Die Häuser denen, die sie brauchen. Obdachlose Menschen besetzen das »Papageienhaus« in Berlin-Mitte

Dossier

Homelessness is not a crime„»Wir haben heute diese Wohnungen besetzt, weil sie seit Ewigkeiten leer stehen.« Die Stimme des Aktivisten schallt am Donnerstag über Megafon aus dem zweiten Stock der Hausnummer 46 in die Habersaathstraße, direkt gegenüber vom Gebäudekomplex des Bundesnachrichtendienstes. Vor dem Haus stehen Einsatzfahrzeuge der Polizei, Dutzende Interessierte und Unterstützer*innen der Besetzung haben sich ebenfalls dort versammelt. (…) »Wir wollen hier neben der Bereitstellung von selbstverwaltetem Wohnraum für Obdachlose und andere sozial Schwache auch ein kreatives soziales Zentrum einrichten. (…) Das Gebäude ist seit Jahren ein Politikum, steht es doch als Überbleibsel bezahlbaren Wohnraumes in einer der teuersten Gegenden der Hauptstadt exemplarisch für Fehlentscheidungen des Senats sowie den Konflikt zwischen Mieter*innen und den Verwertungsinteressen der Immobilienbranche…“ Artikel von Moritz Aschemeyer vom 31.10.2020 im ND online externer Link – siehe dazu:

  • Habersaathstraße 45-48: Amtsrichterin weist die erste Räumungsklage mit klaren Worten ab: „Eine Wohnung ist kein Aktienpaket!“ New
    „„Wir haben mit diesem Urteil gerechnet, gratulieren der gesamten Hausgemeinschaft und erwarten uns von der schriftlichen Begründung eine Blaupause für die weiteren anhängigen Räumungsverfahren in der Habersaathstraße sowie darüber hinaus in der gesamten Stadt“, freut sich Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), nach der heutigen Verhandlung vor dem Amtsgericht Mitte (Az.: 25 C 80/23). „Die Amtsrichterin hat mit ihrem Hinweis, dass eine Wohnung kein Aktienpaket sei, ein wichtiges Signal an alle renditegetriebenen Grundstücksverwerterinnen und -verwerter gesendet.“ Der BMV begrüßt, dass die Richterin nicht nur die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sondern auch das Bundesverfassungsgericht herangezogen hat: Das Wohnen sei ebenso von Artikel 14 Grundgesetz geschützt wie der Schutz des Eigentums an einer Wohnung. Vor diesem Hintergrund, so die Richterin, sei nicht nachvollziehbar, welcher schwerwiegende Nachteil der Eigentümerin drohe: Sie könne das Objekt schon nach ihrem eigenen Gutachten mit relativ wenigen Mitteln ertüchtigen. Ein „Neubau mit Maximalkomfort“ sei jedenfalls kein mietrechtlich geschütztes Verwertungsinteresse. Im Übrigen habe die Eigentümerin nicht dargelegt, warum sie keinen Verkauf des Objekts erwogen hat, wenn sie sich denn in der weiteren Verwertung gehindert sieht. Angesichts deutlich gestiegener Bodenpreise sei dies doch eine Alternative zu Abriss und Neubau und sei auch von der Voreigentümerin so praktiziert worden. Der beklagte Mieter wurde vom BMV-Vertragsanwalt Cornelius Krakau vertreten. Rechtsanwalt Krakau vertritt darüber hinaus drei weitere Mieter des Hauses gegen Räumungsklagen der Eigentümerin Arcadia Estates GmbH & Co. Habersaathstraße 40-48 GmbH. „Wir rechnen mit guten Chancen für die Mieterschaft auch dann, wenn die Klägerin Berufung beim Landgericht Berlin einlegt“, prognostiziert Bartels, „denn das Landgericht schützt ein immobilienwirtschaftliches Verwertungsinteresse nur in äußerst engen Grenzen.“ Pressemitteilung Nr. 28/23 beim Berliner Mieterverein externer Link – wirklich mal eine erfreuliche und eindeutige Gerichtsentscheidung!
