Newsletter am Montag, 11. September 2017

Kurzer Überblick über die heutigen LabourNet Germany News:

Hier im (kostenlosen, aber spendenfähigen) Newsletter die WICHTIGSTEN der neu veröffentlichten Beiträge auf unserer Homepage

1. Internationales » Frankreich » Politik » Widerstand gegen Macrons „Loi travail 2“ 2017

a) Frankreich: Die Katze ist aus dem Sack, betreffend die Arbeitsrechts-„Reform“ unter Emmanuel Macron – Teil 5

Frankreich steht vor dem gewerkschaftlichen Aktionstag am morgigen Dienstag, den 12. September gegen die regressive „Reform“ des Arbeitsrechts. Ein weiterer Termin wurde durch die CGT-Spitze für den 21.09.17 angekündigt (auch, um Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon mit seiner Initiative am 23. September zuvorzukommen). Von Regierungsseite versteift man sich bereits im Vorfeld der Sozialproteste darauf, nicht nachzugeben, und spekuliert stattdessen bereits jetzt über gewalttätige Vorfälle. Die im August dieses Jahres bestellten Tränengasvorräte sollen zumindest psychologisch bereits ihre Wirkung tun… Präsident Emmanuel Macron führt Widersprüche/Widerstände auf „Faulpelze“ und „Extremisten“ zurück, was im Laufe des Wochenendes einige Reaktionen hervorrief…“ Artikel von Bernard Schmid vom 11.9.2017

Siehe zum Hintergrund:

b) Das neue Arbeitsgesetz: Die historische Revanche des Kapitals für vier Erfolge der Gewerkschaftsbewegung in Frankreich

Die Erklärungen, die der französische Präsident in den letzten Tagen öffentlich gemacht hat – unter anderem während seines Besuches in Griechenland – nämlich, dass er die Gegenreform der Arbeitsgesetze in jedem Fall mit äußerster Entschlossenheit durchsetzen werde (Originalton „gegen alle Zyniker und Extremisten“) sind ein Indiz dafür, dass es bei dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzung um mehr geht, als um die konkreten Maßnahmen, mit denen die Rechte der Beschäftigten und der Gewerkschaften beschnitten werden sollen. In dem Artikel „France. Loi travail 2: pour annuler 1936, 1945, 1968, 1981…“ von Christian Mahieux am 10. September 2017 bei Al’encontre externer Link unterstreicht der Autor, langjähriger Koordinator des alternativen Gewerkschaftsbundes SUD Solidaires, dass es für das französische Kapital auch um eine Art historischer Abrechnung gehe mit vier Einschnitten der jüngeren französischen Geschichte und der Revanche dagegen – die mit den Jahreszahlen im Titel des Beitrags angedeutet werden (1936 die Volksfront-Regierung mit einer Reihe von Sozialreformen, 1945 nach der Befreiung vom Faschismus die Stärkung der politischen Rechte der Arbeiterbewegung, 1968 mit einer Reihe von Zugeständnissen aufgrund der explosiven politischen Entwicklung und 1981 mit der Regierung von SP und KP, die ebenfalls einige Entwicklungen einleitete, die den Kapitalisten nicht gefielen). Dementsprechend müsse die Orientierung nicht nur lauten, die größtmögliche Mobilisierung an den bereits beschlossenen Aktionstagen 12. und 21. September, sondern auch, dies im Bewußtsein einer nötigen längerfristigen Mobilisierung zu leisten.

2. Internationales » Türkei » Politik » Putschversuch im Juli 2016 und die Folgen

Am 14. September beginnt in Ankara der Prozess gegen die Hungerstreikenden – ein Solidaritätsaufruf

