Berliner Mietendeckel beschlossen: Reaktionen übertrieben. Auf beiden Seiten…

Plakat und Logo der Wiener Mietenkampagne„… Wenn jetzt CDU- und FDP-Politiker im Zusammenhang mit dem Mietendeckel vom schwarzen Tag von Berlin reden, dann wird wieder einmal deutlich, dass wir in einer Klassengesellschaft leben und die Politiker ein wichtiger Teil davon sind. Für Millionen betroffene Mieter wäre es ein kleiner Grund zum Feiern, wenn der Mietendeckel nicht noch löchriger gemacht wird. Dennoch bleiben viele Fragen. Was passiert nach den fünf Jahren, die der Mietendeckel jetzt gelten soll? In welchen Umfang werden Mieterhöhungen dank der vorgesehenen „Inflationsausgleiches“ oder „moderater Modernisierung“ weiter möglich sein? Werden die Ausnahmen erweitert und droht dann der Mietendeckel so stumpf wie die Mietpreisbremse zu werden? Es ist immer noch möglich, dass Gerichte aus verschiedenen Gründen den Mietendeckel stoppen. Es gibt unterschiedliche Gutachten dazu. Manche sprechen den Landesregierungen auch generell ab, einen Mietendeckel beschließen zu können. Egal, ob der Mietendeckel nun kommt oder nicht, die Mieter müssen rebellisch bleiben und dürfen sich nicht auf die Politiker verlassen. Die Demonstration unter dem Motto „Deckeln aber richtig“ am 3. Oktober in Berlin war da ein gutes Beispiel. (…) Wenn die Politiker einknicken und die Mietrebellen sich zurücknehmen, haben die Wirtschaftsliberalen aller Parteien gewonnen. Vielmehr sollte die Mieterbewegung Forderungen stellen, die über den Mietendeckel hinaus geben. Die Kampagne Deutsche Wohnen enteignen, aber noch mehr die Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau wären dafür einige Beispiele. Denn nur, wenn es eine starke Massenbewegung gibt, die mehr als den Mietendeckel will, ist der Staat des Kapitals bereit, einige Reformen zu akzeptieren…“ – aus dem Beitrag „Mietendeckel in Berlin – eine Reform, die die Einkommensschwachen nicht benachteiligt“ von Peter Nowak am 22. Oktober 2019 bei telepolis externer Link, der die Kritik an der „Schaum vor dem Mund“-Reaktion der Wohnungskonzerne und ihrer politischer Interessensvertretungen ausführt und dabei in der Idee nicht die halbe Weltrevolution sieht, wie manch anderer Kommentar. Denn: Unter anderen gilt die Losung „Mieten runter!“ Siehe dazu auch zwei weitere Beiträge:

  • „Der Mietendeckel kommt – später“ von Stefan Alberti am 22. Oktober 2019 in der taz online externer Link zum realen Inhalt des Gesetzes unter anderem: „… Gemessen am angespannten Klima bei den beiden Krisentreffen zum Mietendeckel in der vergangenen Woche war die Atmosphäre überraschend locker, als Lompscher, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Dienstagmittag vor Journalisten traten. Vor allem Müller lachte und lächelte viel. Zwei mal sechs Stunden hatten führende Vertreter der drei Regierungsparteien am Donnerstag und Freitag bis in den Abend zusammengesessen, um beim Mietendeckel einen Kompromiss zu finden. Unstrittig war dabei der Ur-Gedanke des Projekts, die Mieten berlinweit für fünf Jahre einzufrieren. Streit gab es hingegen zum einen über weitergehende Eingriffe in bestehende Verträge und einen von den Grünen geforderten Inflationsausgleich für Vermieter. Am Ende standen Obergrenzen für Mieten, die maximal 9,80 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter vorsehen. Wenn jetzige Mieten diese Grenzen um mehr als 20 Prozent überschreiten, können Mieter eine Absenkung beantragen...“ (was nach dem Herrn Riese bedeutet, ein Antrag – Antrag – auf Absenkung der Miete kann ab 11,76 Euro verfasst werden. Pro Quadratmeter).
  • „Richtig deckeln, dann enteignen“ von Ralf Hoffrogge und Stephan Junker am 15. Oktober 2019 in analyse & kritik externer Link (Nummer 653) zum „größeren Zusammenhang“ in Auseiandersetzung mit früheren Beiträgen: „… Es geht also beim Deckeln um die Details der Umsetzung. Während der erste Entwurf der Linkspartei noch für fünf Jahre eine starre Mietobergrenze von acht Euro/qm vorsah, inklusive einer Absenkung überhöhter Mieten, sind die aktuellen Pläne an vielen Stellen weichgespült. Probleme gibt es viele: aktuell sind Quadratmetermieten von bis zu 9,80 Euro/qm erlaubt, ein Modernisierungszuschlag kommt hinzu, statt des Einfrierens sollen jährlich Erhöhungen von 1,3 Prozent erlaubt sein. Nicht gelten soll der Deckel für Vermieter*innen in wirtschaftlicher Notlage – eine Einladung für Vermieter*innen, sich arm zu rechnen. Und schließlich: Mietsenkungen werden in Frage gestellt. Bürgermeister Michael Müller will sie ganz vermeiden. Im aktuellen Entwurf stehen sie noch – aber nur, wenn die Miete 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt. Dies pervertiert den Gedanken eines Preisrechts. Anstatt den Preis für eine Ware festzusetzen, um spekulative Effekte zu begrenzen, wird ein besonderes Armenrecht eingeführt. Laut Berliner Mieterverein ist diese Regel auch ein Risiko für den Deckel: Nur per Preisrecht lässt sich der Deckel umsetzen. Er muss anhand der Wohnung bestimmt werden, unabhängig von den Vertragspartner*innen. Macht der Senat hier weiter, erhöht sich also das Risiko, dass der Deckel vorm Bundesverfassungsgericht kassiert wird. Kurzum: Beim Deckel gibt es zwei Probleme – einerseits die Durchlöcherung mit Ausnahmen, andererseits das Risiko, dass die ganze Sache handwerklich schlecht umgesetzt wird und vor Gericht platzt. Die Senatskoalition, auch die Linkspartei, hat die Bevölkerung auf letztere Möglichkeit nicht vorbereitet – viele glauben, der Deckel sei schon im Juni fest beschlossen worden, weil damals ein Stichtag für die Geltung vereinbart wurde. Es ist also richtig, wenn die sozialen Bewegungen sich hier einmischen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=156213
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