  • Räumungsversuch in Wild-West-Manier: Mit Hilfe einer Sicherheitsfirma versuchte der Eigentümer, die Habersaathstraße 42-48 zu räumen 
    „Es kann nicht anders als der Versuch einer Räumung bezeichnet werden, die der Eigentümer der Habersaathstraße 42-48 am Mittwochmorgen versuchte, auf eigene Faust durchzuführen. Kurz nach 9 Uhr tauchte eine Gruppe von rund 20 Security-Mitarbeitern und Bauarbeitern vor dem Haus in Mitte auf, dessen leer stehende Wohnungen seit über anderthalb Jahren von einem selbstverwalteten Wohnprojekt für ehemals Obdachlose genutzt werden. In dem Schreiben, das den rund 50 Bewohner:innen übergeben wurde und das der taz vorliegt, fordert die Arcadia Estates GmbH, „das Objekt umgehend zu verlassen“ und kündigt an, Strom und Wasser abzustellen. Nur eine Stunde nach Übergabe des Schreibens beginnen die Bauarbeiter bereits Fenster aus den Wohnungen zu entfernen und auf die Straße zu tragen. Ein weiterer Bauarbeiter trägt eine Kiste voll Stromzähler aus dem Hauseingang, der von einem breitschultrigen Security-Mitarbeiter und einem Bauarbeiter mit einer Brechstange in der Hand bewacht wird. Bewohner:innen, die der Aufforderung gefolgt sind, lassen sie nicht mehr in das Haus. Chris, einer der Bewohner:innen, steht immer noch sichtlich geschockt vor dem Hauseingang. Neben ihm steht ein Einkaufswagen mit seinen Habseligkeiten. „Keiner hier weiß, wo er sonst hin soll“, sagt er. Er zeigt ein Video, das eine Freundin, die sich noch im Haus befindet, gerade geschickt hat. Darauf zu sehen: Eine verwüstete Wohnung, deren Tür eingetreten und Badmöbel demoliert wurden – vermutlich von den Bauarbeitern, die sich mit Vorschlaghämmern und Brecheisen durch das Haus bewegen. „Die kommen hier mit ihren Schlägertrupps und bedrohen uns“, sagt Chris. (…) Kurz nach Eintreffen des privaten Räumungskommandos mobilisierten auch die Bewohner:innen ihre Unterstützer:innen. Rund 50 Menschen versammelten sich im Laufe des Vormittags vor dem Haus. Darunter auch Valentina Hauser, Sprecherin der Initiative Leerstand-hab-ich-Saath. „Die Räumung ist absolut illegal“, sagt Hauser. „Für die Menschen hier wäre es eine Katastrophe, sie landen wieder auf der Straße.“ (…) Mascha Walter vom Bündnis Zwangsräumungen verhindern sieht ebenfalls keine Rechtsgrundlage. Selbst ohne gültige Mietverträge müsse der Räumung eine Klage vorangehen. Der Eigentümer versuche in „Wild-West-Manier“ einen „rechtsfreien Raum durchsetzen“, so Walter. (…)Am 17. September wird vor Gericht eine Räumungsklage gegen die verbliebenen Mieter:innen verhandelt. Und die Chancen stehen gut, dass die Arcadia den Prozess verliert. Und solange Mieter:innen mit gültigen Verträgen im Haus wohnen, kann Arcadia nicht abreißen. Die Abrissgenehmigung lief bereit am 31. Juli aus. Diese kann zwar verlängert werden, aber auch die bereits erteilte Baugenehmigung läuft im Juni nächsten Jahres ab – hier erfordert eine Verlängerung deutlich mehr Aufwand.“ Artikel von Jonas Wahmkow vom 9. August 2023 in der taz online externer Link

  • Kundgebung am 15.12.: Abriss verhindern, Habersaathstraße dauerhaft sichern! 
