Geheimdienste und Journalisten: Totaler Vertrauensverlust

Dossier

Geheimdienste halten Journalisten für Gehilfen – oder für Gegner. Beides hat fatale Folgen. Über mindestens sieben Reporter hat der Verfassungsschutz in Hannover illegal Daten gesammelt…“ Artikel von Hans Leyendecker und Tanjev Schultz in Süddeutsche online vom 20. September 2013 externer Link. Aus dem Text: „… Die Verfassungsschutzbehörde in Niedersachsen hat, wie berichtet, offenbar jahrelang Daten von mindestens sieben Journalisten gespeichert. Im Fall der freien Autorin Andrea Röpke, die seit Jahren über die Neonazi-Szene recherchiert, hat das Amt auf Nachfragen schriftlich die Unwahrheit mitgeteilt: Nein, da gebe es nichts. Zu Frau Röpke habe man „weder eine Akte geführt, noch Angaben in Dateien gespeichert“. Nach dem Machtwechsel in Hannover kommt nun heraus, was wirklich geschah. Sechs Jahre lang wurden über Röpke Daten gesammelt. Ob ihr zielgerichtet nachgestellt oder sie immer nur dann vermerkt wurde, wenn sie irgendwo auftauchte, wo aus anderen Gründen Verfassungsschützer dabei waren, ist noch nicht klar. (…) Die Geschichte erlaubt Schlüsse, die weit über Niedersachsen hinausreichen. Geheimdienste halten Journalisten nicht selten für Gegner oder für Gehilfen. Für beide Varianten gibt es Belege…“ Siehe dazu:

  • Schon wieder – Verfassungsschutz erneut im Fokus
    Der Norddeutsche Rundfunk berichtet am 29.09.2013, dass der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet worden ist. Diese Überwachung steht offenbar im Zusammenhang mit der Überwachung – unter anderem – der Journalistin Andrea Röpke, die sich um die Aufklärung von rechtsextremistischen Strukturen verdient gemacht hat, und die zwischenzeitlich von Rechtsanwalt Adam in einem Prozess gegen den Verfassungsschutz vertreten wird. Nicht nur diese Beobachtung von JournalistInnen war jetzt bekannt geworden, sondern auch, dass die dazu gesammelten Daten von der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde kurzfristig vernichtet worden sind. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) nimmt diese aktuelle Nachricht zum Anlass, erneut zu unterstreichen, dass jede nachrichtendienstliche Erfassungvon BerufsgeheimnisträgerInnen wie RechtsanwältInnen und JournalistInnen abzulehnen ist. Diese Gruppen sind bekanntlich durch die Verfassung besonders geschützt. Diesen Schutz müssen gerade diejenigen Kolleginnen und Kollegen beanspruchen können, die sich engagiert mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen auseinandersetzen. Es geht daher nicht an, dass der Rechtsanwalt, der eine kritische Journalistin im Rechtsstreit mit dem Verfassungsschutz vertritt, seinerseits von demselben Dienst beobachtet wird…“ RAV-Pressemitteilung vom 30.9.13 externer Link
  • Verfassungsschutz-Panne: Bespitzelter Journalist wurde offenbar verwechselt
    Neuer Skandal um Niedersachsens Verfassungsschutz: Der Geheimdienst hat offenbar nicht nur etliche Journalisten unrechtmäßig in einer Extremismusdatei gespeichert. Jetzt kam heraus, dass einer der Bespitzelten wohl Opfer einer peinlichen Namensverwechslung wurde…“ Artikel von Hubert Gude und Jörg Schindler in Spiegel online vom 27.09.2013 externer Link. Aus dem Text „… Am Freitagmorgen musste Brandenburger im geheim tagenden Ausschuss „Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“ des niedersächsischen Landtags einräumen, was den Fall endgültig zur Spionageposse macht: Mit dem Journalisten Blaschke informierte sie offenbar den Falschen, er wurde wohl Opfer einer Namensverwechslung in ihrem Amt. Während nämlich Ronny Blaschke, Jahrgang 1981, mit dem Grundeinkommen wenig am Hut hat, ist Ronald Blaschke, Jahrgang 1959, Experte auf dem Gebiet. Letzterer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Linken-Chefin Katja Kipping und Sprecher des Netzwerks Grundeinkommen. In dieser Eigenschaft hält er auch schon mal vor den eigenen Leuten Vorträge. Und offenbar reichte schon das unter Schwarz-Gelb in Niedersachsen für den Verdacht, einen Umsturz zu planen…“
  • Überwachung von Journalisten: Keine Daten, keine Probleme
    Der niedersächsische Verfassungsschutz will die Journalistenüberwachung aufklären. Rechtswidrige Daten würden dann gelöscht werden. Artikel von Martin Kaul in der taz online vom 26. 09. 2013 externer Link. Aus dem Text: „… Es gibt allerdings einen großen Haken: Geht es nach dem niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz, dann dürfte die vermeintliche Aufklärung nun einen gegenteiligen Effekt haben – und einen systematischen Datenvernichtungsprozess in Gang setzen. Denn im Gesetz ist festgehalten, dass rechtswidrig erhobene Daten umgehend zu löschen sind, sobald sie auffallen. Was sich zunächst plausibel anhört, kann aber leicht genutzt werden, um bespitzelten Personen ihren Rechtsschutz zu entziehen. (…) Statt rechtswidrige Daten flugs zu löschen, hilft es betroffenen Personen also mehr, die Daten zunächst zu sperren und die Betroffenen über die rechtswidrige Beobachtung in Kenntnis zu setzen. Dann sind die Daten für das Amt nicht mehr nutzbar, können aber zur Auskunft der Betroffenen und zur rechtlichen Klärung genutzt werden. Das wäre in Niedersachsen auch möglich, denn im Gesetz steht ebenso: „Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden.“ (…) In einer Verfügung, so sagt es ein Sprecher der Verfassungsschutzbehörde der taz, sei nun festgehalten, dass im Rahmen der Aufarbeitung grundsätzlich keine Daten von möglicherweise betroffenen Journalisten mehr vorschnell gelöscht, sondern zunächst nur gesperrt werden. Die entscheidende Frage aber: Wieso dürfen diesen Luxus nur Journalisten genießen?…“
  • Niedersächsischer Verfassungsschutz: Bespitzelung mit Nachspiel
    In der Überwachungsaffäre leitet taz-Autorin Andrea Röpke als erste Betroffene rechtliche Schritte ein: Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft.
    Wenn sich Niedersachsens Landtag am Mittwoch in der Aktuellen Stunde mit der illegalen Journalistenbespitzelung durch den Verfassungsschutz befasst, liegt die Sache längst bei der Staatsanwaltschaft Hannover. Dort stellte die Rechtsextremismusexpertin und taz-Autorin Andrea Röpke bereits am Dienstag Strafanzeige wegen Urkundenunterdrückung, wie ihr Anwalt Sven Adam mitteilte.  Auch der Sportjournalist Ronny Blaschke, der sich unlängst als weiterer Betroffener geoutet hat, kündigt rechtliche Schritte an… “ Artikel von Teresa Havlicek und Andreas Speit in der taz online vom 24. 09. 2013 externer Link
  • Überwachung der Journalistin Röpke: Vom Verfassungsschutz belogen
    Sie gilt als eine der besten Kennerinnen der rechten Szene. Jahrelang wurde die Journalistin Andrea Röpke vom Verfassungsschutz beobachtet.  Der Anruf erreichte Andrea Röpke auf dem Weg zu einem Vortrag. Am Mittwoch unterrichtete die niedersächsische Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger die Journalistin darüber, dass ihre Behörde sechs Jahre lang Daten über sie gesammelt hat.  Keine Stunde später verkündete der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD), dass auch weitere Journalisten betroffen sind. Seitdem ist Röpke unfreiwillig zum Gesicht einer neuen Verfassungsschutzaffäre geworden…“ Artikel von Andreas Speit in der taz vom 19. 09. 2013 externer Link
  • Journalistinnen und Journalisten bespitzelt. ver.di fordert schnellstmögliche Aufklärung von Ex-Innenminister Schünemann
    Einen „rechtswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit“ nannte ver.di-Sprecher Friedrich Siekmeier die Informationen, die der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius über Aktivitäten des Verfassungsschutzes in der Verantwortung seines Vorgängers Schünemann heute öffentlich machte. Siekmeier, niedersächsischer Geschäftsführer der Deutschen Journalisten-Union (dju) in ver.di, forderte von Schünemann und allen sonstigen Verantwortlichen schnellstmögliche genaue Aufklärung der wenigstens sechs Fälle von Bespitzelung von Journalistinnen und Journalisten…“ Pressemitteilung vom 18.09.2013 von ver.di Niedersachsen-Bremen bei der dju externer Link
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