Prozess wegen Brandanschlag auf Flüchtlinge in Saarlouis 1991 ab November 22: Bei den polizeilichen Ermittlungen vor 30 Jahren wurden Fehler gemacht

Dossier

Tod von Samuel Yeboah beim Brandanschlag auf Flüchtlinge in Saarlouis 1991 unvergessen (Antifa Saar)Am 16. November soll vor dem Oberlandesgericht Koblenz der Prozess wegen des mehr als 30 Jahre zurückliegenden Brandanschlags eines Rechtsextremisten auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis beginnen. Dem heute 51-jährigen Peter S. werden Mord, versuchter Mord in 20 Fällen und Brandstiftung mit Todesfolge vorgeworfen (…) Die Generalbundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, sich in der Tatnacht vom 18. auf den 19. September 1991 mit einem Kanister Benzin ein Wohnheim für Asylbewerber in Saarlouis aufgesucht zu haben, um dann aus rassistischer Gesinnung einen Brand zu legen. (…) Bei dem Anschlag auf die Asylbewerberunterkunft in Saarlouis-Fraulautern kam der damals 27-jährige Ghanaer Samuel Kofi Yeboah ums Leben. Zwei weitere Menschen retteten sich durch Sprünge aus dem Fenster und erlitten Knochenbrüche. Den übrigen 18 Bewohnern gelang es, sich unverletzt in Sicherheit zu bringen. Die bei der Justiz im Saarland geführten Ermittlungen waren damals eingestellt worden, nachdem ein Täter nicht ermittelt werden konnte…“ Meldung vom 18. September 2022 im MiGAZIN externer Link – siehe dazu:

  • Saarlouis-Urteil: Freispruch und Entschädigung für Neonazi – Gericht sieht keine Beihilfe zu Mord an Samuel Yeboah vor 33 Jahren New
    • Saarlouis-Urteil: Freispruch und Entschädigung für Neonazi
      Vor 33 Jahren stirbt ein Asylbewerber bei einem rassistischen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis. Der Mord-Prozess gegen einen Neonazi wegen Beihilfe endet mit Freispruch und Entschädigung. Der Beihilfe-Prozess um einen tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis ist mit einem Freispruch des Angeklagten zu Ende gegangen. Eine psychische Beihilfe des 55-Jährigen zu dem Brandanschlag vor 33 Jahren sei in der Beweisaufnahme nicht bewiesen worden, sagte der Vorsitzende Richter Konrad Leitges bei der Urteilsverkündung im Oberlandesgericht in Koblenz. Dem Gericht zufolge bestärkte der Angeklagte den bereits verurteilten Täter zwar in dessen Entscheidung zur Tat. Ein Vorsatz, dass er ihn konkret zu einem Brandanschlag angestiftet habe, sei ihm indes nicht nachgewiesen worden…“ Meldung vom 10.07.2024 im Migazin externer Link
    • Freispruch für Neonazi-Führer: Gericht sieht keine Beihilfe zu Mord an Samuel Yeboah vor 33 Jahren
      „… Mit dem Freispruch folgte das Gericht dem Antrag der Verteidigung. Die Bundesanwaltschaft hatte sechseinhalb Jahre Gefängnis gefordert: Angesichts des Gesprächskontexts sei doch völlig klar, was der Angeklagte mit »passieren« gemeint habe. Sein um Anerkennung buhlender Freund Peter Werner S. jedenfalls habe es verstanden – und das Feuer gelegt, »um dem Angeklagten zu gefallen«. Von »absoluter Loyalität« sei sein Verhältnis zu Peter St. geprägt gewesen, berichteten Zeug*innen aus der Szene, wie bei Hund und Herrchen. Oder wie es der Hauptbelastungszeuge ausdrückte: »Die waren ein Kopf und ein Arsch.« Peter St. galt bis in dieses Jahrtausend hinein als eine zentrale Figur der Neonazi-Szene des Saarlands. Er gründete die »Kameradschaft Horst Wessel – Saarlautern«, die bundesweit bei rechten Demonstrationen aufmarschierte, und betrieb einen einschlägigen Versandhandel. (…) Auch mit dem nun ergangenen Freispruch von Peter St. wird die Aufklärung wohl nicht enden: Bundesanwaltschaft und die als Nebenkläger auftretenden Überlebenden des Brandanschlags können Revision einlegen.
