Polizeigewalt in Deutschland: Wenn ein Schlag ins Gesicht als „Ohrfeige“ relativiert wird

Stoppt Polizeigewalt„… Wie klingt die Botschaft: „Eine Watschen hat noch keinem geschadet“? Richtig, nach reaktionärem Erziehungsstyle der 1950er Jahre. War aber kürzlich erst, sprachlich gerne auch abweichend, eine beliebte Reaktion auf den Fall eines 19-Jährigen, dem ein Polizist in Ausübung seines Berufes ins Gesicht geschlagen hat. (…) Nicht wundern solle sich der Bub, schließlich schalle es aus dem Wald heraus, wie es in ihn hineinrufe, führte ein Leser näher aus. Denn der Jugendliche hatte nach Angaben der Polizei die Beamten mehrfach beleidigt. Drei an der Zahl waren es, die, wegen Ruhestörung kontaktiert, vorstellig wurden. Dann der Schlag ins Gesicht, der Kopf fliegt zur Seite, wie ein Video die Szene dokumentiert. Und der Leiter der hierfür zuständigen Polizeidirektion Thomas Rath? Dem Kollegen sei „die Hand ausgerutscht“, doch auch wenn das nicht hätte passieren dürfen, so sei es doch immerhin „menschlich erklärbar“. Wow, das ist schon einigermaßen stark, dass ein Dienstherr eine de facto ausgeübte körperliche Gewalt im Amt als „menschlich erklärbar“ relativiert. (…) „Schubs mich, und Du fängst dir ne Kugel“, ist jetzt keine Szene aus einem Western, sondern hatte ein Polizist einem Demonstranten bei einer Demo in Dresden zugeraunt, die Hand über der Waffe platziert. Ein weiteres Beispiel für ein gewaltaffines Mackergehabe, das die situative Machtposition unter Verkennung der eigentlichen Rolle ausnutzt. Da traf es sich bestens, dass am Wochenende eine Solidaritätsaktion das angeknackste Image der Polizei-Behörde mit dem hübschen Hashtag #DankePolizei wieder ein bisschen aufpolieren sollte. (…) „Dankt ihr der Polizei, wenn ihr sie seht?“, hatte gar die Polizeigewerkschaft Berlin auf Twitter gefragt: 84,7 Prozent hatten übrigens mit „nein“ gevotet. Überhaupt dürften Tweets wie „Danke Polizei für eure tolle Mitarbeit und Rückendeckung. Gez. NSU 2.0“, „Ob Rechtsextremismus oder Polizeigewalt, auf euch ist immer Verlass, danke Polizei“ oder „danke Polizei für das stete Verprügeln von Linken“ die Erwartungen an die Aktion eher nur so mittelmäßig erfüllt haben…“ Kolumne von Katja Thorwarth vom 24. September 2020 bei der Frankfurter Rundschau online externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178727
nach oben