Am 14. September findet in Ankara der Prozess gegen die Akademikerin Nuriye Gülmen und den Grundschullehrer Semih Özakca statt. Seit Beginn dieses Widerstands vor 297 Tagen versucht die AKP ihre Forderung, der sich Dutzende, massiver Repression ausgesetzte Entlassene angeschlossen haben, durch Polizeigewalt und verleumderische Medienberichte zu terrorisieren. Nuriye und Semih müssen sofort freigelassen werden! Die Regierung muss ihre Forderung anerkennen und ihnen ihre Arbeit zurück geben! Solidarisiert Euch, nehmt am Prozess von Nuriye und Semih am 14. September teil! Holen wir sie in die Freiheit zurück, verteidigen wir ihr Leben! Angehörige und Freunde*innen von NURIYE und SEMİH versammeln sich am 14. September um 13:30 Uhr vor dem Gericht in Ankara. Die Prozessdelegation wird mit Anwält*innen vor Ort organisiert und es werden zu diesem Anlass auch Schlafmöglichkeiten in Ankara angeboten“ – aus dem „Aufruf zum Prozess von Nuriye Gülmen und Semih Özakca…“ der Internationalen Plattform gegen Isolation, seit dem 03. September 2017 externer Link beim Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen dokumentiert und mit weiteren Hinweisen auf die Organisierung der Aktion sowie örtlicher Proteste versehen.

3. Internationales » Kenia » Arbeitskämpfe » Streiks in Kenias Gesundheitswesen ab Dezember 2016

Massenentlassungen streikender Krankenschwestern in Kenia angeordnet – der Streik wird fortgesetzt…

Nach Ablauf des Ultimatums des Rates der Gouverneure Kenias am Freitag, 08. September 2017 hat dieser auf einer Tagung am Wochenende beschlossen, ab sofort eine landesweite Aktion zur Einstellung neuer Krankenschwestern zu beginnen, um die jetzt zur Entlassung anstehenden Frauen zu ersetzen. Das Ultimatum hatte der Rat veröffentlicht nach einem entsprechenden Gerichtsurteil (siehe den Verweis auf den entsprechenden Bericht im LabourNet Germany am Ende dieses Beitrages), mit dem der Streik für illegal erklärt worden war. In dem Artikel „Council orders governors to replace striking nurses“ von Angela Oketch am 10. September 2017 in Daily Nation externer Link wird der Generalsekretär der Schwesterngewerkschaft KNUN Seth Panyako zitiert, der in einer Presseerklärung zu der Ankündigung unterstrich, der Streik werde „ungebrochen fortgesetzt“.

4. Internationales » Vietnam » Arbeitskämpfe

Vietnamesische Belegschaft im Streik gegen koreanischen Textil-Konzern

Der S&H Vina Textil-Konzern aus Südkorea beschäftigt im Norden Vietnams über 6.000 Menschen – die sich am Mittwoch letzter Woche gegen die Behandlung durch das Unternehmen mit einem Streik zur Wehr setzten. Die „Behandlung“ besteht beispielsweise darin, dass Lohnabzug erhält, wer etwa zur Beerdigung eines Verwandten fährt, ohne drei Tage vorher Bescheid zu sagen. Nun weiß nicht jeder Mensch drei Tage vor seinem Tod, dass dies passieren wird. Diese Art des Umgangs fand dann die Spitze des Eisbergs in einem Abteilungsleiter, der den Beschäftigten verbieten wollte, in der Pause auf Plastikplanen auszuruhen und verlangte, sie sollten dies auf dem Boden tun – der berühmte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Erst traten die 2.000 Beschäftigten des Gebäudes, in dem der Vorfall stattfand in den Streik, dann folgten aber schnell die 4.000 in den beiden anderen Gebäuden – ein deutlicher Hinweis eben darauf, dass es wirklich „nur“ die Spitze des Eisbergs war. Womit die Entwicklung, dass immer öfter Belegschaften in den Streik treten, um ihre Menschenwürde zu verteidigen, auch in Vietnam angekommen ist. Siehe dazu zwei aktuelle Beiträge und einen historischen Abriss

5. Internationales » Argentinien » Menschenrechte

Die argentinische Regierung kommt wegen des „Verschwindens“ von Santiago Maldonado unter großen Druck: Und versucht es mit Polizeigewalt…

