2015: „Stille SMS“ des Inlandsgeheimdiensts haben sich innerhalb eines Jahres verfünffacht – und seitdem?

Dossier

„Stille SMS“Die Zahl der vom Bundesamt für Verfassungsschutz versendeten heimlichen Ortungsimpulse ist im zweiten Halbjahr 2014 auf 142.108 angestiegen. Dies teilte das Bundesinnenministerium auf Nachfrage mit. Im ersten Halbjahr 2014 hatte die Behörde noch rund 53.000 dieser „Stillen SMS“ verschickt. Dieser Wert stellte schon im Vergleich zum Vorjahr (erstes Halbjahr 2013: 28.472) eine starke Zunahme dar. Von 2013 auf 2014 hat sich die Zahl nunmehr verfünffacht. Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei haben die Spähmaßnahme indes weniger als im Vorjahr genutzt. Zahlen zum Zoll sind mittlerweile ohne Angaben von Gründen als Verschlusssache eingestuft…Beitrag von Matthias Monroy bei Netzpolitik vom 27. Februar 2015 externer Link. Siehe zur weiteren Entwicklung:

  • Überwachung: Bundespolizei verschickte 2020 über 100.000 stille SMS New
    Der Einsatz geheimer Pings hat sich bei der Bundespolizei 2020 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt, Funkzellenabfragen beim Zoll bleiben erstmals geheim. Deutsche Strafverfolgungsbehörden überwachen Mobiltelefon-Nutzer erneut verstärkt mit verdeckten Mitteln. Allein die Bundespolizei hat im vorigen Jahr in 50 Ermittlungsverfahren 101.117 „stille SMS“ verschickt, um Personen zu orten. Das sind mehr als doppelte so viele „Stealth Pings“ als 2019, als der einstige Bundesgrenzschutz 48.000 entsprechende geheime Kurznachrichten aussandte. Dies ist einer heise online vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu entnehmen. Die Bundespolizei setzt das umstrittene Instrument damit in etwa wieder genauso oft ein wie 2018 externer Link. Die zwischenzeitliche Delle erklärt sich vermutlich durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs externer Link (BGH). Dieser forderte im Februar 2018, dass Strafverfolger eine stille SMS nur mit richterlichem Beschluss versenden dürfen. Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko konstatiert: „Die BGH-Entscheidung konnte die ausufernde Überwachung bei der Bundespolizei offenbar nur kurze Zeit eindämmen.“ Auch beim Bundeskriminalamt (BKA) erfreut sich das Werkzeug wieder größerer Beliebtheit. Es hat voriges Jahr in 82 Verfahren 44.444 entsprechende heimliche Kurzmitteilungen verschickt, 2019 waren es 41.300 externer Link. Wie viele Betroffene der Maßnahmen der Polizeibehörden des Bundes nachträglich darüber informiert wurden, ist der Regierung nicht bekannt: Dieser Schritt obliege den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften. Beim Zoll behandelt das federführende Bundesinnenministerium (BMI) die Zahlen zur stillen SMS seit 2012 als Verschlusssache. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verfährt das Ressort seit Anfang 2019 genauso…“ Artikel von Stefan Krempl vom 06.02.2021 bei heise news externer Link
  • Behörden missbrauchen Mobiltelefone in großem Umfang als Ortungswanzen 
    „Sowohl die Bundespolizei als auch das Bundeskriminalamt setzen wieder deutlich mehr Stille SMS, IMSI-Catcher und Funkzellenabfragen ein. Das ist nicht nur ein schwerer Eingriff in die Privatheit der Telekommunikation, sondern auch ein Missbrauch privat beschaffter Telefone als Ortungswanzen“ (…) Das Urteil, das der Berliner Rechtsanwalt Lukas Theune vor zwei Jahren beim Bundesgerichtshof zur Einhegung von Stillen SMS erstritt, scheint folgenlos zu sein. Offensichtlich erhalten die Behörden jede Anordnung die sie wünschen. Gegen die ausufernde Überwachung der Telefonie nutzen viele Menschen Verschlüsselung. Die Behörden hebeln diesen Schutz jetzt aus. Das bei Europol mithilfe des Bundeskriminalamtes entstandene ‚Entschlüsselungszentrum‘ ist einsatzfähig und wird von der deutschen Behörden selbst genutzt. Wieder zeigt sich der Trend, dass Überwachungsmaßnahmen, die im eigenen Land schwer durchsetzbar sind, über die Ebene der Europäischen Union eingeführt werden. Das gilt auch für die potemkinsche ‚Vordertür-Debatte‘ des Chefs des Bundeskriminalamtes. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Anbieter zu verpflichten, verschlüsselte Kommunikation auszulesen, auf Vorrat zu speichern und den Behörden auf Wunsch herauszugeben. Damit handelt es sich um eine Hintertür. Wir lehnen diese Überwachungsphantasien ab. Statt der Schwächung sicherer Telekommunikation sollte das Bundesinnenministerium helfen, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung überall Standard wird…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 10. Februar 2020 externer Link mit Link zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Einsätze von sogenannten Stillen SMS, WLAN-Catchern, IMSI-Catchern, Funkzellenabfragen im zweiten Halbjahr 2019“
  • Überwachung: Verfassungsschutz schweigt über Zahl der Handyortungen 
    „… Es ist keine dankbare Aufgabe, Polizei und Geheimdienste danach zu fragen, wie viele Menschen sie überwachen. Die Antworten auf solche Fragen sind in der Regel recht einsilbig. Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Andrej Hunko, macht es trotzdem regelmäßig. Allerdings sind die entsprechenden Antworten jetzt noch sparsamer geworden, als sie es ohnehin schon waren. Seit 2014 fragt Hunko jedes halbe Jahr, wie oft die Behörden sogenannte stille SMS zur Überwachung nutzen. Eifrigste Anwender dieser Technik sind demnach die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das zumindest war aus den bisherigen Antworten der Bundesregierung auf Hunkos Fragebogen zu ersehen. 100.000 bis 180.000 stille SMS verschickten die Verfassungsschützer bisher pro Jahr. Seit 2019 ist diese Zahl jedoch geheim und darf damit nicht mehr veröffentlicht werden. (…) Hunko hält die Geheimhaltung für rechtswidrig, sie widerspreche den verfassungsrechtlichen Auskunftspflichten der Bundesregierung. Wie solle Missbrauch solcher Überwachungstechnik aufgedeckt werden, wenn niemand wisse, wie oft sie eingesetzt werde? Im Übrigen hätten erst diese parlamentarischen Anfragen dafür gesorgt, dass es eine öffentliche Auseinandersetzung mit der „elektronischen Spitzelei“ gebe, sagt Hunko.“ Beitrag von Kai Biermann vom 20. August 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Deutlich mehr „Stille SMS“ auch in Bundesländern 
    Polizei in Deutschland ist Ländersache, das betrifft auch die Überwachung der Telekommunikation: Allein in Schleswig-Holstein verschicken Polizeidirektionen so viele „Stille SMS“ wie die Bundespolizei. Ein BGH-Urteil sollte den Einsatz der heimlichen Ortungsimpulse eigentlich reglementieren. Bundesbehörden nutzen Mobiltelefone in steigendem Maße als Ortungswanzen. Das ergibt sich aus der Halbjahresübersicht, die das Bundesministerium des Innern (BMI) kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage veröffentlicht hat. Demnach verschickte die Bundespolizei im 2. Halbjahr 50.654 „Stille SMS“, vorher waren es noch 38.990. Eine Abnahme verzeichnen nur die Zahlen für das Bundeskriminalamt (BKA). In der zweiten Jahreshälfte hat die Behörde 21.337 „Stille SMS“ versandt, rund ein Drittel weniger als im Jahr zuvor. (…) Die polizeiliche Telekommunikationsüberwachung ist in Deutschland eigentlich Ländersache. Deshalb sind die Zahlen der Bundesbehörden nur wenig aussagekräftig. Ein Blick auf die Bundesländer zeigt eine deutliche Zunahme beim Versand „Stiller SMS“. So hat die Polizei Berlin im Jahr 2015 noch rund 138.000 heimliche Textnachrichten verschickt, 2018 hat sich die Zahl mehr als verdreifacht. In Schleswig-Holstein wurden im Jahr 2016 rund 45.000 „Stille SMS“ genutzt, diese Zahl wurde 2018 schon im ersten Halbjahr erreicht. Eine ähnliche Steigerung zeigt sich in Rheinland-Pfalz und in Brandenburg. Dort wird die Methode als „0-SMS“ bezeichnet. Viele weitere Anfragen nach den Informationsfreiheitsgesetzen liefen ins Leere…“ Artikel von Matthias Monroy vom 26.02.2019 bei Netzpolitik externer Link
  • „Stille SMS“: Innenministerium hält Zahlen erstmals geheim
