[Start 8.11.2018] Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte“ an der Ruhr Universität Bochum befragt Betroffene

Dossier

Stoppt PolizeigewaltKörperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen ist bislang kaum empirisch untersucht, obwohl das Thema auch die öffentliche Debatte intensiv beschäftigt. Insbesondere zum Dunkelfeld und zu viktimologischen, also die Opferwerdung betreffenden Aspekten, liegen praktisch keine Erkenntnisse vor. Auch die Dynamik der Konfliktsituationen und ihre Aufarbeitung ist unzulänglich erforscht. Vor diesem Hintergrund untersucht das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt erstmalig systematisch rechtswidrige polizeiliche Gewaltanwendung aus der Perspektive der Opfer und im Kontext des polizeilichen Bearbeitungsprozesses. Im Fokus stehen dabei Viktimisierungsprozesse, das Anzeigeverhalten und die Dunkelfeldstruktur, die mit einer quantitativen Opferbefragung (Online-Fragebogen) und qualitativen Expert*inneninterviews untersucht werden sollen….“ – so beginnt die Vorstellung des Projekts „KVIAPOL“ der Juristischen Fakultät der Ruhr Universität Bochum, das seit dem 08. November 2018 externer Link begonnen hat. Darin werden zur Teilnahme eingeladen: „An der Studie können Betroffene teilnehmen, denen rechtswidrige körperliche Gewalt durch die Polizei in Deutschland widerfahren ist. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert ca. 30 Minuten.  Gerne können Sie das Projektteam auch per E-Mail (pgp) kontaktieren…“ Siehe dazu auch die konkrete Vorstellung des Forschungsprogramms:

  • Studie zu Polizeigewalt: Männliche Beamte als Täter – Forschungsprojekt zu Körperverletzung durch Polizisten legt Abschlussbericht vor: „Gewalt im Amt. Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung“ New
    „Vor allem männliche Polizisten im Alter bis 30 Jahre wenden im Einsatz übermäßig Gewalt an, auch davon Betroffene sind überwiegend männlich und durchschnittlich 26 Jahre alt. Eine Ausnahme bilden Demonstrationen oder politische Aktionen, bei denen etwa der Anteil von Polizeigewalt betroffener Frauen 36 Prozent beträgt. So lauten zentrale Ergebnisse, die das Forschungsprojekt »Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen« (KviAPol) zutage gefördert hat. Am Dienstag haben die Beteiligten des inzwischen an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main angesiedelten Vorhabens ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die in KviAPol vorgestellten Befunde erhellen das sogenannte Dunkelfeld polizeilicher Übergriffe, also nicht bekannt gewordene und nicht angezeigte Fälle. Unter Leitung von Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht, haben die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus dazu mehr als 3300 Teilnehmende online befragt und über 60 qualitative Interviews mit Angehörigen von Polizei und Justiz, Opferberatungsstellen und Anwälten geführt. Die meisten Betroffenen erlitten Polizeigewalt in verschiedenen Formen, beinahe zwei Drittel berichten von Schlägen sowie Stößen. Bei Fußballspielen und anderen Großlagen setzte die Polizei in ähnlicher Größenordnung Pfefferspray ein. Außerhalb von Großveranstaltungen beklagen 62 Prozent der Betroffenen unangebrachte Fesselungen und Fixierungen. 19 Prozent aller Befragten berichten von schweren Verletzungen, darunter an Gelenken und Sinnesorganen. Je schwerer die Verletzungen, desto schwerer waren auch die psychischen Folgen, heißt es weiter. 16 Prozent der Teilnehmenden verweisen auf einen Migrationshintergrund. Die meisten diese Personengruppe betreffenden Fälle erfolgten bei Polizeikontrollen sowie Konflikten, zu denen Beamte gerufen wurden. In Interviews geben einige der Polizisten zudem die Existenz nicht erlaubter Einsatzmittel zu. »Wir haben selbstgedrechselte, wie heißen die, so japanische Massagestäbe«, berichtet eine polizeiliche Führungskraft. An einem Bändchen im Ärmel befestigt sei das von einem handwerklich begabten Kollegen gebaute Gerät in unbeobachteten Momenten genutzt worden, um den Opfern an bestimmten Körperstellen große Schmerzen zuzufügen. (…) Nur 14 Prozent der von uns befragten Betroffenen gab an, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe«, stellt Tobias Singelnstein fest. (…) In Bezug auf die Bewertung polizeilicher Gewalt in Gesellschaft und Justiz erweise sich die polizeiliche Deutungsweise als besonders durchsetzungsfähig, hält das Forschungsteam als ein zentrales Ergebnis der Studie fest. Dies dokumentiere die »besondere Definitionsmacht der Polizei«. Deshalb brauche es beispielsweise unabhängige Kontroll- und Beschwerdestellen für die Polizei…“ Rezension von Matthias Monroy vom 16. Mai 2023 in Neues Deutschland online externer Link