    Forderung nach Rekommunalisierung der Habersaathstraße 40-48 +++ Seit 15 Jahren Kampf um den Erhalt der Häuser – erfolgreiches Ende in Sicht!? +++ Einladung zur Kundgebung am 15.12. um 16:30 vor dem Rathaus Mitte
    Die Initiative “Leerstand Hab ich Saath” und die IG Habersaath fordern erneut die Rekommunalisierung der Häuser Habersaathstraße 40-48. Am 15.12. verhandelt der Bezirk Mitte erneut über den Erhalt der Habersaathstraße 40-48, konkret über die Überführung des privaten Eigentums in ö1entlichen Besitz, die Rekommunalisierung der Häuser. Vor einem Jahr haben um die 60 ehemals obdachlose Menschen die Habersaathstraße 40-48 besetzt und dort ein neues Zuhause gefunden. Nach einem Jahr gibt es jedoch immer noch keine sichere Wohnperspektive für die alten und neuen Bewohner*innen. Der Eigentümer, Arcadia Estates, möchte die neuen Bewohner*innen Ende März räumen lassen und hat den Langzeitmieter*innen bereits eine Verwertungskündigung übergeben, um die Gebäude abzureißen. „Um eine langfristig sichere Perspektive für alle Bewohner*innen zu scha1en, müssen die Häuser vor Abriss geschützt, rekommunalisiert und dem privaten Wohnungsmarkt entzogen werden“, stellt Valentina Hauser, Sprecherin der Initiative „Leerstand Hab ich Saath“ fest. (…) Die Initiative “Leerstand Hab ich Saath” und die IG Habersaath rufen am 15.12.22 um 16:30 Uhr zur Kundgebung vor dem Rathaus Mitte auf, um gemeinsam für den Erhalt und die Rekommunalisierung der Habersaathstraße einzustehen. Medienvertreter*innen sind herzlich zur Berichterstattung eingeladen…“ Pressemitteilung vom 13.12.22. auf der Aktionsseite externer Link
  • Weg frei für Abriss. Das Bezirksamt Mitte beschließt eine Vereinbarung über den Abriss der Habersaathstraße 40–48. Die Mieter*innen sprechen von Erpressung 
    Der Bezirk Mitte hat den Weg frei gemacht für einen Abriss der Habersaathstraße 40–47. So beschloss das Bezirksamt am Dienstag eine Vereinbarung mit dem Eigentümer, um den langjährigen Rechtsstreit um den Abriss des Hauses, den der Bezirk bislang verweigert hatte, beizulegen. Demnach wird der Abriss des ehemaligen Schwesternwohnheims mit seinen 120 Wohnungen genehmigt, im Gegenzug erklärt sich der Eigentümer zu Zugeständnissen bereit. „Das Bezirksamt ist überzeugt, dass seine heutige Entscheidung die beste aller schwierigen Handlungsalternativen ist“, teilte Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) am Dienstagnachmittag mit. „Sie ermöglicht die schnelle Schaffung von neuen Wohnungen, geht fair mit den verbliebenen Mieter*innen um und bietet den Menschen eine Zukunftsperspektive, die dort seit Januar eine neue Heimat gefunden haben.“ Bereits am späten Montagnachmittag hatte von Dassel die verbliebenen 9 Mietparteien zu einem Gespräch geladen, um ihnen die Vereinbarung darzulegen. Anwesend bei dem zweieinhalbstündigen Treffen, das Teilnehmer*innen als „relativ hitzig“ beschreiben, waren auch Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD), 5 Altmieter*innen sowie Vertreter*innen des Berliner Mietervereins und der rund 60 Obdachlosen, die seit Anfang des Jahres in dem Gebäude wohnen.
