Plattformrichtlinie der EU und der Streit um die Scheinselbständigkeit

Dossier

#PlatformWorkDirective„Müssen Plattformen wie Uber und Deliveroo ihre Arbeitskräfte anstellen? Und wie viel algorithmische Überwachung bei der Arbeit ist erlaubt? Die EU-Kommission denkt über neue Gesetze für die Gig-Economy nach. Die EU-Kommission denkt über gesetzliche Maßnahmen nach, um Plattformarbeiter:innen besser vor Ausbeutung zu schützen. Dabei soll es um die Frage gehen, ob Plattformen wie Uber und Deliveroo ihre Arbeitskräfte anstellen müssen, ob diese Betriebsräte und Gewerkschaften gründen können, aber auch darum, wie viel Überwachung durch Algorithmen am Arbeitsplatz erlaubt sein soll. (…) Mehr als 24 Millionen Menschen in Europa haben bislang ihre Arbeitskraft über Plattformen angeboten, für rund drei Millionen sei die Gig Economy sogar die Haupteinkommensquelle, schätzt die EU-Kommission…“ Aus dem Beitrag von Alexander Fanta vom 24. Februar 2021 bei Netzpolitik.org externer Link („Gig Economy: EU startet Initiative gegen Ausbeutung bei Plattformarbeit“) – siehe mehr daraus und zur EU-Richtlinie:

  • Griechenland und Estland können umdenken: EU-Staaten überstimmen Deutschland und Frankreich bei der Plattformrichtlinie (folgt das Lieferkettengesetz?) New
    • EU-Politik. EU-Staaten einigen sich auf mehr Arbeitnehmerrechte bei Online-Lieferdiensten
      Millionen Lieferdienst- und Taxifahrer großer Online-Plattformen können auf bessere Arbeitsbedingungen hoffen (…)
      Letzten Monat hat sich Deutschland – Gastgeber von Delivery Hero und Free Now – zusammen mit Griechenland und Estland der Stimme enthalten. Frankreich, ein Gegner des Gesetzes, erklärte, es könne den vorliegenden Text nicht unterstützen. Frankreich und Deutschland enthielten sich bei der heutigen Abstimmung ebenfalls der Stimme.
      In den Verhandlungen entschied sich das Parlament mehrheitlich für eine arbeitnehmerfreundliche Position, die es Plattformen erschwert, die gesetzliche Vermutung zu umgehen, die Transparenzanforderungen an Algorithmen verschärft und die Strafen bei Nichteinhaltung verschärft. Die Kluft zwischen den beiden Institutionen hat die Verhandlungen im vergangenen Jahr verzögert. Der Text der Vereinbarung wird nun in allen Amtssprachen fertiggestellt und von beiden Organen förmlich angenommen. Das Parlament wird voraussichtlich in seiner Plenarsitzung im April darüber abstimmen. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, um die Bestimmungen der Richtlinie in ihr nationales Recht zu übernehmen.Beitrag von Cynthia Kroet vom 11.3.2024 bei euronews externer Link
    • siehe die engl. Meldung des Europarats vom 11.3.24 externer Link
    • EU will Plattformarbeitsrichtlinie nach Kehrtwende in letzter Minute verabschieden
      Die vierjährige Geschichte der Plattformrichtlinie ist nach der Kehrtwende Estlands und Griechenlands endlich vorbei und lässt Frankreich und Deutschland isoliert zurück.
      Ein hochrangiges Treffen der Arbeitsminister aller 27 EU-Mitgliedstaaten am Montag [11. März], der sogenannte EPSCO-Rat, brachte nach jahrelangem Ringen endlich den Durchbruch, da nur Frankreich und Deutschland sich weigerten, die Verordnung zu unterstützen.
      Die Richtlinie über Plattformarbeit (PWD) wird eine gesetzliche Vermutung für die Beschäftigung in der Plattformökonomie einführen, ein Rechtsinstrument, mit dem Gigworker als Arbeitnehmer betrachtet werden können und Anspruch auf Rechte wie Krankheitsurlaub und Urlaubsgeld haben, wenn ein Unterordnungsverhältnis zwischen der Plattform und ihren Arbeitnehmern nachgewiesen wird. Die Kriterien für die Entscheidung, ob ein solches Unterordnungsverhältnis besteht, müssen jedoch von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegt werden – ein Kompromiss, der bedeutet, dass es nach der Umsetzung der Entsenderichtlinie in nationales Recht wahrscheinlich keine gleichen Bedingungen für die Rechte von Plattformarbeitern in der gesamten EU geben wird.
      Die Entsenderichtlinie enthält auch eine Reihe neuer Arbeitnehmerrechte in Bezug auf das algorithmische Management, einschließlich des Rechts der Plattformbeschäftigten zu erfahren, welche Daten über sie gesammelt werden, auf menschliche Kontrolle über wichtige Entscheidungen und Beschränkungen darüber, welche Daten wann gesammelt werden können. (…) Der Text bleibt unverändert, aber Griechenland und Estland gaben am Montag bekannt, dass sie ihre Meinung geändert haben und die Sperrminorität durchbrechen. (…) Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil hatte erklärt, seine Regierung werde erneut keine Position beziehen, „weil sich unsere Koalitionspartner nicht einigen können“. (…) Heil, der der SPD angehört, sagte, dass er persönlich der Meinung sei, dass die Richtlinie „ein großer Schritt nach vorne für das soziale Europa“ sei und dass er seine Stimmenthaltung „bedauere“. Die Kehrtwende hat Deutschland und Frankreich – die beiden mit Abstand größten Länder der EU – ungewöhnlich isoliert, da das Gesetz eines der ersten in der EU ist, das ohne den Segen der beiden Staaten verabschiedet wurde. (…) Die Plattformrichtlinie muss noch offiziell vom Europäischen Parlament ratifiziert werden, aber das wird eine reine Formalität sein, da der von Belgien ausgehandelte Text von fast allen europäischen Fraktionen außer den Rechtsextremen unterstützt wird
      …“ engl. Meldung vom 11.3.2024 von The Gig Economy Project externer Link bei BRAVE NEW EUROPE (maschinenübersetzt)
    • Endlich eine Einigung bei der Plattformrichtlinie – Werneke: Solo-Selbstständige werden gestärkt
      Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt, dass der Rat der EU-Beschäftigungs- und Sozialminister*innen heute nach monatelangen Verhandlungen den Kompromiss mit dem Europäischen Parlament zur Plattformrichtlinie bestätigt hat. „Die Plattformrichtlinie bringt echte Verbesserungen und stärkt auch Solo-Selbstständige“, betonte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Von einem etwa von der FDP beschworenen ‚Ende der Selbstständigkeit‘ könne keine Rede sein, im Gegenteil: „Wenn jemand tatsächlich selbstständig ist, wird er in seinen Rechten und Freiheiten sogar noch gestärkt. Dies ist für uns als europaweit größte Organisation von Solo-Selbstständigen zentral“, so Werneke: „Diesmal hat die FDP es nicht geschafft, ein wichtiges europäisches Gesetzgebungsvorhaben zu blockieren!“ Die deutsche Bundesregierung musste sich zwar aufgrund der Ablehnung der FDP enthalten. Da Griechenland und Estland in letzter Minute ihr Abstimmungsverhalten geändert hatten, kamen aber dennoch ausreichend Stimmen zusammen…“ ver.di-Pressemitteilung vom 11.03.2024 externer Link
    • Und das Handelsblatt hat eine schöne Idee: „EU-Staaten überstimmen Deutschland bei der Plattformarbeit – folgt das Lieferkettengesetz?“ – so die Überschrift des Artikels von Olga Scheer, Julian Olk und Frank Specht vom 12.03.2024 externer Link
  • THE BRUSSELS APPEAL: Wenn sich das Uberisierungsmodell weiter durchsetzt, wird es sich auf alle Wirtschaftsbereiche ausdehnen
    22 Plattformarbeitskollektive und Gewerkschaften haben im Anschluss an das Forum „Alternativen zur Uberisierung“ in Brüssel vor 2 Wochen eine Erklärung zur Zukunft der Plattformarbeiterbewegung unterzeichnet, um die Bewegung voranzutreiben. Das Gig Economy Project veröffentlicht diese Erklärung externer Link auf Englisch, Spanisch und Französisch, damit alle Gigworker und ihre Organisationen darauf zugreifen und ihre Unterstützung in Betracht ziehen können. (Unterschriften an die e-mail: contacto@ridersxderechos.org). Siehe (maschinenübersetzt) daraus:
    Unser Engagement im Kampf gegen die Uberisierung ist und bleibt unerschütterlich. Das Aufkommen neuer Rohstofftechnologien und der Aufstieg der Plattformökonomie haben die internationale Arbeitnehmerschaft vor eine Herausforderung gestellt, die sich insbesondere auf Arbeitnehmer auswirkt, die nicht immer in den traditionellen gewerkschaftlichen Rahmen passen: Gig-Worker oder diejenigen, die uberisiert sind. Trotz unserer sprachlichen Unterschiede machen wir gemeinsame Erfahrungen: Wir sind den App-Benachrichtigungen schutzlos ausgeliefert, unterliegen der Kontrolle der Plattformen, verdienen nur ein geringes Einkommen, sind mit Hindernissen für eine gewerkschaftliche Organisierung konfrontiert und werden in vielen Fällen als „Selbstständige“ eingestuft, nur weil sie ein Mobiltelefon und ein Fahrrad besitzen.
    Unser Kampf ist entscheidend. Wenn sich das Uberisierungsmodell weiter durchsetzt, wird es sich auf alle Wirtschaftsbereiche ausdehnen, wie sein Vordringen in die Bereiche Internetmoderatoren, Datenkommentatoren, unsichtbare Clickworker, Unterricht, Psychologie, Reinigungsdienste und darüber hinaus zeigt. In den letzten fünf Jahren haben wir uns auf transnationaler Ebene organisiert und gemeinsam gegen Uber, Glovo, Amazon, Facebook und ähnliche Unternehmen gekämpft.
    Wir setzen uns nicht nur für Mitfahrer und Fahrer ein, sondern für alle Arbeitnehmer, deren Rechte und Beschäftigungsstatus gefährdet sind. Wir kämpfen dafür, dass wir entweder als Arbeitnehmer anerkannt werden, wenn die Plattform die Kontrolle über uns ausübt, wie es derzeit der Fall ist, oder als vollständig Selbstständige von den Plattformen. Wir kämpfen gegen betrügerisches Outsourcing, bei dem die Verantwortung für die Rechte der Arbeitnehmer nicht klar ist. Wir kämpfen gegen den Missbrauch von Arbeitnehmern ohne Papiere und fordern ihre Legalisierung. (…)
    Wir lehnen es ab, dass Arbeitnehmer als Ware behandelt werden. Wir lehnen die Ausbreitung von Überwachung und Kontrolle, die Verletzung unseres Rechts auf Privatsphäre, die Aushöhlung des Schutzes vor physischen und psychischen Gefahren am Arbeitsplatz und die Einführung undurchsichtiger, algorithmischer Entscheidungen ab, die das Einkommen und die Zukunftsaussichten der Arbeitnehmer untergraben und zu rechtlicher, sozialer und administrativer Unsicherheit führen. Wir lehnen die ständige Reproduktion diskriminierender Vorurteile und die Ausbeutung von Arbeitnehmern in prekären Verhältnissen ab, einschließlich der Ausbeutung von marginalisierten und undokumentierten Arbeitnehmern. (…)
    Der Widerstand einiger Länder war zu erwarten, aber die Haltung Deutschlands war besonders unerwartet. Wir verurteilen auch die deutsche sozialdemokratische Regierung dafür, dass sie sich mit Unternehmen wie Glovo und Uber verbündet hat, da solche Aktionen den Prinzipien der Sozialdemokratie widersprechen. (…)
    Diese Unternehmen versuchen, sich einen maßgeschneiderten „Drittstatus“ zu verschaffen, der es ihnen ermöglicht, sich den Sozialversicherungsbeiträgen zu entziehen und unsere sozialen Sicherungssysteme zu untergraben. Dieses Problem geht über die Lieferung von Lebensmitteln und die Personenbeförderung hinaus; es betrifft alle Formen von Arbeit, ob Arbeiter oder Angestellte. Sie versuchen, unseren Wohlfahrtsstaat und unsere sozialen Rechte auszunutzen, indem sie ein von Natur aus gewerkschaftsfeindliches Modell propagieren, das von der europäischen Demokratie stillschweigend gebilligt wird.
    Unsere Entschlossenheit bleibt unerschütterlich. Wir werden die Zusammensetzung des nächsten Europäischen Parlaments genau beobachten und den Druck auf sie und andere europäische Institutionen verstärken, um weitere Rückschläge zu verhindern. Wir werden die Entwicklungen bei den Verhandlungen über künftige Richtlinien aufmerksam verfolgen, unabhängig von der Ratspräsidentschaft oder der Zusammensetzung des Parlaments
    …“
  • Letzte Chance für ein Ende der Scheinselbständigkeit vorbei? Deutschland, Frankreich, Estland und Griechenland blockieren die EU-Plattformarbeitsrichtlinie – Protest am 21. und 22. Februar in Brüssel
    • Keine ausreichende Mehrheit Nach FDP-Blockade scheitert EU-Plattform-Richtlinie
      Die deutsche Enthaltung brachte am Freitagnachmittag den Ausschlag: Für die europaweite Regulierung der über Plattformen angebotenen Arbeit von Liefer-, Taxi- und anderen Diensten fehlte die Mehrheit. Damit ist das EU-Vorhaben einstweilen auch an der FDP gescheitert.
      Mit der Aufforderung an Bundeskanzler Olaf Scholz, das Thema nun zur Chefsache zu machen, haben die Europa-Grünen auf das Scheitern der EU-Richtlinie zur Plattformregulierung reagiert. „Ich verstehe nicht, wie ein sozialdemokratischer Bundeskanzler eine Enthaltung zum Schutz von Beschäftigten rechtfertigen kann“, sagte der Chef der deutschen Grünen-Gruppe im Europaparlament, Rasmus Andresen. Am Freitagnachmittag hatte die belgische Ratspräsidentschaft bei der mit Spannung erwarteten Abstimmung feststellen müssen, dass die erforderliche qualifizierte Mehrheit auch für den zweiten ausgehandelten Kompromisstext nicht zustande kam. Weil die FDP ihre Zustimmung in Berlin verweigerte, musste Deutschlands Vertreter mit Enthaltung votieren. Da auch Frankreich erst noch Änderungen am Text und mehr Zeit für zusätzliche Verhandlungen wollte, daneben Estland und Griechenland der Richtlinie ebenfalls ihre Zustimmung verweigerten, fehlte die Mehrheit von mindestens 55 Prozent der Staaten mit mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung. „Mit diesem Ergebnis machen sich Scholz und Macron zu den nützlichen Trotteln von Uber und Co., kritisierte der Plattform-Unterhändler des Parlamentes, der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Das sei ein „Schlag ins Gesicht für 28 Millionen Menschen“. Auch für die künftige Arbeit zwischen Rat und Parlament sei dies ein harter Schlag
      …“ Artikel Von Gregor Mayntz vom 16.02.2024 in der Rheinischen Post online externer Link
    • Sackgasse: Deutschland, Frankreich, Estland und Griechenland blockieren Plattformarbeitsrichtlinie
      Die EU-Mitgliedsstaaten scheitern am Freitag mit der Verabschiedung der Plattformarbeitsrichtlinie, die als letzte Gelegenheit vor Ende der Legislaturperiode angekündigt war.