Einen Monat nach dem Verschwinden von Santiago Maldonado haben in Argentinien zahlreiche Demonstrationen stattgefunden. Seit einem Militär- und Polizeieinsatz gegen eine Mapuche-Gemeinschaft in Esquel in der patagonischen Provinz Chubut fehlt von ihm jede Spur. Die Regierung weist jegliche Verantwortung der Sicherheitskräfte zurück, .Am vergangenen Freitag demonstrierten Menschenrechtsgruppen sowie studentische, gewerkschaftliche, politische und indigene Verbände landesweit für das unversehrte Auftauchen Maldonados. In Buenos Aires versammelten sich mehr als 250.000 Demonstranten vor dem Präsidentenpalast, um zusammen mit der Familie Maldonado den Rücktritt der Ministerin für Sicherheit, Patricia Bullrich, und ihres Kabinettschef Pablo Noceti zu fordern“ – so beginnt der Beitrag „Massenkundgebung in Argentinien wegen Verschwindens von Santiago Maldonado“ von Agustina Carrizo de Reimann am 08. September 2017 bei amerika21.de externer Link, der auch über die Hetzkampagne der regierungsnahen Medien gegen die Proteste berichtet und die massive Polizeirepression erwähnt, die auch in den Tagen nach den Demonstrationen an verschiedenen Orten des Landes anhielt. Siehe dazu auch externer Link einen Hintergrundbeitrag über die Eigentumsverhältnisse im „Benetton-Land“, eine Erklärung des Alternativen gewerkschaftlichen Netzwerks für Solidarität und Kampf (dem auch wir angehören) und den Verweis auf unsere bisherigen Informationen

6. Internationales » Polen » Gewerkschaften

Neue Gewerkschaft in Polen: Wolny Związek Zawodowy WALKA – Freier Gewerkschaftsverband KAMPF

Wir sind ein Verband von arbeitenden Menschen, die meisten von uns arbeiten über 40 Stunden in der Woche, oft ohne Versicherungsschutz und Rentenanspruch. Wir arbeiten und erzielen kaum einen Gewinn, wir arbeiten schwer und die Chefs treten uns mit Füßen! (…) Wir stehen vor neuen Herausforderungen – wir wollen eine Verkürzung der Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeit auch im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt. Wir fordern reale Lohnerhöhungen und eine würdige und zeitlich unbegrenzte Unterstützung der arbeitslosen Menschen. Wir verlangen eine Angleichung der Minimallöhne in der gesamten Europäischen Union und den Abschluss eines europäischen Tarifvertrages. Dies erreichen wir nur in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften der anderen Länder Europas und der Welt. Wir schaffen diese Klassengewerkschaft nach dem Vorbild einer Gesellschaft in der wir leben wollen – wir sind alle gleich und begegnen uns mit Respekt, wir dulden nicht, dass Frauen, Ausländer oder Schwächere schlechter behandelt werden. (…) Wir lehnen die Form des Wettlaufs zur Profitmaximierung ab. Nur in einer Zusammenarbeit können wir eine wirtschaftliche Entwicklung zum Wohl aller Menschen erreichen. Die Zeit ist herangereift für einen authentischen KAMPF (WALKA) für Arbeiterrechte!“ Aus der Selbstdarstellung des Gewerkschaftsverbandes WALKA pdf – wir danken Norbert Kollenda für die deutsche Übersetzung!

7. Internationales » Spanien » Gewerkschaften

Millionen Beschäftigte in der spanischen Tourismus-Industrie: Prekär und – zunehmend – selbstorganisiert

Rund 18 Millionen Beschäftigte werden in Spaniens Arbeitsstatistik gezählt. Beinahe ein Drittel von ihnen, knapp 5,5 Millionen arbeiten in der Tourismusbranche. Davon wiederum arbeiten 1,7 Millionen im Hotelwesen – mit einem Durchschnittsverdienst von etwas über 13.000 Euro im Jahr. Die etwa 100.000 Putzfrauen davon verdienen je gereinigtem Zimmer sage und schreibe 2,15 Euro. Als ganz wesentlicher Bestandteil des Kapitalismus in Spanien ist dieser Bereich gekennzeichnet von zahllosen Überstunden bei oftmals befristeten Verträgen und besonders schlechter Bezahlung. Kein Zufall, dass es zwei Besonderheiten gibt: Den weit überdurchschnittlichen Krankenstand – und eine jährlich anwachsende Tendenz zur Selbstorganisation, da bis vor kurzem – gerade eben die Selbstorganisation hat hier zur Veränderung beigetragen – die großen Gewerkschaftsverbände hier nicht besonders viel unternahmen. Siehe zur Situation und Entwicklung von Beschäftigung und gewerkschaftlicher Tätigkeit im Tourismus-Sektor drei Beiträge, die einen Überblick geben

