Die Verteidigung des Rassismus durch das BKA nach den Hanauer Morden stößt auf Protest

[M] NICHT EINFACH SO WEITER! Aufruf der antifa nt zur antifaschistischen Demo anlässlich des NSU-Prozesses am 13.04. in MünchenLaut mehreren Medienberichten arbeitet das BKA derzeit an einem Abschlussbericht zu den Ermittlungen in Hanau und kommt darin zu dem vorläufigen Fazit, dass der Täter „kein Anhänger einer rechtsextremistischen Ideologie“ gewesen sei und keine „typische rechtsextreme Radikalisierung“ durchlaufen habe. Dazu erklärt die „Initiative 19. Februar Hanau“, die seit den Morden gemeinsam mit vielen anderen die Unterstützung für Angehörige der Opfer und Betroffene von Rassismus in Hanau organisiert: Deutschland hat seit Jahrzehnten ein Rassismus-Problem, ein Problem mit rechtem Terror. Dazu gehört auch, Nazis nicht zu erkennen und nicht als solche zu benennen. Es reicht ganz offensichtlich nicht einmal, 9 Menschen aus rassistischen Motiven zu töten, um vom BKA als „Rechtsextremist“ eingestuft zu werden. Das ist unglaublich – und war trotzdem absehbar...“ – so beginnt die „Stellungnahme der Initiative 19.Februar“ vom 30. März 2020 zu den Umtrieben des BKA nach Hanau – die wir im Folgenden dokumentieren. Siehe neben der Dokumentation der Erklärung auch zwei weitere aktuelle Beiträge und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu dieser Weißwasch-Offensive des BKA:

  • Stellungnahme der Initiative 19.Februar externer Link
    Laut mehreren Medienberichten arbeitet das BKA derzeit an einem Abschlussbericht zu den Ermittlungen in Hanau und kommt darin zu dem vorläufigen Fazit, dass der Täter „kein Anhänger einer rechtsextremistischen Ideologie“ gewesen sei und keine „typische rechtsextreme Radikalisierung“ durchlaufen habe. Dazu erklärt die „Initiative 19. Februar Hanau“, die seit den Morden gemeinsam mit vielen anderen die Unterstützung für Angehörige der Opfer und Betroffene von Rassismus in Hanau organisiert: Deutschland hat seit Jahrzehnten ein Rassismus-Problem, ein Problem mit rechtem Terror. Dazu gehört auch, Nazis nicht zu erkennen und nicht als solche zu benennen. Es reicht ganz offensichtlich nicht einmal, 9 Menschen aus rassistischen Motiven zu töten, um vom BKA als „Rechtsextremist“ eingestuft zu werden. Das ist unglaublich – und war trotzdem absehbar. Als Gegenargument gegen eine rechtsextreme Gesinnung zieht das BKA scheinbar die Neigung des Täters zu Verschwörungstheorien, seine psychische Auffälligkeit und die fehlende Anbindung an das klassische rechtsextreme Milieu heran. Aber die rechtsextreme Gesinnung des Täters von Hanau ist unzweifelhaft, sie ist in seiner Tat und seinem „Manifest“ dokumentiert. Das BKA scheint, wie auch andere Behörden, schlicht falsche Kategorien anzuwenden. Verschwörungstheorien, irrationaler Hass, Frauenfeindlichkeit und auch „psychische Auffäligkeit“ kennzeichnen das Milieu, in dem die AfD und andere neue Faschisten ihre Massenbasis haben. Es ist die gleiche Logik, die beim NSU dazu führte, von einem Trio zu sprechen. Es ist kein Wunder, dass solche Taten nicht verhindert werden, wenn die zuständigen Behörden selbst jetzt nicht verstehen wollen, dass sie ihre Kriterien überprüfen und der Gegenwart anpassen müssen. Die organisierten Glatzköpfe mit Springerstiefeln sind die Faschisten von gestern. Man muss heute keinen Kontakt mehr zu ihnen haben, um rechtsextrem sein zu können. Und es ist kein Widerspruch, psychisch krank und trotzdem ein Nazi zu sein. Nach den vielen warmen Worten von Politikern und dem großen Medienrummel nach dem Anschlag ist Hanau bei vielen schnell in Vergessenheit geraten. Jetzt, wo die Kameras weg sind, soll scheinbar wieder der ganz normale Umgang von Polizei, Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutz stattfinden: Vertuschen und Verharmlosen. Wir bekommen vom BKA die ersten Häppchen für die Einzeltäter-These vorgelegt. Jetzt müssen wir alle wachsam sein und die offenkundig rassistische, rechtsextreme Tat weiter als das benennen, was sie war: Rechter Terror, der offensichtlich – wie auch beim NSU – zu den Akten gelegt werden soll. Das werden wir nicht zulassen“.