      Zudem wird gegen den Ex-Neonazi, der als Hauptbelastungszeuge gegen Peter St. auftrat, wegen einer möglichen Tatbeteiligung noch ermittelt. Und im saarländischen Landtag bemüht sich ein Untersuchungsausschuss um die Aufarbeitung des staatlichen Versagens beim Umgang mit der rechtsextremen Gewalt der 90er Jahre. Dass Samuel Yeboah das Opfer eines rassistischen Anschlags geworden war, hatten Polizei und Politik im Saarland drei Jahrzehnte lang nicht hören wollen. Im Juni wurden die ersten Zeug*innen vernommen
      .“ Artikel von Joachim F. Tornau, Koblenz, vom 09.07.2024 in ND online externer Link
  • Attacken auf den Chefermittler. Zweites Verfahren um rassistischen Brandanschlag in Saarlouis 1991: Verteiger des Angeklagten hält einen Polizisten für linkslastig
    Dass Staatsschutzbeamten der Polizei vorgeworfen wird, politisch voreingenommen zu sein, ist schon das eine oder andere Mal vorgekommen. Dass ihnen unterstellt wird, zu weit links zu stehen, dürfte eher selten sein. Im Prozess gegen den langjährigen Neonazi-Führer Peter St., der sich wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum rassistischen Mord an Samuel Yeboah vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verantworten muss, war es am Freitag zu erleben.
    Verteidiger Wolfgang Stahl, der sich vor allem als Anwalt der NSU-Terroristin Beate Zschäpe einen Namen gemacht hat, hatte nämlich höchst Verdächtiges entdeckt: Der Polizist, der die späten Ermittlungen um den tödlichen Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis vor mehr als 30 Jahren maßgeblich geführt hatte, trägt nicht nur Glatze, Bart und seine Polizeimarke um den Hals, sondern auch ein Piercing und Nagellack. Ob er damit vielleicht eine politische Haltung transportieren wolle? Und so gegen seine Dienstpflicht verstoße?
    »Sie sehen mich sehr überrascht«, kommentierte der Senatsvorsitzende Konrad Leitges diese Einlassungen. Aber Stahl bestand sogar auf einem Gerichtsbeschluss. Und so ist nun schwarz auf weiß festgehalten: »Das äußere Erscheinungsbild ergibt keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen.« Nebenklageanwältin Kristin Pietrzyk hatte zuvor schon süffisant darauf hingewiesen, dass sie sogar schon Staatsanwältinnen mit lackierten Fingernägeln gesehen habe. Aber irgendwie passte die Wiederbelebung von längst für überkommen gehaltenen Klischees zu einem Prozess, in dem es gedanklich auch sonst weit in die Vergangenheit geht. (…)
    Laut Anklage der Bundesanwaltschaft soll der heute 54-Jährige, als die Neonazis in ihrer Kneipe über die Pogrome von Hoyerswerda und die Welle rassistischer Gewalt im wiedervereinigten Deutschland sprachen, verkündet haben: »Hier müsste auch mal sowas brennen oder passieren.« Was Peter Werner S. dann noch in derselben Nacht in die Tat umgesetzt habe. Der Mann, der diesen Satz überliefert hat, machte vor Gericht allerdings einen Rückzieher: Er könne sich nicht daran erinnern, das Wort »brennen« gehört zu haben, sagte Heiko S. Anfang März. Auf Antrag der Verteidigung hob das Gericht daraufhin den Haftbefehl gegen Peter St. auf: Es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr. Am Freitag betrat der Angeklagte den Gerichtssaal deshalb erstmals als freier Mann. Entspannt aber wirkte er nicht. Und auch seine Verteidiger, das zeigten die persönlichen Angriffe auf den leitenden Ermittler mehr als deutlich, scheinen den Freispruch noch nicht für eine sichere Sache zu halten. Die Beweisaufnahme jedenfalls wird unverändert fortgesetzt. (…)
    Eigentlich hätte an diesem fünften Verhandlungstag auch Peter Werner S., der wegen Mordes Verurteilte, in den Zeugenstand treten sollen. Doch er ließ mitteilen, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle, und musste nicht kommen. Denn das Urteil gegen ihn ist noch nicht rechtskräftig. Sollte sich das rechtzeitig vor dem Ende des Prozesses gegen seinen Freund Peter St. noch ändern, muss der 52-Jährige Ex-Neonazi vielleicht doch noch einmal in den Koblenzer Gerichtssaal zurückkehren
