60+ auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Drei Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind es schon. Und es werden noch sehr viel mehr werden (müssen)

Buch „Armut im Alter. Probleme und Perspektiven sozialer Sicherung“„Es gibt Entwicklungen, die schon lange, bevor die Corona-Krise über uns gekommen ist, Thema waren – und die nicht verschwinden werden wie (hoffentlich) die Pandemie. Entwicklungen, die fundamentale Verschiebungen widerspiegeln und die wir nicht wegdiskutieren, sondern im günstigsten Fall gestalten können. Dazu gehört die aus demografischen Gründen seit längerem beobachtbare massive Verschiebung der Altersstruktur der (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigten in unserem Land. (…) Man muss nachvollziehen, dass die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die zahlreichen Frühverrentungsprogramme der 1980er bis in die 1990er Jahre hinein als zwei Seiten einer Medaille auch die Tatsache reflektiert haben, dass sich die Unternehmen bei einer Vielzahl an jüngeren Arbeitnehmern bedienen konnten, weil es genügend von ihnen gab (zugleich konnte man sich durch eine Sozialisierung der „Freisetzungskosten“ günstig von den älteren Arbeitnehmern trennen). Das hat sich zwischenzeitlich – wenn auch nicht für alle Branchen und Unternehmen, so aber doch für viele – grundlegend gewandelt, was man beispielhaft an der seit einigen Jahren anschwellenden Debatte über zunehmende Mismatch-Probleme auf dem „Ausbildungsmarkt“ ablesen kann. (…) Allein in den Jahren von 2015 bis 2020 ist die Beschäftigungsquote der Menschen im Alter von 60 bis 65 Jahren um 32 Prozent nach oben gegangen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 13. März 2021 auf seinem Blog „Aktuelle Sozialpolitik“ externer Link und weitere Zitate hieraus:

Weiter aus dem Text: „… Nun sollte man allerdings nicht den vorschnellen Schluss ziehen, dass also alles gut geworden ist bei den älteren Arbeitnehmern. Dass also die vielerorts zu hörenden Klagen, welche Probleme „ältere“ Arbeitnehmer (das beginnt in vielen Branchen und Unternehmen heute schon weit vor den 60 Jahren) haben, wenn sie einen neuen Job suchen müssen. Oder wie schwierig es für den Teil der immer mehr werdenden älteren Menschen ist, wenn sie gesundheitliche Probleme haben oder aus welchen Gründen auch immer den Anforderungen heutiger Arbeitsplätze nicht oder nur schwer entsprechen können. (…) Wenn man sicher davon ausgehen kann und muss, dass allein aufgrund der zahlenmäßigen Besetzung der Altersgruppen 60+ aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge, die das befüllen (werden) in den vor uns liegenden Jahren, die Zahl der Arbeitnehmer weiter deutlich ansteigen wird (auch durch den sozialrechtlich gesetzten Druck eines steigenden gesetzlichen Renteneintrittsalters), so kann man erkennen, welche fundamentalen Veränderungen in der vor uns liegenden Arbeitswelt erforderlich sind und dringend angegangen werden müssen, denn auch wenn die den bisherigen „Jugendwahn“ vorangetriebenen Defizit-Annahmen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit älterer Menschen seit Jahren weitgehend widerlegt oder zumindest erheblich relativiert worden sind, so muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass elementare Aspekte der Gestaltung der Arbeitsplätze verändert werden müssen, wenn das Durchschnittsalter der Belegschaften nicht mehr bei 25 bis 35 Jahren, sondern bei 60 Jahren liegen wird. Und wenn man des Weiteren berücksichtigt, dass es gerade die so bedeutsamen mittleren Qualifikationen sind, also die Facharbeiter und Fachangestellten, die Handwerker, die qualifizierten Pflegekräfte, die stark vertreten sind unter den geburtenstarken Jahrgängen, die eigentlich alle demnächst in den Ruhestand gehen wollen und werden, dann wird leicht erkennbar, dass es uns gelingen muss, in einer nicht kurzen Übergangsperiode durch positive Anreize möglichst viele zu motivieren und überhaupt in die Lage zu versetzen, länger im Erwerbsleben zu verbleiben…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187914
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