      Bei einer Sitzung des Rates der EU am Freitag [16. Februar], dem Gremium, das die Mitgliedsstaaten vertritt, bildeten Deutschland, Frankreich, Estland und Griechenland eine „Sperrminorität“ von Staaten. Frankreich kündigte an, dagegen zu stimmen, während die anderen drei Staaten sich der Stimme enthalten wollten. Nach den EU-Vorschriften kann der Rat einer Gesetzgebung nur zustimmen, wenn Staaten, die 65 % eines Bevölkerungsanteils der EU repräsentieren, dafür stimmen. Da Deutschland und Frankreich allein 33,8 % der EU-Bevölkerung ausmachen, sorgten die Enthaltungen von Estland und Griechenland dafür, dass die anderen 23 Mitgliedstaaten sich nicht durchsetzen konnten.
      In der vergangenen Woche war eine vorläufige Einigung zwischen der belgischen Ratspräsidentschaft und dem Europäischen Parlament erzielt worden. Belgien hatte den Text neu ausgehandelt, nachdem eine vorherige vorläufige Einigung unter der spanischen Ratspräsidentschaft im Dezember ebenfalls von den Mitgliedstaaten abgelehnt worden war.
      Die belgische Präsidentschaft hat das Scheitern der neuen Abstimmung bekannt gegeben: „Wir glauben, dass diese Richtlinie, die ein wichtiger Schritt nach vorne für diese Arbeitskräfte sein soll, einen langen Weg zurückgelegt hat. Wir werden nun über die nächsten Schritte nachdenken.“ Die Abstimmung im Rat war als letzte Gelegenheit angekündigt worden, sich vor dem Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments – die Wahlen sind für Anfang Juni angesetzt – auf die Plattformarbeitsrichtlinie zu einigen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass vor der Wahlpause noch Zeit bleibt, um eine neue Vereinbarung mit dem Europäischen Parlament auszuhandeln. Wenn die neue Legislaturperiode nach den Wahlen beginnt, wird sie unter einer neuen Europäischen Kommission mit neuen Abgeordneten im Parlament stattfinden, und es gibt keine Garantie dafür, dass die Regulierung der Plattformarbeit überhaupt wieder auf die Tagesordnung kommt.
      Ludovic Voet, Bundessekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, kommentierte das Scheitern des Rates, der Richtlinie zuzustimmen, mit den Worten „Nach 799 Tagen haben die Vertreter der Regierungen ihr Veto gegen die Einigung über die Plattformarbeitsrichtlinie eingelegt. Wir waren ein Land kurz davor. Die 23 Länder, die dafür gestimmt haben, sollten nicht zögern, sondern handeln, um [den] Skandal der Scheinselbstständigkeit zu beenden
      „…“ engl. und umfangreicher Beitrag vom 16.2.2024 von Gig Economy Project externer Link („Dead end: Platform Work Directive blocked by Germany, France, Estonia and Greece“, maschinenübersetzt), siehe auch:

      • Ständig auf der Kippe: Deutschland wird kritisiert, weil es sich bei der EU-Plattformarbeitsverordnung 2 Jahre lang enthalten hat
        Permanently on the fence: Germany criticised for abstaining on EU platform work regulation for 2 years  – engl. Beitrag vom 24.1.2024 von Gig Economy Project externer Link
    • Siehe auch bösen Kommentar von Leïla Chaibi im franz. Video auf ihrer Homepage externer Link
    • Das Transnationale Forum für Alternativen zur Uberisierung protestiert am 21. und 22. Februar in Brüssel
      • Das Transnationale Forum für Alternativen zur Uberisierung findet zum vierten Mal statt! Mehr als 100 Lieferdienste, Taxifahrer, Taxifahrer, uberisierte Arbeitnehmer, Forscher, Gewerkschafter aus ganz Europa und darüber hinaus. Am 21. und 22. Februar im Parlament – siehe engl. Infos und Programm bei The Left in the European Parliament externer Link
      • Gig-Economy-Fahrer und Lebensmittelkuriere kündigen an, dass sie vier Tage lang von Villeneuve-d’Ascq in Nordfrankreich nach Brüssel wandern werden, um „die Notwendigkeit einer Regulierung der digitalen Arbeit in Europa“ zu unterstreichen – siehe hierfür #PlatformWork #PlatformWorkDirective #LaGrandeLivraison
  • Entkernte Richtlinie: Gesetz zur Regulierung von Plattformarbeit aufgeweicht. Mächtige EU-Staaten blockieren Rechte für Beschäftigte
    „Nachdem es im Dezember erst eine Einigung gab und dann doch so aussah, als würde die EU-Richtlinie zum Schutz von Plattformarbeitern komplett scheitern, ist den Verhandlungspartnern von EU-Kommission, Rat und Parlament im Trilog vergangene Woche doch noch eine Einigung gelungen. Doch um die von der französischen Regierung organisierte Blockade aufzulösen, waren weitgehende Zugeständnisse auf Kosten der scheinselbstständigen Arbeiter erforderlich. Die wichtigste Änderung besteht im vollständigen Verzicht auf Kriterien für die Vermutung eines Angestelltenverhältnisses – und damit einer weitgehenden Aufweichung des Kerns der Richtlinie. Die Kommission hatte in ihrem ursprünglichen Entwurf fünf Kriterien definiert, die auf eine Unterordnung des Beschäftigten hindeuten – etwa eingeschränkte Möglichkeiten zur Aufnahme anderer Tätigkeiten oder Weisungsgebundenheit gegenüber dem Plattformbetreiber. Die Idee: Sind zwei dieser Kriterien erfüllt, wird die Existenz eines Angestelltenverhältnisses angenommen. Dem Beschäftigten müssen dann Rechte wie Kündigungsschutz oder Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung zugestanden werden. In den Verhandlungen war die Liste auf sieben Kriterien erweitert worden, von denen drei erfüllt sein müssen. Doch der auf dieser Basis im Dezember erreichten vorläufigen Einigung verweigerte eine Staatengruppe um Frankreich die Unterschrift – und ließ damit den Deal platzen. Die Kriterien seien zu weit gefasst, die Ratspräsidentschaft habe ihr Mandat überschritten, hieß es zur Begründung. So würde verhindert, dass Plattformarbeiter, die gerne selbstständig arbeiten, dies auch tun können. Konträr zu diesem Argument wurde unter anderem gefordert, dass Beschäftigte Beweise vorlegen müssen, wenn sie die Feststellung eines Angestelltenverhältnisses einfordern. In Reaktion auf die Pariser Blockade hatte die belgische Ratspräsidentschaft nach ihrem Amtsantritt zum Jahreswechsel den Text erneut geöffnet und Nachverhandlungen initiiert. Auf diesen basiert der nun verkündete Kompromiss. Er sieht vor, dass die Mitgliedstaaten jeweils selbst festlegen können, nach welchen Kriterien sie das jeweilige Beschäftigungsverhältnis der Arbeiter von Uber und Co. einstufen. Liberalisierungsfreundliche Regierungen haben somit eine Hintertür bekommen, die Vorschriften zu umgehen. Die Beweislast im Streitfall bleibt derweil bei den Firmen. Weitgehend unangetastet blieben gegenüber der vorläufigen Einigung die geplanten Vorschriften für algorithmisches Management. Zwar werden die Plattformarbeiter nicht davor geschützt, von sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) unter Druck gesetzt und durch die Stadt gehetzt zu werden. Auch bleibt es zulässig, dass Algorithmen Aufträge an die Beschäftigten vergeben – oder eben nicht – und dass die Tools über Gehaltsentwicklungen und Entlassungen mitentscheiden. Dafür bekommen die Beschäftigten ein Recht darauf, zu erfahren, auf welcher Grundlage die Software ihre Entscheidungen trifft. Zudem müssen sie künftig einbezogen werden, wenn ein neues KI-System eingeführt werden soll…“ Artikel von Sebastian Edinger in der jungen Welt vom 15. Februar 2024 externer Link, siehe auch

    • EU will Plattformarbeit regeln
      Taxifahrer*innen, Essenslieferant*innen,Haushaltshilfen – mehr als 28 Millionen Menschen in Europa bieten ihre Arbeitskraft auf Plattformen an. Tendenz steigend! Jetzt ist auf europäischer Ebene eine wichtige Einigung gelungen, ob die Richtlinie kommt, bleibt aber fraglich…“ Beitrag vom 13.02.2024 im DGB-Einblick externer Link
  • EU-Staaten stimmen gegen Richtlinie über Plattformarbeit
    „… Die vorläufige Einigung, die in der vergangenen Woche zu Beginn den Trilog-Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, der spanischen Ratspräsidentschaft und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments erzielt wurde, fand am Freitag (22. Dezember) im Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Staaten (AStV) keine qualifizierte Mehrheit. Es wurde nicht einmal eine formelle Abstimmung über den Text abgehalten, als klar wurde, dass es keine Mehrheit geben würde. Nach Informationen, die Euractiv erhalten hat, lehnten die baltischen Staaten, die Tschechische Republik, Frankreich, Ungarn und Italien formell die Einigung ab, da diese ihrer Meinung nach zu weit von der Fassung des Rates abwich. (…) Dies ist ein schwerer Schlag für die spanische Ratspräsidentschaft. Sie hatte die Entscheidung getroffen, die abschließenden Trilogverhandlungen ohne die vorherige Zustimmung des AStV und ohne klare Kriterien aufzunehmen, wie es sonst üblich ist. (…) Mehrere an den Verhandlungen beteiligte Personen bestätigten, dass die Trilog-Verhandlungen unter dem belgischen Ratsvorsitz ab dem 1. Januar 2024 fortgesetzt würden. (…) Aus Sicht des Parlaments befindet sich die zuständige Berichterstatterin Elisabetta Gualmini in einer schwierigen Lage. Sie hat sich in den letzten Wochen bereits deutlich von der offiziellen Position des Parlaments distanziert und damit einige ihrer engsten Verbündeten, die Fraktionen der Linken und der Grünen, vor den Kopf gestoßen. Sollte sie jedoch zusätzliche Schritte in Richtung der Ratsversion unternehmen, ist es wahrscheinlich, dass sie immer noch eine Mehrheit der Stimmen mit anderen politischen Kräften der Mitte und des rechten Flügels erhalten wird. Ob dies mit ihrer eigenen Politik vereinbar ist, ist eine andere Frage. Solche Schritte können jedoch sehr wohl ausschlaggebend dafür sein, ob eine Richtlinie über Plattformarbeit jemals verabschiedet wird.“ Meldung in der Bearbeitung von Nathalie Weatherald bei Euractive online vom 22. Dezember 2023 externer Link, siehe dazu:

    • EU Richtlinie zu Plattformarbeit: Pressestatement der IG Metall zur aktuellen Situation der EU-Richtlinie zur „Verbesserung der Arbeitsbedingungen Plattformbeschäftigter“
      „Die Bundesregierung hat heute mit ihrer Enthaltung zum Richtlinienentwurf der EU zur Regulierung von Plattformarbeit einen wichtigen Schritt versäumt, um die Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen in Europa zu verbessern. Das ist ein großer Fehler. Faire Regeln für Arbeit auf oder über Internetplattformen sind überfällig. Nur so können Beschäftigte von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren. Ein online-basierter Parallelarbeitsmarkt, auf dem Internetunternehmen gesetzliche und tarifliche Standards unterlaufen und Mitbestimmung umgehen, schadet allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dieser Missstand muss behoben werden. Dafür werden wir uns im anstehenden Beratungs- und Einigungsprozess weiter einsetzen. Wir wollen keine Amazonisierung der Arbeitswelt…“ Pressestatement von Christiane Benner vom 22. Dezember 2023 externer Link mit weiterführenden Informationen zu den inhaltlichen Streitpunkten
  • „Historischer Deal“: Vorläufige Einigung über die EU-Plattformarbeitsrichtlinie erzielt
    • „Historischer Deal“: EU-Gesetz für Plattformarbeit steht – aber nicht sicher
      Es gibt einen Kompromiss zur geplanten Plattformarbeitsrichtlinie. Damit steht fest, welche neuen Rechte Arbeiter:innen genau bekommen sollen. Das Gesetz könnte aber immer noch scheitern – auch, weil Deutschland es nicht unterstützt.
      28 Millionen Menschen arbeiten in der Europäischen Union über Plattformen wie Uber, Deliveroo oder Helpling, in den nächsten zwei Jahren sollen es 43 Millionen sein. Sie alle werden mit einem EU-Gesetz neue Rechte bekommen, das eine große Hürde genommen hat: Parlament und Rat haben sich gestern auf einen Kompromiss geeinigt. Damit muss die Richtlinie zur Plattformarbeit nur noch formell beschlossen werden. (…)
      Sie enthält fünf Indikatoren dafür, dass Plattformen Kontrolle über ihre Arbeiter:innen ausüben. Wenn die Arbeit auf einer Plattform zwei davon erfüllt, können Arbeiter:innen vor Gericht ziehen – und dann muss nun die Plattform beweisen, dass hier kein Fall von Selbstständigkeit vorliegt. Die Beweislast wird also umgekehrt. Damit werden Arbeiter:innen ihre Rechte wesentlich einfacher durchsetzen können. Die Kommission schätzt, dass momentan rund fünf Millionen Arbeiter:innen scheinselbstständig arbeiten.
      Wie trifft der Algorithmus Entscheidungen?
      Der zweite große Teil der Richtlinie ist die algorithmische Transparenz. Plattformen nutzen oft Algorithmen, um Entscheidungen zu treffen. Die sind dann für Arbeiter:innen, für die das Unternehmen manchmal nur aus einer App besteht, schwer nachzuvollziehen: Wie entscheidet die App, wie Aufträge zugewiesen werden? Welche Daten kennt die Plattform über mich und welche Auswirkungen hat das? Mit dem Gesetz bekommen Arbeiter:innen nun das Recht, über diese Fragen informiert zu werden. Plattformen müssen nun Bescheid geben, wenn neue Entscheidersysteme eingeführt werden und welche Entscheidungen sie treffen. Menschen müssen an wichtigen Entscheidungen, wie etwa zu Entlassungen, beteiligt sein.