8. Internationales » Österreich » Politik

Österreichische Kapitalisten gegen Arbeiterkammern, gegen Flächentarifverträge, für Knochenarbeit für Migrantinnen

Arbeiterkammern entstanden 1920/1921 im Rahmen der Sozialoffensive der ersten österreichischen Republik als Gegenüber der Handelskammern. So deklarierte das Parlament die Anerkennung der ArbeitnehmerInnen als vollwertige BürgerInnen über das Wahlrecht hinaus. Immer wenn der demokratische Sozialstaat unter Beschuss geriet, ob durch die autoritär-faschistische Politik der Zwischenkriegszeit oder den Neoliberalismus des 21. Jahrhunderts, waren die Arbeiterkammern zusammen mit den Gewerkschaften im Visier. In der Zweiten Republik setzten die GegnerInnen jedoch nicht mehr auf eine Abschaffung der demokratisch bestellten Selbstverwaltung, sondern auf ein ähnlich effektives Instrumentarium: die Abschaffung der „Pflichtmitgliedschaft“ und eine massive Kürzung der Kammerumlage – bisher ohne Erfolg“ – so beginnt der Beitrag „Arbeiterkammern im Visier der Gegner/innen des Sozialstaats“ von Brigitte Pellar am 06. September 2017 beim Blog Arbeit und Wirtschaft externer Link, der auch für Österreich das vom Kapital signalisierte Ende der Sozialpartnerschaft deutlich macht und kurz die Verschärfung der Auseinandersetzung um diese Einrichtungen in den letzten 30 Jahren skizziert. Siehe dazu auch einen Beitrag über den Angriff auf Flächentarifverträge und gewerkschaftliche Gegenwehr, sowie einen weiteren zur Entwicklung der Arbeitsbedingungen für osteuropäische Migrantinnen

9. Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken » Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke

Netzwerkinfo der Gewerkschaftslinken Nr. 65 vom September 2017

Aus dem Inhalt: Wehren gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse: Beispiel Leiharbeit; Tarifrunde Krankenhäuser: „Mehr von uns ist besser für alle“; Tarifrunde Einzelhandel – Ein Abschluss der Unzufriedenheit; Tarifrunde Metall: Ein bunter Blumenstrauß ohne gemeinsames Ziel; Erste Tagung von OKG – Organisieren Kämpfen Gewinnen – am 28./29. Oktober in Kassel; „Betriebsräte im Visier“- 4. bundesweite Konferenz am 14. Oktober in Mannheim; Zehntausende in Aktion quer durch die USA für 15$ Mindestlohn. Siehe das NWI 65 vom September 2017 pdf

10. Politik » Arbeitsalltag und Arbeitsbedingungen » Leiharbeit und Sklavenhandel » Leiharbeit und Gewerkschaften

Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit. Brief an die IG Metall zur Problematik seit dem Manteltarifvertrag DGB – BAP von 2003

