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110 Textilarbeiterinnen in El Salvador übernehmen die (geschlossene) Fabrik und nähen nicht mehr zum Hungerlohn überteuerte Klamotten für Pierre Cardin

Dossier

Besetzte Textilfabrik im Großraum San Salvador: Arbeiterinnen und feministische Bewegung gemeinsam...Im Unterschied zu anderen Regierungen mittelamerikanischer Staaten hat die von El Salvador die rund 150 Unternehmen in Sonderzonen für den Export (Maquilas) nicht für essentiell erklärt – sie mussten während der Epidemie schließen. Was die Besitzerfamilie der Textil Firma Florenti im Großraum San Salvador zum messerscharfen Schluss führte, ihr Unternehmen zu schließen. Und den knapp 200 Arbeiterinnen, die unter anderem für den Mindestlohn von umgerechnet 300 US-Dollar/Monat überteuerte Marken-Klamotten für Pierre Cardin herstellten, eine Entschädigung anzubieten: Alte Nähmaschinen. Einige nahmen dieses perverse Angebot in ihrer Not sogar an – aber die anderen, etwas mehr als die Hälfte der Belegschaft, zog im Sommer 2020 eine ganz andere Konsequenz: Sie zogen geschlossen in die geschlossene Fabrik ein und verhinderten den Abtransport von Ausrüstung und Material – sie fordern Abfindungen und die Ausbezahlung ausstehender Löhne. Weil die Unternehmerfamilie zum „inneren Kreis“ des Bürgertums von El Salvador gehört, machte diese Aktion im Laufe der Wochen Schlagzeilen – und Gruppierungen aus der feministischen Bewegung des Landes begannen, die Besetzerinnen zu unterstützen. Gemeinsam machten und machen sie zwei Hauptaktivitäten: Die Fortsetzung des Kampfes für die mehr als normalen Forderungen der Besetzerinnen weiterhin zu organisieren, sei es über den juristischen Weg oder öffentliche Kampagnen – und die Organisierung von Nähkursen für die Öffentlichkeit auf dem Werksgelände. In der Reportage „Un centenar de trabajadoras toman una maquila y la convierten en espacio feminista“ von Carmen Valeria Escbar am 02. Dezember 2020 bei Resumen Latinamericano externer Link wird die Geschichte der Besetzung und der Projekte ausführlich dargestellt – und die Frauen, die den Kampf initiierten und weiterführen, werden vorgestellt und mit ihren Aussagen über Erfahrungen zu Anklägerinnen von Ausbeutung und Markenzynismus – und eines völlig untätigen Arbeitsministeriums. Neu dazu:

