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Wieder ein Todesopfer am Tag zuvor, aber: Die Show muss weiter gehen, Istanbuler Flughafen (nicht so ganz) eröffnet – Bauarbeiter weiter in Haft

Türkei: Protest gegen die Festnahme des Gewerkschaftssekretärs der Gewerkschaft Dev Yapı-İş (im Gewerkschaftsbund DISK) Özgür KarabulutUm 16:25 Uhr Ortszeit landete die Regierungsmaschine des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf einer der neuen Landebahnen – und dann noch eine zweite Maschine. Staatsgäste, die zum 95. Gründungstag der Republik Türkei nach Ankara gekommen waren, hatte Erdogan gleich zur Flughafeneröffnung mitgebracht. Darunter die Präsidenten und Regierungschefs von Bulgarien, Aserbaidschan, Pakistan und Sudan. Bei der Eröffnungsfeier im Terminal lüftete Erdogan auch das Geheimnis um den Namen des Flughafens. Zuvor war darüber spekuliert worden, ob er vielleicht sogar Erdogans Namen tragen soll. Doch es kam anders – und viel schlichter. (…) Erst einmal fliegt aber kaum jemand vom neuen Flughafen. Bis Ende Dezember soll es nur fünf Flüge am Tag geben – vor allem um die Abläufe zu testen. Der Umzug vom alten Atatürk-Flughafen zum neuen Flughafen Istanbul soll wegen Verzögerungen bei der Fertigstellung erst Ende des Jahres erfolgen.Die gut vierjährige Bauzeit wurde von zahlreichen Arbeitsunfällen überschattet. Mindestens 30 Bauarbeiter verloren dabei ihr Leben…“ – aus dem Bericht „2000 Starts und Landungen – pro Tag“ von Christian Buttkereit am 29. Oktober 2018 in der tagesschau externer Link, der auf die Opfer der Großmannsucht gerade mal mit einem Abschluss-Satz eingeht und ansonsten sich der AKP-Debatte um die Namensgebung und anderen Dingen widmet, ohne gefangene Bauarbeiter auch nur zu erwähnen… Siehe dazu eine Mitteilung von Human Rights Watch zur Eröffnung, eine Meldung über den neuerlichen Todesfall am Tag zuvor und eine Reportage (unter anderem) über den inhaftierten Gewerkschafter Özgür Karabulut:

  • „Turkey: Workers Behind Bars as Airport Opens“ am 29. Oktober 2018 bei HRW externer Link ist eine Erklärung der Menschenrechtsorganisation zum Tag der Flughafen-Eröffnung, worin nochmals der Konflikt um den Streik im September nachgezeichnet wird und darauf verwiesen wird, dass es neben den 31 Kollegen, die immer noch in Haft sind auch noch eine Reihe von Entlassungen gegeben habe. Das IGA-Konsortium – Bauherr und künftiger Betreiber (mit Sicherheiten aus Steuergeldern…) – hat auf Anfragen von HRW vorgezogen, nicht zu antworten…
  • „Schuften für Erdogans Prestigeprojekt“ von Susanne Güsten am 29. Oktober 2018 beim Deutschlandfunk externer Link zur Repression gegen den Gewerkschafter Karabulut: „Özgür Karabulut schuftet selbst auf dem Bau und hat bis vor kurzem auch selbst auf der Flughafenbaustelle gearbeitet. Einen hauptamtlichen Vorstand kann sich die kleine Bau-Gewerkschaft nicht leisten, sind doch kaum drei Prozent der türkischen Bauarbeiter organisiert. Gewerkschaften haben in der Türkei schon seit dem Militärputsch von 1980 nicht mehr viel zu sagen, und seit die AKP regiert, noch viel weniger. Özgür Karabulut wird wenige Tage nach den Protesten auf der Flughafenbaustelle verhaftet. Eingriff in das Recht auf Arbeit, Beschädigung öffentlichen Eigentums, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Teilnahme an einer Demonstration mit verbotenen Gegenständen wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor – einziges Beweismittel, so sagt sein Anwalt nach Akteneinsicht: Özgür Karabuluts Ansprache bei der Protestkundgebung. Seither sitzt der Gewerkschaftsvorsitzende hinter Gittern. Seine hochschwangere Ehefrau Ayla hat ihn bisher einmal besuchen können. „Er wird in Isolationshaft gehalten, das setzt ihm natürlich zu. Ich habe unserer fünfjährigen Tochter nicht sagen können, dass ihr Vater eingesperrt ist. Ich habe ihr gesagt, dass er auf einer Baustelle ganz weit weg arbeitet.“ (…) Seit drei Jahren arbeitet Özgür Karabulut für die Baugewerkschaft – ein besonders schwieriger Sektor für Gewerkschaftsarbeit, erzählt seine Frau der oppositionellen Internetplattform Özgürüz, sie sagt: „Die psychische Belastung ist groß, weil es beim Bau so viele tödliche Arbeitsunfälle gibt. Özgür ist dauernd unterwegs in Krankenhäusern oder bei den Familien getöteter Arbeiter – das lastet wirklich schwer auf der Psyche.„…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139333
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