    .“ Bericht von Joachim F. Tornau vom 15.03.2024 in ND online externer Link
  • „Es war ihm egal“: Haftstrafe 32 Jahre nach rassistischem Anschlag in Saarlouis
    „… Es sind grausige Details, die der Vorsitzende Richter im Oberlandesgericht Koblenz schildert: Bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim kam 1991 in Saarlouis der 27-jährige Asylbewerber Samuel Yeboah ums Leben. „Er hatte nicht ansatzweise eine Chance, diesem Feuerball zu entkommen“, sagte Richter Konrad Leitges am Montag. Etwa 10 bis 15 Minuten habe der junge Mann aus Ghana in den Flammen in verschiedenen Sprachen um Hilfe gerufen. „Sein Sterben war qualvoll und dauerte sehr, sehr lang“, berichtete der Richter. Für den Tod des jungen Mannes wurde am Montag – über 30 Jahre nach dem Brandanschlag – ein 52-Jähriger verurteilt. Der verheiratete Vater nahm die Schilderungen des Richters regungslos zur Kenntnis. Der Senat verurteilte den Mann nach Jugendstrafrecht zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft, weil der Deutsche zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt war. Er wurde unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes in 12 Fällen schuldig gesprochen. Andere Flüchtlinge hatten bei dem Brandanschlag mehr Glück als Samuel Yeboah, ihnen gelang es, sich vor den Flammen zu retten – teilweise erlitten sie dabei Knochenbrüche, als sie aus dem Fenster sprangen. (…) Doch wie kam es überhaupt zu der späten Verurteilung des 52-Jährigen, der vor Gericht zwar seine Anwesenheit am Tatort einräumte, für den Brandanschlag aber nicht verantwortlich sein will? Die ursprünglichen Ermittlungsarbeiten waren in den 90er-Jahren ohne Ergebnis eingestellt worden, weil einer möglichen rassistischen Tatmotivation nicht nachgegangen worden war. (…) 1991 sei der Angeklagte in die Saarlouiser Skinheadszene eingeführt worden, sagte der Richter. Die Szene sei nationalsozialistisch gewesen, „verherrlichte das Dritte Reich und hatte vor allem einen extremen Hass auf Ausländer“. Die deutschlandweiten Ausschreitungen gegen Ausländer seien regelrecht gefeiert worden. Der Angeklagte sei zum „Schatten“ des Rädelsführers geworden, in der Szene habe er seine Ersatzfamilie gefunden. Durch die Tat habe er sich vor seinen Freunden beweisen und „vor allem seinen Hass gegen Ausländer ausleben“ wollen. Dass dabei Menschen verletzt oder getötet werden könnten, habe er billigend in Kauf genommen. „Es war ihm egal.“ (…) Der Vorsitzende Richter fand am Montag deutliche Worte: „Er hat den Brand vor dem Hintergrund seiner rechtsextremistischen Überzeugungen aus Hass auf die Ausländer gelegt.“ Eine solche Motivation, die Ausländern generell das Lebens- und Existenzrecht in Deutschland abspreche, sei gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte besonders verachtenswert. „Es ist ja insgesamt nur die Spitze des Eisbergs, die hier verhandelt wurde“, sagte Roland Röder von der Organisation „Aktion 3. Welt Saar“. „Es geht im Großen und Ganzen um das saarländische Staatsversagen der 1990er und 2000er Jahre.“…“ Beitrag von Mona Wenisch und Oscar Fuchs vom 9. Oktober 2023 im MiGAZIN externer Link
  • Saar-Landtag setzt Untersuchungsausschuss zum Tode Samuel Yeboahs ein 
    „Ein Untersuchungsausschuss im saarländischen Landtag wird sich mit dem gewaltsamen Tod von Samuel Yeboah im Jahre 1991 befassen. (…) Rund dreißig Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Saarlouis-Fraulautern, bei dem der 27-jährige Samuel Yeboah aus Ghana ums Leben kam, arbeitet der saarländische Landtag Fehler und mögliche Vertuschungen von Politik und Behörden im Umgang mit ausländerfeindlichen Straftaten im Saarland zu Beginn der 1990er Jahre auf. Einstimmig beschloss der Landtag die Einsetzung eines entsprechenden Untersuchungsausschusses. (…) Ergänzend zur strafrechtlichen Prüfung des tödlichen Brandanschlages vom September 1991 vor dem Oberlandesgericht Koblenz soll der U-Ausschuss unter anderem klären, wieso die Ermittlungen der Polizei damals schon nach weniger als einem Jahr eingestellt wurden. Besonders der Umgang der Justiz, des Verfassungsschutzes, aber auch der Landesregierung mit Hinweisen auf rassistische Motive sollen dabei beleuchtet werden. (…) Es wurde damals nicht richtig hin- und oft weggeschaut, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Kira Braun bei der Einbringung des gemeinsamen Antrages der SPD- und der CDU-Fraktion. Damit sei Schluss. Mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses beginne die politische Aufarbeitung…“ Meldung vom 21. Juni 2023 mit Informationen von Janek Böffel beim SR externer Link