      Parlament verbucht Erfolge
      Der endgültige Text der Richtlinie muss erst noch festgezurrt werden. Das Parlament konnte aber gegenüber dem Rat noch einige strittige Punkte durchsetzen, erfuhr netzpolitik.org von an den Verhandlungen Beteiligten. So dürfen Plattformen etwa in Zukunft keine biometrischen Daten mehr verarbeiten. Arbeiter:innen werden auch ein Recht darauf haben, über sich gespeicherte Daten in einem maschinenlesbaren Format abzurufen, zu korrigieren oder zu löschen. Außerdem werden einzelne durchgeklagte Fälle in Zukunft automatisch größere Auswirkungen haben: Sobald eine Arbeiterin einer Plattform eine Neueinstufung als Angestellte durchgesetzt hat, müssen die zuständigen Stellen prüfen, ob andere Arbeiter:innen der Plattform damit auch neu eingestuft werden müssen. (…)
      Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Dazu müssen das Parlament und die Mitgliedstaaten im Rat noch einmal zustimmen. Das ist normalerweise nur eine Formalität, könnte in diesem Fall aber interessant werden: Die Mitgliedstaaten hatten lange über ihren Entwurf diskutiert. Auf der einen Seite stand Spanien, dass eine ambitionierte Richtlinie nach dem Vorbild des eigenen Plattformarbeitsgesetzes wollte. Auf der anderen Seite setzten sich unter anderem Frankreich und Schweden für eine lockere Regulierung ein. Deutschland enthielt sich – weil die FDP eine Stimme der Bundesregierung für mehr Arbeiter:innenrechte verhinderte
      …“  Beitrag von Maximilian Henning vom 14.12.2023 in Netzpolitik externer Link, siehe auch:
    • Vorläufige Einigung über die EU-Plattformarbeitsrichtlinie erzielt
      Die Einigung in der Schlüsselfrage der Beschäftigungsvermutung für Plattformarbeiter gibt den Mitgliedstaaten Spielraum, weitere „Indikatoren“ hinzuzufügen. Die Einigung muss noch eine Zweidrittelmehrheit unter den Mitgliedstaaten erreichen, was schwierig sein könnte. (…) Diese Einigung ist wahrscheinlich der Anfang vom Ende eines vierjährigen Prozesses, der zeitweise so aussah, als würde er nicht vor dem Ende der Legislaturperiode im April nächsten Jahres abgeschlossen werden. „Ich denke, dies ist wirklich eine historische Einigung, ich übertreibe nicht“, sagte die Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für die Plattformrichtlinie, Elisabetta Gualmini, MdEP, auf einer Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Einigung. „Zum ersten Mal schaffen wir einen Rahmen für soziale Rechte für Millionen von Arbeitnehmern in Europa.“
      Es wird davon ausgegangen, dass Plattformarbeiter Arbeitnehmer sind, wenn mindestens zwei von fünf „Indikatoren“ für ein Unterordnungsverhältnis erfüllt sind. Dies ist der Beginn eines rechtlichen Verfahrens, in dem ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde letztendlich darüber entscheidet, ob sie als Arbeitnehmer eingestuft werden oder nicht. Wenn ein Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatz als Arbeitnehmer eingestuft wird, muss eine Arbeitsaufsichtsbehörde oder eine andere zuständige Behörde untersuchen, ob andere Arbeitnehmer an diesem Arbeitsplatz ebenfalls als Arbeitnehmer einzustufen sind. GEP geht jedoch davon aus, dass die Plattformen gegen diese Entscheidung Einspruch erheben können und dass dieser Einspruch vor der Neueinstufung verhandelt wird, was den Prozess erheblich verlangsamen könnte. Die zwei von fünf Indikatoren sind ein Rückschritt gegenüber dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom Dezember 2021, nachdem der Rat drei von sieben und das Parlament eine generelle Beschäftigungsvermutung vorgeschlagen hatte, wie sie derzeit im spanischen Lebensmittelliefersektor nach der Verabschiedung des „Rider-Gesetzes“ im Jahr 2021 besteht. Wir kennen den endgültigen Text der fünf Indikatoren nicht, aber im Vorschlag der Europäischen Kommission waren es fünf. (…)
      Ludovic Voet, Bundessekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, bezeichnete die Vereinbarung über die Bestimmungen als einen „echten Versuch“ einer Reform. „Wir müssen den endgültigen Text dieser Vereinbarung noch genau prüfen, aber was klar ist, ist, dass es ein echter Versuch ist, die schwerwiegenden Probleme anzugehen, mit denen die Arbeitnehmer konfrontiert sind. „Plattformunternehmen haben Lieferfahrer, Taxifahrer und andere Arbeitende, darunter Pflegekräfte und Reinigungspersonal, in die Scheinselbstständigkeit gezwungen, um die Zahlung von Urlaubsgeld, Krankengeld oder Sozialversicherung zu umgehen. „Dies sollte der Anfang vom Ende des Wilden Westens bei den Arbeitnehmerrechten sein, aber die Mitgliedstaaten sind jetzt in der Verantwortung, die heute vereinbarten Maßnahmen ordnungsgemäß durchzusetzen, wenn sie das Leben von 5,5 Millionen Plattformarbeitern verbessern sollen. „Die Umkehr der Beweislast bei der Frage, was ein Arbeitsverhältnis ist, ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Man kann von den Arbeitenden nicht erwarten, dass sie sich weiterhin mit einem Heer von Unternehmensanwälten herumschlagen müssen, nur um ein Grundrecht wie Krankengeld zu erhalten. „Transparenz in Bezug auf das algorithmische Management wird auch dazu beitragen, dass Plattformen keine schändlichen gewerkschaftsfeindlichen Taktiken anwenden, wie z. B. die Bestrafung von Menschen, die einer Gewerkschaft beitreten, indem ihnen die Arbeit entzogen wird. „Nach langen und schwierigen Verhandlungen erwarten wir nun, dass der Rat das Mandat bestätigt, damit die Arbeitenden so bald wie möglich von den Vorteilen profitieren können.“…“ engl. Beitrag vom 13.12.2023 von The Gig Economy Project externer Link („Provisional agreement struck on Platform Work Directive“, maschinenübersetzt)
  • [Tag der Plattformarbeit“ am 25. Mai] Plattformarbeit: Viele Risiken – gesundheitlich und arbeitsrechtlich – Plattformarbeiter fordern Beendigung der Scheinselbständigkeit
    • Höchste Zeit für faire Arbeit in der Plattformwirtschaft
      Einkaufen, Essenszubereitung, Nahrungsmittelversorgung, Reinigung, Reparatur, Transportdienste, Texte und Übersetzungen, Nachhilfe, Grafikdesign, Fitness, Dating, Betreuung von Kindern, Kranken und Alten, medizinische Untersuchungen und Therapien, Teilen von Autos oder Wohnungen – all diese Tätigkeiten werden als Dienstleistungen über Internetplattformen abgewickelt, bezahlt und digital oder vor Ort erbracht. Die Fairwork-Studie externer Link leistet Pionierarbeit zum Thema: Erstmals wurden die Arbeitsbedingungen bei sechs Dienstleistungsplattformen erhoben und verglichen. Damit eröffnet sich ein neuer Blick auf Arbeit und Wirtschaft im digitalen Wandel. Denn nicht nur Organisation und Gestaltung unseres Alltags haben sich verändert, sondern auch Arbeitsbeziehungen und -bedingungen. (…) Hinter diesem Erfolg von Plattformen steht aber nach wie vor der Einsatz menschlicher Arbeitskraft – diese Tatsache wird jedoch selten thematisiert. Die Arbeit dahinter kann, so das dominante Narrativ, flexibel gestaltet und von der Lage und dem Volumen her an die Bedürfnisse der Plattformbeschäftigten angepasst werden. Jene, die via Plattformen tätig sind, zum Beispiel Datenbanken bereinigen und ordnen, Übersetzungsleistungen oder kreative Dienste erbringen, Reinigungsaufträge zugeteilt bekommen oder Pakete, Grundnahrungsmittel oder frisch Gekochtes zustellen sowie Personen durch die Stadt fahren, leisten ihre Arbeit oftmals unter rechtlich unklaren und sozial unsicheren Umständen sowie oft unter extremem Zeitdruck. Arbeit unterliegt durch die Plattformvermittlung heute teils stark veränderten Rahmenbedingungen – die Rider, die auf das zubereitete Essen warten, müssen sich für die Abarbeitung ihres Auftrages auf eine möglichst effiziente und schnelle Zubereitung von Speisen in einem vordefinierten Zeitraum verlassen. Das verändert auch die Abläufe in den Gastronomieküchen und damit auch die dortigen Arbeitsbedingungen…“ Artikel von Christian Berger, Wolfgang Hassler und Elisabeth Lechner vom 22. Mai 2023 im A&W-Blog des ÖGB externer Link
    • Plattformarbeit: Viele Risiken – gesundheitlich und arbeitsrechtlich
      Mindestens sechs Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland beziehen 25 Prozent und mehr ihres Einkommens durch die Arbeit für Online-Plattformen und digitale Arbeitsplattformen, Tendenz stark steigend. Die „Plattformarbeiter“ sind arbeitsrechtlich aber nicht abgesichert. Eine neue EU-Richtlinie soll das nun ändern. Zeit für eine Kurskorrektur bei der Plattformarbeit ist aus Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes dringend geboten: Die körperlichen und psychischen Risiken für Plattformarbeiter sind nämlich erheblich, unter anderem aufgrund der prekären arbeitsrechtlichen Situation und den damit verbundenen Arbeitsplatz- und Einkommensunsicherheiten…“ Beitrag von Dr. Joerg Hensiek vom 15.05.2023 bei Haufe externer Link
    • Plattformökonomie: Dramatischer Appell. In offenem Brief an EU-Arbeitsminister fordern Plattformarbeiter Beendigung der Scheinselbständigkeit
      Mit einem offenen Brief haben Plattformarbeiter an die zuständigen Minister der EU appelliert, ihre Rechte zu stärken. Mitte Juni soll der Ministerrat über eine EU-Richtlinie abstimmen, in der es um die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und Arbeitnehmerschaft bei über Internetplattformen Beschäftigten geht. Die EU schätzt laut Netzpolitik.org, dass über fünf Millionen der rund 28 Millionen dieser Beschäftigtengruppe fälschlich als Selbständige eingestuft seien. Bereits seit 2021 wird in Gremien der Europäischen Union über den Richtlinienentwurf der EU-Kommission diskutiert, der mittlerweile mehrfach überarbeitet wurde. Das EU-Parlament hatte Anfang Februar seinen Standpunkt zur Thematik im Plenum abgestimmt, der den Wünschen der Fahrer und Kuriere am nächsten kommt, die sich am 9. Mai mit ihrem dreiseitigen Brief an die EU-Arbeitsminister gewandt haben. (…) Vertreter von 16 Fahrer- und Kurierzusammenschlüssen aus acht Ländern haben den offenen Brief unterzeichnet und darin ihre Arbeitssituation plastisch geschildert. Darunter z.B. das Lieferando Workers Collective aus Deutschland, Syndicat CGT des Livreurs Ubérisés Toulousains aus Frankreich und Filt Cgil Emilia Romagna aus Italien. Viele der Betroffenen hätten zu Beginn ihrer Tätigkeit für die Plattformen geglaubt, dass sie als Selbständige über ihre Preise, ihre Arbeitszeiten und -bedingungen selbst bestimmen könnten. Schnell müssten sie erfahren, wie anders die Realität aussehe: »Wir verbringen unsere Tage damit, auf einen Auftrag oder eine Besorgung zu warten«, schreiben sie. Wer einen von der Plattform zugewiesenen Auftrag ablehne, werde umgehend weniger beauftragt. So produziere das durch Algorithmen gesteuerte System Scheinselbständige, die bis zu 13 Stunden täglich, an jedem Tag der Woche auf Aufträge für den Transport von Speisen und Waren warteten – und dafür am Ende mit 1.300 Euro monatlich nach Hause gingen…“ Artikel von Gudrun Giese in der jungen Welt vom 23.05.2023 externer Link
  • Was die geplante Richtlinie der EU bedeutet. Die EU will bessere Arbeitsbedingungen für Kurierfahrer*innen, Reinigungskräfte und andere in der Gig Economy 
    „… Vergangene Woche hat das EU-Parlament seinen Standpunkt zur Plattformrichtlinie im Plenum verabschiedet. Damit sind die Weichen gestellt für den Trilog mit der Kommission und dem Ministerrat. So nennt man die interinstitutionellen Verhandlungen der drei Organe im Gesetzgebungsprozess der EU. Die EU geht mit der Richtlinie Scheinselbstständigkeit innerhalb der Plattform-Industrie an. Plattformarbeit kann zwar eine flexible und niedrigschwellige Verdienstmöglichkeit darstellen, allerdings schätzt die EU, dass mehr als fünf Millionen der etwa 28 Millionen über Plattformen Beschäftigte „fälschlicherweise als Selbstständige eingestuft“ werden. Bisher entscheiden bei Rechtsstreitigkeiten nationale Gerichte über den Beschäftigungsstatus. Damit soll nun Schluss sein – die Richtlinie soll europaweite einheitlich Regelungen bringen. Die Relevanz erschließt sich mit einem Blick auf die Zahlen: Bis 2025 wird die Zahl der Beschäftigten in der Plattformindustrie vermutlich auf 45 Millionen ansteigen. Viele Plattformarbeiter*innen arbeiten beispielsweise als Fahrer*innen für Kurierdienste oder Essenslieferanten, reinigen Gebäude oder bieten Pflegedienstleistungen an – auch in Deutschland. Wie sieht hierzulande ihr Situation aus? Sind sie bereits angestellt und welche Auswirkungen könnte die EU-Richtlinie auf ihre Arbeit haben? Das haben wir bei Wolt, Flink, FreeNow, Lieferando, betreut.de und Gorillas nachgefragt. Kern der verabschiedeten EU-Parlamentsposition ist eine grundsätzliche „legale Vermutung“ auf eine Anstellung. Arbeitende, Gewerkschaften oder nationale Autoritäten sollen jederzeit den Beschäftigungsstatus von Plattformarbeiter*innen anfechten können. In einem daraufhin möglichen Streit zwischen Plattformunternehmen und Arbeiter*in läge es dann am Unternehmen, nachzuweisen, dass es sich nicht um ein Angestelltenverhältnis handelt. Der zweite Teil der Richtlinie beschäftigt sich mit algorithmischer Automatisierung und Kontrolle am Arbeitsplatz. Hier sollen Arbeitende mehr Rechte und Informationen bekommen. Jede für ein Arbeitsverhältnis wichtige Entscheidung solle nicht ausschließlich automatisiert erfolgen, sondern immer auch von einem Menschen überwacht werden. (…) Die geplante Richtlinie ist angesichts der immensen wirtschaftlichen Interessen der Plattformunternehmen politisch umstritten – und daher auch noch nicht in trockenen Tüchern. Schon seit die Kommission im Dezember 2021 ihren ersten Vorschlag zu einer Regulierung von Arbeit in der Plattformökonomie vorlegte, ist die Plattformindustrie auf den Barrikaden. Im Dezember 2022 konnte sich der federführende Ausschuss im Parlament auf eine gemeinsame Position einigen. Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen begrüßten diese als fortschrittlich, die Plattformunternehmen versuchten bis zuletzt erfolgslos zu verhindern, dass das Parlament diese Position übernehmen würde. So warnte die Lieferdienst-Branche sowie Vertretende der Ride-Hail-Unternehmen vor Rechtsunsicherheit und Jobverlusten. Die sozialdemokratische Abgeordnete Gualmini sagte dazu letzte Woche kurz vor der Abstimmung im Parlament, man solle dem Narrativ der Plattformen keinen Glauben schenken. Der Uber-Whistleblower Mark McGann sagte nach der erfolgreichen Abstimmung im Plenum des Parlaments, dies sei „ein Sieg für diejenigen, die die falsche Prämisse ablehnen, dass Wirtschaftswachstum … voraussetzt, dass die Unternehmen den hart erkämpften sozialen Schutz … aushöhlen können“. Nach dem Parlament muss sich nun noch der Ministerrat der EU einigen. Hier hatte bisher unter anderem Deutschland blockiert. Danach folgt der Trilog zwischen den Mitgliedstaaten, dem Parlament und der Kommission; auch hier gibt es oft noch Änderungen. Nach der Verabschiedung der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um diese in nationales Recht umzusetzen.“ Beitrag von Tim Wurster vom 9. Februar 2023 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Trotz Lobby-Kampagne: EU-Parlament macht großen Schritt für Arbeitsrechte 
    Das EU-Parlament hat heute seine Verhandlungsposition zur Plattformrichtlinie der EU beschlossen. Gewerkschaften begrüßen die Entscheidung, die Industrie warnt vor Rechtsunsicherheit. Die Richtlinie wird schon von Anfang an von aggressiver Lobbyarbeit begleitet – und ist noch lange nicht in trockenen Tüchern.
