Ampel weitet Volksverhetzungsparagrafen aus: Öffentliche Verharmlosung von Kriegsverbrechen künftig strafbar – Kriegsverbrechen nicht

Dossier

AI: Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht!In einem sogenannten Omnibusverfahren, also ohne inhaltlichen Bezug an ein anderes Gesetz drangehängt (in diesem Fall an eine Änderung des Bundeszentralregistergesetzes), hat die Ampel am späten Donnerstagabend nahezu unbemerkt und ohne längere Beratungen eine Ausweitung des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) verabschiedet. Ein neuer Absatz § 130 Abs.5 StGB stellt künftig das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Darunter können künftig auch Äußerungen fallen, die während einer Versammlung, etwa im Rahmen einer Demonstration, getätigt werden…“ Artikel von Hasso Suliak am 21.10.2022 in LTO externer Link – siehe erste kritische Einordnung dieser fragwürdigen Gesetzesänderung:

  • Offener Brief gegen die Verschärfung des Paragrafen 130 StGB New
    „In einer gesetzgeberischen Nacht- und Nebelaktion drückten Ampel-Regierung und CDU am 20. Oktober 2022 eine Verschärfung des „Volksverhetzungsparagrafen“ 130 StGB durch den Bundestag. Der entsprechende Gesetzestext dazu wurde erst am Vortag durch das Bundesministerium der Justiz ganz nebenbei über eine unscheinbare Neuregelung des Bundeszentralregistergesetzes eingeschmuggelt. Wir protestieren gegen dieses undemokratische und überfallartige Vorgehen der Bundesregierung. (…) Nur wieso dann ein solch überfallartiges Vorgehen? Tatsächlich kann nach dem neu eingeführten §§ 130 Abs. 5 StGB jedoch jetzt bestraft werden, wer Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit „billigt, leugnet oder gröblich verharmlost“. Zurecht ist bereits heute das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen des Holocaust unter Strafe gestellt. Außer Frage steht auch, dass wir strikt gegen alle Arten solcher Verbrechen sind und für eine konsequente Bestrafung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eintreten. In seiner jetzt beschlossenen Form eröffnet § 130 Abs. 5 StGB jedoch deutlich erweiterte Möglichkeiten für Polizei und Justiz zur Kriminalisierung „missliebiger“ politischer Ansichten und politischer Gegner. Er öffnet einer Gesinnungsjustiz Tür und Tor. (…) Geht es angesichts der derzeit unverkennbaren Destabilisierung der herrschenden Verhältnisse erneut darum, die Diskussion über eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu kriminalisieren? Ermöglicht wird dies vor allem dadurch, dass die Bundesregierung bewusst darauf verzichtet hat, die in der EU-Richtlinie ausdrücklich ermöglichte Beschränkung auf solche Verbrechen des Völkermords etc. zu beschränken, die von internationalen oder nationalen Gerichten rechtsverbindlich festgestellt worden sind. Demgegenüber hat jetzt jeder Amtsrichter, jeder Staatsanwalt und letztlich sogar jeder Polizist auf einer öffentlichen Versammlung die Möglichkeit, bestimmte politische Meinungen als Verstoß gegen § 130 Abs. 5 StGB zu qualifizieren und Maßnahmen z. B. von der Beschlagnahme von Flugblättern oder Transparenten bis letztlich zur strafrechtlichen Verurteilung zu ergreifen. Wir fordern daher eine Rücknahme der jetzt beschlossenen Verschärfung des §§ 130 StGB…“ Aus dem Offenen Brief der Anwaltskanzlei Meister & Partner vom 21. November 2022 externer Link – was übrigens auch hier fehlt ist die Kritik an der EU-Richtlinie selbst. Denn sie basierte besonders auf einer antikommunistischen Haltung speziell der östlichen EU-Mitglieder, welche die Singularität des deutschen Holocaust mit der, durch den Historikerstreit eigentlich längst widerlegten Gleichsetzung von Stalin mit Hitler, bestreiten bzw. wiederbeleben. In sofern entschärft die Änderung des § 130 auch die Bedeutung vorrangig rechter Gefahr…
  • Enger Meinungskorridor. Nach Ausweitung des Volksverhetzungsparagraphen: Die Linke und Anwaltsvereinigung warnen vor Willkür
    „… Ein neuer Absatz in Paragraph 130 Strafgesetzbuch stellt nun das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen unter Strafe – vorausgesetzt, die Tat wurde in einer Weise begangen, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Hintergrund ist ein von der EU-Kommission Ende letzten Jahres angestrengtes Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, die einen Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2008 »zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit« nur unzureichend umgesetzt hatte. Dabei ging die Ampel allerdings in einigen Punkten über die Vorgaben aus Brüssel hinaus. Neben der AfD hat Die Linke der Gesetzesänderung, die kurzerhand mit einem sogenannten Omnibusverfahren ohne jeden inhaltlichen Bezug an ein Gesetz zum Bundeszentralregister gehängt worden war, ihre Zustimmung verweigert. Ihre Fraktion spreche sich zwar grundsätzlich dafür aus, die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von