    Der Vergleichsvorschlag, der der taz in Auszügen vorliegt, sieht vor, dass die Altmieter*innen nach dem Abriss und der Fertigstellung des Neubaus in neue und gleichartige Wohnungen einziehen können. Ihre derzeitige – sehr niedrige – Miete soll für zehn Jahre nur moderat erhöht werden können –, bis maximal 7,50 pro Quadratmeter, wobei die Miete nicht mehr als 30 Prozent der Einkommen betragen darf. Alternativ können sie eine Abfindung in Höhe von 1.000 Euro pro Quadratmeter erhalten. (…) Da der Eigentümer damit alle Anforderungen des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes einhalte, sehe sich der Bezirk gezwungen, die Abrissgenehmigung zu erteilen, heißt es. (…) Für den stellvertretenden Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Sebastian Bartels, ist die Vereinbarung eine „wohnungspolitische Katastrophe“. Die Abfindung sei angesichts der hohen Mietpreise zu niedrig, die 10-Jahres-Garantie zu kurz und die 30 Prozent günstige Wohnungen zu wenig. Hier zeige sich, dass das Zweckentfremdungsverbot „ein relativ schlechtes Gesetz“ sei. „Das muss so schnell wie möglich nachgeschärft werden“, sagt Bartels zur taz. (…) Das sieht die Initiative „Leerstand hab ich Saath“ ähnlich. Mit einer Kundgebung protestierte sie am Montag gegen den Abriss des Gebäudes. Mit der Genehmigung des Abrisses lasse Stephan von Dassel die Menschen im Stich, die in der Habersaathstraße ein neues Zuhause gefunden haben und belohne den Eigentümer für seine Spekulation mit Leerstand mit Profiten, kritisiert Sprecherin Valentina Hauser. Auch aus Umwelt- und Klimaschutzgründen sei der unnötige Abriss „Wahnsinn“. Die Initiative sieht nun den Senat in der Pflicht: „Wir fordern, dass das Land den Abriss verhindert, die Gebäude in der Habersaathstraße beschlagnahmt und rekommunalisiert.““ Artikel von Marie Frank vom 28. 6. 2022 in der taz online externer Link
  • Housing First statt Abriss-Deal: Schon wieder droht den Bewohnern der Habersaathstraße die Räumung 
    „… Einen Tag räum­te die Arca­dia Esta­tes GmbH den 50 Bewohner*innen des Wohn­blocks in der Haber­saath­stra­ße 40-48 in Mit­te ein, um ihre Sachen zu packen: Am Mon­tag­nach­mit­tag kam mal wie­der ein Brief an – mit der Auf­for­de­rung, bis Diens­tag die Woh­nun­gen zu ver­las­sen und am 2. Juni die Schlüs­sel der Haus­ver­wal­tung zu über­ge­ben. Die Begrün­dung ist die­sel­be wie beim vor­he­ri­gen Mal: »Die Eigen­tü­mer wol­len die Bewoh­ner gegen ukrai­ni­sche Geflüch­te­te aus­spie­len«, sagt Valen­ti­na Hau­ser von der Unter­stütz­ter­initia­ti­ve »Leer­stand-Hab-ich-Saath« zu »nd«. Schon Ende April hat­te die Arca­dia Esta­tes ange­kün­digt, in dem Gebäu­de ukrai­ni­sche Kriegs­flücht­lin­ge anstel­le der ehe­mals obdach­lo­sen Men­schen unter­brin­gen zu wol­len, ver­mut­lich weil mit der Unter­brin­gung von Geflüch­te­ten Tages­sät­ze bis zu 25 Euro pro Per­son ver­dient wer­den kön­nen. Das Bezirks­amt erteil­te dem Vor­ha­ben eine Absa­ge und setz­te sich für den wei­te­ren Ver­bleib der Obdach­lo­sen ein, die das Gebäu­de seit Ende Dezem­ber bewoh­nen. (…) Das Bezirks­amt Mit­te teilt auf nd-Anfra­ge mit, es habe zum Ver­bleib der Bewohner*innen »nie ein Ver­spre­chen geäu­ßert«, set­ze sich »aber wei­ter­hin sehr enga­giert dafür ein«. Die Gesprä­che dazu wür­den sich schwie­rig gestal­ten, da das Ent­ge­gen­kom­men des Eigen­tü­mers Vor­aus­set­zung sei und die­ses wie­der­um »sehr abhän­gig von der Bereit­schaft der regu­lä­ren Mieter*innen, sich auf die Ange­bo­te