Gentrifizierung, Zwangsräumung, Eigenbedarf: Verschiedene Bestandteile einer asozialen Wohnungspolitik, die alle auf wachsenden Widerstand stoßen

Bundesweite Kampagne "Mietenwahnsinn stoppen"Das Haus, in dem Sandrine Woinzeck wohnt, ist zweifellos sanierungsbedürftig. Trotzdem möchte die 40jährige Berlinerin ihre Wohnung auf keinen Fall aufgeben. »Wir haben hier lange in einer Oase gelebt – einer Oase mit Kohleöfen und Bleiwasser, aber mit niedrigen Mieten«, sagt sie. Das Haus, ein seit über 20 Jahren nicht mehr ­renovierter Altbau, liegt im Berliner Stadtteil Wedding. »Wenn wir hier ausziehen müssen«, befürchtet sie, »kommt für meine Familie und mich nur noch eine Wohnung in Brandenburg in Frage.« Zusammen mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses hat sie deshalb einen Verein gegründet. Er nennt sich »AmMa 65« – der Lage des Hauses an der Ecke Amsterdamer und Malplaquetstraße und der alten Postleitzahl des Weddings wegen. Die Hausbewohner möchten verhindern, dass die Mieten im Haus durch teure Sanierungen steigen. Ein Szenario, das nicht unwahrscheinlich erscheint in dieser Gegend“ – aus dem Artikel „An den Rand gedrängt“ von Philip Idel am 19. April 2018 in der jungle world externer Link worin Situationen, Entwicklungen und Widerstände berichtet werden, die zu großen Berliner Mietdemonstration geführt haben. Siehe in der neuen Materialsammlung zu aktuellen Entwicklungen der Wohnungspolitik vier Beiträge, sowie einen Beitrag über erfolgreichen Widerstand gegen Zwangsräumung und drei Beiträge zu Widerstandsformen:

„Mietervereine schlagen Alarm“ am 23. April 2018 in neues deutschland externer Link ist ein Beitrag über die Landesversammlung der Mietervereine in Mecklenburg-Vorpommern,worin unter anderem berichtet wird: „Als lokale Brennpunkte im Nordosten hat der Mieterbund die Städte Greifswald, Rostock, Neubrandenburg, Wismar, Bad Doberan und Waren an der Müritz sowie Bädergemeinden wie Kühlungsborn, Binz oder Zinnowitz ausgemacht. In den sieben Mietervereinen im Land sind den Angaben zufolge rund 17 000 Haushalte organisiert. Der Verband forderte gleichzeitig die Aufstockung der Gelder aus dem Förderprogramm »Wohnungsbau sozial«. Die daraus für im Jahr 2018 zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 20,6 Millionen Euro beziehungsweise für das kommende Jahr 20,8 Millionen Euro seien noch deutlich zu gering. Denn Mecklenburg-Vorpommern erhalte für dieses Jahr rund 52 Millionen Euro Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau und im kommenden Jahr 42 Millionen Euro. Der Mieterbund forderte das Land auf, diese Mittel zweckgebunden für die soziale Wohnraumförderung einzusetzen und mit Landesgeldern in gleicher Höhe zu unterstützen“.

„„„Machen Sie bitte, dass die Miete wieder runtergeht!““ von Jonas Seufert am 12. April 2018 bei Correct!v externer Link ist ein Beitrag über das Treiben Vonovias in Hamburg, worin unter anderem berichtet wird: „Krummreich und Portugall sind Teil einer Mieterinitiative, die sich seit Monaten gegen den Immobilienkonzern Vonovia auflehnt. Nach und nach modernisiert der Immobilienriese seine knapp 2.100 Wohnungen im Quartier. Das ist bitter nötig. Aber die Mieter sollen mitbezahlen. Viele fürchten, dass sie sich das nicht leisten können. (…) Nun läuft der Streit auf einen neuen Höhepunkt zu. Die Mieterinitiative hat einen Forderungskatalog mit 15 Punkten aufgestellt und 400 Unterschriften im Viertel gesammelt, die sie am 19. April dem Stadtteilbüro des Unternehmens übergeben wollen. Sie fordern unter anderem mehr Transparenz in der Abrechnung, Ansprechpartner und eine bessere Objektpflege. Hauptsächlich aber will die Initiative, dass die Vonovia bei den Sanierungsarbeiten zwischen Modernisierung und Instandhaltung unterscheidet. Die Kosten für die energetische Sanierung darf der Konzern laut Gesetz auf die Mieter umlegen. Die Kosten für die Instandhaltung allerdings nicht. Fragt sich nur: Was ist was? Ist ein Fenster marode, muss es im Rahmen der Instandhaltung ausgetauscht werden. Hat es aber danach einen höheren Energie-Standard, kann das als energetische Sanierung gewertet werden“.

