Polizeigewalt in Hessen: Polizisten in Idstein sollen Mann die Luft abgedrückt haben

Dossier

Stoppt PolizeigewaltIdsteiner Polizisten sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, mit unangemessener Gewalt gegen einen Mann vorgegangen zu sein, der seinen Vater von der Polizeiwache abholte. In Videos ist zu sehen, wie sie ihn vor der Wache zu dritt zu Boden drücken. Fotos zeigen, dass der Mann blutige Verletzungen im Gesicht davontrug. Nun hat er die Polizeibeamten angezeigt. Sein Vorwurf lautet: Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Unstrittig ist, dass der Betroffene mehrfach „Ich krieg’ keine Luft“ schrie, als er unter den Polizisten auf dem Boden vor der Wache lag. „Bitte, bitte, bitte – ich krieg’ Panik“ ist weiterhin auf einem Video zu hören, das ein Passant machte und unter dem Titel „Polizeigewalt“ ins Internet stellte…“ Artikel von Pitt von Bebenburg vom 08.10.2020 in der FR online externer Link, siehe dazu:

  • Opfer von Polizeigewalt in Idstein angeklagt: Von 4 Polizisten geschlagen und verletzt – die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun Widerstand vor, sein Anwalt ist empört. New
    Eine handgreifliche Auseinandersetzung vor der Polizeiwache in Idstein sorgte im September 2020 für Aufsehen. Der Idsteiner Gastro-Unternehmer Liam Conway wurde dort von drei Polizisten und einer Polizistin gewaltsam zu Boden gebracht, mit der Faust ins Gesicht geschlagen und so auf das Pflaster gedrückt, dass er nach Luft schrie. Er erlitt massive Schürfwunden im Gesicht.
    Jetzt erhob die Wiesbadener Staatsanwaltschaft Anklage – allerdings nicht gegen die Polizeibediensteten, sondern gegen Conway. Dem Idsteiner, der Sporttrainer für Kickboxen ist, werden Widerstand und ein tätlicher Angriff gegen Vollzugsbeamte mit Körperverletzung angelastet. So soll der damals 38-Jährige die Polizisten und die Polizistin geschlagen und getreten haben. Die Staatsanwaltschaft verbindet die Anklage mit zwei Fällen, in denen Conway ohne gültigen Führerschein gefahren sein soll. Verfahren gegen die Polizeibediensteten waren eingestellt worden. Die Beschwerde von Conways Anwalt Michael Heuchemer läuft noch.
    Heuchemer widerspricht der Anklage. „Die Beamten gingen ungerechtfertigt, rücksichtslos und unverhältnismäßig brutal mit dem Angeschuldigten um“, sagte er der Frankfurter Rundschau. Ein Beamter habe Conway zweimal ins Gesicht geschlagen, obwohl dieser widerstandslos und mit auf dem Rücken fixierten Armen in Bauchlage am Boden gelegen habe. „Das geht in Klarheit aus den Videoaufzeichnungen hervor.“ Heuchemer beklagt „Falschdarstellungen durch die Staatsanwaltschaft“. So werde Conway nun vorgeworfen, er habe im Gerangel nach der Sicherungsleine für das Pfefferspray eines Beamten gegriffen. Diese Darstellung sei von dem Beamten erstmals „circa drei Jahre nach dem Vorfall“ vorgetragen worden, wundert sich Conways Anwalt. Auf den Videoaufnahmen sei deutlich zu sehen, dass Conway „die Leine nur durch das Verdrehen seines Arms durch die Polizeibeamten in die Hand bekam, sie aber nicht festhielt“. Auch in einem polizeilichen Vermerk von 2022 stehe, dass ein Greifen nach dem Pfefferspray „nicht festgestellt“ werden könne…“ Artikel von Pitt von Bebenburg vom 07.02.2024 in der FR online externer Link („Opfer von Polizeigewalt in Hessen angeklagt“)
  • „Skandal“: Gewerkschaftsbund verurteilt Löschen von Polizei-Video
    „… Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nennt es skandalös, dass Videoaufnahmen eines polizeilichen Übergriffs in Idstein nicht gesichert wurden. „Das ist nicht nur ärgerlich, das ist ein Skandal“, sagte der Geschäftsführer der DGB-Region Frankfurt/Rhein-Main, Philipp Jacks, am Wochenende beim Neujahrsempfang seiner Organisation in Frankfurt. (…) Am Donnerstag befasst sich der Innenausschuss des Landtags mit den Vorgängen. Innenminister Peter Beuth (CDU) soll Fragenkataloge von SPD und Linken beantworten. Sie wollen wissen, warum das Video nicht rechtzeitig gesichert wurde, wie die Rekonstruktion der Aufnahmen möglich war und warum das so lange gedauert hat. (…) Die Linken interessieren sich zudem dafür, welche Widerstandshandlungen dem betroffenen Mann vorgeworfen werden. Außerdem wollen sie erfahren, ob das harte Vorgehen insbesondere eines Polizisten – „das Niederdrücken des Schulter-Hals-Bereichs durch das Knie“ – Teil der polizeilichen Ausbildung und Praxis sei. Weiter fragt die Linke an, ob eine andere Polizeidienststelle den Vorgang untersucht habe, um die Vorwürfe gegen die Beamt:innen zu klären. Beide Berichtsanträge enden mit der Frage, welche Konsequenzen das Ministerium aus dem Vorfall ziehe. Bei der Linken lautet die Formulierung: „Zieht das Innenministerium selbst personelle Konsequenzen?“.“ Artikel von Pitt von Bebenburg vom 9. Januar 2023 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Idstein: »Die Schläge erfolgten völlig ungerechtfertigt«. Polizeibehauptungen durch rekonstruierte Aufnahmen haltlos