des Eigen­tü­mers einzulassen«. Die der­zei­ti­gen Bewohner*innen haben jeden­falls beschlos­sen, ihre Woh­nun­gen nicht zu ver­las­sen, und wer­den nun Rechts­schutz bean­tra­gen. Für sie sei es »wich­tig, end­lich mal ein siche­res Zuhau­se zu haben und ankom­men zu kön­nen. (…) »Leer­stand-Hab-ich-Saath« for­dert, dass alle 85 Woh­nun­gen für die Unter­brin­gung von Obdach­lo­sen genutzt wer­den. Valen­ti­na Hau­ser hofft dabei auf die Unter­stüt­zung wei­te­rer Initia­ti­ven, um den öffent­li­chen Druck zu erhö­hen. »Allei­ne schaf­fen wir das nicht. Die letz­ten Mona­te waren kräf­te­zeh­rend, wir sind ganz schon aus­ge­brannt«, sagt sie.“ Artikel von Louisa Theresa Braun vom 01.06.2022 im ND online externer Link
  • Ein zweifelhafter Kompromiss: An der Habersaathstraße in Mitte wird der Weg für einen neuen Luxusbau freigeräumt 
    „»Das ist an Zynismus kaum zu überbieten«, sagt Sven Diedrich zu »nd«. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte ist schockiert. Nicht nur darüber, dass der seit Ende des vergangenen Jahres von ehemals obdachlosen Menschen bewohnte Block an der Habersaathstraße nun doch abgerissen werden soll, sondern auch über die Kommunikation: »Der Bezirksbürgermeister weiß genau, in welcher Situation sich die Bewohnerinnen und Bewohner dort befinden und setzt dann so einen Brief auf.« In einem offiziellen Schreiben hat Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) jüngst die Bewohner des Komplexes über den aktuellen Verhandlungsstand und den bevorstehenden Abriss informiert. Man sei sich der ungewissen Wohnsituation vor Ort bewusst: »Es freut uns deshalb, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sich nun ein Kompromiss mit dem Eigentümer abzeichnet.« Mit der Übereinkunft solle eine dauerhafte Lösung für alle Beteiligten herbeigeführt werden. »Auf Grundlage eines genehmigungsfähigen Bauantrags soll die Errichtung von wesentlich mehr Wohnraum auf dem Grundstück ermöglicht und so verhindert werden, dass das Gebäude ohne Auflagen abgerissen werden kann«, heißt es. Angeboten wird den Mietern die Wahl zwischen zwei Optionen: entweder der Umzug in eine »neue und gleichartige Wohnung« in der Straße für zehn Jahre ohne Mieterhöhung oder eine Abfindung in Höhe von 1000 Euro pro Quadratmeter. Für alle Menschen, die im Haus wohnen, gilt das Angebot allerdings nicht. (…) »Die Einigung betrachten wir als skandalöses Vorgehen des Bezirks«, sagt Valentina Hauser, Mitglied der Initiative Leerstand Hab-ich-saath, die sich für den Erhalt des Gebäudes einsetzt. Das Angebot an die Mieter sei »ein Witz« und könne ohne Probleme vom Eigentümer ausgehebelt werden, sobald dieser es als nicht wirtschaftlich deklariere. »Am Ende verlieren die Mieterinnen und Mieter und bezahlbarer Wohnraum wird vernichtet.«…“ Artikel von Patrick Volknant vom 26.04.2022 im ND online externer Link
  • Leerstand Hab-ich-saath: „Wir haben es geschafft“ – Einzug trotz angeblicher Brandschutzmängel 
    Wir haben es geschafft. Gestern Nachmittag sind die ersten von ca 60 neuen Bewohner*innen in die #Habersaathstraße eingezogen!  Der Einzug der restlichen Personen wird im Laufe des Wochenendes erfolgen.“ So der Thread vom 31.12.2021 von Leerstand Hab-ich-saath externer Link – siehe zum Hintergrund:

    • Warten haben sie saath. Brandschutzmängel verhinderten bislang den Einzug von Wohnungslosen. Die Besetzerinitiative fordert nun ein Go – ohne Deal mit dem Eigentümer