    • Die Gesamtergebnisse der verschiedenen Teilbereiche des Forschungsprojektes können als 12-seitigen Zusammenfassung der Ergebnisse oder als 500 Seiten starkes Buch »Gewalt im Amt« externer Link bestellt oder frei heruntergeladen werden
    • Für die Debatte und die Abwehrreaktionen v.a. der Polizeigewerkschaften siehe den Twitter-Account von Tobias Singelnstein externer Link
  • Interview mit Tobias Singelnstein: „Ein Polizist ist kein gewöhnlicher Beschuldigter“ 
    Weniger als ein Prozent: So oft kommt es bei Fällen von mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt zu einer Verurteilung. Das liegt oft an der schwierigen Beweislage, sagt Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum, im Gespräch: [Herr Singelnstein, die Verurteilungsquote bei Untersuchungen wegen Körperverletzung im Amt ist sehr niedrig. Manche Betroffenen vermuten daher eine „Komplizenschaft“ zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Ist da was dran?] Komplizenschaft hört sich sehr intentional an. Aus meiner Sicht geht es eher um das generelle Verhältnis zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft. Die beiden Organisationen arbeiten naturgemäß sehr eng zusammen. Ein Polizist ist für die Staatsanwaltschaft somit von Anfang an kein gewöhnlicher Beschuldigter. Außerdem können Staatsanwälte nur Anklage erheben, wenn sie eine Verurteilung für wahrscheinlich halten und dafür braucht es eine ausreichende Beweislage. Diese ist bei Verfahren wegen Körperverletzung im Amt aber oft schwierig. Darüber hinaus scheinen Staatsanwaltschaften in solchen Fällen mitunter ein höheres Beweisniveau zu verlangen und entlastende Umstände stärker zu berücksichtigen. Steht es dann am Ende Aussage gegen Aussage, folgen Staatsanwälte in der Praxis oft eher den Aussagen der Polizeibeamten. Im Strafrecht gilt, dass man einer bestimmten Person eine ganz konkrete Handlung nachweisen muss. Das ist aber nicht einfach, wenn Polizisten in größeren Gruppen agieren. Da können auch Videos oder Zeugenaussagen oft keine Klarheit bringen. Dazu kommt die ungeschriebene Regel in der Polizei, dass man in solchen Verfahren nicht gegen seine Kollegen aussagt…“ Interview von Jana-Sophie Brüntjen am 12.03.2021 beim Migazin externer Link
  • Offener Brief: Gegen die Diskreditierung unabhängiger Polizeiforschung durch Vertreter*innen der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz 
    „Die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (HdP RP) initiierte in einer jüngst bekannt gewordenen Mail eine Kampagne gegen eine wissenschaftliche Studie zu Körperverletzung im Amt (KViAPol), welche finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), an der Ruhr-Universität zu Bochum von Prof. Tobias Singelnstein, Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus durchgeführt wird und die bisher zwei Zwischenberichte veröffentlicht hat. Der Versuch einer polizeilichen Selbstimmunisierung gegen externe Forschung, sowie die gezielte Verächtlichmachung einer Studie, deren Ergebnisse der HdP RP nicht gefallen, sind ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft. (…) Ein derartiges Vorgehen der HdP RP im Sinne einer Kampagnenarbeit gegen unabhängige Polizeiforschung ist für eine staatlich finanzierte Hochschule befremdend. Es reiht sich ein in eine Vielzahl verschiedener ähnlich gelagerter Kritiken der Polizeigewerkschaften (DPolG, GdP), aus Teilen der Polizei und der Polizeiwissenschaft/Kriminologie am Forschungsdesign und an den vorläufigen Ergebnissen der Bochumer Studie. Die Heftigkeit der Kritik ist angesichts der reflektierten Methodologie der Studie mehr als eigentümlich. Die Mail des Präsidenten der HdP RP Friedel Durben werten wir als Versuch, Forschungsvorhaben, die nicht an den Polizeihochschulen angesiedelt sind und von deren Ergebnissen ein Schaden des Images der Polizei befürchtet wird, zu unterbinden bzw. zu sabotieren. (…) Wir fordern daher von der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz ein klares Bekenntnis zur Freiheit der Forschung und Wissenschaft nach Art. 5 GG – auch für die Polizeiforschung. Der offene Brief kann durch eine formlose Mail unterzeichnet werden: forschungsgruppe_sicherheit@gmx.net“ Von diversen Wissenschaftlern bereits unterzeichneter offener Brief, veröffentlich am 17. Februar 2021 von Peter Ulrich auf seinem Blog „textrecycling“ externer Link – kann noch unterschrieben werden!
