Ausbildungsjahr 2022 und Fachkräftemangel: „Ausbildungsplatz sucht Azubi“ sagt DIHK – Azubis suchen attraktive Lern- und Arbeitsbedingungen

Dossier

Wer nicht ausbildet wird umgelegt„.… Mehr als vier von zehn IHK-Ausbildungsbetrieben hätten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen können. Dies sei ein Allzeithoch. (…) Dass sich die Schere zwischen Ausbildungsangeboten und nachfragenden Jugendlichen noch weiter geöffnet hat, führt Dercks nicht zuletzt auf die Corona-bedingten Einschränkungen zurück. Dadurch seien Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsplatzsuche erheblich erschwert. (…) Das Problem verstärke sich zudem durch die demografische Entwicklung Meldung vom 18. August 2022 in ZDF heute externer Link („Ausbildungsplatz sucht Azubi: Allzeithoch bei offenen Lehrstellen“), in der nicht vorkommt, dass viele Betriebe am liebsten gar nicht und möglichst billig ausbilden möchten… Siehe dazu:

  • Laut der BIBB-Studie zu vorzeitigen Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung wurden 2022 so viele Ausbildungsverträge vorzeitig beendet wie nie zuvor New
    Etwa 155.000 Ausbildungsverträge in Deutschland wurden im vergangenen Jahr vorzeitig beendet. Ein Grund für die hohe Quote könnte Experten zufolge auch die günstige Lage am Arbeitsmarkt sein. Laut Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) wurden im Jahr 2022 155.325 Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst. Im Jahr 2021 waren es noch 141.207. Damit stieg die sogenannte Lösungsquote auf 29,5 Prozent. Es handele sich um einen Höchststand, teilte das BIBB mit. Im Jahr davor lag sie bei knapp 27 Prozent. Ein Drittel davon in der Probezeit, ein weiteres Drittel nach der Probezeit, aber noch im ersten Ausbildungsjahr und weitere knapp 23 Prozent im zweiten Jahr nach Vertragsbeginn. Spätere Vertragsauflösungen sind eher selten. (…) Das Institut wies in der Studie allerdings darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um Ausbildungsabbrüche handele. Dieser Begriff werde üblicherweise für das endgültige Verlassen eines Bildungsbereichs ohne erfolgreichen Abschluss verwendet. Viele Azubis wechselten lediglich Betrieb und Beruf, mindestens die Hälfte schlössen erneut einen Ausbildungsvertrag ab. Differenziert man die Ausbildungsverträge nach Zuständigkeitsbereichen, zeigen sich laut BIBB höhere Lösungsquoten im Handwerk (2022: 36,7 Prozent), bei den Ausbildungsberufen der Freien Berufe (34,7 Prozent) sowie der Hauswirtschaft (32,6 Prozent). (…) Die Ursachen für vorzeitige Vertragsauflösungen seien vielfältig und komplex, so das BIBB. „Man kann davon ausgehen, dass sich neben der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit sowie dem Berufswahlverhalten der Auszubildenden auch betriebliche Ausbildungsbedingungen, die Qualität der Ausbildung, das Ausmaß an betrieblichen Ausbildungsinvestitionen, aber auch die Attraktivität des Ausbildungsberufs auf die Vertragslösungswahrscheinlichkeit auswirken“, heißt es in der Studie. Grund für die hohe Quote könnte nach Ansicht des BIBB auch die aus Sicht der Jugendlichen positive Lage am Ausbildungsmarkt sein. Bei auftretenden Problemen im Ausbildungsverhältnis würden Azubis eher einen Wechsel vornehmen, wenn sie wegen der günstigen Marktlage relativ einfach einen anderen Ausbildungsplatz finden könnten. Außerdem seien Betriebe aufgrund des Nachwuchsmangels möglicherweise eher bereit, Azubis einzustellen, die sie für weniger geeignet halten…“ Beitrag vom 09.11.2023 in tagesschau.de externer Link („Aktuelle Studie So viele Ausbildungsabbrüche wie nie zuvor“)

