Regierung will Fahnen und Zeitungen von revolutionären Organisationen aus Lateinamerika und Asien verbieten – und die von Islamisten

Gegen Internetsperren in einer freien GesellschaftGegen Internetsperren in einer freien Gesellschaft„Die Bundesregierung will noch vor der Sommerpause eine Gesetzesverschärfung durchbringen, die sich gegen Organisationen auf der „EU-Terror-Listeexterner Link richtet. Darunter befinden sich zum einen islamistische Strukturen, zum anderen auch revolutionäre Organisationen aus Kolumbien, den Philippinen, Peru, Kurdistan, Palästina, Türkei und Sri Lanka, die teils seit Jahrzehnten gegen faschistische Unterdrückung kämpfen. Die Regierungsfraktionen von CDU, CSU und SPD haben sich auf eine Verschärfung des § 86 im Strafgesetzbuch (StGB) geeinigt. Dieser stellt das „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ unter Strafe. Dazu gehören beispielsweise das Zeigen von Fahnen oder die Verbreitung von Publikationen der Organisationen. (…) Etwa die Hälfte der dort gelisteten Organisationen sind islamisch-fundamentalistische Terror-Gruppen. Faschistische Organisationen werden nicht genannt, dafür viele linke Organisationen, sie sich in teils jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit faschistischen Diktaturen befinden…“ Meldung vom 21. Juni 2021 von und bei Perspektive online externer Link und eine Anmerkung von Armin Kammrad:

Anm. dazu von Armin Kammrad vom 22. Juni 2021

Hier ist bereits aus verfassungsrechtlichen Gründe diese Gesetzesänderung angreifbar. § 86 StGB beschränkt sich auf das innerstaatliche Recht. Die Beurteilung politischer Konflikte in anderen Staaten ist dagegen grundsätzlich Sache des Völkerrechts. Hier müsste es um verallgemeinerbare Kriterien gehen. Was „Terrorismus“ eigentlich ist, bleibt jedoch strittig oder unvollkommen und wird teilweise sogar gerade für Terror als Rechtfertigung missbraucht.

Nach dem deutschen Strafrecht gelten (bis jetzt) nach § 86 Abs. 2 nur solche Propagandamittel als verfassungswidrig, „deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.“ Wird dieses Kriterien zugrunde gelegt, müsste eigentlich Propaganda von vielen internationalen Organisationen und Regierungen verboten sein. Dies ist jedoch nicht der Fall und in sofern verhält sich die Koalition mit dieser Gesetzesänderung politisch befangen, greift streng genommen in die Meinungsfreiheit von Art. 5 GG ein, bzw. versucht mit staatlicher Gewalt eine Gleichschaltung der politischen Propaganda zu fördern. Ja, mehr noch: Durch solche ideologisch geprägte gesetzliche Eingriffe, muss sich hier die gesetzgebende Mehrheit sogar vorwerfen lassen, dass sie u.U. genau jene unterstützt, die genau dass praktizieren, was nach § 86 unter strafbare Propaganda fällt: Angriffe gegen demokratische Grundsätze und gegen das Prinzip der Völkerverständigung. Außerdem treten – zumindest verbal – auch ein Großteil genau der Organisationen für (echte) Völkerverständigung ein, die wegen ihres bewaffneten Kampfes nun unter die Strafbarkeit von § 86 StGB fallen sollen. Dass sie sich alle gegen die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ richten, ist ebenso eine ideologisch geprägte Einseitigkeit, wie die Globalisierung des eigenen nationalen Demokratie-Verständnisses. So kann man so etwas z.B. der PKK bestimmt nicht vorwerfen, weil es in der Türkei zurzeit eben gar keine mit dem deutschen Grundgesetz vergleichbare Demokratie sowie nicht einmal mehr eine Verständigung besondern mit den Kurden gibt.

Schließlich sei daran erinnert, dass es grundsätzlich ein gefährlicher Weg ist, Strafrecht zu politisieren. Selbst nach dem Verständnis des BVerfG sind Meinungsäußerungen erlaubt, die sich gegen das Grundgesetz richten. Warum dies bei persönlichen Bewertung ausländischer Organisationen nun anders sein soll, lässt sich somit überhaupt nicht rechtfertigen. Demokratie lebt vom Meinungskampf. Eine „Zensur findet nicht statt“ (Art. 5 Abs. 1 GG) – schon gar nicht durch Einsatz staatlicher Gewalt bei unbeliebter Meinung (wer auf kapitalistische Ausbeutung schwört, wird deren Beseitigung wohl kaum begrüßen). Dass nun die ursprüngliche Zielrichtung gegen Rechts sich nicht nur gegen eindeutig demokratiefeindliche islamistische, sondern auch linke Organisationen wenden soll, lässt sich übrigens selbst als Rechtsentwicklung begreifen. Übrigens: Gewalt grundsätzlich als schädlich für jede Völkerverständigung, will man bei der ganzen Begeisterung für mehr Militäreinsätze natürlich nicht ins Gesetz nehmen. Offensichtlich stört aber linke Gewalt – auch wenn sie sich gerade für und nicht gegen mehr Völkerverständigung bekennt.

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