    28 Millionen Menschen in der Union arbeiten nach EU-Schätzungen für Plattformunternehmen, bis 2025 könnte diese Zahl sogar auf 43 Millionen ansteigen. Sie putzen für Helpling oder fahren Taxi für Uber – teilweise für sehr wenig Einkommen und ohne Krankenversicherung oder Altersvorsorge, weil die Unternehmen sie nicht als ihre Angestellten behandeln. Diese oftmals prekären Arbeitsverhältnisse soll die Plattformrichtlinie der EU externer Link angehen. Heute hat das EU-Parlament einen wichtigen Schritt in Richtung verstärkter Arbeitsrechte für Beschäftigte bei Plattformunternehmen gemacht. Bereits am 12. Dezember hatte sich der federführende Ausschuss für Beschäftigung und Soziales (EMPL) nach monatelangen, zähen Verhandlungen auf eine gemeinsame Position externer Link zum Gesetzesvorschlag der Kommission geeinigt. Heute verabschiedete das Parlament im Plenum externer Link die Position: Damit ist diese die offizielle Verhandlungsgrundlage für den kommenden Trilog mit Kommission und Ministerrat.
    Ludovic Voet von der Gewerkschaftsorganisation ETUC sagte, die heutige Abstimmung sei „ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Sicherheit am Arbeitsplatz, zur Gewährleistung von Fairness in der Wirtschaft und zum Schutz des europäischen Sozialmodells.“ Plattformunternehmen hätten bereits zu lange Lücken im Gesetz ausgenutzt, um „ihre grundlegendsten Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitnehmern und der Gesellschaft“ zu umgehen. ETUC hatte schon im Vorfeld eindringlich an das EU-Parlament appelliert externer Link, die Ausschussposition zu übernehmen. Laut der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ externer Link (HRW) sei die heute verabschiedete Position die bisher beste Bemühung der EU, „die falsche Einstufung von Arbeitsplätzen … einzudämmen und weltweit führende Schutzmaßnahmen gegen das Missbrauchspotenzial der Arbeitsplatzautomatisierung zu entwickeln“.
    Es war keineswegs klar, dass das Parlament sich auf diese Verhandlungsposition einigen würde. Die Mitglieder im EMPL-Ausschuss gelten gemeinhin als arbeitsrechtsfreundlicher als der Rest des Parlaments. Bis zuletzt hatten daher Gewerkschaften gezittert externer Link, ob etwa Konservative oder Liberale im Parlament den Kompromiss mittragen würden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil offenbar Plattformgiganten wie Uber eine aggressive Kampagne externer Link in Brüssel fuhren. Zudem war die Abstimmung im Plenum noch im Januar auf Verlangen von 90 Parlamentarier*innen externer Link erzwungen worden. (…) Noch ist die Plattformrichtlinie der EU nicht in trockenen Tüchern. Die zuständigen Minister*innen im Ministerrat werden voraussichtlich im März zusammenkommen. Währenddessen werden die Plattformunternehmen vermutlich nicht einfach klein beigeben
    .“ Beitrag von Tim Wurster vom 02.02.2023 in Netzpolitik externer Link, siehe auch:

    • Digitale Plattformarbeit: DGB begrüßt Entscheidung des Europaparlaments
      Das Europäische Parlament hat heute dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Regulierung der digitalen Plattformarbeit zugestimmt. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sagte dazu am Donnerstag in Berlin: „Das ist eine gute Nachricht für 28 Millionen Beschäftigte, die in Europa auf digitalen Plattformen arbeiten. Europäischer Rat, Parlament und Kommission müssen nun schnellstens im Trilog nachziehen und die Richtlinie auf die Zielgerade leiten. Um Wildwest-Methoden, Scheinselbständigkeit und Ausbeutung auf diesem Schattenarbeitsmarkt  wirksam einzudämpfen sind europaweite Standards für gute Arbeit überfällig. Dazu gehören zwingend mehr Transparenz beim algorithmischen Management, Zugangsrechte für Gewerkschaften und effektive Beweislastregeln um den Status der Beschäftigung eindeutig feststellen zu können. Denn Knackpunkt ist nach wie vor die Frage, wie Beschäftigte, die über digitale Plattformen arbeiten, arbeitsrechtlich einzustufen sind. Wir wollen erreichen, dass die Plattformbetreiber im Zweifelsfall selbst nachweisen müssen, ob es sich um selbständige oder abhängige Beschäftigung handelt. Dieser Hebel ist notwendig, damit endlich mehr Licht in die Plattformökonomie kommt.““ DGB-Pressemitteilung vom 02.02.2023 externer Link und das DGB-Positionspapier externer Link
  • Der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments hat den geänderten Vorschlag für eine Richtlinie für Plattformarbeiter gebilligt, die Abstimmung in der Kammer findet im Januar statt
    • Digitale Arbeitnehmer: bessere Arbeitsbedingungen und Schutz der Rechte.
      Neue Regeln zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit bei Plattformarbeit. Menschliche Aufsicht über alle Entscheidungen, die die Arbeitsbedingungen betreffen. Plattformen sollen mehr Informationen mit nationalen Behörden teilen (…) Beschäftigungsstatus: Eine Person, die Plattformarbeit leistet, kann entweder ein angestellter Arbeitnehmer sein und die damit verbundenen Arbeitsrechte genießen, oder sie kann wirklich selbständig sein und selbst bestimmen, wie sie die Dienstleistung ausführt. Die angenommenen Vorschriften zielen darauf ab, die Scheinselbstständigkeit zu bekämpfen, da sie zu prekären Arbeitsbedingungen und fehlendem Sozialschutz, aber auch zu unlauterem Wettbewerb, insbesondere für KMU, führen kann. Zu diesem Zweck haben sich die Abgeordneten darauf geeinigt, dass der von der Plattform definierte Beschäftigungsstatus vom Arbeitnehmer, einer Gewerkschaft oder einer nationalen Behörde angefochten werden kann, wobei in diesem Fall gesetzlich davon ausgegangen wird, dass der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Im Falle eines Rechtsstreits zwischen der Plattform und einem Arbeitnehmer soll die Plattform – und nicht der Arbeitnehmer – beweisen müssen, dass sie den Arbeitnehmer nicht beschäftigt. Die Abgeordneten haben auch eine Liste von nicht-obligatorischen Kriterien eingeführt, um den Beschäftigungsstatus eines Arbeitnehmers zu bestimmen, wie z.B. ein festgelegtes Gehalt, ein definierter Zeitplan und eine festgelegte Arbeitszeit, Bewertungssysteme, die Verfolgung oder Überwachung eines Arbeitnehmers, Regeln bezüglich des Aussehens oder Verhaltens, eingeschränkte Möglichkeiten, für Dritte zu arbeiten, oder eingeschränkte Freiheit, eine Unfallversicherung oder ein Rentensystem zu wählen…“ engl. Presseveröffentlichung vom 13.12.2022 beim Europäischen Parlament externer Link (maschinenübersetzt)
    • EU-Kommissar: Rat sollte zu ursprünglichem Text der Plattformarbeiter-Richtlinie zurückkehren
      Die Minister scheiterten letzte Woche an einer Einigung über die Plattformarbeiter-Richtlinie, da die Bedenken bezüglich der Auslösung der gesetzlichen Beschäftigungsvermutung und ihrer Ausnahmen bestehen bleiben, sagte Kommissar Nicolas Schmit in einem Interview mit EURACTIV. Die Richtlinie, die von der Kommission erstmals im Dezember 2021 vorgeschlagen wurde, führt eine gesetzliche Beschäftigungsvermutung für falsch eingestufte „selbständige“ Plattformarbeiter ein. (…) „Wir sind uns alle einig, dass etwas für die Plattformarbeiter getan werden muss“, sagte Kommissar Schmit gegenüber EURACTIV. Doch die Komplexität des Dossiers und die Auswirkungen auf das Arbeitsrecht, das in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, haben dazu geführt, dass die nationalen Delegationen im EU-Rat über den Ehrgeiz und den Umfang des Textes sehr gespalten sind. Die Spaltung besteht zwischen denjenigen, die lieber eine klare und starke Gesetzgebung hätten, und denjenigen, die glauben, dass das Wachstum des Sektors an erster Stelle stehe, und die die Rechtsvermutung abgeschafft sehen wollen, sagte Schmit. Sieben Länder – darunter Belgien, Griechenland, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal und Spanien – lehnten den jüngsten tschechischen Kompromiss ab, weil er nach den Worten der spanischen Ministerin für Arbeit und Soziales, Yolanda Diaz, „keinen Schritt nach vorn“ darstelle. Sie empfehlen eine Rückkehr zu einem ehrgeizigeren, arbeitnehmerfreundlichen Text der Kommission. Da sich Rumänien und Deutschland der Stimme enthalten, gibt es eine Sperrminorität, und die Verhandlungen sind zum Stillstand gekommen. (…) Der ursprüngliche Kommissionstext nannte fünf Kriterien, die auf ein Unterordnungsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und einer Plattform hinweisen könnten. Dazu gehören die Vergütung, die Pflicht zum Tragen einer Uniform, die Kontrolle der Arbeitsleistung, die Verhinderung der Organisation der eigenen Arbeitszeit und die Einschränkung der Möglichkeit, für jemand anderen zu arbeiten. (…) Der Erfolg der Tschechen, die Messlatte auf drei von sieben Kriterien anzuheben, „ist für mich keine Verbesserung, sondern eine Schwächung der Vermutung“, so der Kommissar. Er warnte auch vor neuen Ausnahmen von der Vermutung, die die Tschechen auf Drängen der plattformfreundlicheren Delegationen hinzugefügt haben.
      Zwei Passagen des Textes sind in den Augen von Schmit besonders problematisch. Erstens besagt eine Klausel, dass eine Plattform, die eines der Kriterien für die Beschäftigungsvermutung „allein aufgrund ihrer Übereinstimmung“ mit dem nationalen Recht erfüllt, nicht als erfüllt angesehen werden kann. Zweitens gibt der tschechische Text den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Vermutung nicht anzuwenden, wenn es offensichtlich ist, dass sie widerlegt werden wird. „Wir können keinen Präzedenzfall schaffen, der besagt: ‚Hier haben wir eine EU-Gesetzgebung, aber wenn ich zu Hause eine andere Gesetzgebung oder einen Tarifvertrag habe, dann wende ich das EU-Recht nicht an'“, sagte Schmit.
      Infolgedessen wurden die Ausnahmeregelungen in letzter Minute durch Verhandlungen zwischen den Ministern abgeschwächt, wobei sich der Wortlaut in einem Text, der EURACTIV am 8. Dezember vorlag, dem ursprünglichen Kommissionsentwurf annäherte. Dies war jedoch noch nicht genug, um eine Einigung zu erzielen.
      ..“ engl. Artikel von Théo Bourgery-Gonse vom  12.12.2022 bei EURACTIV externer Link (maschinenübersetzt)
    • Plattformrichtlinie: ver.di begrüßt Votum der EU-Abgeordneten
      Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt das Votum der Abgeordneten im Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments. Die Abgeordneten hätten sich von der Lobbykampagne der Plattformen und Arbeitgeberverbände nicht in die Irre führen lassen. „Die Plattformrichtlinie bringt echte Verbesserungen und stärkt Solo-Selbstständige“, betonte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Von einem etwa von der BDA beschworenen ‚Ende der Selbstständigkeit‘ könne keine Rede sein, im Gegenteil: „Wenn jemand tatsächlich selbstständig ist, wird er in seinen Rechten und Freiheiten sogar noch gestärkt. Dies ist für uns als europaweit größte Organisation von Solo-Selbstständigen zentral“, so Werneke. Der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments hatte am späten Montagabend über die Richtlinie abgestimmt. Zur Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit, die in der Plattformwirtschaft ein großes Problem darstellt, sieht die Richtlinie keine automatische Neueinstufung, sondern eine Umkehr der Beweislast vor. „Wenn sich jemand zu Unrecht als selbstständig eingestuft fühlt, ist es künftig an der Plattform zu beweisen, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Das begrüßen wir ausdrücklich“, sagte Werneke. Die Richtlinie wird nach Auffassung von ver.di auch für mehr Transparenz sorgen und neue Rechte bezüglich des algorithmischen Managements einführen. Zeiten, in denen ein Account einfach gesperrt werden konnte, ohne dass man dies hinterfragen kann, wären somit vorbei. Und nicht zuletzt würden auch die Rechte der Gewerkschaften gestärkt, wirksam die Interessen der über Plattformen arbeitenden Menschen durchsetzen zu können.
