Mindestlöhne: verlorenes Bundeswahlkampfthema 2013

Artikel von Janine Häbel vom November 2013

Profilieren konnten sich die Parteien dieses Jahr mit nur wenigen Themen. Verwundert auch kaum, schließlich nähern sich die größten Kontrahenten immer weiter an. Doch beim Mindestlohn hörte diese schwammige Nicht-Haltung auf: Klare Forderungen standen da auf der einen Seite, klare Abneigung auf der anderen. Mindestlöhne sind in Deutschland ein heißes Thema und werden gerne mit der Verstaatlichung des Marktes verwechselt. In liberalen und konservativen Kreisen ist die Befürchtung um einen Stellenabbau groß, wenn es um Mindestlöhne geht. Doch aktuelle wissenschaftliche Studien halten dagegen. Sollte diese Angst doch unbegründet sein?

In Deutschland regeln in vielen Branchen Tarifverträge die Löhne, ein Mindestlohn wäre hier kaum relevant, fiele er doch meist sehr moderat aus. Selbst die Linke fordert hierzulange gerade einmal 10 Euro, die SPD gar nur 8,50 Euro. Dennoch wurde das Thema im Wahlkampf heiß diskutiert. Das liegt sicherlich daran, dass zu Beginn des Jahres auch Amerika debattierte, ob steigende Mindestlöhne gut sein. Kürzlich erschienen Studien bekräftigten Obamas Forderungen, belegten sie, dass moderate Mindestlöhne keinesfalls einen negativen ökonomischen Effekt haben sollen.

Im Februar 2013 erschien eine Untersuchung des amerikanischen Ökonoms John Schmitt, die belegte, dass es kaum Anhaltspunkte für die Annahme gab, dass moderate Anstiege des Mindestlohns sich kaum in gekürzten Arbeitsstellen wiederspiegeln würden. Lediglich drei Auswirkungen dieser Anpassungen würden deutlich werden: eine Abnahme in personeller Fluktuation, damit einhergehende Verbesserung der unternehmerischen Effizienz, niedrigere Löhne für besser Verdienende und eine minimale Preissteigerung. Selbst in Unternehmen mit einem großen Anteil an Niedriglohn-Mitarbeitern führen die relativ geringeren Kosten für einen Arbeitgeber bei einer moderaten Anhebung der Mindestlöhne nicht zum Stellenabbau. (Quelle externer Link)

Als klassisches Beispiel wird in den USA oft der Dienstleistungssektor angeführt: Abwanderung der Unternehmen ist hier ausgeschlossen und eine Einführung von Mindestlöhnen würde meist lediglich zu einer minimalen Preiserhöhung führen. Der Kunde würde diese Mindestlöhne also mit wenigen Cent mehr auf seiner Rechnung bemerken. Gleichzeitig würde aber die Kaufkraft der Angestellten deutlich zunehmen, die aufzuwendenden Sozialleistungen sinken und der Staat somit deutlich mehr Einnehmen. Der wirtschaftliche Effekt wäre also durchaus positiv.

(Auch Paul Krugman reihte externer Link) sich ein in die Reihe der Befürworter eines gewissen Mindestlohns. Nicht nur sei es ein Mythos, dass Mindestlöhne Stellen kosten würden. Vielmehr würden auch steuerliche Vergünstigungen wie etwa der Familienzuschlag besser funktionieren, würden sie mit einem Mindestlohn gekoppelt. Beide Mechanismen zusammen würden ein besseres Ergebnis erzielen als einer alleine. Das, was Familien und Geringverdienern am Ende wirklich bliebe, wäre so deutlich höher als wenn nur durch steuerliche Vergünstigungen versucht werden würde, diesen Einkommensgruppen zu helfen.

Wesentliches Argument der Mindestlohn-Befürworter ist die gesteigerte Kaufkraft der Gesellschaft durch einen gesetzlichen Mindestlohn. Sie hoffen auf ein gesteigertes Wirtschaftswachstum durch die erhöhte Produktivität. Das würde auch die gestiegenen Preise wieder wettmachen. Gegen eine solche Haltung setzen Kritiker das Argument, dass eine expansive Politik fehlgeleitet sein kann, animiere sie die Bürger lediglich zum Konsum allerdings nicht dazu in heimische Produkte zu investieren. (Bill Bonner argumentiert außerdem in einem Artikel externer Link), dass unter anderem das Ende des Bretton-Woods-Abkommens zu den Niedriglöhnen im Dienstleistungssektor geführt hätte. Die Loslösung von Produktivität an Produkte kristallisiert sich für ihn als wesentliches Problem heraus, wieso Löhne so niedrig sind. Allerdings scheint hier die Argumentation ein wenig verwoben zu sein und wenig überzeugend.

In der Praxis hat sich in den USA gezeigt, dass Bundesstaaten mit einem höheren Mindestlohn als dem gesetzlich vorgeschriebenen, nicht zu einer höheren Arbeitslosenquote neigen. Die Diskussion um Beschäftigungseffekte ist demnach hinfällig. (Robert Reich argumentiert externer Link), dass eine anständige, vernunftbegabte Gesellschaft sogar in der Verpflichtung stünde, einen Mindestlohn zu installieren. Der Markt würde sich eben nicht selber regulieren und sollte auch gar nicht so gedacht werden, als dass er diese Aufgabe inne hätte. Vielmehr sei es die gesellschaftliche Aufgabe, eine faire und anständige Gemeinschaft zu schaffen und den Markt zu strukturieren.

Der Mindestlohn wird kommen. Ob der einfache Arbeiter dabei der Leidtragende sein wird, wird sich zeigen. Ich sehe dem Ganzen allerdings mit Zuversicht entgegen und hoffe, dass man auf Untersuchungen wie die Schmitts bauen kann und der einfache Mann nicht bald durch Maschinen ersetzt wird.

Artikel von Janine Häbel vom November 2013

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