Unsichtbare Hände: Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik – selbständige Arbeit

LabourNet-Kongress Kosten rebellieren II„Beim Thema »Selbständige Arbeit« wird schnell klar, was in der liberalen Gesellschaft zählt und was nicht. Lohnarbeit ist es nicht, unbezahlte Arbeit auch nicht und Zwangsarbeit erst recht nicht. Die Ideologieproduzenten des Liberalismus setzen selbständige Arbeit mit Unternehmertum gleich und preisen dessen Fleiß und Innovationskraft. Damit werden, auch wenn es nur selten offen gesagt wird, Nichtunternehmer, wie immer sie ihren Lebensunterhalt bestreiten, als etwas lahmarschig dargestellt, als Menschen, die ohne Anleitung durch andere, Unternehmer nämlich, nichts auf die Reihe kriegen. Den so Herabgewürdigten ist die Faszination des Unternehmertums nicht fremd. Nicht, dass viele ernsthaft glauben, sie würden irgendwann in einer Reihe mit Jeff Bezos oder Elon Musk stehen. Aber sich selbständig machen, keinen Boss mehr zu haben, das wäre schon schön…“ Artikel von Ingo Schmidt in der Soz Nr. 07/2023 externer Link und mehr daraus:

  • Weiter im Artikel von Ingo Schmidt in der Soz Nr. 07/2023 externer Link: „… Selbständige Arbeit trägt immer noch in erheblichem Maße zur gesellschaftlichen Reproduktion bei, in Kleinbetrieben, Scheinselbständigkeit und informellen Sektoren, die in manchen Ländern des Globalen Südens mehr zur Reproduktion beitragen als die selbständige und lohnabhängige Beschäftigung. Selbständige Arbeit spielt zudem eine Schlüsselrolle für die ideologische Reproduktion des Kapitalismus. Die liberale Vorstellung einer Marktgesellschaft, in der gleichberechtigte Warenbesitzer, frei von Hierarchien und Macht nach Belieben und zum Zwecke des Tausches produzieren, lässt eine andere Art von Arbeit gar nicht zu. Angesichts der Macht, die Unternehmen über bezahlte und unbezahlte Arbeit tatsächlich haben, hält die liberale Ideologie immerhin die Möglichkeit offen, dass jeder Mensch frei sei, sich als Unternehmer zu versuchen. Für diejenigen, die auch das nicht schaffen, gibt es ein Trostpflaster: Statt als Lohnabhängige dürfen sie ihre (Arbeits-)Markttauglichkeit als Arbeitskraftunternehmer erweisen, auf sich allein gestellt, selbständig eben. Und möglichst ohne gewerkschaftliche Organisation. (…) Das Problem der Scheinselbständigen besteht darin, dass sie in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung eine untergeordnete Stellung einnehmen. Die gesteht ihnen zwar formale Rechte zu, deren Wahrnehmung würde aber eine Organisierung erfordern, für die noch keine funktionierenden Formen gefunden sind. Ganz andere Probleme haben die Arbeitenden im informellen Sektor, sie sind von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung weitgehend ausgeschlossen, können bei Bedarf aber als industrielle Reservearmee rekrutiert werden. Bis dahin leben sie, insbesondere in Ländern des Globalen Südens, im Schatten von Rechts- und Sozialstaat. Ganz auf sich gestellt, wahrhaft selbst-ständig. Mögen rechtliche Standards auch noch so schwach ausgeprägt sein, bieten sie doch einen potenziellen Schutz, der den von kapitalistischen Produktionsverhältnissen Ausgeschlossenen verwehrt ist. Was kein Problem wäre, würden sie über eigene Subsistenzmittel verfügen. Von diesen wurden sie durch die kapitalistische Akkumulation aber abgeschnitten, sonst würden sie sich nicht im informellen Sektor durchschlagen.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=213421
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