  • Hungerstreik der Florenzi-Arbeiterinnen nach Zusagen des Arbeitsgerichts unterbrochen New
    Nach 64 Tagen in wechselndem Hungerstreik (jeweils drei Kolleginnen) haben die rund 200 Mitglieder der Selbstverwaltungsinitiative beschlossen, ihren Hungerstreik einstweilen auszusetzen (und die Kolleginnen zur ärztlichen Untersuchung zu bringen). Der Grund für den Beschluss: Eine Arbeitsrichterin war einen Tag zu Besuch im besetzten Betrieb und habe am Ende zugesagt, es werde staatliche Hilfen geben. Das war ja, wie in der Meldung „El Salvador. Trabajadores de la Maquila Florenzi levantan la huelga de hambre en reclamo de salarios adeudados“ am 14. März 2021 bei Resuen Latinoamericano externer Link nochmals unterstrichen wird, die Hautforderung des Hungerstreiks gewesen, da die staatlichen Stellen – im Gegensatz etwa zur katholischen Kirche und einer Reihe sozialer und gewerkschaftlicher Initiativen – die einzigen waren, die bisher keinerlei Unterstützung organisierten, nicht einmal irgendeine Maßnahme. Nun wurde eben eine Frist gesetzt bis Ende des Monats, falls dann immer noch nichts passiert sein sollte, wird der Hungerstreik wieder aufgenommen.
  • Die Besetzerinnen von Florenzi in El Salvador jetzt seit über einen Monat im (rotierenden) Hungerstreik – der Protest wird immer politischer 
    Seit über einem Monat dauert der – rotierende – Hungerstreik der Besetzerinnen der Maquila Florenzi in San Salvador inzwischen an. Mit diesem Hungerstreik sollte dazu beigetragen werden, dass die nationale wie internationale Solidaritätsbewegung mit den Besetzerinnen und ihren Zielen weiter verstärkt wird – ein Ziel, das in der Tat erreicht wurde. Der gesamte Protest richtet sich zunehmend gegen politische Verantwortliche und Behörden, die rein gar nichts unternehmen, um die gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen, die der (früheren) Geschäftsleitung von Florenzi eigentlich die Erfüllung der Forderungen der Besetzerinnen diktieren würden. In der Meldung „Trabajadores salvadoreños entran en segundo mes de huelga de hambre“ am 08. Februar 2021 in El Pais externer Link (Costa Rica) wird vor allem unterstrichen, dass die Besetzerinnen und ihre Unterstützungsbewegung eben diese Kritik an den politisch Verantwortlichen auch deswegen immer mehr ins Zentrum ihrer Aktivitäten stellen, weil die Geschäftsleitung inzwischen vollkommen „untergetaucht“ ist
  • Die Solidaritätskampagne mit den Textilarbeiterinnen von Florenzi in El Salvador wird international 
    In dem Beitrag „El Salvador: campaña de solidaridad con Obreras Florenzi ¿cómo ayudar?“ am 23. Januar 2021 bei Marxismo externer Link (Mexiko) wird kurz die Entwicklung der Werksbesetzung bei Florenzi im (beinahe) benachbarten El Salvador berichtet und dann relativ ausführlich Möglichkeiten dargestellt, wie internationale Solidarität praktisch organisiert werden kann. Dabei wird unterstrichen, dass es bereits eine regelrechte Solidaritätsbewegung mit der Besetzung in El Salvador selbst gebe und dass es nunmehr umso mehr nötig sei, eine solche auch international zu organisieren. Weswegen sich dieser Aufruf auch nicht nur an mexikanische Gruppierungen wendet, sondern an Gruppen aus allen Ländern der Region gerichtet ist. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge aus Italien und Spanien zur internationalen Solidarität mit der Besetzung:

  • Seit zwei Wochen Hungerstreik der Textilarbeiterinnen in El Salvador: Nun unterstützt durch landesweite Solidaritätskampagne 
    Der Hungerstreik der Textilarbeiterinnen von Florenzi dauert inzwischen seit zwei Wochen an und die solidarischen Reaktionen darauf werden stärker: So hat jetzt die Gewerkschaft Sindicato Salvadoreño de Industrias Textiles y Similares mit einer landesweiten Solidaritätskampagne mit den hungerstreikenden Arbeiterinnen begonnen. In der Meldung „Huelga de hambre de trabajadoras cumple dos semanas“ am 21. Januar 2021 bei Resumen Latinoamericano externer Link wird unterstrichen, dass sich Behörden und Ministerium weiterhin weigern, die Forderungen der Textilarbeiterinnen zu unterstützen – obwohl sie nichts weiter fordern, als dass geltende Gesetze eingehalten werden und die Unternehmensleitung für ihren Rechtsbruch zur Rechenschaft gezogen werde. Siehe dazu auch einen neuen umfangreichen Hashtag zu Betriebsbesetzung und Hungerstreik:

    • #ObrerasFlorenzi externer Link ist ein Twitter-Hashtag, der ursprünglich zu Beginn der Auseinandersetzung im Juli 2020 eingerichtet worden war und jetzt „wiederbelebt“ wurde. Darin ist eine deutlich wachsende Zahl von Solidaritätserklärungen und Aktionen nachzuvollziehen, auch von einer nunmehr mobilisierten Gewerkschaftsbewegung
  • Hungerstreik der Textilarbeiterinnen von Florenzi – weil die Behörden und politisch Verantwortlichen in El Salvador auf die Gesetze pfeifen 
    Seit dem 08. Januar 2021 haben die Textilarbeiterinnen, die die ehemalige Maquila Florenzi im Juni 2020 besetzt und als gesellschaftliches Zentrum weiter betrieben haben, einen unbegrenzten Hungerstreik begonnen. Obwohl die Gesetzeslage eindeutig ist und ihre Entlassung bzw. die nicht ausbezahlten ausstehenden Löhne eindeutig illegal sind, haben sich politisch Verantwortliche und zuständige Behörden in den ganzen Monaten der Besetzung geweigert, geltendem Recht zu folgen und durch ihre Untätigkeit weiterhin den betrügerischen Unternehmern zur Seite gestanden. In der Meldung „Trabajadoras de la maquila Florenzi en huelga de hambre para exigir justicia“ am 11. Januar 2021 bei Resumen Latinoamericano externer Link wird daran erinnert, dass der Betrug der (einflussreichen) Unternehmerfamilie ein doppelter ist: Nicht nur wird die Ausbezahlung der ausstehenden Löhne nachwievor verweigert, sondern auch die Sozialabgaben wurden zwar monatelang abgezogen – aber niemals überwiesen.
  • Versuche, die Besetzung mit Gewalt zu beenden, stärken die Solidarität mit den Textilarbeiterinnen von Florenzi und ihrer Betriebsübernahme in El Salvador 
    Mit einer kurzen Zusammenfassung der Entwicklung seit dem Dezember 2019, als das Unternehmen die Zahlung der Beiträge an die Renten- und Krankenkassen des Landes in illegaler Weise einstellte, und einer Darstellung der Besetzung des Betriebs und der zahlreichen Aktivitäten seither wird der Solidaritätsaufruf „San Salvador: ¡Apoyo a las mujeres de la maquila Florenzi!“ vom 19. Dezember 2020 beim Alternativen Gewerkschaftlichen Netzwerk für Solidarität und Kampf externer Link (dem LabourNet Germany angehört) begründet. Darin wird neben dem Kampfwillen der Textilarbeiterinnen auch die Mobilisierungsanstrengung der Branchengewerkschaft Sindicato General de Costureras gewürdigt, die der Gewerkschaftskoordination Mesa Sindical de Trabajadoras y Trabajadores de la Maquila angehört. Das Netzwerk verurteilt darin die Versuche, die Besetzung mit Gewalt zu beenden, sie seitdem unternommen werden – und wovon sich offensichtlich weitere in Vorbereitung befinden – und begrüßt, dass sie durch den Kampf der Besetzerinnen und der wachsenden Solidaritätsbewegung zurückgeschlagen werden konnten. Das Recht der Arbeiterinnen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, müsse und werde auch weiterhin verteidigt werden, so der Aufruf abschließend. Siehe auch:
  • El Salvador: Von der Maquila zur besetzten Fabrik und Bildungsstätte von und für Frauen
    Für die Arbeiterinnen von Florenzi ist die Fabrikbesetzung ein Kampf für ihre Rechte und für Gerechtigkeit (…) Obwohl sich die komplette Einrichtung und Produktionsmittel der Maquila unter der Kontrolle der Frauen befindet, reagiert der Eigentümer nicht. Die Frauen fordern die Auszahlung von vier Monatslöhnen und eine Entschädigung für die geleisteten Arbeitsjahre und drohen, vor Gericht zu gehen und zu versuchen, die Fabrik rechtmäßig zu behalten. (…) Florenzis Übernahme begann mit dem Kampf um Arbeitsrechte von 113 Frauen und wurde zu einem Kampf, den die Arbeiterinnen als feministisch definieren. Sie hören Vorträge, die von feministischen Kollektiven wie der Organisation Ormusa geleitet werden, die sich angeschlossen haben, um ihrer Sache einen Gender-Fokus zu geben. „Da wir gelernt haben, die Muster der Gewalt zu durchbrechen, verstehen viele Frauen jetzt, dass sie keine Objekte oder Sklaven im Haus sind, und jetzt wollen die Ehemänner nicht mehr, dass sie zurückkommen“, sagt Nery Ramírez. (…) In den vergangenen vier Monaten reichten die 113 Frauen Beschwerden bei der Staatsanwaltschaft und dem Arbeitsministerium ein, besuchten Regierungsstellen und protestierten. Für die Arbeiterinnen von Florenzi ist die Beschlagnahmung ein Kampf für ihre Rechte und für Gerechtigkeit. Nicht alle halten die Belastung durch. Von den ursprünglich 113 sind jetzt noch 106 übrig.“ Artikel von Chris Klänie vom 20.12.2020 bei amerika21 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182666
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