[Am Beispiel Werner Siebler] Rehabilitation von Berufsverbotsopfern – Fehlanzeige, insbesondere in BaWü

Grundrechte verteidigen! Weg mit dem Berufsverbot„Eine Generation von Linken wurde in der Bundesrepublik mit Berufsverboten bedroht und tausende tatsächlich entlassen oder sie konnten ihre Ausbildung zur Lehrerin oder Lehrer erst garnicht mit einem Referendariat abschließen. Bestrebungen, einer wenigstens moralischen Rehabilitation werden abgeblockt, insbesondere auch von dem Baden-Württemnbergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grün-Schwarz). Ein Gespräch mit Werner Siebler DGB-Vorsitzender von Freiburg, der selbst von einem Berufsverbot betroffen war.“ Interview vom 7. Dezember 2017 von und beim Morgenradio Radio Dreyeckland externer Link Audio Datei (Audiolänge: ca. 6 Min.), siehe dazu:

  • Fortdauernde Überwachung und Verfolgung in Folge des Radikalenerlasses – „Verfassungsschutz“ setzt die Bespitzelung und Verfolgung Werner Sieblers bis heute fort New
    Kurz vor dem 50. Jahrestag des Radikalenerlasses stellt der Inlandsgeheimdienst, der den irreführenden Namen „Verfassungsschutz“ trägt, klar, dass die Betroffenen weiterhin durch ihn verfolgt und bespitzelt werden.
    Werner Siebler, DGB-Vorsitzender in Freiburg, hatte 1984 als Postbeamter Berufsverbot erhalten. Erst nach einer im November 1990 getroffenen Entscheidung des Freiburger Arbeitsgerichtes wurde er ab 1991 wieder von seinem früheren Dienstherrn beschäftigt. Seit Juli 2019 ist er im Ruhestand. Dennoch fährt der Inlandsgeheimdienst unbeirrt fort, Siebler geheimdienstlich zu überwachen, wie aus der Antwort auf ein Auskunftsersuchen hervorgeht.
    Im Schreiben des  „Verfassungsschutzes“ erfährt Werner Siebler, dass er keinerlei Anspruch auf eine Auskunft zu den über ihn gespeicherten Daten habe. „Im Zuge des Ermessens“ teilt der Geheimdienst ihm aber großzügig 37 „Erkenntnisse“ mit, die er in den vergangenen zwanzig Jahren gesammelt hat – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass ihm eine Fülle weiterer Daten vorliege, die bis in das Jahr 1972 zurückreichten und seine Verwurzelung in der „linksextremistischen Szene“ belegen würden (ein Begriff, der damals noch gar nicht gebräuchlich war). Aufgeführt ist selbstverständlich nur eine kleine Auswahl „öffentlich zugänglicher“ Tatsachen, die dennoch ein bezeichnendes Licht auf die Arbeitsweise und das Weltbild der „Verfassungsschützer“ wirft.
    Ein großer Teil der mitgeteilten „Erkenntnisse“ betrifft Sieblers gewerkschaftliches Engagement und seine Aktivitäten für die Aufarbeitung der Berufsverbote und die Rehabilitierung der Betroffenen. Vorgeworfen wird ihm etwa die Unterzeichnung einer Protesterklärung im Jahr 2007 gegen die Wiederbelebung der Berufsverbote im Fall des antifaschistisch aktiven Realschullehrers Michael Csaszkóczy – eine Maßnahme, die gerichtlich wenige Monate später vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim als grundrechtswidrig aufgehoben wurde. Konsequent wäre es, wenn der „Verfassungsschutz“ nun auch den VGH selbst als Beobachtungsobjekt führen würde.
    Dass Siebler vorgeworfen wird, im September 2002 an einem „Bündnis gegen Rechts“, das sich gegen die NPD richtete und zu einer Demonstration gegen diese faschistische Partei aufrief, ist bezeichnend für den Verfassungsschutz. „Mit dabei bei dieser Demonstration waren auch Freiburgs damaliger OB Dieter Salomon und SC-Trainer Volker Finke sowie weitere 15.000 Freiburger Bürger:innen, da muss dann schon der VS seine schützende Hand über die Rechten halten“ empört sich Werner Siebler.
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    leich sechs Mal wird Werner Siebler im Zusammenhang mit Ferienlagern der Kinderorganisation „Rote Peperoni“ aufgeführt. Registriert werden ebenfalls die Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 60. Gründungstag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes 2007 oder die Mobilisierung zum Ostermarsch im Jahr 2006.
    Das mit den Berufsverboten verbundene Unrecht gehört nicht der Vergangenheit an, sondern wird auch heute noch tagtäglich fortgesetzt. Ziel solcher Überwachungsmaßnahmen ist weniger die Einschüchterung der Bespitzelten selbst und ganz gewiss nicht der Schutz irgendwelcher „Verfassungswerte“. Erkennbar geht es um die politische Diffamierung der Betroffenen, die Verunsicherung und Abschreckung ihres Umfelds und die Ächtung und Isolierung missliebiger linker Positionen.