  • Historisch niedrige Azubi-Zahlen: Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt
    • DIHK-Umfrage: Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt
      „…  So viele Unternehmen wie noch nie können ihre angebotenen Ausbildungsplätze nicht vollständig besetzen. Das hat eine Online-Umfrage der DIHK im Mai ergeben, an der sich mehr als 14.000 Betriebe beteiligt haben. Danach finden 47 Prozent der Betriebe nicht für jeden Ausbildungsplatz eine oder einen Azubi. Gut ein Drittel der Firmen (37 Prozent) haben danach sogar keine einzige Bewerbung erhalten. (…) Die wichtigste Ursache für den Mangel an neuen Auszubildenden sei der demografische Wandel, so die DIHK: „Heute gibt es rund 100.000 weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger als noch vor zehn Jahren“, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Das führe etwa dazu, dass bald bis zu 400.000 Beschäftigte mehr den Arbeitsmarkt verließen als neue hinzukämen. Besonders angespannt sei die Situation in der Gastronomie, der Industrie und im Handel. Voraussichtlich blieben viele Zehntausende Ausbildungsplätze unbesetzt. Der Azubimangel werde so auf längere Sicht zum Fachkräftemangel, sagte Dercks. (…) Im vergangenen Jahr hatten in der dualen Berufsausbildung 469.900 Azubis einen Ausbildungsvertrag geschlossen, dies war zwar ein Anstieg um 0,8 Prozent, blieb aber „auf einem historisch niedrigen Niveau“, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte externer Link. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 bedeutet die Zahl ein Minus von acht Prozent. Im Jahr 2012 hatte die Zahl der neuen Ausbildungsverträge noch bei 544.400 gelegen…“ Meldung vom 23.08.2023 in tagesschau.de externer Link
    • Zahl neuer Ausbildungsverträge: Besorgniserregender Trend
      In der dualen Berufsausbildung stagniert die Zahl neuer Ausbildungsverträge 2022 auf einem historisch niedrigen Niveau, so das Statistische Bundesamt. Die GEW kritisiert Arbeitgeber und Politik. (…) Die DGB Gewerkschaften haben schon längst konkrete Lösungsansätze vorgeschlagen wie etwa, eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie einzuführen. Diese könnte dazu beitragen, die finanzielle Belastung für Unternehmen zu reduzieren und gleichzeitig Anreize für die Ausbildung zu schaffen. (…) Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Modernisierung des Berufsbildungssystems, um den Bedarf an Fachkräften zukunftsorientiert abzudecken. Ralf Becker betonte: „Das Berufsbildungssystem muss für die Ausbildung des Fachkräftebedarfs fit gemacht werden.“ Die von der Bundesregierung angekündigten Investitionen in überbetriebliche Ausbildungsstätten reichen nicht aus. Zusätzlich fordert die GEW, den versprochenen Pakt für die Berufsbildenden Schulen umzusetzen. Dieser Pakt werde dazu beitragen, die Qualität der Ausbildung weiter zu steigern und die Attraktivität der Berufsschulen zu erhöhen. „Politik und Arbeitgeber müssen jetzt liefern“, so Becker abschließend.“ GEW-Meldung vom 22.08.2023 externer Link
