NRW plant Zerschlagung von behördenunabhängigen Erwerbslosen- und Beratungsstrukturen – prekäre Jobs statt erfolgreicher Klagen? Protest!

Dossier

Protest gegen Arbeitsagentur beim "Zahltag"„Um die Zukunft der Arbeitslosenzentren in NRW wird seit Jahren gerungen. Sie befürchten das Aus für ihre Arbeit. Am Dienstag (04.02.2020) hat NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann sein Konzept vorgestellt. Es sieht tatsächlich vor, die Förderung für die 79 Arbeitslosenzentren Ende 2020 einzustellen. (…) Einen sozialen Kahlschlag sieht der CDU-Politiker darin allerdings nicht. Denn die Tätigkeit der Arbeitslosenzentren soll nach seinen Plänen von den 73 Erwerbslosenberatungsstellen übernommen werden. Während sich die Arbeitslosenzentren bislang darum kümmerten, Betroffene aus der sozialen Isolation zu helfen, unterstützen die Beratungsstellen bei allen Behördensachen. Laumann will beide Angebote nun zusammenlegen und „Doppelstrukturen“ beenden. (…) Bislang bekommen die Arbeitslosenzentren jedes Jahr jeweils 15.600 Euro vom Land. Hinzu kommen städtische Zuschüsse und Spenden. Ab 2021 gibt es aber Änderungen am europäischen Sozialfonds ESF. Das Land geht davon aus, dass dann weniger Fördergeld nach NRW fließt. Deshalb geht Laumann nun die Umstrukturierung an. (…) Neben der Übernahme der Arbeitslosenzentren sollen sich die Beratungsstellen auch noch um Menschen kümmern, die von Arbeitsausbeutung betroffen sind. (…) Aus der Opposition gibt es Kritik an den Umstrukturierungen…“ „NRW legt Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen zusammen“, Bericht von Christian Wolf vom 4. Februar 2020 beim WDR externer Link, siehe dazu den Protest des Erwerbslosenverein Tacheles:

  • Freie Wohlfahrtspflege in Sorge wegen der Arbeitslosenzentren New
    „Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege warnt vor größeren Löchern bei Beratung und Unterstützung von Arbeitslosen. „Die angekündigte Einstellung der 79 Arbeitslosenzentren in Nordrhein-Westfalen kommt bei vielen Betroffenen zunächst als Schlag ins Gesicht an“, befürchtet Josef Lüttig, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW. Mit dem neuen Konzept der Landesregierung würden sich im landesweiten Netz Risse und große Löcher auftun. Die von Minister Karl-Josef Laumann (CDU) so genannte „Abschaffung von Doppelstrukturen“ wäre in diesen Fällen eine „verharmlosende Irreführung“, warnt Lüttig. (…) Es bestehe die Gefahr, dass in mindestens 15 Kommunen in NRW zukünftig keine Angebote für Menschen in prekären Lebenslagen vom Land gefördert werden. Diese Arbeitslosenzentren stehen vor dem Aus, wenn nicht alternative Lösungen gefunden werden. „Dann besteht die Gefahr, dass Menschen in prekären Lebenslagen in den Kommunen für ihre Fragen und Nöte keine Anlaufstelle mehr haben“, warnte Lüttig…“ Pressemeldung der Freien Wohlfahrtspflege NRW vom 10. Februar 2020 externer Link
  • Unabhängige Beratung von Langzeitarbeitslosen ist ein bundesweites Vorbild – Arbeitslosenzentren (ALZ) und Erwerbslosenberatungsstellen (EBS) über 2020 hinaus erhalten!
    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Antrag externer Link in den nordrhein-westfälischen Landtag eingebracht
  • Kürzungspläne der NRW-Landesregierung gefährden Arbeitslosenzentren und unabhängige Sozialberatung – Erwerbslosenverein Tacheles kündigt Protest an
    „… Die vom Land Nordrhein-Westfahlen und der Europäischen Union geförderten Beratungsstellen für Erwerbslose, sollen sich nach den Plänen von Arbeitsminister Laumann spezialisieren und prekär Beschäftigte in ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen unterstützen. Gleichzeitig ist geplant, die Landesmittel für die Arbeitslosenzentren komplett zu streichen. „Ziel des Manövers ist die Zerschlagung von behördenunabhängigen Erwerbslosen- und Beratungsstrukturen,“ erklärt Harald Thomé, Vorsitzender des Erwerbslosenvereins Tacheles aus Wuppertal. „Erwerbslose brauchen aber Anlaufstellen, wo sie sich aufgehoben fühlen, gesellschaftliche Isolation durchbrechen können und wo ihre Rechte gegenüber den Behörden verteidigt werden.“ Grundsätzlich begrüßt der Erwerbslosenverein, dass Minister Laumann die Rechte von prekär Beschäftigten stärken will. Das darf aber nicht zulasten der Arbeitslosenzentren und etablierten Beratungsstrukturen gehen, die sich schon jetzt um sozialrechtliche Ansprüche und die Existenzsicherung genau dieser prekär Beschäftigten kümmern. Um ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse auf betrieblicher Ebene zu bekämpfen, bedarf es anderer Maßnahmen, etwa zur Stärkung der gewerkschaftlichen Vertretung in solchen Betrieben und zur besseren sozialen Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer*innen, damit sie nicht in die Fänge ausbeuterischer Unternehmen getrieben werden. Letzteres würde durch die Kürzungspläne der Landesregierung konterkariert. Wie wichtig der Erhalt der unabhängigen Beratungsstrukturen zur Stärkung sozialer Rechte ist, macht die gerade veröffentlichte Widerspruchs- und Klagestatistik der Bundesagentur für Arbeit des Jahres 2019 für die Grundsicherung für Arbeitsuchende deutlich. Danach wurde über einem Drittel aller Widersprüche ganz oder teilweise abgeholfen (34 %) und knapp 40 Prozent der Klagen gegen Hartz-IV-Entscheidungen wurde teilweise oder völlig stattgegeben…“ Tacheles Pressemitteilung vom 6. Februar 2020 externer Link und zu den Hintergründen des Vorhabens:
  • Härte gegen Bedürftige: Nordrhein-Westfalen kürzt bei Hartz IV
    Arbeitsminister Laumann (CDU) will Hartz-IV-Empfängern bei Sanktionen komplett das Geld streichen. Kritischen Initiativen dreht er den Hahn zu. (…) Ein Ärgernis dürften für den Minister deshalb die 79 selbstverwalteten Arbeitslosenzentren in Nordrhein-Westfalen sein. Denn diese bieten Menschen, denen ohne Job und Geld die soziale Isolation droht, nicht nur bezahlbare Treffpunkte wie Cafés: Im Kampf gegen fehlerhafte Bescheide von Arbeitsagenturen und Jobcentern helfen sie Arbeitssuchenden auch mit qualifizierter Beratung durch oft ehrenamtlich arbeitende Jurist*innen, Sozialarbeiter*innen und Aktivist*innen. Geht es nach Laumann, soll damit Ende des Jahres Schluss sein. Bisher erhalten die Arbeitslosenzentren, die oft aus Selbsthilfe-Initiativen entstanden sind, eine Landesförderung von 1,2 Millionen Euro. Ab Januar 2021 aber soll das Geld stattdessen an die zusätzlich bestehenden 73 Erwerbslosenberatungsstellen gehen, die bisher schon mit 5,6 Millionen Euro unterstützt wurden und deren Schwerpunkt auf Qualifizierung und Jobsuche liegt. Diese Beratungsstellen sollen nicht nur die Aufgabe der Zentren übernehmen, Treffpunkte für Arbeitssuchende zu bieten – sondern auch noch Menschen helfen, die in prekären, mies bezahlten Jobs, etwa in der Fleischindustrie oder bei Paketversanddiensten, ausgebeutet werden. Allerdings sind die Träger der Erwerbslosenberatungsstellen oft auch in der Beschäftigungsförderung aktiv. Damit sind sie finanziell eng mit der staatlichen Arbeitsverwaltung verwoben – also den Arbeitsagenturen und Jobcentern, die nach Laumanns Willen Arbeitssuchende bald wieder zu 100 Prozent „sanktionieren“ sollen...“ Artikel von Andreas Wyputta vom 9.2.2020 in der taz online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162545
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