Werter Kollege Hofmann, ich bitte Dich, in Deiner Eigenschaft als Vorsitzender der IG Metall darauf hinzuwirken, dass die Arbeitszeitkonten für Leiharbeiter nach §4 ff des MTV DGB-BAP in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden. Leiharbeiter haben dadurch nur Nachteile, wie ich dies im Folgenden noch näher darlegen werde. Beispielsweise werden in einsatzfreien Zeiten ohne jede Grundlage unbegrenzt Minusstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Ich war selbst 23 Jahre lang Betriebsrat bei einem großen Verleiher und weiß, über was ich schreibe. Darüber hinaus bin seit September 1984 Mitglied der IG Metall. (…) Für mich ist es trotz Anspannung meiner gesamten Vorstellungskraft bis heute nicht nachvollziehbar, wie sich die Gewerkschaften haben dazu breitschlagen lassen, mit einer zwielichtigen Branche wie der Leiharbeit, in der ein rüpelhafter Umgang mit den Leiharbeitern an der Tagesordnung ist, neben einem Entgelttarifvertrag mit garantierter finanzieller Unterversorgung auch noch das Arbeitszeitkonto mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen zu Lasten Leiharbeiter in den MTV zu zementieren. Die segensreiche Wirkung des Arbeitszeitkontos zu Gunsten der Leiharbeitsbranche ist mittlerweile in das 14te Kalenderjahr eingetreten, ohne das dessen unzulässige Bestandteile bislang beseitigt wurden. Es bedarf keineswegs eines besonderen Sachverstands, um zu erkennen, dass sich Leistung und Gegenleistung in den Tarifverträgen in einem aufdringlichen Missverhältnis zu Ungunsten der Leiharbeiter befinden. Darüber hinaus springt ins Auge, das der MTV DGB-BAP sehr feinfühlig und passgenau auf die Bedürfnisse der Zeitarbeit zugeschnitten wurde. Wer böse denkt, könnte auf die Idee kommen, als haben die Gewerkschaften der Leiharbeitsbranche eine lukrative Einnahmequelle verschaffen wollen. (…) Aber auch ohne das Arbeitszeitkonto garantieren die Tarifverträge den Leiharbeitern für ihr späteres Rentendasein immerhin einen Lebensabend in Würde und Altersarmut. Mit Tarifverträgen auf Ramschniveau kann jedenfalls nicht verhindert werden, dass die betroffenen Leiharbeiter nach wie vor zu den ewigen Verlierern des Arbeitsmarktes zählen…“ Brief von Dieter Vogt an den IG Metall-Vorstand vom 1.9.2017 pdf – über die uns natürlich passende Einschätzung hinaus sehr informativ! Wir freuen uns auf die Antwort…

  • Herausragend darin ein zitierter Arbeitsrichter: „Wenn ich Gewerkschafter gewesen wäre und hätte den Tarifvertrag unterschreiben sollen, wäre mir der Griffel aus der Hand gefallen„.

11. Politik » Arbeitsalltag und Arbeitsbedingungen » Leiharbeit und Sklavenhandel » Leiharbeit allgemein und im Betrieb

Berufsstart mit böser Überraschung: Ausbildung zum Leiharbeiter

„… Phillip Jochmanns (…) Ausbildung begann mit einer bösen Überraschung: Seinen Vertrag hatte er nicht mit der Firma direkt, sondern mit einer Tochterfirma im dritten Stock des gleichen Gebäudes. Anders als bei der Mutterfirma unten galt oben der Tarifvertrag der IG Metall nicht. Das bedeutete 20 Prozent weniger Ausbildungsvergütung und keine Übernahme nach der Ausbildung – sondern befristet, als Leiharbeiter. Die Mutterfirma, der Verpackungsdruckmaschinenbauer Windmöller Hölscher in Lengerich bei Münster, lieh sich die ausgebildeten Fachkräfte von der Tochter, der Windmöller Hölscher Ausbildungs GmbH aus. „Bei der Einstellung war den meisten nicht klar, dass sie in eine Tochterfirma kommen“, kritisiert Phillip Jochmann. (…) Damals, vor vier Jahren, war Phillip erst wenige Wochen in der Ausbildung. Ein Dreivierteljahr später war er Betriebsrat bei der Windmöller Hölscher Ausbildungs GmbH, mit 20 Jahren. (…) „Das Verhandeln war gar keine so große Sache, wie ich dachte“, erinnert sich Jochmann. „Ich habe einfach mit Beispielen aus unserem Alltag im Betrieb argumentiert.“ Als der Arbeitgeber sich sperrte, organisierten sie eine Unterschriftenaktion. Alle unterschrieben. Und gemeinsam mit den Beschäftigten des Hauptwerks traten sie in einen Warnstreik. Der Tarifvertrag für die Ausbildungs GmbH ist unter Dach und Fach. Danach steigen die Ausbildungsvergütungen um 10 Prozent. Fertig ausgebildete Beschäftigte, die an die Hauptfirma verliehen werden, erhalten 93,4 Prozent des Entgelts der Stammbeschäftigten und werden bei Einstellungen bevorzugt…“ Beitrag der IG Metall-Jugend vom 7. September 2017 externer Link – Das sind aber immer noch 10 Prozent weniger Ausbildungsvergütung nur wegen Leiharbeit und sogar weniger Entgelt als die Stammbeschäftigten nach der Ausbildung. Mit Tarifvertrag ist eben nicht alles wieder gut…