  • KMK legt Einstellungszahlen für 2022 vor: Ausbildungslücke bleibt groß – 6.200 Lehrkräfte nicht voll ausgebildet  Erneut haben die 16 Bundesländer weit weniger Lehrkräfte ausgebildet als neu eingestellt wurden. Das zeigen die Zahlen für 2022, die die Kultusministerkonferenz (KMK) nun veröffentlicht hat. (…) So ist die Zahl der Absolvent*innen des Vorbereitungsdienstes – also des Regelweges in den Lehrberuf – im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um fast 1.300 auf 27.350 zurückgegangen. Das ist in Zeiten eines zunehmenden Lehrkräftemangels ein sehr problematischer Befund. Die Zahl der neu eingestellten Lehrkräfte liegt mit 33.566 Personen um mehr als 20 Prozent darüber. Die Lücke zwischen Einstellungen und voll ausgebildeten Lehrkräften liegt damit bei rund 6.200 Personen. Das ist mehr als letztes Jahr, aber weniger als 2016 bis 2019, als die Lücke bei 6.400 bis 8.200 lag. Zusätzlich weist die KMK in ihrer Veröffentlichung rund 3.100 „sonstige (unbefristete) Lehrkräfte (ehemals Seiteneinsteiger)“ aus. Seit 2020 differenziert sie hier zwischen sonstigen Lehrkräften „mit einem Hochschulabschluss auf Masterniveau“ und „Übrigen“. Letztere machen mit fast 1.300 Personen mehr als ein Drittel dieser Summe aus. (…) Besonders beunruhigen muss dabei, dass die KMK selbst noch im März 2022 den Lehrkräftebedarf für das Jahr 2022 mit insgesamt 36.743 Personen angegeben hatte. Auch wenn die Lieferung der Grunddaten für die KMK-Prognose schon 2021 erfolgt sein dürfte, weist die deutliche Diskrepanz zu den tatsächlich realisierten Einstellungen (3.177 Personen bzw. 8,6 Prozent) darauf hin, dass die Bundesländer nicht alle geplanten Einstellungen auch realisieren konnten. Dies deckt sich mit den Berichten der GEW-Landesverbände, wonach letztes Jahr in erheblichem Umfang freie Stellen unbesetzt geblieben seien…“ GEW-Pressemitteilung vom 03.07.2023 externer Link von Gesa Bruno-Latocha, Referentin im AB Tarif- und Beamtenpolitik zu KMK: Einstellung von Lehrkräften 2022 externer Link
  • Kein Zurück mehr in die alte Zeit. Zur Entwicklung der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge – v.a. im Handwerk 
    In diesen Zeiten ist man dankbar, wenn uns überhaupt irgendwelche positiv daherkommenden Meldungen erreichen – und wenn die dann auch noch aus dem so bedeutsamen Bereich der Berufsausbildung kommen, dann hat man (scheinbar) doppelt Grund zur Freude. Dazu diese Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 12. April 2023: Duale Berufsausbildung: Zahl neuer Ausbildungsverträge im Jahr 2022 leicht gestiegen externer Link, so ist die überschrieben. Der Berufsskeptiker wird bei der Formulierung der Überschrift hellhörig, denn da ist von einem „leichten“ Anstieg im vergangenen Jahr die Rede. Die immer sehr korrekten Bundesstatistiker verstärken die angedeutete Skepsis sogleich mit einer zentralen Aussage direkt unter dem Titel: »Zahl neuer Ausbildungsverträge steigt im zweiten Jahr in Folge, erholt sich aber weiterhin nur langsam vom starken Einbruch im Corona-Jahr 2020.« Und weiter kann man der Mitteilung entnehmen: »Im Jahr 2022 haben 468.900 Personen in Deutschland einen neuen Ausbildungsvertrag in der dualen Berufsausbildung abgeschlossen. Das waren nach vorläufigen Ergebnissen… 0,6 % mehr als im Vorjahr (2021: 466.200 Neuverträge). Damit stieg die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nach dem starken Einbruch im Corona-Jahr 2020 … im zweiten Jahr in Folge leicht an.« Allerdings wird sofort eingeschränkt: »Allerdings war die Zahl neuer Ausbildungsverträge um 8 % geringer als im Jahr 2019 und lag damit weiterhin deutlich niedriger als vor der Corona-Pandemie (2019: 510.900 Neuverträge).