„Ein Sitz auf dem Pulverfass“ von Jens Sethmann am 25. April 2018 in neues deutschland externer Link ist ein Beitrag zum Thema Eigenbedarfskündigung, worin die Rolle der Gerichte bei der Mietpreisexplosion zusammengefasst wird: „Aufsehen erregte ein Urteil des Landgerichts Berlin, das einem Chefarzt aus Hannover erlaubte, einer Mieterin in Friedrichshain wegen Eigenbedarfs zu kündigen, weil er gelegentlich seine in Berlin lebende Tochter besuchen wolle (Landgericht LG Berlin vom 22. August 2013, Az. 67 S 121/12). Man sollte meinen, für solche Zwecke gäbe es in Berlin ein ausreichendes Angebot an Hotels, doch auch das angerufene Bundesverfassungsgericht hatte an dem Urteil nichts zu beanstanden (BVerfG vom 23. April 2014, Az. 1 BvR 2851/13). Das Interesse eines Eigentümers an bequemen Stippvisiten wird also höher gewichtet als das Wohnbedürfnis einer Mieterin, die seit 1987 in der Wohnung lebte. Der BGH hat 2013 entschieden, dass man schon drei Jahre nach Anmietung mit einer Eigenbedarfskündigung rechnen muss (BGH vom 20. März 2013, Az. VIII ZR 233/12). Zuvor galten Eigenbedarfskündigungen nach weniger als fünf Jahren Mietzeit als rechtsmissbräuchlich. Der BGH entschied auch, dass Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eigenbedarf geltend machen können (BGH vom 16. November 2016, Az. VIII ZR 232/15). Vier Personen hatten als GbR ein Münchner Mietshaus gekauft und die Mieter einer Fünfzimmerwohnung gekündigt, weil die Tochter eines der Gesellschafter die Wohnung benötige. Das Urteil öffnet der Unsitte Tür und Tor, per Eigenbedarf unliebsame Mieter loszuwerden: Irgendein GbR-Mitglied wird schon einen Neffen mit Wohnbedarf aufweisen können“.

„Barrierefrei erst ab dem 6. Stock“ am 25. April 2018 in neues deutschland externer Link ist ein Beitrag über die neue Baunovelle der Landesregierung NRW, worin es unter anderem heißt: „Die CDU/FDP-Regierung hatte die Bau-Novelle der rot-grünen Vorgängerregierung gestoppt. Sie sah unter anderem beim Bau von mehr als acht Wohnungen mindestens eine rollstuhlgerechte Wohnung vor – bei mehr als 15 Wohnungen zwei. Der neue Gesetzentwurf sehe gar keine Quote mehr für rollstuhlgerechte Wohnungen vor, kritisierten die Sozialverbände. Die Novelle der schwarz-gelben Koalition soll am 4. Mai im Landtag von Experten erörtert werden. Aus Sicht der Sozialverbände müssen alle Wohnungsneubauten ebenso wie neue öffentliche Gebäude ausnahmslos barrierefrei sein. Dies solle nicht nur für Rathäuser, sondern auch etwa für Einkaufszentren, Kinos oder neue Arztpraxen gelten, erläuterte Vöge. »Über 70 Prozent der Arztpraxen sind nicht barrierefrei – die freie Arztwahl gilt also nicht für alle.« Der Landesvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD) Franz Schrewe betonte, auch der barrierefreie Zugang zu Kellerräumen müsse Standard werden“.

