Coronakrise reißt Loch in die Lohntüte

Dossier

Niedriglohn: Habe Arbeit, brauche Geld„Normalerweise steigen die Löhne zumindest leicht. Selbst während der Finanzkrise gingen sie nur einmal zurück – und zwar von April bis Juni 2009 um 0,7 Prozent. Die Coronakrise reißt nun ein weitaus größeres Loch in die Lohntüten. Im Schnitt sind die Bruttomonatsverdienste im zweiten Quartal dieses Jahres um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Gäbe es kein Kurzarbeitergeld, wären die Einkommen noch weitaus stärker eingebrochen. Die bezahlte Wochenarbeitszeit reduzierte sich im Durchschnitt um 4,7 Prozent. Der verbreitete Einsatz von Kurzarbeit aufgrund der Corona-Pandemie hatte negative Effekte auf die Höhe und Entwicklung der Bruttomonatsverdienste sowie der Arbeitszeit, wenngleich das Kurzarbeitergeld die Einkommensverluste für die Beschäftigten zum Großteil abfederte«, konstatieren die amtlichen Statistiker aus Wiesbaden. Dabei trafen die Coronakrise und der durch die Pandemie notwendige Lockdown die Beschäftigten je nach Branche unterschiedlich. In der Hotelbranche belief sich der Einschnitt für die Beschäftigten auf 18, in der Autoindustrie auf 17 und in Gastronomie auf 11 Prozent, während es im Einzelhandel im Durchschnitt lediglich ein Prozent war…“ Artikel von Simon Poelchau vom 11.8.2020 in neues Deutschland online externer Link („Die Bruttomonatsverdienste brachen von April bis Juni um 2,2 Prozent ein“) und dazu:

  • Destatis: Reallöhne im Jahr 2020 um 1,1 % gegenüber 2019 gesunken New
    „… Der Nominallohnindex in Deutschland ist im Jahr 2020 nach endgültigen Ergebnissen der Vierteljährlichen Verdiensterhebung um durchschnittlich 0,7 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. Der Index bildet die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen ab. Die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum um knapp 0,5 %. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, sanken die Reallöhne im Jahr 2020 damit um 1,1 % gegenüber 2019. Somit ergab sich gegenüber den am 17. Februar 2021 veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen eine Korrektur von 0,1 Prozentpunkten nach unten. (…) Erstmals seit Beginn der Erhebung im Jahr 2007 gehen die Nominallöhne im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr zurück. (…)Insgesamt reduzierte sich die bezahlte Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um durchschnittlich 2,9 %. Der stärkste Rückgang ist hierbei in dem Wirtschaftsabschnitt „Gastgewerbe“ mit -19,4 % zu verzeichnen, gefolgt von „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ mit -9,0 %. Den geringsten Arbeitszeitrückgang weisen die Sektoren „Energieversorgung“ und „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (beide jeweils -0,4 %) auf. (…) In der Unterscheidung nach Leistungsgruppen war der Verdienstrückgang gemessen am Nominallohnindex im Jahr 2020 mit -2,5 % bei angelernten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am größten, gefolgt von ungelernten Angestellten (-1,6 %), Fachkräften (-1,2 %) sowie herausgehobenen Fachkräften (-0,2 %). Die Verdienste von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in leitender Stellung wiesen mit +0,2 % eine leichte Verdienstzunahme auf.“ Destatis-Pressemitteilung vom 24. März 2021 externer Link
  • Destatis: Reallöhne im Jahr 2020 um 1,0 % gegenüber 2019 gesunken 
    „… Der Nominallohnindex in Deutschland ist nach vorläufigen Ergebnissen der Vierteljährlichen Verdiensterhebung im Jahresdurchschnitt 2020 um gut 0,6 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. Der Index bildet die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen ab. Die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum um knapp 0,5 %. Wie das Statistische Bundesamt  (Destatis) weiter mitteilt, sanken die Reallöhne damit um durchschnittlich 1,0 % gegenüber 2019. Somit mussten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2020 anders als zu Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 Verdiensteinbußen hinnehmen. (…) Die Corona-Krise und der daraus resultierende vermehrte Einsatz von Kurzarbeit hat die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung im Jahr 2020 stark beeinflusst und führte erstmals seit Beginn der Erhebung im Jahr 2007 zu einem nominalen Verdienstrückgang. Das Kurzarbeitergeld, das die Einkommensverluste für viele Beschäftigte abgefedert hat, ist hierbei nicht berücksichtigt. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 waren die nominalen Verdienste im Jahr 2009 um 0,2 % gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen, die realen Verdienste waren damals um 0,1 % gesunken…“ Destatis-Pressemitteilung vom 17. Februar 2021 externer Link
  • Die Löhne steigen in Zeiten von Corona. Oder sinken sie? Auch hier gilt: „Die“ Löhne gibt es so wenig wie „die“ Rentner oder „die“ Jugendlichen 
    „Endlich mal eine gute Nachricht, wird der eine oder andere gedacht haben: »Die Tarifverdienste werden nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Jahresdurchschnitt 2020 voraussichtlich um 2,1 % höher liegen als 2019.« (…) Alles gut also angesichts der Corona-Krise? Nun muss man zuerst einmal zur Kenntnis nehmen, dass es sich hierbei um die Darstellung der Entwicklung der Tarifverdienste handelt, also das Resultat aus Tarifverhandlungen, die teilweise lange zurückliegen (dies auch angesichts des Trends, immer länger laufende Tarifverträge abzuschließen, die zwei oder drei Jahre Laufzeit umfassen). Aber der entscheidende Punkt ist die Tatsache, dass nur die tarifgebundenen Arbeitnehmer von dieser Entwicklung profitieren. (…) Wenn wir alle Arbeitnehmer in den Blick nehmen wollen, dann bietet sich die Betrachtung der Nominallohnentwicklung an, die unter Bereinigung der Preissteigerungsrate zum Reallohn führt. Und auch dazu hat sich das Statistische Bundesamt aktuell geäußert: 3. Quartal 2020: Reallöhne um 1,3 % niedriger als im Vorjahresquartal, so ist die entsprechende Pressemitteilung vom 22. Dezember 2020 überschrieben (…) Die Negative Lohnentwicklung setzt sich im 3. Quartal 2020 fort, so die Bundesstatistiker. »Überdurchschnittliche Abnahmen der Nominallöhne sind im 3. Quartal 2020 vor allem in der Luftfahrt (-32,2 %), bei Reisebüros bzw. Reiseveranstaltern (-25,0 %) sowie im Bereich der Beherbergung (-12,1 %) festzustellen.« (…) Nun kann und muss man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die bislang referierten Werte alle Arbeitnehmer über einen Kamm scheren. Aber wir finden weiter differenzierende Befunde, denn der »Verdienstrückgang gemessen am Nominallohnindex (war) mit -2,0 % bei den angelernten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am größten, gefolgt von den Fachkräften (-1,7 %), den herausgehobenen Fachkräften (-1,5 %) sowie ungelernten Angestellten (-1,1 %). Die Verdienste von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in leitender Stellung weisen mit -0,5 % die geringste Abnahme auf.«.(…) Man muss allerdings berücksichtigen, dass es sich beim Lohnrückgang von 4,9 Prozent um einen Durchschnittswert handelt. Branchen wie die Gastronomie, Einzelhandel, Kultur etc. sind besonders betroffen; andere dagegen kaum. Und eine Differenzierung nach den Qualifikationsstufen ergibt dieses Bild: »Vom Lohnrückgang waren in diesem Jahr vor allem An- und Ungelernte betroffen. Bei den Ungelernten betrug der Rückgang der Löhne (nominal) im zweiten Quartal 2020 14,2 Prozent, bei den Angelernten sogar 17,9 Prozent. Fachkräfte mussten 3,9 Prozent Lohneinbußen verkraften, herausgehobene Fach- und Führungskräfte 2,7 Prozent.« (…) Schon jetzt ist absehbar, dass die negative Lohnentwicklung sich auch im vierten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 fortsetzen wird, von den mittel- und langfristigen Folgen ganz abgesehen. Die Einkommensungleichheit wird sich deutlich verschärfen«, so die Bilanzierung von Jörg Muscheid…“ Beitrag von Stefan Sell vom 22. Dezember 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • 1,2 Prozent im Durchschnitt: Geringster Anstieg der Tariflöhne seit neun Jahren