« (…) Und vor dem Hintergrund des real existierenden und sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels beispielsweise im Handwerksbereich, wo wir nicht nur die generelle Herausforderung sehen müssen, die nun und in den kommenden Jahren aus Altersgründen ausscheidenden Fachkräfte der Baby-Boomer-Generation wenigstens teilweise zu ersetzen, sondern wo wir einen enormen Zusatzbedarf haben (man denke hier an die Umsetzung der Energiewende und generell den Umbau der Wirtschaftsstruktur hin zu mehr Nachhaltigkeit bis hin zu den Bedarfen bei Neu- und Umbau der Wohnungsinfrastruktur, Stichwort altersgerechte Wohnungen), ist es mehr als ein Alarmsignal, dass im Handwerk noch nicht einmal das marginale Plus von 0,6 Prozent im vergangenen Jahr gegenüber 2021 verbucht werden konnte – sondern bei den neuen Ausbildungsverträgen im Handwerk haben wir sogar ein Minus von 2,3 Prozent gegenüber 2021…“ Beitrag vom 17. April 2023 von und bei Stefan Sell externer Link
  • GEW: „Umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie jetzt!“ Bildungsgewerkschaft nimmt Arbeitgeber in die Pflicht 
    „Für eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie macht sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Blick auf die Zahlen zum Ausbildungsmarkt stark, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) heute veröffentlicht hat. „Die Zahl der jungen Menschen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, zeigt deutlich, dass die Arbeitgeber nicht alle Möglichkeiten nutzen, die Ausbildung zu stabilisieren. Zu viele junge Menschen gehen verloren, die Arbeitgeber sind in der Pflicht gegenzusteuern“, sagte Ralf Becker, GEW Vorstandsmitglied für Berufliche Bildung und Weiterbildung, am Mittwoch in Frankfurt a.M. „Es passt einfach nicht zusammen, dass sich die Wirtschaft über einen wachsenden Fachkräftemangel beklagt, aber nicht bereit ist, ausreichend in die Ausbildung der jungen Leute zu investieren. Eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie hilft ausbildungswilligen Unternehmen, mehr auszubilden als bisher.“…“ GEW-Pressemitteilung vom 2. November 2022 externer Link

  • Fast jeder zehnte junge Mensch ist arbeitslos, weil Ausbildungsbetriebe fehlen 
    Die Zahl junger Menschen ohne Arbeit und Ausbildung steigt. Es gibt zu wenige Betriebe, die ausbilden, kritisiert die Jugendorganisation von Verdi. In Deutschland steht fast jeder zehnte junge Mensch ohne Ausbildung und Arbeit da. Der Anteil ist deutlich größer als im vergangenen Jahr. Das fand eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heraus. Im Jahr 2021 waren demnach mehr als acht Prozent der 18- bis 24-Jährigen arbeitslos. Heute sind es fast zehn Prozent. Grund dafür seien die fehlenden Ausbildungsbetriebe, sagt die Jugendorganisation der Gewerkschaft Verdi gegenüber BuzzFeed News Deutschland. In Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Gleichzeitig gibt es immer weniger Betriebe, die junge Menschen ausbilden. (…)Hunderttausende junge Menschen befinden sich laut Verdi Jugend zurzeit in einem Berufsvorbereitungsjahr. (In manchen Bundesländern auch Berufseinstiegsjahr oder Berufsgrundbildungsjahr). Das ist ein Angebot des Bundes für die Zeit zwischen der Ausbildung und dem Beruf. Ein Jahr lang wird man auf einen Beruf vorbereitet, bekommt aber keinen Abschluss. Die jungen Menschen stecken laut Verdi Jugend deshalb fest, ohne einen Beruf anfangen zu können. Böhnke bezeichnet das als „problematisch“. Die Jugendorganisation fordert eine gesetzlich abgesicherte Ausbildungsgarantie für junge Menschen…“ Artikel von Felicitas Breschendorf vom 06.10.2022 in BuzzFeedNews externer Link
  • Ausbildungsreport 2022 belegt Mängel in Ausbildung und Berufsorientierung 