    Zum 50. Jahrestag der Verabschiedung des Radikalenerlasses fordern wir die Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen und die Aufarbeitung des damit verbundenen staatlichen Unrechts. Die geheimdienstliche Bespitzelung und Diffamierung kritischer linker Positionen muss endlich beendet werden.
    Wir erteilen allen Bestrebungen, einen neuen „Radikalenerlass“ einzuführen, eine klare Absage – auch und gerade, wenn sie unter dem Vorwand einer grotesken Hufeisentheorie eine Gleichsetzung angeblichen „linken Extremismus“ mit faschistischen Machenschaften betreiben.
    Dem sogenannten „Verfassungsschutz“, dessen tiefe Verstrickung ins faschistische Netzwerk nicht erst seit dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ allgemein bekannt ist, muss endgültig die Möglichkeit und die Legitimation genommen werden, kritische Positionen als „verfassungsfeindlich“ zu diffamieren. Seine Auflösung als Geheimdienst ist überfällig!“ Presseerklärung vom 6.1.2022 vom Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte (per e-mail) – siehe dazu:
  • [50 Jahre Berufsverbote] Als Staatsfeind verfolgt. Berufsverbote: Betroffener weiter im Visier des Verfassungsschutzes
    „Am 28. Januar jährt sich der auf Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) zurückgehende sogenannte Radikalenerlass zum 50. Mal. Ein Großteil der daraufhin aufgrund von Aktivitäten in kommunistischen und antifaschistischen Vereinigungen oder der Friedensbewegung mit Berufsverboten im öffentlichen Dienst belegten Menschen ist längst im Rentenalter. Ein Ende ihrer Verfolgung durch den Inlandsgeheimdienst bedeutet das noch lange nicht. Diese Erfahrung musste jetzt Werner Siebler machen. Der Gewerkschafter hatte 1984 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der DKP Berufsverbot als Postbeamter erhalten. Erst 1991 wurde er nach einer Entscheidung des Freiburger Arbeitsgerichts wieder von seinem früheren Dienstherren als Briefzusteller beschäftigt. Seitdem Siebler 2019 in den Ruhestand getreten ist, liegt seine Altersrente 500 Euro unter dem Satz, den er bei durchgehender Beschäftigung bei der Post erhalten würde. Der Freiburger engagiert sich im »Bundesarbeitsausausschuss der Initiative gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte«. Für den Verfassungsschutz sind solche Aktivitäten offenbar ein Grund, den Gewerkschafter weiterhin als Staatsfeind zu führen. Das wird deutlich aus der Antwort des Geheimdienstes auf ein Auskunftsersuchen Sieblers, welche Informationen die Behörde über ihn gespeichert habe. Er habe zwar keinerlei Anspruch auf eine diesbezügliche Auskunft, heißt es in dem Schreiben, das Siebler vor wenigen Tagen erreichte, und aus dem er in einer Mitteilung vom Donnerstag abend zitiert. »Im Zuge des Ermessens« wurden ihm zumindest 37 »Erkenntnisse« mitgeteilt, die der Geheimdienst in den vergangenen 20 Jahren anhand »öffentlich zugänglicher« Tatsachen gesammelt hat. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass dem Dienst eine Vielzahl weiterer bis ins Jahr 1972 zurückreichender Daten vorliegen, die Sieblers Verwurzelung in der »linksextremistischen Szene« beweisen würden. Registriert hat der Verfassungsschutz etwa das gewerkschaftliche Engagement Sieblers, der seit fünf Jahren Vorsitzender des DGB in Freiburg ist. Vorgeworfen wird ihm die Unterzeichnung einer Protesterklärung gegen die Wiederbelebung der Berufsverbotspraxis im Falle des Heidelberger Realschullehrers Michael Csaszkóczy im Jahre 2007. Die Maßnahme gegen den antifaschistisch engagierten Lehrer wurde kurz darauf vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim als grundrechtswidrig aufgehoben. Auch ein Aufruf zu einer Demonstration gegen die faschistische NPD aus dem Jahre 2002 wird Siebler vorgehalten. In seiner Akte vermerkt sind ferner Auftritte auf Ferienlagern der linken Kinderorganisation »Rote Peperoni«, die Teilnahme an einer Jubiläumsfeier der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) sowie die Mobilisierung zu einem Ostermarsch…“ Artikel von Nick Brauns in der jungen Welt vom 8. Januar 2022 externer Link

Siehe auch das Dossier: Der 50. Jahrestag des Radikalenerlasses steht bevor – die Zeit ist reif, mehr Demokratie zu wagen!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=125111
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