeitplan entsprechend verzögern. Der aktuelle Stand gilt somit vorbehaltlich weiterer Entwicklungen
    Derzeit tagt die „Kommission zur Sozialstaatsreform“. Die Kommission setzt sich aus Vertreter:innen des Bundes, der Länder und der Kommunen zusammen. Sie soll Vorschläge zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Sozialstaats erarbeiten. Der Schwerpunkt liegt auf der Zusammenführung der steuerfinanzierten Leistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag, SGB II und SGB XII.
    Anzumerken ist, dass in dieser Kommission keine Wohlfahrts und Sozialverbände, keine NGO’s vertreten sind bzw. sein sollen, diese werden nur im, Rahmen von Stakeholderverfahren angehört.
    Thematisch geht es insbesondere um die Zusammenlegung bzw. systematische Strukturierung von Sozialleistungen – also die Prüfung, ob ähnliche Leistungen vereinbar sind oder zusammengeführt werden können – sowie um die Verbesserung von Erwerbsanreizen. Ziel ist es, dass Leistungen und steuerliche Regelungen so gestaltet sind, dass sie Arbeit nicht entmutigen, sondern fördern. Ende 2025 sollen die Ergebnisse vorgelegt werden.
    Die Ergebnisse dieser Kommission werden voraussichtlich zu weiteren Änderungen im SGB II führen, insbesondere im Bereich der Kosten der Unterkunft (KdU) und des anzurechnenden Einkommens.
    Diese zweite Reformrunde wird in jedem Fall zustimmungspflichtig im Bundesrat sein. Mit entsprechenden Gesetzesänderungen ist daher frühestens ab 2027 zu rechnen
    …“ Aus dem Thomé Newsletter 30/2025 vom 21.09.2025 externer Link („Neues zum Zeitplan der SGB II-Änderungen“) mit einigen Anmerkungen zu Steinmeier. Siehe auch:

    • Modernisierung des Sozialstaats. Hintergründe und Informationen über die Kommission zur Sozialstaatsreform (KSR) bei Bundesministerium für Arbeit und Soziales externer Link
    • Paritätische Handreichung für Interessierte: Wissenwertes auf dem Weg vom Bürgergeld zur neuen Grundsicherung
      „Die Bundesregierung plant, das Bürgergeld zu einer „neuen Grundsicherung“ umzugestalten. Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag von Union und SPD verschiedene Aussagen zu geplanten Veränderungen und Einschnitten im Bereich des Bürgergelds bzw. der Grundsicherung. Der Paritätische hat diese Vorhaben einer kritischen Sichtung unterzogen und im Ergebnis eine Handreichung für Interessierte erstellt. Die Paritätischen Positionen zum Bürgergeld speisen sich dabei aus einer reichhaltigen Praxis sozialer Arbeit und aus dem Engagement im Bereich Beschäftigungspolitik. Aufgrund der Rückmeldungen aus Sozial- und Schuldnerberatungen unter unserem Dach und infolge unserer wissenschaftlichen Arbeiten u.a. im Bereich Armutsberichtserstattung wissen wir um Sorgen und Nöte von Armutsbetroffenen. Insofern sehen wir tatsächlich einen großen Reformbedarf beim Bürgergeld. In Auswertung wissenschaftlicher und praktischer Arbeit sprechen wir uns für armutsfeste Sozialleistungen und nachhaltige Arbeitsmarktmaßnahmen aus und beziehen klar Position gegen Sanktionen.
      Auch weisen wir darauf hin, dass die Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft (KdU) vielerorts so niedrig sind, dass im bisherigen sozialen Umfeld keine entsprechenden Wohnungen zu finden sind. Infolgedessen zeichnet sich eine Konzentration von Ärmeren in bestimmten Stadtteilen ab, was die soziale Spaltung der Städte befeuert.
      Die aktuelle Debatte im politischen Raum zielt jedoch nicht auf eine Behebung dieser Mängel ab. Vielmehr sind Verschärfungen bestehender Fehler und Kürzungen im Gespräch. Zu den einzelnen Regierungsvorhaben aus dem Koalitionsvertrag enthält die Handreichung Daten und Fakten. Dabei liefern wir Argumente, um diese noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die Handreichung bietet also argumentatives Rüstzeug für alle, die sich kritisch in die Diskussion einbringen wollen…“ Aus der Vorbemerkung der Handreichung vom 16. September 2025 externer Link
  • Bürgergeld Abschaffung: Wohnkosten nur unter Vorbehalt und schnell Totalsanktionen
    In der Nacht auf Donnerstag hat sich die schwarz-rote Koalition auf eine umfassende Reform der sozialen Sicherung geeinigt. Das bisherige Bürgergeld soll abgeschafft werden und die sog Neue Grundsicherung wird mit deutlich strengeren Sanktionen eingeführt…“ Übersicht von Sebastian Bertram vom 10.10.2025 auf gegen-hartz.de externer Link

Siehe für Hintergründe im LabourNet v.a.:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=231263
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