  • KviAPol: Zweiter Zwischenbericht zu „Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung“ 
    „Am 11. November 2020 wurde der zweite Zwischenbericht des Forschungsprojekts KviAPol veröffentlicht. In diesem Bericht werden sowohl quantitative Befragungsdaten von Betroffenen als auch qualitative Interviews mit Expert*innen aus Polizei und Zivilgesellschaft zusammengeführt und im Hinblick auf „Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung“ ausgewertet. Es wurde untersucht, inwiefern sich die Erfahrungen von Personen mit Migrationshintergrund sowie People of Color von Personen ohne Migrationshintergrund bzw. weißen Personen unterscheiden. Wichtige Befunde ergeben sich außerdem aus der Gegenüberstellung der Perspektive von Betroffenen und der polizeilichen Perspektive. Die Auswertung macht Tendenzen im Hinblick auf Diskriminierungserfahrungen von Personen mit Migrationshintergrund und PoC bei Kontakten mit der Polizei sichtbar. Diese Erkenntnisse sind jedoch weder umfassend noch abschließend. Vielmehr können sie nur als Ausgangspunkt für weitere Forschung dienen, die dringend erforderlich ist. In Zusammenarbeit mit dem Mediendienst Integration wurde außerdem eine Expertise zum Thema zusammengestellt, die sich insbesondere an Presse- und Medienvertreter*innen richtet, und die Ergebnisse des Berichts zusammenfasst. Bitte beachten Sie, dass sowohl der zweite Zwischenbericht als auch die Expertise explizite Schilderungen von Rassismus- und Gewalterfahrungen enthalten…“ Pressemeldung des Forschungsprojekts KviAPol der Juristischen Fakultät der Ruhr Universität Bochum vom 11. November 2020 externer Link zum kompletten 62-seitigen Zwischenbericht externer Link , dort auch die Expertise für den Mediendienst Integration externer Link , die die wichtigsten Ergebnisse des zweiten Zwischenberichts zusammenfasst
  • Zwischenbericht im Forschungsprojekt zu rechtswidriger Polizeigewalt: Über 70 Prozent der Befragten berichten von körperlichen Verletzungen 
    Die Befragung zeigt ein erhebliches Dunkelfeld. Ein Grund dafür ist, dass die Betroffenen die Erfolgsaussichten einer Anzeige gering einschätzen. Über 3.300 Berichte konnten die Forscherinnen und Forscher des Lehrstuhls für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) von Prof. Dr. Tobias Singelnstein im ersten Teil des Projekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (Kviapol) auswerten. Nach dem Abschluss der Online-Befragung präsentieren sie einen Zwischenbericht externer Link. Er zeigt unter anderem, dass in 86 Prozent der berichteten Vorfälle kein Strafverfahren durchgeführt wurde, die Fälle also nicht in die Statistik eingingen. Über 70 Prozent der Befragten berichten von körperlichen Verletzungen. Wie stets bei Viktimisierungsbefragungen wurden in der Studie Erfahrungen und Einschätzungen der Befragten erhoben. Die Daten geben somit deren Perspektive auf die erlebte Gewaltanwendung wieder. Die Stichprobe ist aufgrund der gewählten Rekrutierungsstrategie nicht repräsentativ. Den zweiten Teil der Studie, die noch bis zum Jahr 2020 läuft, bilden 60 Interviews mit Expertinnen und Experten aus Polizei, Justiz und Zivilgesellschaft…“ Meldung der RUB zum Zwischenbericht vom 17. September 2019 externer Link
  • Zwischenbilanz des Untersuchungsprojektes zur Polizeigewalt: Meistens bei Demonstrationen, oft bei Fußballspielen 