      Anderthalb Wochen nach der erfolgreichen Besetzung der überwiegend leerstehenden Platte in der Habersaathstraße in Mitte warten mindestens 30 Wohnungslose weiterhin auf die ihnen zugesagte Freigabe der Wohnungen durch den Bezirk und ihren Einzug in das Haus. Ursprünglich war die Übergabe noch vor Weihnachten geplant gewesen, doch bei einer gemeinsamen Begehung des Gebäudes von Vertreter:innen des Bezirksamts, des Eigentümers und der Besetzerinitiative waren Brandschutzmängel festgestellt worden. Laut Valentian Hauser von der Initiative Lerstand hab ich saath seien die Mängel inzwischen größtenteils behoben worden. Sie selbst hätten Feuerlöscher besorgt und Rauchmelder in den Wohnungen installieren lassen. Die Arbeiten sollen noch am Mittwoch abgeschlossen werden. „Dann steht einem Einzug nichts mehr im Wege“, so Hauser. Angesichts der eisigen Temperaturen der letzten Tage schwinde die Geduld der Obdachlosen. Bezirksbürgermister Stephan von Dassel (Grüne) müsse, so Hauser, „nun den Mut für ein offizielles Go aufbringen“…“ Artikel von Erik Peter vom 28.12.2021 in der taz online externer Link
  • Druck von der Straße. In der Habersaathstraße in Mitte kommt es erneut zur Besetzung durch wohnungslose Menschen – diesmal erfolgreich 
    „… Der Aktivist, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat am Samstagmittag gemeinsam mit Obdach- und Wohnungslosen mehrere Wohnungen in der Habersaathstraße 46 in Berlin-Mitte besetzt. Unterstützt wurden sie dabei von etwa 200 Teilnehmer*innen einer Kundgebung vor dem Haus, die sich für eine Duldung der Besetzung stark machten. (…) Es ist nicht die erste Besetzung in dem großteils leerstehenden DDR-Plattenbau gegenüber der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. Bereits vergangenen Herbst hatten Aktivist*innen mehrere Wohnungen besetzt, wurden jedoch nach einigen Stunden von der Polizei geräumt. Dieses Mal kam es anders. Zwar mussten die Besetzer*innen die Wohnungen verlassen, Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) hat jedoch mit der Eigentümerfirma Arcadia Estates eine Bleibeperspektive verhandelt und den Besetzer*innen eine schriftliche Zusage zur Unterbringung gegeben. Es ist vorgesehen, dass sich die Obdachlosen aus dem Umfeld der Besetzung am Montag beim Sozialamt des Bezirkes melden können. Anschließend sollen ihnen in der Habersaathstraße nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Konkret geht es laut Angaben der Unterstützerinitiative «Leerstand Hab-ich-Saath» um mindestens dreißig Personen. Zum ersten Mal würde damit in Berlin leerstehender Wohnraum für die Unterbringung von Obdachlosen in Beschlag genommen.« »Das ist ein totaler Erfolg« begrüßt Valentina Hauser von »Leerstand Hab-ich-Saath« gegenüber »nd« das Ergebnis der Verhandlungen. »Nun ist Tür und Tor für andere Bezirke geöffnet, ebenfalls kriminellen spekulativen Leerstand auf diese Weise zu beseitigen«, so Hauser. (…) »Die politische Kritik an der Eigentümerin bleibt trotz deren heutiger Verhandlungsbereitschaft bestehen«, ergänzt Sozialpolitiker Taylan Kurt, Abgeordneter der Grünen für Moabit. »Hier wird durch bewussten Leerstand bezahlbarer Wohnraum in bester Lage vernichtet, während Leute im Winter frieren und täglich Menschen aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt werden«. Die nun in Aussicht gestellte Unterbringung von Obdachlosen wird nur temporären Charakter haben, da der Erhalt des Gebäudekomplexes ungewiss ist. Die Arcadia Estates plant seit 2018 den Abriss der Gebäude an der Habersaathstraße 40-48 und möchte dort Neubauwohnungen errichten…“ Artikel von Moritz Aschemeyer vom 20.12.2021 im ND online externer Link – siehe Leerstand Hab-ich-saath auf Twitter externer Link
