Newsletter am Donnerstag, 11. Dezember 2014

1. Politik » Gewerkschaften » Tarifpolitik » Allgemeine tarifpolitische Debatte » Tarifeinheit als Selbstzweck? » Dossier: Gemeinsame Interessen: Koalition will »Tarifeinheit«

Tarifeinheit am 11. Dezember im Kabinett – durchgewunken!

  • Tarifeinheitsgesetz: Gleiche Arbeit – gleicher Tarifvertrag
    „Zukünftig wird der Tarifvertrag der Gewerkschaft angewendet, der die meisten Beschäftigten organisiert – falls in einem Betrieb für gleiche Tätigkeiten verschiedene Tarifverträge gelten. So sieht es der im Bundeskabinett beschlossene Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes vor…“ Pressemitteilung der Bundesregierung vom 11. Dezember 2014 externer Link Aus dem Text:
    „… Streikrecht unverändert. Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Nach wie vor sollen die Tarifparteien eigenständig die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Beschäftigten sinnvoll ordnen und Tarifkollisionen vermeiden. Der Gesetzentwurf greift nicht in das Streikrecht ein. Im Streitfall entscheiden auch künftig die Arbeitsgerichte, ob ein Streik verhältnismäßig ist oder nicht…“

Wir und viele andere (kompetentere!) sehen das völlig anders! Siehe dazu:

  • VGB: REGIERUNGSENTWURF DES TARIFEINHEITSGESETZES IST VERFASSUNGSWIDRIG
    „Der Verband der Gewerkschaftsbeschäftigten (VGB) lehnt den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Tarifeinheit ab“, so der Vorsitzende Bernhard Stracke, anlässlich der Vorstandssitzung am 06.12.2014 in Würzburg. Die geplanten Re-geln des Gesetzes betreffen das Streikrecht der Gewerkschaften elementar, da sie es in Konfliktfällen für einzelne Gewerkschaften einschränken…“ Pressemitteilung vom 11.12.2014 pdf
  • Tarifeinheitsgesetz: Kabinettsbeschluss: Schwarzer Tag für gewerkschaftliche Grundrechte
    „Den heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zum Entwurf eines Tarifeinheitsgesetzes kommentiert Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes: „Der Kabinettsbeschluss zum Tarifeinheitsgesetz ist ein kapitaler Fehler. Nicht nur die 115.000 Mitglieder des Marburger Bundes, sondern Hunderttausende von Arbeitnehmern in anderen Gewerkschaften werden diese Entscheidung als Angriff auf ihre grundgesetzlich verbrieften Rechte verstehen.“…“ Pressemitteilung vom 11.12.2014 externer Link
  • Wie Anwälte die Tarifeinheit kippen werden
    „Heute präsentiert Andrea Nahles dem Kabinett ihr Gesetz zur Tarifeinheit. Die Kritik ist verheerend. Schon vor Inkrafttreten präsentieren Anwälte ihre Strategie, wie sie das Gesetz aushebeln möchten…“ Artikel von Jens Hagen vom 11.12.2014 im Handelsblatt online externer Link

Andererseits sind ja bekanntlich nicht alle DGB-Gewerkschaften unzufrieden:

  • IG Metall bewertet Gesetzentwurf zur Tarifeinheit positiv
    „Die IG Metall hat das vom Kabinett vorgelegte Gesetz zur Tarifeinheit positiv bewertet. „Mit der Verankerung des Mehrheitsprinzips ist der richtige Weg beschritten, um die Tarifeinheit zu sichern. Damit bestimmen die im Betrieb Beschäftigten mit ihrer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, welcher Tarifvertrag gilt“, sagte Detlef Wetzel, Erster Vorsitzender der IG Metall, am Donnerstag in Frankfurt. Im Sinne einer solidarischen Tarifpolitik werde das Ziel „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft – ein Tarifvertrag“ gestärkt. „Mit dem jetzt vorliegenden Entwurf wird das richtige Prinzip ausbuchstabiert: Mit dem Mehrheitsprinzip ist geklärt, das eine solidarische Tarifpolitik für alle Beschäftigtengruppen Vorrang vor Partikularinteressen hat.“ „Vor allem ist es gelungen, das Arbeitskampfrecht vom Gesetz unberührt zu lassen“, betonte Jörg Hofmann, Zweiter Vorsitzender der IG Metall…“ Pressemitteilung vom 11.12.2014 externer Link

Siehe dazu bereits gestern abend veröffentlicht:

  • Zoff im Gewerkschaftsbund: „Das hat es noch nie gegeben“
    „Am Donnerstag befasst sich das Bundeskabinett mit dem umstrittenen Gesetzesvorhaben zur Tarifeinheit im Betrieb. Selbst der Gewerkschaftsbund ist gespalten: Fünf DGB-Organisationen kämpfen für das Projekt der großen Koalition – aber drei dagegen.
    An diesem Donnerstag befasst sich das Bundeskabinett mit der Gesetzesvorlage von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur Tarifeinheit im Betrieb. Damit soll das Prinzip „ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag“ wiederhergestellt werden. Im Anschluss an die bis zum 8. Mai terminierten Beratungen in Bundesrat und Bundestag könnte das Gesetz frühestens Mitte 2015 in Kraft treten. Schon im Vorfeld bringt das Projekt nicht nur die Spezialistengewerkschaften der Ärzte, Lokführer und Piloten auf, sondern auch Teile des Gewerkschaftsbundes (DGB)…“ Artikel von Matthias Schiermeyer vom 10. Dezember 2014 in der Stuttgarter Zeitung online externer Link
  • Tarifeinheit: Einheit als Spaltung. DGB streitet über Streikrecht
    „Der Konflikt um die »Tarifeinheit« geht in die entscheidende Phase. Nach mehrfachen Verzögerungen soll das Kabinett am heutigen Donnerstag einen Gesetzentwurf beschließen, der sogenannten Minderheitsgewerkschaften de facto ihre Aktions- und damit Existenzmöglichkeiten nimmt. Dies ist nicht nur die aktuell wichtigste politische Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit. Sie wird auch für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) immer mehr zur Zerreißprobe…“ Artikel von Daniel Behruzi in junge Welt vom 11.12.2014 externer Link Aus dem Text:
    „… In den Führungsetagen der Industriegewerkschaften wird der DGB hinter vorgehaltener Hand teilweise grundsätzlich in Frage gestellt. Jeder ist sich selbst der nächste, lautet ihr Motto. Hauptsache Mitglieder, sprich: Beitragszahler. Mit dem ursprünglichen Gewerkschaftsgedanken, die Konkurrenz unter den Beschäftigten möglichst umfassend auszuschließen, hat das nicht viel gemein. Trotz des Geredes über »Einheit«.“
  • Gesetz zur Tarifeinheit: „Öffentlichkeit wird getäuscht“
    „Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit ist verfassungswidrig und würde die Rechte von Arbeitnehmer stark beschneiden, kritisiert der ehemalige Verfassungsrichter Dieterich. Es sei eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, wenn die Bundesregierung behaupte, das Streikrecht werde nicht angetastet. Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit würde die Rechte von Gewerkschaften und Arbeitnehmern stark beschneiden. Zu dieser Einschätzung kommen Juristen wie Thomas Dieterich. Der ehemalige Verfassungsrichter hält das Vorhaben, mit dem sich das Kabinett an diesem Donnerstag befasst, sogar für verfassungswidrig…“ Artikel von Eva Roth in der FR online vom 10.12.2014 externer Link

Unser Zwischenfazit: Neben den vielen Protesten und Unterschriftenlisten in unserem Dossier haben nur fast 15 Tausend GewerkschafterInnen den Aufruf von ver.di, NGG und GEW unterzeichnet. Dies mag an der ideologischen Überhöhung der „Tarifeinheit“ liegen… Massendemonstrationen (geschweige Streiks) sind nicht in Sicht, daher gilt wohl: Wer wirklich Druck auf die grosse Koalition ausüben will, muss ihn auf den DGB ausüben – für die so viel beschworene „Solidarität“, mit der z.B. die IG Metall das Gesetz begrüßt…

Mit solidarischem Gruß mit ALLEN Lohnabhängigen, Mag

 


NEU BEI LABOURNET.TV


Arbeiter der Mall of Berlin

Rumänische Bauarbeiter sind um ihren Lohn geprellt worden. Sie mussten im Freien und im Baukontainer schlafen, während sie auf das ausstehende Geld warteten. Versprochen waren ihnen 5 Euro pro Stunde. Am Samstag, 6.Dezember gab es eine Solidaritätsdemonstration mit 300 Teilnehmer_innen. Die Proteste gehen weiter. Die Bauarbeiter und die Fau stehen vor der Mall of Berlin, Leipziger Platz 12: – Dienstag bis Freitag zwischen 18h und 22h – Samstag von 16h bis 22h.
Kommt vorbei! Video bei labournet.tv externer Link (english mit dt. ut | 1 min | 2014)


LabourNet Germany: https://www.labournet.de/ Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged Le point de rencontre de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=71361
nach oben