    “Die Tarifverdienste in Deutschland sind wegen der Corona-Krise im dritten Quartal so gering gestiegen wie zuletzt im Frühjahr 2011. In vielen Branchen gab es keine Tariferhöhungen oder sie wurden verschoben. (…) Unterdurchschnittlich stiegen die Tarifverdienste im Verarbeitenden Gewerbe mit 0,5 Prozent. “Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass für die Metall- und Elektroindustrie für das Jahr 2020 mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Krise infolge der Corona-Pandemie keine prozentuale Tariferhöhung vereinbart wurde”, erklärte das Statistikamt. Im Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen (plus 0,8 Prozent) und im Baugewerbe (plus 1,0 Prozent) wurde vereinbart, dass die Tariferhöhungen erst 2021 in Kraft treten. Die zusätzlichen Corona-Prämien werden erst im laufenden vierten Quartal ausgezahlt. (…) Der unterdurchschnittliche Anstieg in den Bereichen Erziehung und Unterricht (plus 0,9 Prozent) und Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (plus 1,0 Prozent) ist vor allem auf hohe Nachzahlungen infolge der verspätet wirksamen Erhöhung der Landesbesoldungen im Vorjahresquartal zurückzuführen. Ohne Sonderzahlungen lag der Anstieg in diesen Bereichen bei 3,2 Prozent (Erziehung und Unterricht) und 2,5 Prozent (Öffentliche Verwaltung). Unterdurchschnittliche Zuwächse gab es in der Wasserversorgung und Entsorgung (plus 1,0 Prozent) sowie bei freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern (plus 1,1 Prozent). Überdurchschnittlich entwickelten sich die Tarifverdienste in der Land- und Forstwirtschaft (plus 3,0 Prozent) sowie bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (plus 2,6 Prozent). Zu Letzteren gehört etwa die Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften…” Meldung vom 30. November 2020 beim manager magazin online externer Link
  • Einkommenseinbußen durch Corona: Die Corona-Pandemie vergrößert die soziale Ungleichheit in Deutschland 
    „Von Einkommensverlusten infolge der Coronakrise sind überdurchschnittlich oft Menschen betroffen, die schon zuvor eine schwächere Position auf dem Arbeitsmarkt hatten. Das zeigt eine neue Studie, für die WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch und HBS-Experte Andreas Hövermann Daten der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet haben. An der Befragung im April und Juni 2020 haben mehr als 6 000 Personen teilgenommen. Insgesamt gaben rund 32 Prozent der Befragten an, im April oder im Juni 2020 Einkommen durch die Pandemie eingebüßt zu haben. Erwerbstätige mit Migrationshintergrund waren stärker betroffen: Selbst wenn man Faktoren wie das Bildungsniveaus oder die Branche herausrechnet, kam es bei ihnen öfter zu Einkommensverlusten. Eltern mussten im Vergleich zu Kinderlosen häufiger Einbußen verkraften. In der unteren Einkommensgruppe mit maximal 900 Euro netto monatlich waren fast 48 Prozent betroffen, während es in der obersten Gruppe mit mehr als 4 500 Euro netto knapp 27 Prozent waren. Auch Befragte in Leiharbeit oder Minijobs berichteten häufiger von einem Minus. Hingegen fiel das Risiko bei unbefristeter Beschäftigung oder in Unternehmen mit Tarifvertrag und Betriebsrat niedriger aus. Befragte, die Einkommen verloren haben, sehen auch größere Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gehaltseinbußen sowie die Wahrnehmung einer ungleichen Verteilung der Lasten könnten gesamtgesellschaftlich destabilisierend wirken, warnen Kohlrausch und Hövermann. Vor diesem Hintergrund sei es zentral, bei weiteren Maßnahmen zur Krisenbewältigung auch die Entwicklung der sozialen Gerechtigkeit im Blick zu haben…“ Meldung der Hans-Böckler-Stiftung aus Böckler Impuls Ausgabe 17/2020 externer Link mit dem Zusatz in der Überschrift: „Wer Einkommen verliert, hat weniger Vertrauen ins politische System“
  • Siehe auch unser Dossier: Hierarchie der Not. Wer unten steht, leidet mehr: Die Corona-Krise verdeutlicht und verschärft die soziale Ungleichheit
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176755
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