  • Rechter Mordanschlag in Saarlouis 1991: Festnahme nach 11.583 Tagen
    Ein zweiter Beschuldigter ist wegen des Brandanschlags festgenommen worden, 32 Jahre nach der Tat. Er gilt als Anführer der damaligen Neonazi-Szene. (…) Der von nationalsozialistischen und rassistischen Überzeugungen geprägte Tatverdächtige St. habe damals eine hohe Stellung in der regionalen Skinhead-Szene eingenommen und habe mutmaßlich auf den bereits angeklagten Hauptbeschuldigten eingewirkt und ihn in seinem Tatentschluss bekräftigt. Wegen des offenbar rassistisch motivierten Brandanschlags steht in Koblenz bereits der 51-jährige Peter Werner S. vor dem Oberlandesgericht, er ist angeklagt wegen Mordes und 20-fachen versuchten Mordes…“ Artikel von Gareth Joswig vom 6.6.2023 in der taz online externer Link
  • Saarlouis: Prozess wegen Brandanschlag auf Geflüchtetenunterkunft gestartet – eine Podcast-Reihe beleuchtet die Hintergründe 
    „Mehr als 30 Jahre nach dem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis mit einem Toten hat am Mittwoch der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Vor dem Koblenzer Oberlandesgericht muss sich der 51-jährige Peter S. verantworten. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm vor, in der Tatnacht vom 18. auf den 19. September 1991 mit einem Kanister Benzin das Wohnheim für Asylbewerber aufgesucht zu haben, um dann aus rassistischer Gesinnung einen Brand zu legen. Der Angeklagte war am 4. April festgenommen worden. Er bestreitet laut Gericht die Vorwürfe. Fortsetzungstermine für den Prozess sind zurzeit bis Mitte Februar geplant. Bei dem Anschlag auf die Asylbewerberunterkunft in Saarlouis-Fraulautern kam der damals 27-jährige Ghanaer Samuel Kofi Yeboah ums Leben. Zwei weitere Menschen retteten sich durch Sprünge aus dem Fenster und erlitten Knochenbrüche. Den übrigen 18 Bewohnern gelang es, sich unverletzt in Sicherheit zu bringen. Die bei der Justiz im Saarland geführten Ermittlungen waren damals eingestellt worden, nachdem ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Vor rund zwei Jahren hatte die Bundesanwaltschaft wegen neuer Erkenntnisse den Fall übernommen. Nach der Festnahme des mutmaßlichen Täters hatte sich der saarländische Landespolizeipräsident Norbert Rupp im Namen des Landespolizeipräsidiums dafür entschuldigt, „dass offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit zur Einstellung der Ermittlungen geführt haben“. Im August 2020 hatte er eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung der damaligen Sachbearbeitung eingerichtet. Nach ersten Erkenntnissen wurden Defizite bei Erhebung, Bewertung und Weitergabe von Informationen festgestellt…“ Meldung vom 17. November 2022 von und bei MiGAZIN externer Link zur Podcast-Reihe „Der Fall Yeboah – Rassismus vor Gericht“ in der ARD-Audiothek November 2022 externer Link Audio Datei

Grundinfos:

  • Blog prozess-sls-1991 externer Link: „Ab dem 27.02.2024 findet beim OLG Koblenz ein weiterer Prozess wegen des Brandanschlags auf eine Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis im Jahr 1991 statt, bei dem ein Geflüchteter starb und 20 überlebten. Diesmal geht es um den damaligen Anführer der örtlichen Nazikameradschaft, dem vorgeworfen wird, Beihilfe zu dem Brandanschlag geleistet zu habe. Wir berichten aus der Sicht der Nebenklage über diesen Prozess…“
  • Siehe auch das Dossier zu Samuel Yeboah bei der Antifa Saar externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=204496
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