Ein Brandbrief aus dem Jobcenter Dortmund belegt auf beiden Schreibtischseiten: Mit dem „Bürgergeld“ hat sich lediglich der Name des Systems geändert

Illustration zu Hartz IV: Ten Years after - Sechsteilige Bilanz von Rudolf Stumberger bei telepolisIch nehme Bezug auf einen „Brandbrief“ von Mitarbeitenden des Jobcenters Dortmund aus Juni 2023. Darin wird festgestellt, dass die Kolleg*innen gehofft hatten, mit der Einführung des Bürgergelds würde ein positiver Wandel stattfinden. Dieser sei leider ausgeblieben, lediglich der Namen des Systems habe sich geändert. Dann wird berichtet, „dass schon seit Jahren immer mehr Mitarbeiter resignieren und verzweifeln am System Jobcenter“ und „viele Mitarbeiter innerlich gekündigt hätten“. Hervorragend nachvollziehbar wird in dem Brandbrief berichtet, dass mit der angespannten personellen Situation die notwendigen Aufgaben nicht bewältigbar sind, dass die Betreuungsschlüssel und Kontaktdichte nicht durchführbar seien und wie stattdessen zum Erreichen der Zahlen manipuliert werde…“  Aus dem Thomé Newsletter 20/2023 vom 18.06.2023 externer Link – siehe mehr daraus und dazu:

  • Weiter aus dem Thomé Newsletter 20/2023 vom 18.06.2023 externer Link („Brandbrief zur Situation im Jobcenter Dortmund – mit bundesweiter Bedeutung“): „… Dass es die Vorgabe gibt eine gewisse Anzahl an Zuweisungen und bei jedem Gespräch ein Angebot zu machen. Dieses Angebot solle ein „Maßnahmenangebot“ sein, auch wenn beratungstechnisch eine andere Herangehensweise sinnvoller sei. Dass die Kommunikation unter den Abteilungen „grundlegend nicht funktioniert“. Das Verbot besteht, mit den „Kunden“ per Mail zu kommunizieren, dass dringend notwendige Umgestaltung nicht stattfindet. Dann werden in einer Vielzahl von einzelnen Punkten organisatorische Mängel beschrieben.
    Der Brandbrief ist hier zu finden: https://t1p.de/k332p externer Link
    Bemerkung: Ich möchte dem oder der langjährigen Mitarbeiter*in für den Brief danken. Es gehört viel Mut dazu, sich eben nicht innerlich zu verabschieden, sondern den Diskurs zu suchen. Dafür herzlichen Dank.
    Was in dem Brandbrief beschrieben wird, ist aber nicht nur ein Dortmunder, sondern auch ein bundesweites strukturelles Problem. Hohe Arbeitsüberlastung, Vorgaben die nur dazu da sind, Quoten zu erfüllen, keine auf den Einzelfall bezogene Integration und erst recht nicht ein Umgang auf Augenhöhe, sondern im Vordergrund steht das „Bedienen von Trägern“ bzw. Vollmachen von Plätzen oder „wahllose Maßnahmenzuweisung“. Alles aufgrund der Maßgaben aus Nürnberg, durch das Beratungskonzept Beko.
    Dieser Brandbrief sollte als Anlass genutzt werden, die Diskussion zu führen, wie sich die Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden und die Leistungsbeziehenden geändert werden können.
    Dazu passend, die Initiative von Berliner Jobcenter an den Rahmenbedingungen im Umgang mit den „Kunden“ angesichts der starken negativen Bewertung ändern zu wollen. Eine Veröffentlichung im Tagesspiegel: https://t1p.de/gn1hl externer Link ...“ Siehe auch:
  • Brandbrief eine/r Jobcenters Mitarbeiters an die Geschäftsführung JC Dortmund. Es hat sich irgendwie nicht wirklich was geändert. „Der Fisch stinkt vom Kopf her“. https://harald-thome.de/files/pdf/2023 externer Link
    Es ist doch zum Ausflippen und es „triggert“ mich. Dass die Bürgergeldreform nicht der große Wurf wird, war klar – zumindest für die Leistungsberechtigten und für die Mitarbeiter in den Jobcentern. Wer es nicht glauben möchte, sind Teile der Politik. Die kennen auch die Praxis nicht. Das Controlling der BA ist bis heute ein wichtiger Punkt, auch wenn er in den letzten Jahren etwas abgeschwächt wurde. Trotzdem sind Zahlen wichtig. Ist halt ein Wirtschaftsunternehmen. In diesem Fall fallen Menschen wie ein Produkt herunter – auf beiden Schreibtischseiten.
    Die Bürgergeldreform wurde zu schnell und zu heiß gestrickt. Die Schulungen darüber zu chaotisch und in Teilen zu wenig und vor allem zu kurzfristig. Wie soll da Kompetenz entstehen. Eine Fachkompetenz ist nur so gut, wie sie vermittelt wird. Das geht natürlich zu Lasten an die Leistungsberechtigten. Wer ideel genug ist, macht und kann irgendwie emphatisch weitermachen – ansonsten kann nur „Dienst nach Vorschrift“ folgen, um irgendwie der Masse an Arbeit Herr zu werden. Das ist keine Entschuldigung für willkürliches Handeln. Das wird es immer und in jeder Behörde geben (Machtmenschen). Die Frage wird nun sein, wenn ab Juli die meisten Änderungen in Kraft treten: Kooperationsplan, Qualifizierung, Abschaffung Vermittlungsvorrang wie sich das auswirkt.
    Das gilt es zu beobachten, aber auch zu evaluieren. Ob das geschieht, bezweifle ich derzeit noch stark. Hier bin ich auf eure Rückmeldungen, sowie die Erwerbsloseninis, wie @BastaBerlin oder @hatho05 angewiesen. Das wäre prima. Danke. Hier nun die Mitarbeiter zu beschimpfen ist kontraproduktiv. Die Order kommt immer von oben und ist in Teilen von der internen Organisation abhängig. Ebenso vom Personalstand und deren Fluktuation. Mir ist bewusst, wie ich seit Jahren schreibe, dass die Leidtragenden i.d.R. die Leistungsberechtigten sind. Sei es durch schlechte Beratung, fehlende Qualifizierung, keine Bearbeitung der Anträge, Unfreundlichkeit usw. Aber es gibt eben immer zwei Seiten: Die Organisation, die Ausstattung und die Folgen daraus. Und ich habe in meiner Arbeit eben mit beiden Seiten zu tun.“ Thread von Inge Hannemann vom 19. Juni 2023 externer Link
  • Trotz Bürgergeld: Beratung im Jobcenter wird immer schlechter
    Beitrag von André Maßmann vom 20. Juni 2023 bei hartziv.org externer Link
  • Weg vom Image der „verstaubten Behörde“: Berliner Jobcenter wollen lockerer werden
    Eine Umfrage ergab, dass nur sieben Prozent der Berliner die Jobvermittler positiv bewerten. Deswegen gehen die jetzt in die Offensive…“ Artikel von Thomas Loy vom 16.06.2023 im Tagesspiegel online externer Link

Siehe zum Hintergrund:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=212699
nach oben