    „… Die Ruhr-Universität Bochum hat heute den Zwischenbericht zur größten Polizeigewalt-Studie veröffentlicht, die je in Deutschland durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 3.375 Fälle mutmaßlich rechtswidriger oder übermäßiger Polizeigewalt analysiert. Wie immer bei Befragungen von Betroffenen bildet dieser Ausschnitt deren Einschätzungen und Bewertungen ab und nur in wenigen Fällen gerichtlich festgestellte Sachverhalte. In 55 Prozent der erfassten Fälle fand die Polizeigewalt bei einer Demonstration oder politischen Aktion statt, bei 25 Prozent auf einer Großveranstaltung oder einem Fußballspiel, die restlichen 20 Prozent verteilen sich über andere Kontaktsituationen mit der Polizei. In 54 Prozent der Fälle eskalierte die Situation in weniger als zwei Minuten vom ersten Kontakt bis zu der berichteten Gewaltausübung. Das galt vor allem für Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspiele, aber auch für Maßnahmen wie Fest- und Ingewahrsamnahmen, Wohnungsdurchsuchungen und Straßenverkehrskontrollen außerhalb von Großveranstaltungen, heißt es in der Studie. Am häufigsten kam es zu Schlägen und Stößen sowie dem Einsatz von Reizgas (Pfefferspray). Dabei berichteten mehr als zwei Drittel der Befragten von physischen Verletzungen. 19 Prozent der Betroffenen gaben an, schwere Verletzungen erlitten zu haben, zum Beispiel Knochenbrüche, schwere Kopfverletzungen und innere Verletzungen…“ – aus dem Beitrag „Studie: Polizeigewalt richtet sich meistens gegen Demonstrationsteilnehmer und Fußballfans“ von Markus Reuter am 17. September 2019 bei netzpolitik externer Link in dem der vorgelegte Zwischenbericht vorgestellt und kommentiert wird. Siehe dazu auch den Link zum Zwischenbericht, einen Kommentar dazu und eine Meldung über erste Reaktionen:

    • Polizeiliche Gewaltanwendungen aus Sicht der Betroffenen“ von Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Tobias Singelnstein am 17. September 2019 beim Lehrstuhl für Kriminologie an der RUB externer Link ist eben der vorgestellte Zwischenbericht des Untersuchungsprojektes, dessen AutorInnen einleitend zur Datenlage und Gültigkeit informieren: „… Von 5.677 vollständig ausgefüllten Fragebögen entfielen 3.678auf den Hauptfragebogen zu eigenen Erfahrungen mit körperlicher Gewalt durch Polizist*innen im Rahmen der Dienstausübung, die die Betroffenen als übermäßig bzw. rechtswidrig bewerteten. Weitere 1.999 Personen nutzten die Befragung, um Zeugenerfahrungen, andere Formen als körperliche Gewalt oder das Fehlen von entsprechenden Gewalterfahrungen zu berichten; diese Angaben sind nicht Gegenstand der vorliegenden Auswertung (s. 2.2).Von den 3.678 abgeschlossenen Hauptfragebögen wurden im Prozess der Datenbereinigung 303 Fragebögen aus dem Datensatz ausgeschlossen. Die verbleibenden 3.375 Fälle fanden Eingang in die Analysen. Wie stets bei Viktimisierungsbefragungen bildet dieses Sample Einschätzungen und Bewertungen der Befragten ab und nur in wenigen Fällen gerichtlich festgestellte Sachverhalte. Dies ist bei der Bewertung der Ergebnisse zu berücksichtigen und von besonderer Bedeutung, da die Abgrenzung zwischen der rechtmäßigen Ausübung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei einerseits und rechtswidriger polizeilicher Gewaltausübung andererseits für juristische Lai*innen mitunter nicht einfach vorzunehmen ist...“
    • „Offizielle Bestätigung“ von Sebastian Bähr am 17. September 2019 in neues deutschland online externer Link zu dieser Veröffentlichung unter anderem: „… Eine Studie zur Erforschung illegaler Polizeigewalt könnte dies nun ändern und die Debatte womöglich sogar voranbringen. Sie bestätigt nämlich das, was den Betroffenen bisher keiner glauben wollte: Ja, illegale Polizeigewalt ist real. Sie schüchtert ein, sie bringt Leid und sie ist vor allem weitaus stärker verbreitet, als die amtlichen Zahlen nahelegen. Betroffene zeigen Beamte nicht an, weil sie Angst haben oder nicht glauben, dass es etwas nützt. Schon seit Jahren werden von Bürgerrechtlern unabhängige Beschwerdestellen und eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten gefordert. Was kam? Neue Polizeigesetze in mehreren Ländern, die die Befugnisse der Beamten noch mehr ausweiten. Ähnliche Tendenzen sind überall in Europa spürbar: Statt mehr Bürgerrechten und Kontrolle der Polizei gibt es autoritäre Sehnsüchte…“