  • „„Furcht vor Verharmlosung““ von Konrad Litschko am 30. März 2020 in der taz online externer Link unterstreicht: „… Fast alle der 100 sichergestellten Videodateien auf R.s Computer und Handy stufen die Ermittler demnach als nicht „tatrelevant“ ein. Auch seien keine Hinweise gefunden worden, dass sich der 43-Jährige in der Vergangenheit mit rechtsextremer Ideologie befasst habe. Bekannte der Familie hätten davon ebenso nichts bemerkt, einem schwarzen Nachbarn soll R. wiederholt geholfen haben. Tobias R. habe sich vielmehr in Verschwörungstheorien hineingesteigert, so die Ermittler. Seine Tat habe ihm dann dazu gedient, größtmögliche Aufmerksamkeit für diese Theorien zu erheischen. Vor seiner Tat hatte Tobias R. ein 24-seitiges Dokument veröffentlicht, auch ein inhaltsgleiches Video. Darin beklagt er, sein Leben lang überwacht worden zu sein, von einer „Geheimorganisation“, die sich in Gehirne „einklinken“ könne. Gleichzeitig aber ätzte er auch über Menschen mit Migrationshintergrund, die „in jeglicher Hinsicht destruktiv“ seien. Hier brauche es eine „Grob-Säuberung“. „Ich würde diese Menschen alle eliminieren.“ Seine Tat sei deshalb ein „Doppelschlag“, so Tobias R.: „gegen die Geheimorganisaton und gegen die Degeneration unseres Volkes“. Die rassistischen Passagen habe Tobias R. erst spät seinem Dokument hinzugefügt, hatte Generalbundesanwalt Peter Frank kurz nach der Tat mitgeteilt. Denn seine Behörde hatte bereits im November 2019 den Schriftsatz erhalten – indes nur mit den Ausführungen über die „Geheimorganisation“. Frank stufte den Hanauer Anschlag damals als rechtsextrem ein. Zu der aktuellen Berichterstattung wollte sich seine Behörde nicht äußern. Bei der Einstufung der Tat soll es aber offenbar weiterhin bleiben – auch wenn der Täter nicht mehr als rassistisch gilt. Die Angehörigen der Getöteten habe die Nachricht dennoch verunsichert, sagt der Hanauer Opferbeauftragte Erkan. „Für sie ist das eine gefühlte Herabstufung der Tat. Die Botschaft lautet: Es war am Ende doch nur ein psychisch Kranker.“ Die Tat sei aber augenscheinlich mehr gewesen, so Erkan. Er verweist auf die Opferauswahl und darauf, dass der Täter „kalkuliert gehandelt hat, bei klarem Verstand“. „Die Familien befürchten eine Verharmlosung der Tat, die besonders schmerzt.“...“
  • „Der Wahn ist politisch“ von Konstantin Nowotny am 30. März 2020 im Freitag online externer Link hebt hervor: „… Diese Gegenüberstellung von „rechtsextrem“ und „wahnhaft“ produziert nicht nur offenkundige Paradoxien wie den rechten Täter ohne rechte Tat (München) oder die rechte Tat ohne rechten Täter (Hanau), sie ist gefährlich. Die AfD Sachsen-Anhalt bezog sich auf den antisemitischen Attentäter von Halle, als sie von einem „konstruierten“ politischen Tatmotiv sprach. Die Pathologisierung von Tat und Täter soll erkennen lassen, dass es eine Schwelle zum Wahn gebe, ab der man sich mit der politischen Gesinnung des Täters nicht mehr beschäftigen muss. Und sie offeriert eine sedierende Ohnmacht: Psychisch Kranke gibt es nun mal, da kann man nichts machen. Kurz nach den Anschlägen in Hanau sagte die Kriminologin Britta Bannenberg der Zeit: „Schwer psychisch krank zu sein und rechtsextrem und rassistisch – das ist kein Widerspruch.“ Psychische Krankheiten gibt es immer, aber sie nehmen in ihrer konkreten Ausformung die Form an, die eine Gesellschaft ihnen im jeweiligen diskursiven Kontext anträgt. Die Unterscheidung zwischen einer „rechtsextremen Gesinnung“ und Verschwörungsideologien, die das BKA offenbar anstrebt, macht ratlos. Zwar gibt es auch im linken politischen Spektrum Anhänger von Verschwörungstheorien; den in den vergangenen Jahren erstarkten rechten und rechtsextremen Diskursen liegen jedoch sehr häufig Mythen zugrunde, die einen Ausnahmezustand entwerfen: der Kulturkampf, der „Tag X“. Rechte proben den Aufstand, impfen ihn ein, sie ordnen komplexen Problemen konkrete Schuldige zu, ganz gleich, ob sie schuldig sind. Die Idee, dass hinter jeder gefühlten Ungerechtigkeit ein Feind aus Fleisch und Blut steht, den man gewaltsam bekämpfen muss, ist ihre Essenz. Paranoia und Verschwörungswahn entstehen nicht im luftleeren Raum, sie können erst manifest werden, wenn sie an dissonante Gefühle andocken. Statt sich mit der Erkenntnis zufriedenzugeben, dass die Täter psychisch krank waren, könnte man sich mit der Frage beschäftigen, warum die umhergeisternden Katastrophenszenarien einigen offenbar derartig plausibel erscheinen, dass sie ihr Leben dafür hergeben und weiteres nehmen wollen...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=168541
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