      Im Januar 2023 muss nun das Plenum des EU-Parlaments über die Richtlinie entscheiden. Offen ist auch noch, auf welche Position sich die Mitgliedstaaten im Ministerrat einigen werden. Zuletzt hatte es keine Mehrheit für den Vorschlag der tschechischen Ratspräsidentschaft gegeben, der den Kommissions-Vorschlag deutlich abgeschwächt hatte
      …“ Pressemitteilung vom 13.12.2022 externer Link
    • Europäisches Parlament billigt vorgeschlagene EU-Richtlinie über Plattformarbeit
      Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Regelung der Arbeit von Arbeitsbühnen hat die erste Lesung überstanden. Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments hat am späten Montagabend einen Entwurf für ein Verhandlungsmandat über neue Regeln zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Arbeitsbühnen angenommen. Das Gesetz wurde als „European Rider Act“ bekannt, weil es der vor gut einem Jahr in Spanien verabschiedeten Regelung ähnelt. Die Abstimmung mit 41 Ja- und 12 Nein-Stimmen stellt ein Verhandlungsmandat für die bevorstehenden Gespräche über die Annahme der Richtlinie mit den Regierungen der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten dar. (…) Die vorgeschlagene Richtlinie zielt darauf ab, das Problem der falschen Einstufung zu beenden, damit diejenigen, die wirklich selbständig sind, die unternehmerische Freiheit haben, ihr Unternehmen zu entwickeln, während diejenigen, deren Arbeit unter der Kontrolle eines Arbeitgebers steht, die entsprechenden Arbeitsrechte genießen. Die neue europäische Norm sieht auch wichtige Schutzmaßnahmen gegen algorithmisches Management vor, darunter vollständige Transparenz bei automatisierten Entscheidungen, das Recht auf wirksame menschliche Aufsicht und Überprüfung sowie das Recht der Arbeitnehmer auf Anhörung. „Die Abstimmung am Montag ist ein sehr wichtiger Moment für die europäischen Arbeitnehmer. Der Taxifahrer und Mitglied der Beobachtungsstelle für Arbeit, Algorithmus und Gesellschaft (TAS) Tito Álvarez, der die Europaabgeordneten ermutigt hat, für den Vorschlag des Parlaments zu stimmen, damit dieser in die Verhandlungen mit dem Europäischen Rat gehen kann, sagte: „Arbeitsrechte, die jetzt in der gesamten EU verweigert werden, können endlich anerkannt werden. Der Text weist jedoch noch einige Lücken auf. Die TAS-Beobachtungsstelle und Worker Info Exchange (WIE) haben einen Bericht erstellt, um die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu ermutigen, für die Richtlinie zu stimmen. Sie weisen jedoch auch auf eine Reihe von wichtigen Lücken in der vorgeschlagenen Richtlinie hin, die ihrer Meinung nach in den nächsten Verhandlungsphasen der europäischen Institutionen behandelt werden sollten. Diese Organisationen und die 11 Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen, die den Bericht unterstützen, heben in diesem Bericht einige verbesserungswürdige Punkte hervor, wie z. B. die Notwendigkeit einer Definition der Arbeitszeit, die auch die Bereitschaftszeit umfassen sollte. Sie spielen auch auf die algorithmische Festlegung variabler Löhne (dynamische Löhne) in Echtzeit an, die bekanntermaßen Arbeitnehmern und Verbrauchern schadet und nach Ansicht dieser Organisationen verboten werden sollte. Weitere Punkte, die verboten werden sollten, sind die Erstellung von Vorhersageprofilen für das Verhalten von Arbeitnehmern oder die automatische Entlassung von Arbeitnehmern. „Wir brauchen schnellere Fortschritte bei der Umsetzung der Richtlinie, zumal die neuen Technologien bereits über den Geltungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung hinausgehen“, erklärt Nuria Soto, Sprecherin von Riders x Rights, die auf die Erstellung von Verhaltensprofilen von Arbeitnehmern und die biometrische Authentifizierung als eine der neuen Technologien hinweist, die ihrer Meinung nach verboten werden sollten…“ span. Artikel Yago Álvarez Barba vom 12.12.2022 bei El Salto externer Link (maschinenübersetzt), siehe auch:
    • Workers’ Recommendations  on the Draft EU Platform  Work Directive
      engl. Stellungnahme von James Farrar und Sergi Cutillas vom December 2022 bei Worker Info Exchange externer Link
  • Bessere Arbeit: EU-Verhandlung zu Plattformen gescheitert
    Liefer- oder Fahrdienste führen ihre Angestellten häufig als Selbstständige – ohne Mindestlohn oder geregelte Arbeitszeiten. Die EU will das ändern. Doch eine Partei in Deutschland sperrt sich. Verhandlungen der EU-Staaten über bessere Bedingungen für Beschäftigte von Onlineplattformen wie Lieferando, Uber oder Gorillas sind an Deutschland gescheitert. Wenn Berlin dem Vorhaben zugestimmt hätte, hätte es nach Informationen von EU-Diplomaten eine ausreichende Mehrheit dafür gegeben. Die Bundesregierung konnte sich vor der Verhandlung aber nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen. Hintergrund der Gespräche ist ein Vorschlag der EU-Kommission, nach denen Onlineplattform-Beschäftigte künftig besser abgesichert werden sollen. EU-Staaten und Europaparlament müssen sich noch auf einen Kompromiss einigen. (…) Für die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff steht die Schuldige fest: „Es ist sehr enttäuschend, dass sich die Bundesregierung wegen der FDP nicht konstruktiv an den Verhandlungen beteiligen konnte“, teilte sie am Abend mit. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte den Vorschlag der Kommission im Sommer begrüßt. Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn sagte, die Gefahr bestehe, dass die neue Regulierung Selbstständigkeit de facto abschaffe. „Die Mitgliedsländer müssen statt auf Geschwindigkeit zu setzen vor allem eine Position finden, die Selbstständige stärkt.“…“ Agenturmeldung vom 09.12.2022 in freiepresse.de externer Link, siehe dazu auch:

    • Bessere Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie – eine mögliche Regelung auf der europäischen Ebene „von Deutschland“ blockiert?
      „… Die EU-Kommission hatte einen mit Spannung erwarteten Richtlinienentwurf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Beschäftigte bei Online-Plattformunternehmen vorgelegt. Dieser widmet sich insbesondere drei Regulierungsbereichen: der Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit, der Schaffung von mehr Transparenz und Fairness sowie der Einführung von umfassenden Informationspflichten. (…) Offensichtlich ist die Richtlinie der Kommission darauf ausgerichtet, Scheinselbstständigkeit zu verhindern oder wenigstens zu minimieren. Rechtspolitisch bedeutsam wäre, dass ein einheitliches Schutzniveau in der Plattformarbeit geschaffen und ausbeuterische Arbeit untersagt werden soll. Ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen verhindert Ausweichreaktionen zulasten der Betroffenen, indem Plattformbetreibende ihre Mitarbeiter in Mitgliedstaaten mit niedrigerem Schutzniveau rekrutieren. Es gab und gibt natürlich auch Einwände gegen die sich abzeichnende Regulierung der Plattformunternehmen. Für die einen erscheint die Beschränkung auf fünf Kriterien und die Voraussetzung, dass zwei davon erfüllt sein müssen, ziemlich restriktiv. Offen bleibt auch, wie es in der Praxis gelingen soll, die vermutete Arbeitnehmerstellung zu widerlegen, was ausdrücklich als Option vorgesehen ist. Und neben der Frage, wie die Arbeitnehmerschutzrechte wirksam grenzüberschreitend durchgesetzt werden können, gibt es eine höchst ambivalente offene Frage: Entspricht es überhaupt dem Interesse der meisten auf bzw. über Plattformen arbeitenden Menschen den Arbeitnehmerstatus zu erlangen oder legen sie nicht vielmehr größeren Wert auf den Selbstständigen-Status? (…) SPD und Grüne hätten dem Entwurf der Kommission sicher zugestimmt, wenn da nicht die FDP wäre. Und wieder zurück zum Anfang dieses Beitrags: Warum wollen die das blockieren? Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn wurde bereits mit ihren Worten zitiert, „die Gefahr bestehe, dass die neue Regulierung Selbstständigkeit de facto abschaffe“. Man kann das aus einer anderen Perspektive auch so formulieren: Es geht vor allem um die Abschaffung von Scheinselbstständigkeit und der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft durch eine Verlagerung unternehmerischer Risiken auf ungeschützte Solo-Selbstständige. Und was man hinsichtlich der Dauer wissen muss, selbst wenn der Entwurf der Kommission angenommen werden würde: Die durchschnittliche Zeitspanne von der Annahme eines Vorschlags bis zur Umsetzung im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beträgt 18 Monate. Die Vorschriften würden daher frühestens 2023 angenommen werden. Sollte die Richtlinie angenommen werden, haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, mithin würden die neuen Vorschriften frühestens 2025 in Kraft treten (können)…“ Beitrag vom 10. Dezember 2022 von und bei Stefan Sell externer Link
    • Siehe aber auch den Thread von Catharina Bruns vom 10. Dez. 2022 externer Link: „“Auch dieser Artikel geht von der heiligen Festanstellung aus und fragt nicht, was Selbstständige wollen, die mit Plattformarbeit nichts zu tun haben. Die Richtlinie war handwerklich schlecht gemacht – darum geht es. Nix böse Arbeitgeber Lobby-Blabla. (…) Weil die Richtlinie zB die Kriterien für „Plattformen“ viel zu weit fasst.Schlechtes Handwerk. Wer Scheinselbständigkeit verhindern will, sollte sich auf Scheinselbständige fokussieren…“
    • Gute Nachrichten! Der EGB forderte die Minister auf, den Vorschlag der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft zur Plattformarbeit abzulehnen. Das haben sie – danke!  Auf zur schwedischen EU-Ratspräsidentschaft ab Januar …“ engl. Tweet von EUROPEAN TRADE UNIONS vom 8.12. externer Link
  • Wie Uber, Deliveroo & Co neuen Regeln für Plattformarbeit verhindern wollen 
    Eine neue Studie beleuchtet die Lobbyarbeit von Uber, Deliveroo & Co gegen die Pläne der EU-Kommission, die Arbeitsbedingungen für Plattformarbeit zu verbessern. Eine neue Studie externer Link unserer französischen Partner von Observatoires des Multinantionales zeigt, wie digitale Plattformen in Brüssel versuchen, für sie vorgesehene strengeren Regeln abzuschwächen. In der neuen Richtlinie der EU zur Plattformarbeit geht es vor allem um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für diejenigen, die im Dienste von Uber, Deliveroo & Co unterwegs sind. In der Studie wird deutlich, dass Uber & Co mit vielen Ressourcen versuchen, die Richtlinie für Plattformarbeit abzuschwächen. Uber selbst hat seit 2014 seine Lobbyausgaben von 50.000 auf 700.000 € erhöht. Im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen steht dabei die Frage, wann diejenigen, die im Dienste der Plattformen unterwegs sind, auch Angestellte mit Arbeitsvertrag der Plattformen sein sollen. Aktuell gelten Plattformarbeiter:innen meist als selbstständig. In Zukunft sollen die Plattformen beweisen, dass das der Fall ist. Außerdem geht es in der Richtlinie um die Kontrolle der Plattformarbeiter:innen durch Algorithmen. Hier soll mehr Transparenz geschaffen werden. Gegen diese strengeren Regeln wehren sich Uber, Deliveroo, Wolt, Delivery Hero & Co mit vereinten Kräften. Die Studie legt ihren Fokus auf die Lobbyarbeit der Plattformen, die ihre kommerziellen Interessen in der EU vertreten. Die bislang relativ erfolgreiche Lobbyarbeit für bessere Arbeitnehmer:innenrechte durch die Gewerkschaften sind hingegen nicht Gegenstand der Studie. Am 25. Oktober 2022 findet eine Anhörung zum Uber-Files-Skandal im Europäischen Parlament statt. Dort muss unter anderem der ehemalige Uber-Cheflobbyist den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.“ Artikel von Felix Duffy und Max Bank am 24. Oktober 2022 bei Lobbycontrol externer Link
  • Slowenische Gewerkschaft „Mladi Plus“ zu Plattformarbeit: „Für mehr als nur eine Richtlinie kämpfen“ 