    Fast jeder dritte Azubi macht Überstunden, viele müssen Aufgaben erledigen, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben, die Betreuung durch die Ausbilder ist oft mangelhaft – das sind nur drei Ergebnisse des neuen Ausbildungsreports der DGB-Jugend, der heute in Berlin vorgestellt wurde. „Wer Fachkräfte will, muss gut ausbilden“, sagt dazu DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker. „Gerade in Branchen, die für einen rauhen Umgangston und für Mängel in der Ausbildung bekannt sind, haben es die Arbeitgeber selbst in der Hand, neue Auszubildende zu finden. Wenn die Ausbildungsqualität schlecht ist und die Perspektive fehlt, spricht es sich unter den jungen Menschen eben rum“, so Becker. Ebenso sei es „kein Ausweis von Attraktivität“, wenn fast die Hälfte der Azubis im letzten Ausbildungsjahr noch immer nicht wissen, ob sie übernommen werden. „Wer seine Ausbildung erfolgreich absolviert, muss auch übernommen werden: im ausgebildeten Beruf, wohnortnah, Vollzeit und unbefristet“, betont Kristof Becker. „Selbst von den Befragten, die übernommen wurden, erhält fast ein Drittel nur eine befristete Stelle und wird meist nur für ein Jahr eingestellt.“ Der Ausbildungsmarkt habe sich „noch lange nicht vom Corona-Schock erholt“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. „Im letzten Jahr bekamen nicht einmal 70 Prozent aller bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz. Nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen bildet hierzulande noch aus. Auf der anderen Seite gibt es aber ein enormes Potenzial an jungen Menschen die keine Ausbildung finden. Über 220.000 Jugendliche stecken jedes Jahr in den sogenannten Übergangsmaßnahmen zwischen Schule und Ausbildung fest. Dazu kommen über 2,3 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben…“ DGB-Pressemitteilung vom 31.08.2022 externer Link zum Ausbildungsreport 2022 externer Link
  • Die duale Berufsausbildung in der Schieflage. Von unbesetzten Ausbildungsstellen, unversorgten Bewerbern und einer schweren Hypothek für die Post-Boomer-Zeiten 
    Eigentlich ist die duale Berufsausbildung in Deutschland das Rückgrat des Ausbildungssystems in unserem Land – neben der fachschulischen und der hochschulischen Ausbildung. Nun wird bereits seit vielen Jahren davon gesprochen und darüber geschrieben, dass die betriebliche Berufsausbildung einen gekrümmten Rücken hat. Während in den zurückliegenden Jahren die hochschulische Säule stark zugelegt hat (was sich dann in einer Debatte niedergeschlagen hat, in der diese Entwicklung von Skeptikern und Kritikern als „Akademisierungswahn“ verunglimpft wurde), musste man mit Blick auf die duale Berufsausbildung einen fundamentalen und auch demografiebedingten Wandel von „zu viel“ nach „zu wenig“ zur Kenntnis nehmen. In der Vergangenheit gab es – das wird heutzutage allzu oft vergessen – ein „zu viel“ an jungen Menschen, die bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht zum Zuge gekommen sind und denen beispielsweise im „Übergangssystem“ nicht oder nur partiell geholfen werden konnte, die abgetaucht sind in die Welt der un- und angelernten Tätigkeiten, oftmals verbunden oder periodisch unterbrochen durch den Bezug von Transferleistungen, sei es aufstockend oder durch Arbeitslosigkeitsphasen bedingt. Man muss an dieser Stelle auf den Tatbestand hinweisen, dass die Zahl der Ungelernten im Alter von 20 bis 34 Jahren von 1,88 Millionen im Jahr 2014 auf 2,16 Millionen im Jahr 2019 angewachsen ist.
