Empörungskapital. Von hypnotischer Sozialkritik zum globalen Armutstourismus

UngleichheitDie Reaktionen auf die aktuelle Oxfam-Studie An Economy for the 1% sind genau das, was ich als hypnotische Redundanz bezeichne: In einem sich ewig wiederholenden Ritual werden die ewig gleichen Empörungsvokabeln verteilt, ohne dass damit eine Chance auf konkrete Veränderungen verbunden wären…“ Artikel von Stefan Selke in telepolis vom 26.01.2016 externer Link

  • Aus dem Text: „… Letztlich entkoppeln aber gerade solche Zahlenspiele die Ergebnisse von lebensweltlicher Erfahrbarkeit von Ungleichheit. Mehr noch. Sie entkoppeln auch die Sphäre der Empörung von der Sphäre des Handelns. Denn die vielen in der Oxfam-Studie veröffentlichten Kennzahlen wirken letztlich ähnlich wie Armuts- und Reichtumsberichte. Sie erzeugen erwartbare Reaktionen auf das Skandalöse. Und dabei ist es einerlei, ob es sich um offizielle Armutsberichte nationaler Regierungen oder Schattenberichte von NGOs handelt. Am ende wird Wissen zwischen zwei Paradoxien im Nicht-Handeln erstickt. Denn erstens konzentrieren sich Armutsberichte fast zwangsläufig nur auf messbare Dimensionen von Armut. (…) Und zweitens kann die Berichterstattung schnell zum Handlungsersatz mutieren. Offizielle Armutsberichte gleichen einer Pflichtübung, die politisches Handeln eher verhindert als befördert. Sie sind ein Verschiebebahnhof für ein Problem, dass als zu komplex gilt, um es nachhaltig zu lösen. Schattenberichte lösen hypnotisch redundante Sozialkritik aus, die schnell die bekannten Schubladen (Banker, Banken, Betroffenenheit) öffnet und die Empörung darin versenkt. Immer darauf bedacht, dies nicht nach Sozialneid aussehen zu lassen, um den eigenen Standpunkt für die Geste moralischer Orthopädie nicht vorsätzlich zu diskreditieren. (…) Zu unserer eigenen Rolle in diesem Spiel fällt kein einziges Wort. Gerade wir Konsumenten haben aber großen Anteil an der ungleichheitsproduzierenden Wirkung des globalen Armutshandels. Wir werfen Spekulanten Gier vor und ekeln uns noch nicht einmal vor dem eigenen Geiz. Aber genau der macht die globale Ausbeutung innerhalb etablierter Wirtschaftskreisläufe erst möglich…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=93067
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