Völkermorden und Kriegsverbrechen unter Strafe zu stellen, erklärte die rechtspolitische Sprecherin Clara Bünger am Dienstag gegenüber jW. Allerdings müsse dafür die Schwelle zu einem tatsächlich strafwürdigen Verhalten überschritten werden, etwa bei Drohungen, Beschimpfungen, Beleidigungen oder der Aufstachelung zu Hass und Gewalt. Obwohl der Rahmenbeschluss solche Einschränkungen ermöglicht hätte, werde der Wortlaut der Änderung »diesen Ansprüchen leider nicht gerecht und birgt damit die Gefahr, die Meinungsfreiheit übermäßig einzuschränken beziehungsweise willkürlich angewendet zu werden«, so die Linke-Abgeordnete. Im Rahmenbeschluss wird zudem die Strafbarkeit daran geknüpft, dass eine Handlung »wahrscheinlich« zu Gewalt und Hass aufstachelt und nicht nur – wie in der jetzt beschlossenen Gesetzesänderung – lediglich dazu »geeignet« ist. Diese »Stellschrauben, um eine zu ausufernde Anwendung zu vermeiden«, seien leider nicht berücksichtigt worden, beklagte Bünger. Es handele sich nicht um eine »Lex Putin«, hatte der Berichterstatter der FDP-Fraktion, Thorsten Lieb, zwar anlässlich der Gesetzesänderung versichert. Abgesehen von der nicht nachzuvollziehenden Eile, mit der die Änderung nun durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht wurde, »drängt sich der Bezug zum Ukraine-Krieg auf, womit allerdings der Bezug zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verdrängt wird«, meinte Helmut Pollähne vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) am Dienstag gegenüber dieser Zeitung. Der Rahmenbeschluss habe ausdrücklich die Option geboten, Leugnen oder Verharmlosen erst dann strafrechtlich zu verfolgen, wenn Kriegsverbrechen gerichtlich endgültig festgestellt worden seien. Doch in der vom Bundestag beschlossenen Fassung hätten es nun die Strafverfolgungsbehörden in der Hand, gegen Personen oder Versammlungen vorzugehen, die von der Bundesregierung als Kriegsverbrechen eingestufte internationale Vorgänge leugneten oder gröblich verharmlosten, warnte der Bremer Rechtsanwalt.“ Artikel von Nick Brauns in der Jungen Welt vom 26. Oktober 2022 externer Link
  • Verharmlosung von Kriegsverbrechen: Gesetzesverschärfung im Eiltempo
    „… Die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen und Völkermorden ist jetzt als „Volkverhetzung“ strafbar. Der Bundestag hat in der Nacht zum Freitag ohne jede Ankündigung das Strafrecht verschärft. Dies betrifft zum Beispiel die Leugnung und Verharmlosung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Bisher war in der Bundesrepublik nur die Billigung von Straftaten aller Art (Paragraf 140 Strafgesetzbuch) sowie die Leugnung und Verharmlosung des Holocausts (Paragraf 130 Absatz 3) strafbar. Nun wurde in Paragraf 130 ein neuer Absatz 5 eingefügt. Danach ist auch die öffentliche Leugnung und „gröbliche“ Verharmlosung von anderen Völkermorden sowie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar. Einschränkend heißt es zwar, die Äußerung müsse „geeignet“ sein, den öffentlichen Frieden zu stören und zu Hass oder Gewalt aufzustacheln. Letztlich entscheiden bei so unbestimmten Begriffen aber die Staatsanwaltschaften, welche Äußerungen verfolgt werden. Die Eignung, Hass zu erzeugen, kann in diesen aufgeheizten Zeiten schließlich leicht unterstellt werden. (…) Das Justizministerium betonte, die Verschärfung des Strafrechts habe nichts mit dem Ukrainekrieg zu tun. Man reagiere nur auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Deutschland habe einen EU-Rahmenbeschluss (zur Bekämpfung des Rassismus) von 2008 nicht deutlich genug umgesetzt. Es gehe nur um eine „Klarstellung“. Schon bisher sei die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen als Volksverhetzung strafbar gewesen, erklärte das Ministerium. Davon ist bisher allerdings noch niemand ausgegangen und es sind auch keine entsprechenden Gerichtsurteile bekannt. Auch die Staatsanwaltschaften haben seit Februar zwar wegen Billigung des russischen Angriffskriegs ermittelt, aber nicht wegen Leugnung oder Verharmlosung von russischen Kriegsverbrechen. Faktisch handelt es sich also um eine Verschärfung. Die beschlossene weitreichende Regelung wäre EU-rechtlich auch nicht zwingend gewesen. Denn der EU-Rahmenbeschluss von 2008 lässt den EU-Staaten durchaus gewisse Spielräume. So können sie etwa nur die Leugnung und Verharmlosung solcher Kriegsverbrechen unter Strafe stellen, die bereits durch ein internationales Gericht endgültig festgestellt wurden. Darauf kommt es nun aber nicht an. Es genügt für die Strafverfolgung von gröblich verharmlosenden Meinungsäußerungen, dass eine Staatsanwaltschaft bestimmte Handlungen als Kriegsverbrechen einstuft.“ Kommentar von Christian Rath vom 23. Oktober 2022 in der taz online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=205599
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