Siehe zum oft angesprochenen Gegenbeispiel:

12. Internationales » Frankreich » Arbeitsbedingungen

Leiharbeit in Frankreich: Mehr Lohn gegen weniger Sicherheit

Arbeitsverhältnisse, bei denen Lohnabhängige durch den jeweiligen Arbeitgeber gewerbsmäßig an Fremdfirmen »verliehen« werden, heißen im Französischen travail temporaire (Zeitarbeit) oder travail intérimaire (vorläufige Arbeit). Seit ihrer Einführung in Frankreich im Jahr 1972, versprechen sowohl die Sozialistische Partei als auch die Kommunisten, das Verbot der Leiharbeit. 1982 kam es, nachdem einige Monate zuvor eine Linksregierung unter François Mitterrand und Pierre Mauroy ins Amt gekommen war, zu einer Reform der Leiharbeit. Ihre Abschaffung unterblieb jedoch. Der gesetzliche Rahmen ist seitdem im Wesentlichen derselbe. Bei den Arbeits- und die Vergütungsbedingungen gilt das Prinzip der generellen Gleichbehandlung mit den Stammbeschäftigten. Die Regel ist dabei wesentlich strenger als in Deutschland (…) Hier darf die Überlassungsdauer achtzehn Monate betragen. Bei einem Arbeitsverhältnis auf ausländischem Boden oder Erfüllung eines »besonderen Exportauftrags« liegt sie bei 24 Monaten. Arbeitgeber in Frankreich greifen nicht hauptsächlich auf Leiharbeitskräfte zurück um Kosten zu sparen. Denn das Equal-Pay-Prinzip kann theoretisch nicht umgangen werden. Arbeitnehmer erhalten eine »Prekaritäts-Entschädigung« in Höhe von zehn Prozent des Gesamtlohns beim Auslaufen des Vertrags. Ferner ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich verboten, im Fall eines Arbeitskampfes Leiharbeitskräfte als Streikbrecher einzusetzen. (…) Ende 2016 betrug die Zahl der Leiharbeitskräfte zwischen 700 000 und 750 000 und lag bei etwa 3,5 Prozent der Erwerbstätigen. Die wichtigsten betroffenen Sektoren sind die Automobilbranche, Transportfirmen, der Bausektor sowie – im Bereich des öffentlichen Dienstes – das Krankenhauswesen. (…) In näherer Zukunft könnte allerdings der Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder CDD (Contrat à durée déterminée) für die Arbeitgeber attraktiver werden, als Leiharbeitsverträge einzugehen…“ Langfassung des Artikels von Bernard Schmid vom 11.09.2017 in Neues Deutschland

13. Politik » Europäische Union » Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in der EU » Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht » Europäischer Tarifbericht des WSI: Löhne in Europa steigen real nur sehr langsam – 2017 droht in etlichen Ländern wieder Stagnation oder sogar Rückgang