    „Die Verfolgung von Personen mithilfe ihrer Telefone greift tief in deren Privatsphäre ein, die technischen Maßnahmen müssen deshalb überprüfbar sein. Das Bundesministerium des Innern möchte sich dazu aber nicht mehr in die Karten schauen lassen. Wir werden für die Freigabe der nunmehr geheimen Informationen kämpfen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zur Nutzung digitaler Fahndungsmethoden. Die Zahlen zu „Stillen SMS“, mit denen Mobiltelefone ohne Kenntnis der Nutzer/innen geortet werden können, nehmen für die Bundespolizei wieder zu. Nur für das Bundeskriminalamt verzeichnet die Halbjahresabfrage einen leichten Rückgang. Die heimliche Maßnahme wurde in den letzten Jahren vor allem vom Verfassungsschutz ausufernd genutzt. Diese Zahlen sind dieses Jahr erstmals als „geheim“ eingestuft. (…) Der Bundesgerichtshof fordert im vergangenen Jahr für jeden Versand Stiller SMS durch die Polizei einen richterlichen Beschluss. Die Auswirkungen dieses Urteils auf die Praxis des Verfassungsschutzes lassen sich jedoch wegen der Heimlichtuerei der Bundesregierung nicht feststellen. Vor einigen Jahren war das BMI bereits dazu übergegangen, die Zahlen zu ‚Stillen SMS‘ der Zollkriminalämter als Verschlusssache zu beantworten, Angaben zum Bundesnachrichtendienst sind sogar streng geheim. Dies bestätigt unsere grundsätzliche Skepsis gegenüber der Nutzung von Telefonen als Ortungswanzen.“…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 19. Februar 2019 externer Link
  • Stille SMS bei Bundesbehörden weiterhin beliebt: Nutzung bei der Bundespolizei hat sich mehr als verdoppelt
    Stille SMS, IMSI-Catcher, Staatstrojaner – nur eine kleine Auswahl an Werkzeugen, aus denen sich Behörden regelmäßig zur Überwachung bedienen. Auf Bundesebene sind die Zahlen zu Stillen SMS wieder angestiegen: Verfassungsschutz, BKA und Bundespolizei nutzten die unbemerkten Ortungshelfer im ersten Halbjahr 2016 insgesamt über 210.000 Mal. Stille SMS werden verschickt, um Verbindungsdaten beim Empfänger zu generieren. Damit lässt sich eine Person orten oder es können – wenn die Stillen SMS regelmäßig verschickt werden – Bewegungsprofile erzeugt werden. Der Betroffene merkt davon nichts, denn die SMS wird nicht auf dem Display angezeigt…“  Artikel von Anna Biselli am 16. August 2016 bei netzpolitik.org externer Link
  • Nordrhein-Westfalen: Polizei verschickt immer mehr heimliche „Stille SMS“
    … Bestätigt wird, was auch hier seit geraumer Zeit regelmäßig zu lesen ist: Der Versand der heimlichen Ortungsimpulse wird zur Standard-Maßnahme im Rahmen polizeilicher Ermittlungen, aber auch zur Gefahrenabwehr. Die Piraten hatten die seit Anfang 2014 versandten „Stillen SMS“ abgefragt. Allein die lokalen Polizeibehörden in Dortmund haben in 15 Monaten 107.669 Mal davon Gebrauch gemacht. Im gesamten Jahr zuvor lag diese Zahl noch bei 29.633. Eine „Stille SMS“ wird von den Behörden generiert und bleibt auf dem Display unsichtbar, erzeugt aber einen Verkehrsdatensatz bei den Mobilfunkanbietern. Dieser Kommunikationsvorgang kann mit richterlichem Beschluss im regulären Verfahren abgefragt werden. Auch die Standortdaten der Telefone werden protokolliert, deren BesitzerInnen können also geortet werden…Beitrag von Matthias Monroy bei netzpolitik.org vom 1. Juni 2015 externer Link. Aus dem Text: „… Praktisch für die Polizei: Der Versand von Ortungsimpulsen muss nicht in zeitraubenden Einzelanordnungen beantragt werden. Es genügt die einmalige richterlich angeordnete Überwachungsmaßnahme. Die Auskünfte aus NRW lassen aber keine Rückschlüsse über die Anzahl der Ermittlungsverfahren zu, denn diese werden nicht statistisch erfasst. Werden jede Stunde heimliche Kurznachrichten verschickt, entsteht ein aussagekräftiges Bewegungsprofil. Möglich ist aber auch, lediglich alle paar Tage eine „Stille SMS“ zu verschicken, etwa um Auslandsaufenthalte der Überwachten zu dokumentieren…

Siehe auch unser Dossier: Funkzellenabfrage: Die Fussfessel für jederman

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=76184
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