„Schlappe für Eigentümerin“ von Christian Meyer am 25. April 2018 in neues deutschland externer Link ist ein Bericht über eine gescheiterte Zwangsräumung im Wedding, worin es abschließend heißt: „Zum aktuellen Fall sagt der Bewohner: »Die Gegenseite war so gierig, dass sie gleich räumen wollte, aber zu geizig, die Sicherheitsleistung zu hinterlegen. Das ist ihr jetzt auf die Füße gefallen.« Die Eigentümerseite war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Wohngemeinschaft hofft nun auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das eine Räumung endgültig verhindert. Aber auch für eine erneute Räumungsankündigung gibt es Pläne: »Wenn die Eigentümerin weiterhin auf Gewalt setzt und dafür Obdachlosigkeit in Kauf nimmt, dann wird sie mit einem wachsenden Widerstand einer sich immer besser organisierenden Nachbarschaft und noch mehr Aktionen gegen sie konfrontiert werden«, heißt es seitens des Bündnis »Zwangsräumung verhindern«“.

„Das „Recht-auf-Stadt“-Forum 2018 in Leipzig“ von Radio Blau Leipzig am 17. April 2018 im freie-radios.net externer Link ist ein Gespräch mit TeilnehmerInnen an dem Forum, das kurz so angekündigt wird: „Interview mit Organisatorinnen des 4. Recht-auf-Stadt-Forums, das vom 20.-22. April 2018 in Leipzig stattfinden wird“.

„Vertreter von 19 Straßenzeitungen berieten in Hannover“ am 18. April 2018 in neues deutschland externer Link  ist ein kurzer Bericht von diesem Treffen, in dem unter anderem informiert wird: „Die Straßenzeitungen in Deutschland wollen weiterhin wachsende Armut und steigende Wohnungsnot in Großstädten anprangern. Die Sozialberichterstattung werde die Kernkompetenz der Magazine bleiben, sagte der Chefredakteur des hannoverschen Straßenmagazins »Asphalt«, Volker Macke, nach der diesjährigen Konferenz der deutschsprachigen Straßenzeitungen in Hannover. »Niemand kennt die Straße besser als wir.« Macke ist einer der Sprecher der deutschsprachigen Straßenmagazine. Zu der Konferenz trafen sich rund 50 Vertreter von 19 Straßenzeitungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, unter ihnen Journalisten, Sozialarbeiter oder Vertriebsexperten. Sie repräsentierten eine Monatsauflage von 350 000 Exemplaren“.

„»Wohnen muss demokratisch werden«“ am 19. April 2018 in der jungle world externer Link ist ein Gespräch von Julia Hoffmann mit Enrico Schönberg vom Mietshäusersyndikat über deren Konzept und Arbeit, worin dieser nach der Vorstellung dieser Genossenschafts-Idee und ihrer konkreten Arbeit abschließend meint: „Auf Landesebene sind die Bedingungen günstiger als vorher. Aber eigentlich muss die Bundesebene eine Antwort auf die Misere geben und da habe ich wenig Hoffnung. Im Koalitionsvertrag ist nichts Maßgebliches vereinbart. Boden ist zum Beispiel zu teuer auch für Kommunen. Neu zu bauen ist deswegen teuer. Dabei braucht man natürlich einen stärkeren Mieterschutz und eine Kommunalisierung, die nicht nur eine reine Verstaatlichung, sondern Demokratisierung mit sich bringt. Der Grund, weshalb ein Syndikat funktioniert, ist, dass die Mieter da etwas zu sagen haben. (…) Was willst du besetzen, wenn es keinen Leerstand gibt? Dann lieber einen Mieterstreik. Der ist nur leider nicht abgesichert. Die Leute wären sofort mit Räumungsklagen konfrontiert“.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=131093
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