Der europäische Lohnskandal

„Die Lohnentwicklung in der Eurozone ist weiter extrem schwach. Es ist ein Skandal, dass die europäischen Gewerkschaften zwar„pay-rise“ Kampagnen machen, über die konkreten Ergebnisse ihrer eigenen Verhandlungen aber praktisch nicht reden. (…) Das wäre ein tolles Thema für die Wahlkämpfer und die deutschen Gazetten, die ja nicht müde werden, die Ungleichheit zu beklagen. Da sie sich aber wie der Teufel vor dem Weihwasser davor fürchten, Maßnahmen zu nennen, mit denen man die Ungleichheit wieder verringern kann, verschweigen sie es lieber. An vorderster Stelle müssten auch diejenigen mit diesem empirischen Befund arbeiten, die Angst um das Wohl des deutschen Sparer haben, weil der ja keine Zinsen mehr bekommt. Ja, warum bekommt er keine Zinsen? Weil die Preise nicht steigen! Und warum steigen die Preise nicht? Weil die Löhne nicht steigen! Wo ist die politische Aktion der Gewerkschaften? (…) Warum nutzen die Gewerkschaften in ganz Europa nicht die Gunst der Stunde (dass nämlich selbst konservative Institutionen wie die Kommission, die EZB und die Deutsche Bundesbank begriffen haben, wie wichtig höhere Nominallöhne sind), um zu fordern, dass in der gesamten EWU politisch durchgesetzt wird, dass zukünftig die Lohnverhandlungen immer bei genau zwei Prozent beginnen und die Frage nur sein kann, wie viel da oben drauf kommt? (…) Außer einer schwachen Forderung, die Tarifbindung zu stärken, findet sich im gesamten Forderungskatalog nichts, was wirklich zur Beseitigung des europäischen Lohn-Skandals beitragen könnte. Von wirklichen Umverteilungsforderungen im Licht des deutschen Leistungsbilanzüberschusses ganz zu schweigen…“ Beitrag von Heiner Flassbeck vom 7. September 2017 bei Makroskop externer Link

14. Politik » Europäische Union » Europäische Wirtschaftspolitik

Finanzmärkte, Europa, immer weiter sinkende Löhne und eine weitere Destabilisierung im Interesse der Spekulanten

Eine aktuelle Beschreibung unseres aktuellen gesellschaftlichen Zustandes ist schon deshalb so bemerkenswert, weil Parteien oder Wahlkampf nicht vorkommen, weil sie einfach nichts zu sagen haben zu den zentralen ökonomischen Themen unserer Zeit. Das verwirrt selbst mich, wenn Wirtschaftsinstitute wie das ZEW (eher konservativ) sich in seiner analysierenden Darstellung der „grassierenden“ Ungleichheit nur ein klein wenig von dem DIW (eher als links geltend) unterscheidet, während auf der „politischen Ebene“ dieses gravierende Thema der Ungleichheit einfach überhaupt nicht vorkommt… Dann gibt es gerade einmal den Claus Offe – unter anderen – der sich noch wundern kann. Es ist eine sehr seltsame Zeit in der wir leben, wo man allenthalben sich über die AfD noch politisch aufregen kann – aber sonst „nix“…“ Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.9.2017

15. Politik » Erwerbslosigkeit » Arbeitsamt und Arbeitszwang » Alltägliche Schikanen

Besser Schneider oder Schmidt heißen. Jobcenter benachteiligen bei Anfragen Menschen mit ausländischen Namen

Mitarbeiter von Behörden neigen zur Diskriminierung, wenn sie Anfragen von Menschen mit ausländischen Namen erhalten. Das haben Anselm Rink vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Johannes Hemker (zum Zeitpunkt der Studie an der Columbia University) in einem Experiment herausgefunden. Sie verschickten E-Mails an alle deutschen Jobcenter und stellten Fragen zum Thema Hartz IV. Dabei erhielten Menschen mit türkischen oder rumänischen Namen qualitativ schlechtere Auskünfte als Menschen mit deutschen Namen. In dem Experiment haben die Forscher in den Jahren 2014 und 2015 fiktive E-Mails an 408 Jobcenter geschickt. Die Forscher verwendeten sechs deutsch, türkisch und rumänisch klingende Namen. Die Mails variierten unter anderem in Berufsbezeichnung, Geschlecht und Sprachstil. (…)Jobcenter unter kommunaler Verwaltung schnitten dabei deutlich schlechter ab als Jobcenter, die direkt der Bundesagentur für Arbeit unterstellt sind. Gleichermaßen schnitten westdeutsche Behörden schlechter ab als ostdeutsche Behörden…“ WZB-Pressemitteilung vom 08.09.2017 externer Link

15. Interventionen » Kampf um Grundrechte » Menschenrechte im Betrieb? » Arbeitnehmerdatenschutz

EuGH stärkt Privatsphäre gegenüber dem Arbeitgeber – ein wenig

Kurzer Überblick zur Frage der E-Mail-Überwachung von Volker Bahl vom 10.9.2017

17. Interventionen » Asyl, Arbeitsmigration und Antirassismus » Asylrecht und Flüchtlingspolitik » Aufenthalt und Ausweisung » Dossier: Mehr Soldaten nach Afghanistan aber trotzdem dorthin abschieben?

