Bundesverfassungsgericht erklärt Datenweitergabe von Inlandsgeheimdienst an Polizei für unzulässig fordert gesetzliche Nachbesserungen zum Trennungsgebot

Geheimdienste vor Gericht: kriminelle V-Leute, illegale Abhörpraktiken, machtlose Kontrolle - was muss sich ändern? Tribunal am 22.10.2016 in Berlin„Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf nicht mehr, wie bislang üblich, heimlich über Personen gesammelte Daten nach Belieben an Polizeibehörden weitergeben. So steht es in der schriftlichen Fassung des Urteils vom 28. September, das am Donnerstag auf der Webseite des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht wurde. Die Praxis verstößt demnach gegen das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei, das nach den Erfahrungen mit der Gestapo unter dem Naziregime als deutscher Rechtsgrundsatz gilt. Konkret geht es in dem Urteil um Paragraph 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, der die Übermittlung von Informationen durch das Bundesamt an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden bestimmt…“ Artikel von Matthias Monroy in der jungen Welt vom 4. November 2022 externer Link, siehe mehr daraus und dazu:

  • Weiter im Artikel von Matthias Monroy in der jungen Welt vom 4. November 2022 externer Link („Trennungsgebot missachtet“): „… Beschwerdeführer war laut der Urteilsbegründung zufolge ein Mann, der im Münchner Prozess um den rechtsterroristischen »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) im Jahr 2018 wegen Beihilfe zu Mordes in neun Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Da er sich angeblich glaubhaft von der Neonaziszene distanziert habe, befinde er sich derzeit im Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts. Der Name des Klägers wird in dem Urteil nicht genannt, die Angaben passen aber auf den damals verurteilten Carsten S. In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den monierten Paragraph 20 des Verfassungsschutzgesetzes nicht für grundsätzlich nichtig erklärt. Denn ansonsten hätte der Geheimdienst jede Datenweitergabe an andere Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sofort beenden müssen. Im Gegenteil betonen die Richter sogar, zur Verhinderung und Verfolgung von Staatsschutzdelikten sei ein effektiver Informationsaustausch »von großer Bedeutung«. Jedoch sei der Paragraph »nicht hinreichend normenklar gefasst«. Das Bundesverfassungsschutzgesetz gilt also vorübergehend fort, muss aber bis Ende 2023 entsprechend geändert werden. Das Gericht hat dem Gesetzgeber dazu einige Stichworte mit auf den Weg gegeben. So soll die Übermittlung persönlicher Daten durch den Geheimdienst auf den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter oder die Verfolgung besonders schwerer Straftaten beschränkt sein. Zudem soll jede Datenweitergabe protokolliert werden, damit sie von Kontrollgremien überprüft werden kann. »Das Urteil ist ein Gewinn für alle Menschen, die in den Fokus der Geheimdienste geraten«, kommentierte der Rechtsanwalt Bijan Moini von der »Gesellschaft für Freiheitsrechte« am Donnerstag gegenüber jW. »Und es demonstriert einmal mehr, dass der Bundes- und die Landesgesetzgeber es im Geheimdienstbereich mit den Grundrechten leider nicht allzu genau nehmen.« Auf Twitter begrüßt auch die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Martina Renner, die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Grundrechte würden gegen die zwielichtige Geheimdienstpraxis gestärkt. Dass die Beschwerde von einem Neonazi angestrengt wurde, berühre die Bedeutung des Urteils nicht.“
  • Zu weiteren Details der Urteilsbegründung siehe die BVerfG-Pressemitteilung Nr. 85/2022 vom 3. November 2022 zum Beschluss 1 BvR 2354/13 des Ersten Senats vom 28. September 2022 externer Link
  • Siehe auch unser Dossier: GFF-Klage gegen uferlose Befugnisse des Bayerischen Inlandsgeheimdienstes beim Bundesverfassungsgericht
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=205859
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