Recht und Repression: Beschäftigte können ihre gesetzlichen Ansprüche vor Gericht einfordern. Das aber tun sie oft nicht

Chef„… Was Beschäftigte oft abschreckt, liegt indes jenseits der Prozesskosten. Viele fürchten, einen anderen Preis zahlen zu müssen, wenn sie ihr Unternehmen verklagen. »In erster Linie wollen sie ihr Arbeitsverhältnis nicht gefährden«, sagt Däubler. Wenn Menschen ihre Weiterbeschäftigung erzwängen, riskierten sie, schlecht behandelt zu werden, keine interessanten Aufgaben mehr zu erhalten oder nicht befördert zu werden. »Das ist Erfahrungswissen, eine Kausalität ist meist nicht nachweisbar«, sagt Däubler. »Die Arbeitgeberseite hat so viele Repressionsmöglichkeiten, dass Beschäftigte das Risiko oft nicht eingehen«, betont auch Manfred Weiss, emeritierter Arbeitsrechtsprofessor in Frankfurt am Main. »Je weiter unten die Arbeitnehmer in der Hierarchie sind, desto größer ist die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Das sind gerade diejenigen, die am dringendsten Hilfe bräuchten.« Gerichte seien darum nur bedingt ein Mechanismus, um Arbeitnehmerrechte durchzusetzen. Auch die Prozesspraxis zeigt: Wer im Betrieb bleiben will, klagt seine Ansprüche seltener ein. Wer ohnehin gehen will oder soll, tut dies eher. (…) Dass Unternehmen höchst selten Angestellte verklagen, findet Däubler logisch: »Der Arbeitgeber muss nicht klagen, er kürzt einfach den Lohn, wenn beispielsweise Beschäftigte das zugewiesene Arbeitspensum nicht erledigen. Oder er mahnt sie ab. Und wenn das nichts nützt, kündigt er.« Beschäftigte können dem Chef hingegen keine Aufgaben zuweisen und ihn nicht entlassen, auch nicht bei eklatantem Fehlverhalten. »Die Klage von Beschäftigten ist darum ein Mittel, um die Herrschaft der Eigentümer zu beschränken.«…“ Artikel von Eva Roth vom 10. Juni 2021 in neues Deutschland online externer Link

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