    Gegenwärtig wird die Debatte dominiert von einem „zu wenig“ – dabei zumeist verengt auf die eine Dimension des „zu wenig“, also zu wenig potenzielle und tatsächliche Azubis mit der Folge erheblicher Besetzungsprobleme angebotener Ausbildungsstellen. Allerdings gibt es auch ein „zu wenig“ an Ausbildungsstellen in Relation zu ausbildungsuchenden jungen Menschen, nicht überall, sondern in bestimmten Regionen, man denke hier an das Ruhrgebiet oder Berlin. Dieses „zu wenig“ macht sich dann auch darin bemerkbar, dass immer noch hundertausende junger Menschen im sogenannten „Übergangssystem“ versorgt und manchmal einfach auch nur geparkt werden (müssen) oder aber irgendwohin abtauchen. (…) Vor allem drei Bereiche werden hervorgehoben: »Die Industrie (ohne Bau) verzeichnete sogar einen Zuwachs von 17 Prozentpunkten (Anstieg von 33 auf 50 Prozent aller Ausbildungsbetriebe), aber auch im Gastgewerbe (56 auf 67 Prozent) sowie in Transport und Logistik (40 auf 54 Prozent) bleiben immer mehr Ausbildungsplätze frei.« Und dabei geht es immer öfter nicht darum, dass sich nur einige Bewerber für eine Ausbildungsstelle interessieren: »Als Grund für die Nichtbesetzung von Ausbildungsplätzen wird immer häufiger das komplette Ausbleiben von Bewerbungen genannt: Das galt 2021 für 36 Prozent der Fälle, 2018 „nur“ für 30 Prozent.«…“ Beitrag vom 20. August 2022 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Neue Gräben tun sich auf: Der Personalmangel verschärft die soziale Spaltung: Die Einen können sich private Dienstleister leisten, die anderen werden unterversorgt sein
    „Wenn das Chili con Carne im ICE-Bordrestaurant nur auf der Speisekarte steht, wenn es dort nichts mehr zu Essen, sondern nur noch Mineralwasser gibt, weil die Küche zu ist, „wegen Personalmangel“, wie der verbliebene Kellner erklärt, dann kann man das noch mit Humor nehmen. Das ist ja wie früher in der DDR, denkt man. Welchen Personalmangel kann man verschmerzen, welchen nicht? Das könnte sich in Zukunft zu einer hochpolitischen Frage entwickeln. Denn Arbeitskräftemangel melden inzwischen fast alle Branchen. Am Donnerstag etwa verkündete der Industrie- und Handelskammertag, dass jeder dritte Ausbildungsbetrieb gar keine Bewerbungen auf Lehrstellen mehr erhält. Wir werden um die Frage nicht herumkommen: Welche bezahlten Tätigkeiten sind noch am ehesten verzichtbar, was ist hingegen systemrelevant, also für die Versorgung der Bevölkerung dringend notwendig, und muss daher öffentlich gefördert werden? Unverzichtbar sind zum Beispiel Arbeitskräfte in Kitas, in Schulen, in der Pflege. Kitas und Pflegeheime verhängen Aufnahmestopps wegen Personalmangels. Dem Arbeitskräftemangel in der sozialen und medizinischen Versorgung kann man nur begegnen durch bessere Gehälter, mehr Personal, im Zweifelsfall auch mit zusätzlichen Hilfskräften. Das erfordert womöglich auch etwas Flexibilität bei den Bildungsgängen, man kann nicht nur auf Absolvent:innen einer dreijährigen dualen Berufsausbildung hoffen. Vor allem aber kostet mehr Förderung mehr Geld. Werden die Arbeitsbedingungen bei den öffentlichen und halböffentlichen „Systemrelevanten“ nicht verbessert und damit Personal gewonnen, tun sich künftig neue Gräben auf. Zwischen denjenigen, die auf Einrichtungen mit Unterversorgung angewiesen sind und jenen, die sich dann teurere private Dienstleistungen und Einrichtungen mit besserer Versorgung werden leisten können. Diese Gräben, die sich in anderen Ländern beobachten lassen, wären dramatischer, als wenn es mal keinen Eintopf gibt im ICE.“ Kommentar von Barbara Dribbusch vom 18. August 2022 in der taz online externer Link

Siehe auch unser Dossier: Keine Verschlechterung für Auszubildende wegen Corona

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=203715
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