Zur Erinnerung: Sammelabschiebeflug am 12. September nach Kabul geplant

  •  Gemeinsam gegen Abschiebungen nach Afghanistan! Am 11. September um 17 Uhr an den Katharinentreppen (vor dem Hbf) findet in Dortmund die Vorabenddemo gegen die geplante Abschiebung afghanischer Geflüchteter am 12.09.2017 vom Düsseldorfer Flughafen statt.
  • Am 12. September um 17 Uhr Protest gegen Sammelabschiebung am Düsseldorfer Flughafen, Terminal B
  • Härte zeigen: Sammelabschiebung nach Afghanistan
    Am morgigen Dienstag soll es wieder eine Sammelabschiebung nach Afghanistan geben. Eigentlich waren „Rückführungen“ nach Kabul seit Mai wegen der katastrophalen Sicherheitslage ausgesetzt worden. Dennoch hat das federführende Bundesinnenministerium jetzt wieder einen Flug angesetzt. Wir sprachen mit Karl Kopp von Pro Asyl über die wenigen Informationen, die vorab bekannt sind und die Situation afghanischer Flüchtlinge in Deutschland.“ Interview vom 11.9.2017 des Radio Dreyeckland Freiburg beim Audioportal Freier Radios externer Link Audio Datei

18. Interventionen » Wirtschaftspolitische Gegenwehr: Krisen und der alltägliche Kapitalismus » Alltagswiderstand und Commons » Commons und Recht auf Stadt

[12. September 2017] Mieterproteste im Ruhrgebiet

Am Dienstag, 12. September 2017, finden in Essen und Dortmund zwei Protestkundgebungen der Mietervereine aus der Region statt. „Instandhaltung statt Teuer-Modernisierung: Vonovia, LEG & Co. müssen gesetzlich gezwungen werden, ihre Wohnungen ohne Mieterhöhungen in Schuss zu halten! Keine überzogenen Mieterhöhungen nach Modernisierung: Der Paragraf 559 BGB, der den Konzernen hohe Renditen auf Kosten der MieterInnen ermöglicht, muss abgeschafft werden! Schluss mit Mieterhöhungsspiegeln und willkürlichen Vergleichswohnungen: Wir brauchen eine gesetzliche Neuregelung zur Festsetzung gerechter Mieten!“ – das sind einige der Forderungen, die bei diesen Kundgebungen vertreten werden sollen. Neben Vollzeitarbeit, deren Lohn nicht zum Leben reicht und einem Rentensystem, das Altersarmut produziert, ist die regelrechte Explosion der Mieten – keineswegs nur in den oft besprochenen Zentren dieser Entwicklung – eine dritte der neuen sozialen Wohltaten des Kapitalismus in der heutigen BRD. Höchste Zeit, gegen diese Form der Ausbeutung zu mobilisieren – und gegen eine Politik die, parteiunabhängig, zur faktischen Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus geführt hat. Siehe dazu die beiden Aufrufe zu den Aktionen in Essen und Dortmund

 

Lieber Gruss, Eure LabourNet-Redaktion

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Streiks in Frankreich gegen Macrons Arbeitsmarktreform

Video über die geplante Reform des Arbeitsrechtes durch die Regierung Macron im September 2017. Die Reformen sollen als Verordnungen durchgesetzt werden, ohne Debatte in der Nationalversammlung. Sie sehen u.a. vor, dass in Unternehmen mit weniger als 20 Angestellten der Chef mit jedem einzeln verhandeln und so den Tarifvertrag umgehen kann. „Ein beispielloser sozialer Rückschritt mit dem Beifall des Arbeitgeberverbandes“, urteilt ein Aktivist in dem Film.“ Video bei labournet.tv externer Link (französisch mit dt. UT | 2 min | 2017)
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LabourNet Germany:  https://www.labournet.de/
Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged
Le point de rencontres de tous les militants syndicaux progressistes,  qu`ils aient ou non un emploi
IBAN DE 76430609674033739600

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