    Im Gespräch mit Maximilian Henning bei Netzpolitik.org am 24. Mai 2022 erklärt die Präsidentin der slowenischen Gewerkschaft Mladi Plus, Tea Jarc externer Link, „warum eine Gewerkschaft für prekär beschäftigte Jugendliche sich besonders mit Plattformen auseinandersetzt und warum sie Angst vor der Lobbymacht der Unternehmen hat. (…) Mladi Plus ist eine slowenische Gewerkschaft für Schüler*innen, Studierende, junge Arbeitslose und prekäre Arbeiter*innen. Es ist keine traditionelle Gewerkschaft: Wir arbeiten nicht mit einem bestimmten Sektor von Arbeiter*innen zusammen, wir arbeiten mit jungen Leuten, die sich gerade im Übergang von Bildung zu Arbeit befinden. Sie sind entweder immer noch Studierende oder arbeitslos oder sie haben einen zeitlich begrenzten Job. Mladi Plus existiert seit 2011 und ist Teil des größten Gewerkschaftsbunds in Slowenien. (…) Das Ziel von Mladi Plus ist es, mit dieser Art von Gewerkschaft junge Leute zu erreichen. Weil wir besonders nach der Finanzkrise von 2008 realisiert haben, dass es immer mehr junge Arbeitslose oder junge prekär Beschäftigte gibt und dass sie niemand organisiert. (…) Ich bin natürlich eine Gewerkschafterin, aber ich werde immer die erste sein, die die Gewerkschaftsbewegung kritisiert. Und manchmal sieht es aus, als ob wir sehr alte Organisationen mit alten Strukturen und alten Methoden sind. Und das wollen wir ändern. Wir wollen Gewerkschaften modernisieren. Wir wollen schnell auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts reagieren. Wir wollen uns Veränderungen anpassen und unseren Platz in einer sich wandelnden Gesellschaft finden. (…) In Sachen Plattformarbeit generell sind wir seit 2014 sehr aktiv, weil es damals eine Menge Gerichtsentscheidungen zu Uber gab. Unsere Regierung wollte Uber nach Slowenien bringen. Dafür hätten sie die Gesetze ändern müssen, weil Uber natürlich Sachen nach seinen eigenen Bedingungen macht. Und mit ein paar anderen Gewerkschaften haben wir es geschafft, die Regierung so zu beeinflussen, dass sie die Gesetze nicht geändert und die Tür nicht für sie geöffnet haben. Es gab Uber in den meisten europäischen Ländern bis auf Slowenien. Das hat sich leider letztes Jahr mit der sehr rechten Regierung geändert, die ihnen die Tür geöffnet hat. Aber jahrelang haben wir verhindert, dass diese Plattform hier existiert und Arbeiter*innen ausbeuten kann. (…) Wir arbeiten auch mit dem Europäischen Parlament zusammen. Bevor wir die Richtlinie von der Kommissionsseite hatten, gab es einen sehr ambitionierten Beschluss vom Europäischen Parlament in Sachen Plattformarbeit. Ich kann trotzdem auch ehrlich sagen, dass wir sehr viel Angst vor den Plattformen haben, weil wir wissen, wie mächtig sie sind. Sie sind in Brüssel sehr präsent und lobbyieren für ihre Ansichten. Sie waren in vielen der Beratungsprozesse, an denen wir teilgenommen haben, nicht involviert, und sie waren auch nicht so laut in den Medien wie wir, also erwarten wir irgendwie, dass sie ihre Arbeit hinter geschlossenen Türen machen. (…) Unsere Hoffnung auf der Gewerkschaftsseite ist, dass Arbeiter*innen Gewerkschaften beitreten und erkennen, was sie erreichen können, wenn sie gemeinsam kämpfen. Denn selbst wenn die Richtlinie angenommen und dann auf nationaler Ebene umgesetzt wird, wird das den Kampf nicht beenden. Plattform-Arbeiter*innen sollten für mehr als nur für eine Richtlinie kämpfen. Danach kommen Tarifverhandlungen und ein Tarifvertrag und dann, hoffentlich, eines Tages, können wir uns wirklich um ihre Arbeitsumstände kümmern.“
  • Richtlinie für Plattformarbeit: Unerwartete Verbündete im Kampf gegen Scheinselbstständigkeit: Fluglinien 
    Sie schreiben selbst, dass es eine unerwartete Partnerschaft ist: Europas größte Fluglinien unterstützen den Entwurf der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Plattformarbeit. Grund ist, dass Scheinselbstständigkeit auch im Flugsektor immer mehr vorkommt. (…) Branchenverbände hätten am liebsten gar kein neues Gesetz. Plattformunternehmen selber hatten verschiedene Ansätze, von einer Allianz europäischer Plattformen über Umfragen bei tausenden Bolt-Fahrer*innen. Gewerkschaften fordern noch härtere Kriterien gegen Scheinselbstständigkeit. Dabei haben die Arbeitnehmer*innen-Vereinigungen überraschende Verbündete: die großen Fluglinien Europas. Das zeigt ein Brief externer Link , den netzpolitik.org durch eine Informationsfreiheitsanfrage erhalten hat. Darin fordern die Fluglinien umfassende Maßnahmen der EU gegen Scheinselbstständigkeit, nicht nur bei Plattformen. Auch die European Cockpit Association, die europäische Gewerkschaft von Pilot*innen, meldete sich zum Entwurf der Richtlinie bei der EU-Kommission. Unterzeichnet hat diesen Brief der Direktor der Airline Coordination Platform, einem Verband von Fluglinien, der inzwischen in European Network Airlines‘ Association umbenannt wurde. Mitglieder sind unter anderem Air France, KLM, Lufthansa oder Brussels Airlines. (…) Sie konzentrieren sich in ihrer Antwort auf das Thema Scheinselbstständigkeit, gegen das die neue Richtlinie vorgehen soll. Die Fluglinien hätten dieses Problem schon wiederholt als „sozial inakzeptabel“ identifiziert, außerdem verzerre es den Wettbewerb. Deshalb würden sie jetzt die Pläne der Kommission unterstützen, gegen Scheinselbstständigkeit im Plattformsektor vorzugehen. (…) Auf Anfrage von netzpolitik.org sagte der Verband der Fluglinien, man würde schon länger daran arbeiten, das Thema Scheinselbstständigkeit auf die EU-Agenda zu bringen: „Sozial- und Arbeitsgesetzgebung ist mehrheitlich die Zuständigkeit von nationalen Behörden, die große Schwierigkeiten damit haben, dieses gesetzliche Fehlverhalten einzeln anzugehen, oft aus nationalen politischen Gründen“. „Wir ergreifen diese Gelegenheit, um aufzuzeigen, dass unser Sektor ebenfalls ähnlichen Problemen begegnet“, so ein Vertreter der Fluglinien. „Scheinselbstständigkeit ist kein Vorrecht der Plattformwirtschaft, sondern sie existiert auch in anderen Branchen, wie zum Beispiel im Flugsektor.“ (…) Nicht nur die Fluglinien versuchen, dem Problem Scheinselbstständigkeit auf dem Spielfeld der Plattformunternehmen zu begegnen: Auch die European Cockpit Association, eine Gewerkschaft von Pilot*innen, hat zwei Stellungnahmen zur geplanten Richtlinie externer Link abgegeben. Darin forderten sie unter anderem, dass die Auswirkungen des Plattformmodells besser untersucht werden sollten und formulieren Fragen…“ Artikel von Maximilian Henning vom 12.05.2022 bei Netzpolitik externer Link
  • Scheinselbstständigkeit: Lobby kämpft gegen EU-Plattformrichtlinie 
    Firmen wie Deliveroo und Bolt beschäftigen tausende Menschen in Europa. Doch dass die EU-Kommission sie zu viel mehr Festanstellungen zwingen könnte, schmeckt den großen Lobbyorganisationen nicht. Das zeigen Dokumente, die wir veröffentlichen. (…) netzpolitik.org hat untersucht, wie Lobbyist:innen von Firmen, Branchenverbänden und Gewerkschaften versucht haben, den Entwurf zu beeinflussen. Dafür haben wir Stellungnahmen durchgelesen, die die Organisationen an die EU-Kommission geschickt haben. Sie muss für Gesetze zu Arbeitsthemen die Meinungen von Industrie und Gewerkschaften einholen. Außerdem haben wir durch eine Informationsfreiheitsanfrage an die Kommission Unterlagen zu Lobby-Treffen mit Plattformfirmen und Verbänden erhalten, die wir im Volltext veröffentlichen. Arbeitgeber*innen-Lobby will am liebsten gar kein Gesetz: Die europäischen Arbeitgeber*innenverbände klingen großteils gleich: Sie wollen kein neues Gesetz zur Plattformarbeit, das steht dutzende Male in ihren Stellungnahmen. Die World Employment Confederation zum Beispiel „glaubt nicht, dass es angemessen oder notwendig wäre, eine zusätzliche Richtlinie oder ein anderes Gesetzgebungsinstrument vorzuschlagen.“ Die EU solle sich darauf konzentrieren, bestehende Regeln durchzusetzen. „Es gibt keine Notwendigkeit für Aktivität der EU, besonders nicht für solche von verpflichtender Natur“, schreibt Ceemet, ein Verband von Arbeitergeber*innen in europäischer Technologie und Industrie. Wenn die EU unbedingt etwas beschließen wolle, dann sollte das zumindest keine Richtlinie sein, sondern nur eine Empfehlung. Man fürchte, dass EU-Gesetzgebung hier zu gesetzlicher Unsicherheit führen und nationale Rahmen untergraben könnte, so eine Sprecherin zu netzpolitik.org. (…) Möglichst wenig Regulierung fordern auch die Plattformfirmen. In einem Treffen am 17. März 2021 legten die europäischen Unternehmen Glovo, Bolt, Wolt und Delivery Hero der Kommission eine Grundsatzerklärung vor, die sie einige Monate vorher beschlossen hatten. Laut dem Protokoll des Treffens wollten sie diese dann in unverbindlichen Empfehlungen oder einem rechtlich nicht bindenden Verhaltenskodex weiterentwickeln. Am 24. September 2021 sagten Lobbyist*innen von Bolt, Free Now und Uber, sie würden zwar dem Ziel zustimmen, Arbeitsbedingungen zu verbessern: „Scheinselbstständigkeit ist ein Problem und kann nicht akzeptiert werden.“ Als Mittel schlugen sie aber statt einem neuen Gesetz „zum Beispiel Verhaltenskodizes, Statuten, oder Förderung von Dialog“ mit ihren Fahrer*innen vor…“ Beitrag von Maximilian Henning vom 05.05.2022 bei Netzpolitik externer Link
  • Schluss mit den Schlupflöchern. Viele Plattformen zwingen Arbeitnehmer, als Selbständige zu arbeiten, um Kosten und Risiken auszulagern. Die EU will dieser Praxis nun ein Ende setzen. 
    „Seit mehr als einem Jahrzehnt erzielen digitale Arbeitsplattformen in Europa enorme Gewinne mit einem Geschäftsmodell, das auf einem harten Preiswettbewerb für Arbeitskräfte und der Auslagerung von Sozialkosten und Risiken basiert. Indem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezwungen werden, sich als Selbständige zu bezeichnen, obwohl in Wirklichkeit ein eindeutiges Angestelltenverhältnis besteht, umgehen die Plattformen Mindestlöhne und Branchentarifverträge sowie Sozialversicherungsbeiträge – um nur einige ihrer eigentlichen Pflichten als Arbeitgeber zu nennen. Dank derartiger „Innovation“ können sie niedrigere Preise für ihre Dienstleistungen anbieten. Diese Entwicklungen haben sich nachteilig auf die europäische Gesellschaft ausgewirkt: nicht nur in Form einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Lebensqualität für die Arbeitnehmerinnen, sondern auch durch negative Auswirkungen auf die traditionellen Sektoren und die Einnahmen der öffentlichen Hand. Inzwischen wird dieses Modell auf immer neue Branchen übertragen. Mit seinem unlauteren Wettbewerb hat es enorme Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit traditioneller Unternehmen. Am 9. Dezember 2021 hat die Europäische Kommission eine neue EU-Richtlinie vorgeschlagen, um die Arbeitnehmerrechte im Bereich der Digitalwirtschaft zu sichern. Im Großen und Ganzen handelt es sich um einen ambitionierten Versuch, ein Geschäftsmodell zu regulieren, mit dem digitale Plattformen bisher riesige Gewinne gemacht haben, indem sie sich ihren grundlegenden Verpflichtungen als Arbeitgeber entziehen konnten – auf Kosten der Beschäftigten, der klassischen Arbeitgeber und der unterfinanzierten öffentlichen Stellen. (…) Im Kern zielt ihr Vorschlag darauf ab, ein Angestelltenverhältnis zwischen Beschäftigten und Plattformen zu vermuten und somit die Beweislast von der Arbeitnehmerin auf den Arbeitgeber zu verlagern. Anders gesagt: Eine digitale Plattform soll stets als klassischer Arbeitgeber betrachtet werden – es sei denn, die Plattform kann das Gegenteil beweisen. (…) Mit der vorgeschlagenen Gesetzgebung wären die Algorithmen, die für die Jobvergabe und die Personalverwaltung verwendet werden, keine „Black Box“ mehr: Plattformen wären verpflichtet, den Arbeitnehmerinnen und ihren Gewerkschaften ihre Algorithmen zu erläutern, und sie müssten auch Tarifverhandlungen führen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften müssten einheitliche Regeln dafür festgelegt werden, wie sich der Algorithmus auf die Gestaltung der Arbeit und die Arbeitsbedingungen auswirkt. In dieser Hinsicht ist der Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie ein guter Anfang. Allerdings müssen das Europäische Parlament und der Europäische Rat ihn noch weiter verbessern. (…) Um sicherzustellen, dass dies auch wirklich geschieht, wird die europäische Gewerkschaftsbewegung für die Rechte und Interessen der Arbeitnehmerinnen kämpfen und den Lobbying-Taktiken der Plattformen, die ihr aktuelles, unhaltbares Geschäftsmodell aufrechterhalten wollen, entschieden entgegentreten.“ Beitrag von Ludovic Voet in der Übersetzung von Tim Steins am 30. April 2022 beim IPG-Journal externer Link

  • Analyse des EGB: ArbeitnehmerInnen auf Europas großen Gig-Plattformen erfüllen die EU-Kriterien für den Arbeitnehmerstatus 
    Die EGB-Analyse zeigt, dass die Essenslieferdienste Deliveroo und Glovo alle fünf Kriterien der EU-Kommission erfüllen, damit ihre Beschäftigten als Arbeitnehmer gelten, aber Deliveroo bezeichnet die Analyse als „falsch und irreführend“. Eine NEUE Analyse, die der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) am Mittwoch [25. Januar] veröffentlichte externer Link [fr.], hat ergeben, dass Glovo und Deliveroo alle Kriterien des Entwurfs der EU-Kommission für den Arbeitnehmerstatus erfüllen, während Uber, Amazon Mechanical Turk und Cuideo vier der fünf Kriterien erfüllen.
