Arbeitslosengeld II: Schleichendes Gift für die Psyche

Leben und Sterben mit Hartz IV„… Obgleich es bisher keine gesicherten Zahlen und Daten darüber gibt, wie stark sich der ALG II-Bezug auf die Menschen in psychischer Hinsicht auswirkt, Depressionen verursacht oder befeuert et cetera, ist es begründbar, anzunehmen, dass dem so ist. Die psychischen Auswirkungen von ALG II auf die Betroffenen sind bis dato nicht umfangreich dokumentiert oder gar analysiert worden. Ein Bedarf an solchen Studien wurde nicht angemeldet oder gar gefordert, weshalb es auch nur vereinzelt Informationen diesbezüglich gibt. Daher kann dieser Artikel auch letztendlich nur ein Kommentar zur Situation und keineswegs die „alleinige Wahrheit“ sein. Unserer Meinung nach ist aber die psychische Auswirkung von ALG II auf Betroffene nicht nur logisch nachvollziehbar, sie kann auch als Folge der bereits mit der Wahl von Gerhard Schröder zum Bundeskanzler 1998 begonnenen Veränderung der sozialdemokratischen Politik gesehen werden. (…) Wieder und wieder wurde darauf abgehoben, dass die Arbeitssuchenden eher in „die Arbeit zurückgebracht werden müssten“, wodurch sie Respekt und Würde erfahren würden, während ihnen eben dieser Respekt von der Gesellschaft und gerade auch von den Jobcentern verweigert wurde. (…) Dass diese andauernde Praxis der Verunglimpfung und Herabwürdigung sich nicht auf die Psyche vieler auswirkt (und insofern nicht auch Beziehungen wie auch die Selbsteinschätzung beeinflusst), ist zu bezweifeln. Wer sich mit Betroffenen unterhält oder auf sonstige Weise mit ihnen kommuniziert, der stößt jedenfalls immer wieder auf Begriffe wie Verzweiflung, Nutzlosigkeit, Minderwertigkeit.“ Beitrag von Alexander und Bettina Hammer vom 2. April 2017 bei Telepolis externer Link und nun Teil 2:

  • Weil ich mir nichts mehr wert bin – Arbeitslosengeld II: Schleichendes Gift für die Psyche, Teil 2
    „Wie bereits in Teil 1 erläutert, sollen weder die Annahmen noch die hier veröffentlichten „O-Töne“ von Betroffenen die „alleinige Wahrheit“ darstellen oder eine repräsentative Studie oder ähnliches suggerieren. Die in diesem Teil zu findenden Aussagen sind Schilderungen und Kommentare von Menschen, die von sich sagen, dass sie ALG II beziehen. Dies kann nur bedingt verifiziert werden, ohne dass der Datenschutz und die Privatsphäre komplett ausgehöhlt werden würden. (…) Was in vielen Emails zu lesen ist, ist eine Entwicklung, die sich schleichend vollzieht, die in mehreren Phasen stattfindet. (…) Oft wurde anfangs noch gegen die Politik geschimpft, mittlerweile richten sich viele der Kommentare und Ansichten gegen die Migranten, denen „alles geschenkt wird“, die „das Land ausbluten“ und wegen denen „keine Jobs mehr da sind“. (…) Während viele derjenigen, die seit Jahren sporadisch oder auch regelmäßig schreiben, anfangs noch voller Zuversicht sind, was das Finden einer neuen Erwerbstätigkeit angeht, so ändert sich diese Einstellung im Laufe der Zeit stark. Sie endet oft in einer depressiven bis fatalistischen Ansicht, die davon zeugt, dass die Hoffnung, wieder in den „Arbeitsmarkt integriert werden zu können“, bereits fahren gelassen wurde. Dies ging dann einher mit eine oftmals fast schon an Selbsthass grenzenden Einstellung zu sich selbst. (…) Ein Paar (47 und 40) schrieb unlängst davon, dass es beschlossen hätte, gemeinsam in den Tod zu gehen. Beide hatten keinerlei Hoffnung mehr darauf, dass sie wieder eine Arbeit finden würden, empfanden die Reaktionen der Gesellschaft auf sie als bedrohlich und bedrückend und sahen sich als Belastung für andere an, während in ihren Mails aber auch Wut durchklang, die aber von der depressiven Grundhaltung verdrängt wurde…“ Studie von Alexander und Bettina Hammer vom 29. April 2017 bei Telepolis externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=114479
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