  • Obdachlose in Deutschland: Die Häuser denen, die keine haben 
    „Wie soll das funktionieren: daheim bleiben, wenn man kein Heim hat? In der Pandemie zeigt sich die Ignoranz gegenüber Obdachlosen mit voller Härte. Dabei wäre Abhilfe so leicht zu schaffen. Es gibt keine genauen Zahlen dazu, wie viele obdachlose Menschen es in Deutschland gibt. Man weiß aber, dass es sie gibt und dass der Winter kommt. Und es gibt keine genauen Zahlen dazu, wie viele Wohnungen langfristig leer stehen. Man weiß aber, dass es sie gibt. Sie merken, wohin die Reise geht. Man könnte eins und eins zusammenzählen. Warum passiert das nicht? (…) „Es gehört zum Mechanismus der Herrschaft, die Erkenntnis des Leidens, das sie produziert, zu verbieten“, schrieb Adorno, und das heißt manchmal ganz banal: Wir wollen gar nicht wissen, wie vielen Leuten so etwas Grundlegendes fehlt wie eine Wohnung oder ein Zimmer. Es erklärt sich nicht aus dem Phänomen der Obdachlosigkeit heraus, dass die Zahl der obdachlosen Menschen nicht bekannt ist. Es erklärt sich aus der gemeinsamen Logik von Kapitalismus und Neoliberalismus, die beinhaltet, dass Armut bestraft werden muss, weil sie wahrscheinlich schon selbst verschuldet sein wird und zu viel Charity die Leute faul machen würde. Auch die Zahl der aktuell leer stehenden Wohnungen ist nicht genau bekannt. (…) Nun haben Obdachlose in Berlin-Mitte völlig zu Recht versucht, ein leer stehendes Haus zu besetzen, und obwohl von armen Menschen immer Eigeninitiative gefordert wird, war das dann auch wieder nicht recht. Die Initiative, die sich um acht leer stehende Wohnungen in der Habersaathstraße kümmert, heißt „Leerstand Hab ich Saath“ und wies auf Transparenten, die am Haus angebracht wurden, unter anderem darauf hin, dass „Stay at home“ nicht geht, wenn man kein „home“ hat. Die Polizei beendete die Aktion in dem Haus, das der Eigentümer irgendwann abreißen lassen will, ohne großes Zögern. „Die selbstbestimmte Beendigung von Obdachlosigkeit wird bestraft, die jahrelange Zweckentfremdung von Wohnraum wird hingegen mit teuren Polizeieinsätzen gewährleistet“, sagte die Sprecherin der Initiative, Valentina Hauser, in der „taz“. (…)Es ist ohnehin schon so, dass die Möglichkeiten, auf sich selbst aufzupassen und gesund zu bleiben, davon abhängen, wie viel Geld man hat, siehe die Preise für einfache Einwegmasken ohne Eigenschutz und die für FFP2-Masken. „Wenn Gesundheit etwas kostet, dann ist sie nur für Reiche ein Grundrecht“, hat die Autorin Nicole Schöndorfer in ihrem Podcast vor Kurzem erklärt. Für obdachlose Menschen bedeutet das, dass sie so lang auf das Wohlwollen einzelner angewiesen sind, solange es keine politischen Lösungen gibt, die das Problem in größerem Umfang angehen. Eine solche Lösung wäre: Leerstand zumindest für den Zeitraum der Pandemie in Unterkünfte zu verwandeln. Was wäre das Problem, außer dass ein paar reiche Leute kurz mal etwas bevormundet würden, während das armen Leuten – siehe Hartz IV – permanent passiert?…“ Kolumne von Margarete Stokowski vom 3. November 2020 beim Spiegel online externer Link

Siehe den Aktions-Account bei Twitter externer Link „Leerstand Hab-ich-saath“ und die Homepage externer Link sowie den Unterstützungsaufruf externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180471
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