    Behauptet der Rechtsanwalt Michael Heuchemer im Interview von Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 9. Januar 2023 externer Link: „… Zunächst: Obgleich mir von Beginn an zugesagt worden war, dass diese polizeilichen Aufnahmen nach dem Vorfall vor der Wache nicht gelöscht werden, geschah dies. Wir sind froh, dass sie aufwendig und kostspielig wiederhergestellt werden konnten. Mein Mandant wird damit in jeder Hinsicht ins Recht gesetzt. Die Videos belegen, dass er keineswegs rechtlich angreifbar Ursachen für die Schläge gesetzt hat, so wie von der Polizei aktenkundig als deren Erinnerung vermerkt. Sie zeigen vielmehr: Mein Mandant Liam Conway verschaffte sich weder, wie behauptet, illegitim Zugang zur Wache, noch schubste er einen Polizisten oder entfachte eine hitzige Diskussion. Auch die erhobene Anschuldigung, beim Gerangel am Boden vor der Wache habe er einem Polizisten das Pfefferspray entwenden wollen, stellt sich als unwahr heraus. (…) Es erfolgten zwei Schläge – einer mit dem Handballen, der andere mit der Faust – gegen den am Boden Liegenden, völlig ungerechtfertigt. Es handelte sich nicht nur um einen Schlag, wie von Beamten kolportiert. All jene in der Akte verschriftlichten Schutzbehauptungen der Polizei, in der Annahme, die Videoaufnahmen blieben verschwunden, sind also aus der Luft gegriffen. Was die Aufnahmen zeigen, will keiner der Polizisten gesehen haben. Dabei hatten neun Beamte die Aufnahmen des Geschehens am Tag nach der Tat in Idstein angeschaut, noch bevor diese vom System automatisch gelöscht wurden; sieben äußerten sinngemäß, nicht genau hingeschaut zu haben oder durch andere Dienste abgelenkt gewesen zu sein. Wenn also sieben von neun Polizisten vorgeben, Erinnerungslücken zu haben, muss das Konsequenzen haben. (…) Das Verfahren mit dem Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ist ausgesetzt. Im November 2022 erhielt ich die frappierende Nachricht, dass die Verfahren gegen drei der an der Schlägerei beteiligten Beamten eingestellt wurden; nur gegen einen nicht. Aus meiner Sicht ist aber die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft geboten: Weshalb gibt es keine Zurechnung der Mittäterschaft oder jedenfalls der Beihilfe, wenn sich vier Täter an einer meinem Mandanten zugefügten Verletzungstat beteiligten? (…) Da stellt sich die Frage: Wer bewacht die Wächter? Es darf nicht sein, dass Korpsgeist herrscht, und Polizisten andere Polizisten schützen, wenn sie Straftaten begehen. Es muss Kontrollinstanzen geben. Auch Polizisten müssen für ihre Taten haften. (…) Wir brauchen stärkere Überwachung und Dokumentation, um die Selbstreinigungskräfte der Polizei zu aktivieren. (…) Betroffenen von Polizeigewalt muss man mehr Glauben schenken, sie müssen auch Schmerzensgeld erhalten. Vor Gericht muss hinterfragt werden, wenn mehrere Polizisten, überraschend ähnlich formuliert, das Gleiche sagen. Dahinter könnten Absprachen vermutet werden.“
  • Polizeigewalt in Idstein: Videos überführen [doch] Polizisten 
    „… Es sind verstörende Bilder, die auf den Videos der Überwachungskameras zu sehen sind. Ein Mann im roten Shirt wird von Polizisten und einer Polizistin gewaltsam zu Boden gebracht, erst mit der Faust, dann mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, bis ein Polizist ihm sein Knie in den Nacken drückt, während das Gesicht des Betroffenen auf den Boden schrammt. All dies wurde von Kameras aufgenommen, die direkt vor der Polizeiwache in Idstein (Rheingau-Taunus-Kreis) installiert sind, wo sich der Vorfall zutrug. Doch diese Videos waren überspielt, weil die Polizei sie nicht rechtzeitig gesichert hatte – obwohl Michael Heuchemer, der Anwalt des Betroffenen, ausdrücklich darum gebeten hatte. Tatsächlich galten sie zunächst als gelöscht. Nun aber sind die Aufnahmen auf Initiative der Staatsanwaltschaft Wiesbaden aufwendig rekonstruiert worden und liegen der Frankfurter Rundschau vor. Damit wird nicht nur die Brutalität