    • „Kaum Anklagen bei Polizeigewalt in BRD“ am 18. September 2019 in der jungen welt externer Link meldet dazu erste Reaktionen: „… Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, Ulla Jelpke, sowie Amnesty International Deutschland bekräftigten jeweils am Dienstag ihre Forderungen nach der Einführung unabhängiger Beschwerdestellen, denen Betroffene wie Beamte Vorfälle melden könnten. Zudem müssten die Kontrollmechanismen gegenüber der Polizei gestärkt werden, erklärte Jelpke. In der Ausbildung müsse »der Respekt vor den Bürgerrechten stärker betont werden«...“
  • Studie zu Polizeigewalt: Erstmals werden auch Opfer gehört 
    Manchmal ist ein Polizist nicht Freund und Helfer, sondern Täter. 2.000 Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt gibt es in Deutschland pro Jahr. Allerdings landet nur ein Bruchteil der Fälle vor Gericht. Warum das so ist und womit Gewalt durch Polizisten zusammenhängt, untersucht Tobias Singelnstein am Institut für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum. Erstmalig wurden in dieser Studie die Opfer von Polizeigewalt befragt. Nun beginnt die Auswertung. Auch Bielefelder Anwälte und Wissenschaftler sind auf Ergebnisse gespannt, doch die Polizei ist kritisch. (…) Aktuell ist über das Phänomen unrechtmäßige Gewalt durch Polizisten nur wenig bekannt. „Es ist aber ein gesellschaftlich besonders relevantes Thema”, meint Singelnstein. „Schließlich geht es um den Missbrauch staatlicher Exekutivbefugnisse.” Seit Herbst 2018 hat sein Team Opfer von Polizeigewalt zu ihren Erfahrungen befragt, abgerundet wird die Studie durch Interviews mit Polizisten, Juristen und Opferberatungsstellen. Ziel ist es, das sogenannte Dunkelfeld aufzuhellen, also Erkenntnisse über Polizeigewalt zu erlangen, die nicht in den offiziellen Statistiken auftauchen. (…) Der Bielefelder Rechtsanwalt Sebastian Nickel hat auch an der Befragung teilgenommen. Im Zuge der Nazi-Demo geriet er selbst in Konflikt mit der Polizei: Ihm wurde der Zugang zu einem Mandanten verwehrt und er beobachtete, wie eine Kollegin mit einem Halstuch gewürgt wurde. Gewalt durch Polizisten sei ein Thema, das häufig auf seinem Schreibtisch lande. „Aber in meinen 15 Jahren Berufserfahrung habe ich noch nie erlebt, dass jemand Anklage erhoben hat.” Zudem sei es eine schwierige Entscheidung, ob man einen Polizisten wegen Körperverletzung anzeigen solle: „Das muss wohlüberlegt sein. Denn meistens folgt eine Anzeige wegen Widerstand als Retourkutsche”, weiß Nickel. Viele Opfer würden deshalb von einer Anzeige absehen. So können Fälle im Dunkelfeld verschwinden. (…) Bis die Ergebnisse der Studie vorliegen, dauert es aber noch eine Weile, weil die Experteninterviews noch ausstehen…“ Artikel von Dominik Lenze vom 19.03.2019 bei Neue Westfälische online externer Link
  • „Forschungsprogramm des Projekts“ ebenfalls seit dem 08. November 2018 bei der Jura-Fakultät der RUB externer Link, worin einleitend festgehalten wird: „Zum Umfang rechtswidriger Gewaltanwendung durch Polizeibeamt*innen liegen bislang kaum empirisch gesicherte Erkenntnisse vor. Einerseits werden die vorhandenen statistischen Zahlen zur Körperverletzung im Amt, die eine äußerst geringe Anklagequote von etwa 2-3 % ausweisen, höchst unterschiedlich interpretiert. Die Deutungen reichen von einem hohen Anteil unberechtigter Anzeigen bis hin zur massenhaften rechtswidrigen Privilegierung von Amtsträger*innen. Andererseits gibt es trotz anhaltender öffentlicher Diskussion praktisch keine Studien zum Dunkelfeld dieses Deliktsbereichs, obwohl dieses mutmaßlich eine besondere Struktur aufweist…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139747
nach oben