Tumbleweed in Spreetown: Über die Mobilisierungsschwäche der Hauptstadtlinken und wie ihr beizukommen wäre

Mittwoch, 11. November: Die Bundeswehr ruft zum großen Zapfenstreich. 60 Jahre alt ist sie nun, die Armee, die aus den Überresten faschistischer Militäreliten zusammengezimmert wurde, und die sich heute mitten in ihrem Umbau von einer angeblichen „Verteidigungsarmee“ zu einer global einsetzbaren Interventionsarmee befindet. AntimilitaristInnen veranstalten eine Gegendemo, mobilisieren über Wochen, inklusive guter Texte und militanter Aktionen. Am Ende kommen 300 Leute. Zieht man in Betracht, dass die gesamte Linke, von parlamentarisch bis autonom, die Ausblendung von „Fluchtursachen“ in der gegenwärtigen Debatte bemängelt, ist das erstaunlich wenig. Was ist passiert? (…) Der Eindruck, die Hauptstadtlinke befinde sich inmitten einer zugespitzten Situation in einer veritablen Mobilisierungskrise, lässt sich kaum wegreden. Zeit, sich zu fragen, woran es liegt…Artikel von Peter Schaber beim lower class magazine vom 13. November 2015 externer Link. Siehe dazu

  • Aus dem Text: „… Was wir im Moment beobachten, ist die empirische Entfaltung eines Satzes, den wir so oft geschrieben haben, dass er uns selber schon zum Hals raushängt: Eine Szene ist keine politische Bewegung. Sie ist das Gegenteil einer politischen Bewegung. (…) Gerade die Entwicklung von Kriterien für Prioritäten fällt uns im Moment offensichtlich schwer. Wir wollen überall, wo uns was nicht passt, irgendwas machen. Mit dem Effekt, dass es wirklich nur irgendwas ist, was wir machen. Mathematisch ist es eine einfache Rechnung. Die Hauptstadtlinke hat ein begrenztes Repertoire an zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen. Teilen sich die auf tausende unzusammenhängende Dinge auf, kommt nichts dabei rum. Das Setzen von Prioritäten wird manchmal als schmerzhaft empfunden. Denn es bedeutet auch, dass es die ein oder andere Ansammlung von Neonazis geben wird, die unbegleitet sein wird. Es bedeutet, dass man das ein oder andere Thema nicht in Demonstrationen oder Kundgebungen verwurstet. Es ist das Eingeständnis, dass wir eben keine Massenbewegung sind, die überall sein kann. Das Ende der Simulation, so zu tun, als ob man die Größe hätte, alles Ungemach dieser Gesellschaft zu bekämpfen, ist aber gleichzeitig die einzige Möglichkeit, tatsächlich zu einer realen Bewegung zu werden…
  • Sowie: „… Uns fehlt die Geduld und Zurückhaltung, die wir eigentlich bräuchten. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die überwiegende Mehrheit der Menschen, mit denen wir gemeinsam eine neue Gesellschaft aufbauen wollen, Gedanken hat, die wir nicht teilen. Wir haben gar keine andere Wahl, als sie zu überzeugen. Vom 8,50-Jobber, der sich über den GDL-Streik beschwert, über den Ken-Jebsen-Hörer, der sich von der Welt betrogen fühlt, bis zum Grünen-Mitglied, das Boris Palmer toll findet oder die muslimischen Jugendlichen, die in ihrer Religion ihr Heil suchen. Um es nicht falsch zu verstehen: Das ist kein Plädoyer für mehr „Toleranz“ gegen diese Dummheiten. Es ist das Gegenteil. Es ist kein Plädoyer dafür, die eigene Position auch nur einen Milimeter aufzuweichen. Es ist das Gegenteil…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=89424
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