    Die Kriterien der EU-Kommission für die Entscheidung, ob Plattformarbeiter als unabhängige Auftragnehmer zu betrachten sind, waren ein zentraler Bestandteil ihrer im Dezember veröffentlichten Vorschläge für die Plattformarbeitsrichtlinie. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass die Arbeitnehmer als Arbeitnehmer betrachtet werden sollten, wenn zwei der fünf Kriterien nicht erfüllt sind. Zu jeder Einstufung gibt es eine detaillierte Analyse…“ (engl.) Meldung vom 26.1.2022 beim Gig Economy Project externer Link
  • DGB-Positionspapier zum Richlinien-Entwurf der EU-KOM zur Verbesserung der Arbeitsbedinungen Plattformbeschäftigter 
    „… Die EU-Kommission hat eine neue EU-Richtlinie vorgeschlagen, um die Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten zu verbessern. Aus Sicht des DGB ein überfälliger Schritt: Plattformarbeit hat sich zu einem Schattenarbeitsmarkt mit hoher Relevanz entwickelt, der bislang weitgehend ungeregelt ist. Der DGB begrüßt die Initiative der EU-Kommission und hat heute seine Position zum Richtlinien-Entwurf vorgelegt.“ DGB-Stellungnahme vom 24. Januar 2022 externer Link

    • Ein wichtiger Aspekt in der 8-seitigen DGB-Stellungnahme vom Januar 2022 lautet: „… Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen, dass die Kommission die ausgeprägte Macht- und Informationsasymmetrie zwischen Plattformen und Plattformbeschäftigten anerkennt und grundsätzlich eine widerlegbare Vermutung vorschlägt, nach der – unter Erfüllung bestimmter Bedingungen – ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur Plattform vermutet wird. Diese widerlegbare Vermutung kann durch die Plattform im Zweifel gerichtlich geklärt werden. Hierfür soll jedoch die Plattform die Darlegungs- und Beweislast tragen Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen auch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen, umfangreichen Transparenzpflichten gegenüber nationalen Behörden, den Plattformbeschäftigten und ihren Interessenvertretungen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um Klarheit über die Wirkungsweise algorithmischer Kontrollregime zu erlangen. Die EU-Kommission schlägt mit dem Zugangsrecht der Gewerkschaft zu den Plattformbeschäftigten und der Hinzuziehung von externem Sachverstand wichtige Instrumente zur Durchsetzung von Arbeitnehmer*inneninteressen vor. (…) Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften schlagen vor, dass vor allem Aspekte zum Tragen kommen, die erkennbar als Instrumente der Fremdbestimmung und Kontrolle der Erwerbstätigen eingesetzt werden, wie etwa spezifische Vorgaben der Plattform in Hinblick auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit, die Preisgestaltung und Kontrolle der Auftragsvergabe, Disziplinierungs- und Kontrollmethoden in Gestalt von Reputations- bzw. Ratingsystemen und engmaschige Überwachung des Arbeitsprozesse. Aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften sollten die in dem Entwurf genannten Kriterien entsprechend geschärft werden…“
  • Online-Plattformen und ihre Beschäftigten. Deren Arbeitsbedingungen sollen unter dem Schutzschirm einer EU-Richtlinie reguliert werden 
    „… Neue EU-Richtlinie soll Arbeitsbedingungen von Online-Plattform-Beschäftigten verbessern, so haben beispielsweise Martin Gruber-Risak, Christian Berger und Frank Ey ihren Beitrag überschrieben. Sie weisen darauf hin, dass die EU-Kommission einen mit Spannung erwarteten Richtlinienentwurf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Beschäftigte bei Online-Plattformunternehmen vorgelegt hat. Dieser widmet sich insbesondere drei Regulierungsbereichen: der Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit, der Schaffung von mehr Transparenz und Fairness sowie der Einführung von umfassenden Informationspflichten. (…) Der Richtlinienvorschlag (COM(2021) 762 vom 9.12.2021) liegt nunmehr vor. (…) Die EU-Kommission schätzt, dass EU-weit über 28 Millionen Menschen über digitale Arbeitsplattformen tätig sind. 90 Prozent der Plattformarbeitenden haben bisher den Status von Selbstständigen, so Tatjana Ellerbrock in ihrem Beitrag EU-Kommission will Plattformarbeit regulieren. (…) Nach Schätzungen der EU-Kommission könnten 5,5 Millionen über Plattformen Beschäftigte derzeit falsch, nämlich als Selbstständige, eingestuft sein. Von der EU-Kommission wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, nach dem beurteilt werden soll, ob eine abhängige oder selbstständige Tätigkeit vorliegt. (…) Auch aus einer über die Plattformarbeit hinausreichenden arbeitsrechtlichen Perspektive ist der Richtlinienentwurf und die daraus möglicherweise resultierenden Regelungen von großem Interesse, denn die oftmals ungelöste oder eben nur in aufwändigen Einzelfallbetrachtungen zu beantwortende Abgrenzungsfrage zwischen Selbstständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft spielt ja auch in vielen anderen Branchen eine gewichtige Rolle. Nun sollte man allerdings nicht erwarten, dass es bereits sehr schnell gesetzgeberische Änderungen bei uns in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedsstaaten geben wird bzw. geben kann, denn: »Der Richtlinienvorschlag stellt den Beginn des Gesetzgebungsverfahrens dar. Änderungen können vom Europäischen Parlament und Europäischen Rat oder in weiteren Konsultationen durch dritte Institutionen eingebracht werden. Durchschnittlich dauert es ca. 18 Monate von der Annahme eines Richtlinienvorschlags bis zur Umsetzung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Sollte die Richtlinie beschlossen werden, haben die Mitgliedstaaten regelmäßig zwei Jahre Zeit, um sie in nationales Recht umzusetzen …“ Beitrag von Stefan Sell vom 12. Januar 2022 auf seiner Homepage externer Link
  • [Überblick über die Rechtslage] Auftragnehmer oder Arbeitnehmer? Lieferfahrer suchen weltweit nach Rechten 
    App-basierte Lieferfirmen stufen ihre Fahrer nur selten als Arbeitnehmer ein, die Leistungen verdienen. Doch die Forderungen der Gigworker nach fairer Behandlung finden vor Gerichten weltweit immer mehr Gehör.
    Sie waren schon überall. Von Los Angeles und London bis São Paulo und Moskau, auf ihren Fahrrädern und Motorrädern, bei brütender Hitze oder klirrender Kälte, waren sie der Generalschlüssel, der die pandemische Isolation aufbrach, indem sie Familien rund um den Globus mit dem Nötigsten und Annehmlichkeiten versorgten. Doch diese Gig-Economy-Fahrer haben noch etwas anderes gemeinsam. Sie kämpfen oft darum, über die Runden zu kommen, und haben meist keinen Anspruch auf grundlegende Sozialleistungen wie Mindestlohn, Krankenversicherung, bezahlten Urlaub oder das Recht, bei einer Kündigung Widerspruch einzulegen.
    Letzte Woche hat die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten einen Vorschlag vorgelegt, der ihnen die gleichen Rechte wie den Beschäftigten traditioneller Unternehmen einräumen würde. Und das war nur die jüngste einer wachsenden Zahl von Anfechtungen des Geschäftsmodells, das die Expansion von Gig-Economy-Unternehmen weltweit unterstützt hat: Firmen wie Doordash, Grubhub, UberEats und die Mitfahrzentrale Uber in Amerika oder Deliveroo und Just Eat in Europa. (…)
    In den Vereinigten Staaten ist die Entscheidung über die Leistungen für Gigworker noch nicht gefallen. Obwohl die Bundesregierung ihre Unterstützung für mehr Rechte signalisiert hat, werden die wichtigsten Entscheidungen auf Ebene der Bundesstaaten getroffen. Der Ausgang des bisher bekanntesten Falles steht noch aus: Ein kalifornisches Gesetz, das Gigworkern deutlich mehr Rechte einräumt, wurde durch einen Wahlvorschlag gekippt, der nun vor Gericht verhandelt wird. Doch anderswo ist der Trend deutlicher.
    Lieferfahrer haben in ganz Lateinamerika gestreikt. Die Kampagne begann mit einem Online-Video, das von einem Gig-Arbeiter in der brasilianischen Hauptstadt São Paulo veröffentlicht wurde. Er behauptet, dass er, als ein platter Reifen an seinem Fahrrad eine Lieferung verzögerte, von der App seines Gig-Unternehmens gesperrt wurde. Er wurde praktisch gefeuert.
    Ähnliche Fälle werden vor Gerichten auf der ganzen Welt verhandelt. Die meisten beruhen auf demselben grundlegenden Argument: dass Gigworker keineswegs „unabhängige Auftragnehmer“ sind, sondern ihren Chefs genauso unterstellt sind wie Angestellte in anderen Unternehmen. Tatsächlich sind sie sogar noch weniger unabhängig, da die Entscheidungen darüber, wann und wohin sie geschickt werden und ob sie entlassen werden, von Computeralgorithmen abhängen. Wie werden die politischen Entscheidungsträger und die Gig-Unternehmen darauf reagieren? Und können diese Unternehmen, von denen die meisten noch keinen Gewinn erwirtschaften, ihren Arbeitnehmern grundlegende Rechte gewähren und trotzdem überlebensfähig sein?
    In Europa schlägt das Pendel jetzt in Richtung der Arbeitnehmer aus. Anfang des Jahres gab der Oberste Gerichtshof Großbritanniens der Klage von zwei Dutzend Uber-Fahrern auf einen garantierten Mindestlohn statt. Es entschied, dass es sich bei ihnen nicht um freiberufliche „Auftragnehmer“ handelte, da das Unternehmen eine Vielzahl von Instrumenten einsetzte, um die Kontrolle über sie auszuüben. (…)  Eine Reihe von EU-Staaten hat sich ebenfalls dafür eingesetzt, die Situation der Gigworker zu verbessern. Frankreich hat vorgeschlagen, dass die Fahrer Gewerkschaftsvertreter wählen können, um bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. In Italien wurde eine Vereinbarung getroffen, nach der die Lieferdienste Hunderte Millionen Dollar ausgeben müssen, um die Arbeits- und Sicherheitsbedingungen für ihre Fahrer zu verbessern – allerdings ohne sie als vollwertige Arbeitnehmer anzuerkennen. Im August verabschiedete Spanien jedoch ein Gesetz, das Uber und die Lieferplattformen der Gig-Economy verpflichtet, genau diese Anerkennung zu bieten…“ Maschinenübersetzung aus dem (engl.) Artikel von Ned Temko vom 16.12.2021 in Christian Science Monitor externer Link
  • Beschäftigungsstatus als Standard für PlattformarbeiterInnen: EU-Richtlinienentwurf macht unter bestimmten Kriterien Scheinselbstständige zu ArbeitnehmerInnen 
    • Vorschläge der Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten
      Die Europäische Kommission schlägt heute eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit zu verbessern und das nachhaltige Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der EU zu unterstützen. Die neuen Vorschriften sollen sicherstellen, dass Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, die ihnen zustehenden Arbeitnehmerrechte und Sozialleistungen in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus erhalten sie zusätzlichen Schutz in Bezug auf die Verwendung des algorithmischen Managements (d. h. automatisierte Systeme, die Managementfunktionen bei der Arbeit unterstützen oder ersetzen). Gemeinsame EU-Vorschriften werden für höhere Rechtssicherheit sorgen, sodass digitale Arbeitsplattformen in vollem Umfang vom wirtschaftlichen Potenzial des Binnenmarkts und gleichen Wettbewerbsbedingungen profitieren können. (…) Mit der vorgeschlagenen Richtlinie externer Link soll sichergestellt werden, dass Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, den rechtmäßigen Beschäftigungsstatus erhalten, der ihren tatsächlichen Arbeitsregelungen entspricht. Sie enthält eine Liste von Kontrollkriterien, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob es sich bei der Plattform um einen „Arbeitgeber“ handelt. Erfüllt die Plattform mindestens zwei der Kriterien, wird rechtlich davon ausgegangen, dass sie ein Arbeitgeber ist. Den über sie arbeitenden Personen würden daher die mit dem Status „Arbeitnehmer/in“ verbundenen Arbeitnehmerrechte und sozialen Rechte zustehen. Die als „Arbeitnehmer/in“ eingestuften Personen hätten damit gegebenenfalls Anspruch auf den Mindestlohn (sofern vorhanden), Tarifverhandlungen, geregelte Arbeitszeiten und Gesundheitsschutz, bezahlten Urlaub und verbesserten Zugang zum Schutz vor Arbeitsunfällen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Krankheit sowie beitragsabhängige Altersrente…“ Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 9. Dezember 2021 externer Link. Siehe dazu:
    • Die fünf Kontrollkriterien sind: 
      1. Eine Obergrenze bei der Bezahlung
      2. Regeln über die äußerliche Erscheinung, das Verhalten gegenüber KundInnen oder die generelle Performance
      3. Kontrolle der Arbeit oder Quantifizierung der Ergebnisse
      4. Einschränkungen der Freiheit, die Arbeit zu gestalten und bestimmte Aufgaben anzunehmen oder nicht
      5. Effektive Einschränkungen der Möglichkeit, einen Kund:innenstamm aufzubauen oder für Dritte zu arbeiten
    • Siehe die Reaktionen auf die Richtlinie zur Plattformarbeit externer Link (engl.) zusammengestellt vom Gig Economy Projectderen eigene (engl.) Einschätzung externer Link lautet: „Richtlinie wird nach ihrer Verabschiedung die bisher bedeutendste regulatorische Änderung für die Plattformökonomie in Europa sein.“
    • Prekäre Internet-Jobs: Was bringen die EU-Pläne?