des Geschehens klar, sondern auch, dass mehrere Beamtinnen und Beamten offenbar falsche Angaben darüber gemacht haben. (…) Die Auseinandersetzung spielte sich bereits im September 2020 vor der Wache ab. Liam Conway, ein damals 38-jähriger Gastro-Unternehmer und Sporttrainer im Kickboxen, war anschließend durch blutige Verletzungen im Gesicht stark gezeichnet. Der Idsteiner hatte seinen 75 Jahre alten Vater abgeholt, der auf der Wache einen Verkehrsunfall zu regeln hatte. Mehrere Menschen hatten die Auseinandersetzung gefilmt. Auf deren Videos war zu sehen, dass drei Polizeibeamte Conway zu Boden drücken. Conway schreit, „ah, ah, ich krieg’ keine Luft! Bitte, bitte!“ und „Ich krieg’ Panik!“. (…) Darüber, wie es so weit kam, gingen die Schilderungen weit auseinander. Die Polizei schilderte Conways Auftreten als aggressiv. Er habe versucht, einem Beamten das Pfefferspray zu entreißen, man habe ihn fesseln müssen. Conway sprach von grundloser Gewalt. Die Videoaufnahmen der Überwachungskameras vor der Wache bestätigen nun die Darstellung des Betroffenen. (…) Aus zwei Perspektiven ist gut zu sehen, wie Conway von drei Beamten und einer Beamtin aus der Wache geleitet wird, ohne dass er sich wehrt oder aggressiv wird. Sobald die Tür sich öffnet, nimmt ein Polizist ihn von hinten in den Würgegriff. Die Beamten bringen ihn zu Boden, während die Polizistin daneben steht, und sie drehen ihm gewaltsam die Arme auf den Rücken. Dann fixieren sie ihn auf dem Boden, wobei ein Polizist besonders brutal vorgeht. Er schlägt Conway einmal mit der Faust und einmal mit der flachen Hand gegen den Kopf, der auf den Boden gedrückt wird. Dann kniet er sich in Conways Nacken…“ Artikel von Pitt von Bebenburg vom 3. Januar 2023 in der Frankfurter Rundschau online externer Link

  • Wichtiges Beweisvideo bei der Polizei im hessischen Idstein gelöscht
    „… Nach dem handgreiflichen Konflikt eines Mannes aus Idstein mit mehreren Polizisten und einer Polizistin haben sich beide Seiten gegenseitig angezeigt. Das Video der Überwachungskamera vor der örtlichen Wache hätte vermutlich Aufschluss darüber geben können, wie die Auseinandersetzung abgelaufen ist und ob es sich, wie von dem Betroffenen beklagt, um einen Fall unberechtigter Polizeigewalt handelt. Doch wie sich nun herausstellt, wurde das Video bei der Polizei überspielt. Das Bildmaterial sei „wie technisch voreingestellt, nach 21 Tagen systembedingt und automatisiert durch neue Aufzeichnungen überschrieben“ worden, teilte das Polizeipräsidium Westhessen auf Anfrage der FR mit. Der betroffene Mann, der heute 39-jährige Liam Conway, hat deswegen eine weitere Anzeige gegen die beteiligten Polizeibediensteten gestellt. Der Vorwurf lautet Unterdrückung beweiserheblicher Daten, auch Strafvereitelung im Amt komme in Betracht. Conways Anwalt Michael Heuchemer zeigt sich empört. Er habe unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Vorfalls sogar noch bei der Polizei angerufen und darauf gedrungen, dass die Videoaufzeichnung gesichert werden müsse, obwohl dies ohnehin eine Selbstverständlichkeit sei. (…) Was vor den Handgreiflichkeiten geschehen war, lässt sich aus den kurzen Videosequenzen nicht entnehmen. Die Bediensteten halten Conway vor, er habe versucht, einem Polizisten das Pfefferspray zu entreißen. Conway bestreitet das. Das Polizeivideo könnte Klarheit schaffen, doch nun fehlt es. Dabei hatten sich, wie aus Conways Anzeige hervorgeht, Polizeibedienstete am Tag nach der Tat, am 9. September 2020, noch das Video der Überwachungskamera angesehen. Doch niemand soll auf die Idee gekommen sein, die Aufnahme zu sichern oder sie zumindest auf dem Smartphone mitzuschneiden, wie sie das mit einem der privaten Handyvideos gemacht hatten. (…) Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden habe dem Polizeipräsidium aber bereits mitgeteilt, dass der Beamte „zweifelsfrei nicht“ vorsätzlich gehandelt habe. Daher liege „kein strafbares Verhalten des Beamten vor“. (…) Das Beweisstück fehlt nun in den beiden Verfahren, in denen es um die Auseinandersetzung selbst geht. Conway erhebt den Vorwurf der Körperverletzung und Freiheitsberaubung gegen die Polizistin und mehrere Polizisten. Die Bediensteten wiederum werfen ihm einen tätlichen Angriff und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte samt Körperverletzung vor.“ Artikel von Pitt von Bebenburg vom 09.04.2021 in der FR online externer Link
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