      „… Immer mehr Menschen arbeiten für Plattformfirmen wie Uber, Deliveroo und Clickworker – in der Europäischen Union sind es mittlerweile 28 Millionen Menschen, schätzt die EU-Kommission. Die Branche wächst rasant, innerhalb von vier Jahren haben sich die Einnahmen der Firmen demnach fast verfünffacht. Die dort Beschäftigten überließen die nationalen Regierungen bisher weitgehend dem freien Spiel der Marktkräfte, was zum Beispiel dazu führte, dass Schätzungen zufolge mehr als die Hälfte der Plattformarbeiter*innen weniger als den nationalen Netto-Mindestlohn erhält. Nun hat die EU-Kommission die Initiative ergriffen und am Donnerstag einen Richtlinien-Entwurf vorgelegt. Er soll die Arbeitsbedingungen auf den Plattformen verbessern. (…) »Diese Beweislastumkehr ist richtig und wichtig«, urteilt IG-Metall-Vizechefin Christiane Benner. Gleichzeitig bemängelt sie, dass die Regelung nur für neu abgeschlossene Beschäftigungsverhältnisse gelten soll. Den Millionen Scheinselbstständigen von heute würde das dann nicht helfen. »Hier muss dringend nachgebessert werden«, fordert Benner. »Es ist schön, dass es die Beweislastumkehr geben soll«, sagt der Berliner Arbeitsrechtsanwalt Micha Heilmann. Allerdings bringe das nicht viel, wenn weiterhin einzelne Beschäftige ihren Arbeitnehmerstatus erstreiten müssen. Vielmehr sollten staatliche Instanzen dies durchsetzen, etwa die Sozialkassen. (…) Da weiter Millionen tatsächliche oder vermeintliche Freiberufler auf Plattformen arbeiten werden, fordert IG-Metall-Vizechefin Benner: »Solo-Selbstständige sollten grundsätzlich ein Recht haben, gemeinsam Tarifverträge durchzusetzen.« Bislang riskieren sie, gegen das Kartell- und Wettbewerbsrecht zu verstoßen, wenn sie sich zusammenschließen, so Wenckebach. Auch hierzu hat die EU-Kommission außerhalb der Richtlinie einen Vorschlag vorgelegt. Demnach sollen Solo-Selbstständige künftig Kollektivverhandlungen führen dürfen, wenn sie wenig Einfluss auf ihre Arbeitsbedingungen haben. (…) Der Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission wird nun im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert. Wenn die endgültige Richtline angenommen ist, haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Es ist also noch viel Zeit, die Vorgaben zu verwässern oder zu verschärfen.“ Artikel von Eva Roth vom 10. Dezember 2021 in neues Deutschland online externer Link
    • IG Metall begrüßt EU-Plan zur Stärkung der Rechte von Plattformbeschäftigten
      Entwurf definiert Indizien für Vermutung eines Beschäftigtenverhältnisses und sieht mehr Transparenz und die Stärkung der Rechte von Gewerkschaften vor +++ IG Metall setzt sich seit Jahren für die Rechte von Crowdworkern ein +++ Christiane Benner: „Beweislastumkehr ist richtig und wichtig“ (…) Der Richtlinien-Entwurf geht davon aus, dass in der EU bis zu fünfeinhalb Millionen Crowdworker fälschlicherweise als Selbständige klassifiziert werden. „Mit dem Richtlinienentwurf hat die Kommission die richtige Konsequenz aus einer Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen gezogen. Diese haben mehrheitlich zu einer Korrektur der Klassifizierung von Plattformarbeitenden geführt“, so Benner. In Deutschland hatte das Bundesarbeitsgericht erstmals im Dezember letzten Jahres einen Crowdworker als Arbeitnehmer eingestuft. Die IG Metall hatte den Kläger unterstützt (Az. 9 AZR 102/20). Sehr kritisch bewertet die IG Metall dagegen, dass diese Regelung nur für neu abgeschlossene Beschäftigungsverhältnisse gelten soll. Den fünfeinhalb Millionen falsch klassifizierten Plattformbeschäftigten von heute würde das dann nicht helfen. „Hier muss dringend nachgebessert werden, damit keine zwei Klassen von Plattformbeschäftigten geschaffen werden“, fordert Benner.  „Positiv ist weiter die geplante Stärkung der Rechte von Gewerkschaften und Betriebsräten im Zusammenhang mit Plattformarbeit, auch wenn wir uns ein Verbandsklagerecht gewünscht hätten.“…“ Meldung vom 9. Dezember 2021 externer Link
    • DGB begrüßt EU-Initiative zur Plattformarbeit als wichtigen Meilenstein
      „… Es ist gut und richtig, dass die EU-Kommission das Grundproblem an der Wurzel packen will und Plattformbeschäftigte grundsätzlich als Arbeitnehmer*innen gelten sollen, wenn sie durch die Plattformen kontrolliert werden. Dies ist ein wichtiger Meilenstein, denn bislang deklarieren viele Plattformbetreiber die Erwerbstätigen als vermeintliche Soloselbstständige, obwohl diese durch Algorithmen engmaschig überwacht und gesteuert werden. Mit diesem billigen Trick werden Beschäftigte seit Jahren um ihre sozialen Rechte gebracht. Es ist überfällig dieser unwürdigen Praxis einen Riegel vorzuschieben. Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung die EU-Initiative Richtlinie mit Nachdruck unterstützt und eigene Akzente für faire Regeln in der Plattformarbeit setzt. Dazu gehört das Ende der vor allem bei Lieferdiensten weit verbreiteten Unsitte der sachgrundlosen Befristungen und Betriebsratsbehinderungen.““ PM vom 09.12.2021 externer Link
    • EU will Plattformarbeiter besserstellen: Absicherung für Beschäftigte. Die EU will, dass digitale Plattformen ihre Mitarbeitenden anstellen. Die Branche lehnt das ab, Gewerkschaften begrüßen das
      Selbständig oder angestellt? Bisher hatten die Fahrer von Uber, die Lieferanten von Deliveroo und andere Plattform-Arbeiter keine Wahl: Sie waren scheinselbständig und weitgehend rechtlos. Die EU-Kommission will damit Schluss machen. Die Behörde legte am Donnerstag in Brüssel einen Entwurf vor, der die Scheinselbständigkeit stoppen soll. In Europa bieten nach EU-Schätzungen rund 28 Millionen Menschen ihre Arbeitskraft über digitale Plattformen an. In der Coronakrise erlebten die Fahr- und Lieferdienste einen Boom. Damit hätten sich die Probleme in diesem weitgehend unregulierten Sektor des digitalen Kapitalismus verschärft, sagt EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit. Der Luxemburger will nun bis zu 5,5 Millionen Plattform-Arbeiter zu Angestellten machen. Sie erhalten damit Anspruch auf den Mindestlohn, geregelte Arbeitszeiten und bezahlten Urlaub. Auch Arbeitslosenhilfe und Rente sollen an die neuen „Plattform-Angestellten“ gezahlt werden. Allerdings müssen einige Bedingungen eingehalten werden. Die EU-Kommission schlägt in ihrem Richtlinienentwurf fünf Kontrollkriterien vor. Wenn davon zwei erfüllt sind, soll ein Anspruch auf Anstellung entstehen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Lieferdienste feste Arbeitszeiten vorgeben oder es ihren Mitarbeitern verwehren, zusätzlich für andere Firmen tätig zu sein. Es gehe um die effektive Kontrolle, die die Firmen über ihre Mitarbeiter ausüben, sagte Schmit. Die EU-Kommission habe nicht die Absicht, das Geschäftsmodell der Lieferdienste zu zerstören, betonte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Doch genau das fürchten die Unternehmen…“ Artikel von Eric Bonse vom 9.12.2021 in der taz online externer Link
  • [Überblick über die Rechtslage] Arbeit auf digitalen Plattformen: selbst- oder fremdbestimmt? 
    Der Streit darüber, ob Menschen, die ihre Arbeitskraft auf digitalen Arbeitsplattformen anbieten, Solo-Selbstständige oder abhängig Beschäftigte sind, hat inzwischen auch die Gerichte erreicht. Der verbreitete Einsatz von algorithmischen Steuerungsmechanismen und digitalen Anreizsystemen kann darauf hindeuten, dass es sich in vielen Fällen um fremdbestimmte und weisungsgebundene Arbeit handelt. Sind Menschen, die Aufträge über digitale Arbeitsplattformen ausführen, Solo-Selbstständige oder abhängig Beschäftigte? (…) Nicht nur in Deutschland, sondern auch im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Italien und den Niederlanden haben Klagen gegen digitale Arbeitsplattformen bereits die Gerichte beschäftigt. Bestrebungen des  Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ebenso wie der EU-Kommission zielten zuletzt darauf ab, die Gerichte auf nationaler wie europäischer Ebene zu entlasten und für einen nationalen beziehungsweise europäischen Ordnungsrahmen zu sorgen. Für dieses Vorhaben hat die europäische Kommission bereits Konsultationen mit den unterschiedlichsten Sozialpartnern aufgenommen. Das BMAS möchte die Rechtslage zur Plattformarbeit präzisieren und dabei explizit den Sozialschutz für die Betroffenen verbessern. Dies heißt, dass arbeitsrechtliche Regelungen und Standards europaweit vereinbart und durchgesetzt werden sollen. Denn die Zahl der Menschen, die für solche Plattformen tätig sind, wächst langsam, aber beständig. (…) Aktuell plant das BMAS, Plattformarbeiterinnen und -arbeiter in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen und für diese verbindliche Mindestkündigungsfristen einzuführen. Unklar bleibt hierbei allerdings, wie dies geregelt beziehungsweise wie der jeweilige Wohnsitz geprüft werden soll, schließlich kann dieser auch im Ausland liegen. Zudem ist es dem BMAS ein Anliegen, dass persönliche Bewertungen zukünftig auch auf anderen Arbeitsplattformen geltend gemacht werden können. Dies könnte ihre Abhängigkeit von einzelnen Plattformen verringern und damit ihre individuelle Marktmacht erhöhen. (…) Unabhängig von diesem Konzept arbeitet das BMAS aktuell daran, sich über die konkreten Arbeitsbedingungen auf nationalen sowie internationalen digitalen Arbeitsplattformen Klarheit zu verschaffen: Handelt es sich also um fremdbestimmte, weisungsgebundene Arbeiten in persönlicher Abhängigkeit und nicht um Solo-Selbstständigkeiten? Hierzu schlägt das Ministerium vor, den genauen Status über die Funktionsweisen der algorithmischen Arbeitssteuerung zu bestimmen. Bislang wollen die digitalen Arbeitsplattformen ebenjene Funktionsweisen nicht preisgeben und verweisen auf ihre Geschäftsgeheimnisse. Sie befürchten, dass andere Plattformunternehmen profitieren könnten, wenn sie ihre algorithmischen Systeme offenlegen müssen. Das BMAS möchte dieses Dilemma durch eine Umkehrung der Beweislast bei der Feststellung des Status lösen. Demnach müssten nicht mehr die Plattformarbeiterinnen und -arbeiter vor Gericht beweisen, dass sie faktisch abhängig Beschäftigte sind. Vielmehr müssten die digitalen Arbeitsplattformen den Beweis erbringen, dass die Plattformarbeiterinnen und -arbeiter Solo-Selbstständige sind und keine abhängig Beschäftigten.“ Beitrag von Fabian Vogel und Sarah Bernhard im IAB-Forum 11/2021 vom 10.11.2021 externer Link
  • Gig Economy: EU-Parlament fordert gleiche Rechte für digitale Tagelöhner 
    „… Menschen, die für digitale Plattformen wie Essenslieferdienste arbeiten, sollen gleiche Rechte haben wie traditionelle Arbeitnehmer. Dafür hat sich das EU-Parlament in einer am Donnerstag mit der großen Mehrheit von 524 zu 39 Stimmen angenommenen Entschließung ausgesprochen. 124 Abgeordnete enthielten sich. Es geht dabei um Sozialversicherungsbeiträge, eine stärkere Verantwortung der Betreiber für Gesundheit und Sicherheit sowie das Recht, in Tarifverhandlungen faire Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Wer für Vermittlungsdienste in der Gig Economy wie Deliveroo, LiveOps, Lyft oder Uber arbeitet, wird oft fälschlicherweise als selbstständig eingestuft, moniert das Parlament. Dadurch gehe der Zugang zu Sozialschutz und anderen Arbeitsrechten verloren. Die Abgeordneten fordern daher eine Umkehr der Beweislast: Im Falle eines Gerichtsverfahrens sollen nicht mehr die Arbeitnehmer belegen müssen, dass kein Arbeitsverhältnis besteht, sondern die Arbeitgeber. Wer wirklich selbständig arbeitet, soll aber in dieser Position verbleiben dürfen. (…) Die Parlamentarier machen sich mit der Resolution zudem dafür stark, dass Plattformarbeiter ein Recht auf „transparente, nicht-diskriminierende und ethische Algorithmen“ erhalten. Algorithmische Funktionen wie Aufgabenzuweisung, Bewertungen, Preisgestaltung und Deaktivierungsverfahren sollten ihnen zufolge stets verständlich erklärt und klar kommuniziert werden. Arbeitnehmern wollen sie die Möglichkeit geben, die von algorithmischen Systemen getroffenen Entscheidungen anzufechten. Automatisierte Prozesse sollten immer auch von Menschen beaufsichtigt werden. Da etwa Zusteller und Packer oft erhöhten Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt seien wie Verkehrsunfällen oder Verletzungen durch Maschinen, sollten sie mit angemessener persönlicher Schutzausrüstung ausgestattet werden. Die Volksvertreter drängen zudem auf eine Unfallversicherung für Fahrer…“ Beitrag von Stefan Krempl vom 16. September 2021 bei heise online externer Link
  • #FairDelivery: Europäische E-Commerce-Aktionstage vom 1. bis 4. September 21 für ein Ende von Scheinselbstständigkeit und Niedriglöhnen bei Online-Händlern
  • Gig Economy: EU startet Initiative gegen Ausbeutung bei Plattformarbeit
    „Müssen Plattformen wie Uber und Deliveroo ihre Arbeitskräfte anstellen? Und wie viel algorithmische Überwachung bei der Arbeit ist erlaubt? Die EU-Kommission denkt über neue Gesetze für die Gig-Economy nach. Die EU-Kommission denkt über gesetzliche Maßnahmen nach, um Plattformarbeiter:innen besser vor Ausbeutung zu schützen. Dabei soll es um die Frage gehen, ob Plattformen wie Uber und Deliveroo ihre Arbeitskräfte anstellen müssen, ob diese Betriebsräte und Gewerkschaften gründen können, aber auch darum, wie viel Überwachung durch Algorithmen am Arbeitsplatz erlaubt sein soll. Darüber berät die EU mit Gewerkschaften und Arbeitgeber:innenverbänden, wie die Kommission am heutigen Mittwoch ankündigte externer Link. Mehr als 24 Millionen Menschen in Europa haben bislang ihre Arbeitskraft über Plattformen angeboten, für rund drei Millionen sei die Gig Economy sogar die Haupteinkommensquelle, schätzt die EU-Kommission. Der Begriff Gig Economy umfasst verschiedenste Formen der Plattformarbeit, bei der Menschen ursprünglich vereinzelte Dienstleistungen – sogenannte Gigs – über Online-Dienste angeboten haben. Im Fall von Liefer- oder Chauffeurdiensten bieten die Plattformen heute aber oft eine stetige Beschäftigung. Bislang gebe es jedoch in weniger als der Hälfte der EU-Staaten eigene Gesetze für diese Form der Arbeit, so die Kommission. Die Initiative der EU soll alle Arbeitsleistungen ins Visier nehmen, die über Plattformen vermittelt werden. (…) Die möglichen Maßnahmen unterbreitet die Kommission nun im Rahmen eines Konsultationsprozesses den Sozialpartner:innen. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgeber:innen könnten Vorschläge für mögliche gesetzliche Maßnahmen oder Empfehlungen erarbeitet werden, heißt es aus Brüssel. (…) Wie mit Plattformarbeit umgegangen werden soll, ist vielerorts eine politische Streitfrage. In Kalifornien kippte ein Volksentscheid im November ein Gesetz, dass Firmen wie Uber und Lyft gezwungen hätte, ihre Fahrer:innen anzustellen. Dem Referendum war intensives Lobbying der Unternehmen vorausgegangen. Einen Rückschlag setzte es für Uber hingegen in Großbritannien. Dort entschied das Höchstgericht, dass der Taxi-Dienst nicht bloß Dienstleistungen an seine Fahrer:innen vermittle. Vielmehr seien diese als Beschäftigte anzusehen. Auch in Brüssel lobbyieren Plattformen wie Uber, Deliveroo und Airbnb. Ihr Kernanliegen sei es, mit ihren „innovativen“ Diensten den Regeln zu entgehen, die für ihre Konkurrenz im herkömmlichen Taxi-, Liefer- oder Vermietungsgeschäft gelten. Zu diesem Schluss kam 2019 eine Studie der NGO Corporate Europe Observatory und der österreichischen Arbeiterkammer. Das Lobbying aus der Gig-Economy stehe erst noch am Anfang und werde weiter zunehmen, heißt es im Fazit. Die Überlegungen der Kommission zu gesetzlichen Maßnahmen dürften das nur beschleunigen.“ Beitrag von Alexander Fanta vom 24. Februar 2021 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Siehe #PlatformWorkDirective #FairPlatformWork #StopUberisation #PlatformDirective

Siehe zum Thema auch im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=208512
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