Polizei- und Ermittlungsbehörden missbrauchen das Kunsturhebergesetz zur Kriminalisierung von (über rechtsextreme Umtriebe) recherchierenden JournalistInnen

Angriff auf das Presserecht in Eisenach (Recherche Nord)Der Deutsche Journalisten-Verband ruft Polizei- und Ermittlungsbehörden auf, das Kunsturhebergesetz (KUG) nicht zur Kriminalisierung von recherchierenden Journalistinnen und Journalisten zu missbrauchen. Deutschlands Journalistengewerkschaft reagiert damit auf strafrechtliche Ermittlungen in mindestens zwei Fällen wegen der Veröffentlichung von Fotos mit verbotenen Symbolen. Im thüringischen Eisenach sind Medienschaffende des Portals Recherche Nord betroffen, weil sie in ihrer Berichterstattung über Rechtsrock-Konzerte Nazis mit eintätowierten verfassungsfeindlichen Symbolen wie etwa SS-Runen gezeigt hatten. Außerdem waren die Gesichter nicht verpixelt. Daraufhin wurden Ermittlungen nach dem Kunsturhebergesetz von Amts wegen eingeleitet. (…) „Das Kunsturhebergesetz darf nicht als Mittel dienen, die notwendige Aufdeckung rechtsextremer Umtriebe zu erschweren.“…“ djv-Pressemitteilung vom 08.02.2024 externer Link („Keine Kriminalisierung von Journalisten“) und mehr zum Hintergrund:

  • Neue Stufe der Einschränkung der Pressefreiheit erreicht: Die Polizei ermittelt gegen einen Fotografen, dessen Bilder wir, kommentiert und kontextualisiert, zur Verfügung stellten. #rechtsrocktnicht #eisenach #polizeiproblem #nonazis…“ Post von recherche-nord am 8.2.2024 auf Bluesky externer Link – mit mehr Informationen, diese allerdings nur als Grafiken, siehe daher:
  • Berichte über Rechtsrockkonzerte Eisenacher: Polizei geht gegen Journalisten vor
    Journalisten des Medienportals „Recherche Nord“ haben mehrfach kritisch über Rechtsrock-Konzerte in Eisenach berichtet. Nun ermittelt die Polizei gegen sie, weil sie auch Fotos mit verbotenen Symbolen veröffentlichten.
    Die Eisenacher Polizei ermittelt gegen Journalisten, die im Zuge kritischer Berichterstattungen über Neonazi-Konzerte Fotos mit verbotenen Symbolen veröffentlicht haben. Dazu gehörten etwa Abzeichen der Waffen-SS wie SS-Totenköpfe oder die so genannte „Wolfsangel“, aber auch andere strafbare Runen. Nach MDR Investigativ-Informationen hatten die Reporter des Medienportals „Recherche Nord“ mehrfach Straftaten von Neonazis im Umfeld der rechtsextremen Konzerte externer Link dokumentiert und Fotostrecken davon online gestellt. Darin waren Teilnehmer der Rechtsrock-Konzerte mit strafbaren Neonazi-Tätowierungen zu sehen. In ihrer Berichterstattung hatten die Journalisten mehrfach öffentlich kritisiert, dass die Eisenacher Polizei nicht konsequent genug gegen die Konzerte in der Neonazi-Immobilie „Flieder Volkshaus“ externer Link vorgegangen sein soll.
    Beamte der Eisenacher Polizei hatten später Anzeigen wegen des Zeigens verbotener Symbole und wegen Verstoßes gegen das Recht am eigenen Bild gestellt. Während der Veranstaltungen hatte die Polizei auch Strafanzeigen gegen rechtsextreme Teilnehmer gestellt. Die Landespolizeiinspektion Gotha hatte dem MDR nach einem solchen Konzert im Juli 2023 mitgeteilt, dass die Beamten im Nachhinein Bildmaterial für Anzeigen genutzt hätten. Ein Polizeisprecher sagte dem MDR, die Verfahren seien von Amts wegen aufgrund gesicherter Beweismittel und der in den öffentlich zugänglichen Medien publizierten Informationen erfolgt. „Die Kriminalpolizeistation Eisenach führt derzeit Ermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz sowie des Verdachtes der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.“ Von Amts wegen bedeutet dabei, dass die Polizei ein Verfahren eröffnet hat, unabhängig davon, ob Betroffenen selbst eine Anzeige gestellt haben. (…)
    Eine Sprecherin von „Recherche Nord“ sagte dem MDR, das Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten sei ebenso „bizarr“ wie das dahinterliegende Rechtsverständnis. „Im Grunde handelt es sich um einen schweren Angriff auf das Presserecht, um einen Angriff von Institutionen, die den demokratischen Rechtsstaat eigentlich verteidigen, und nicht, wie in diesem Fall, weiter aushöhlen sollten“, sagte die Sprecherin weiter. (…)
    Ein Sprecher der Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ sagte MDR Investigativ, Fotojournalisten hätten grundsätzlich das Recht, verbotene Symbole abzufotografieren und die Berichterstattung über rechtsextreme Zusammenkünfte damit zu illustrieren. Eine Abbildung solcher Kennzeichen sei nicht strafbar, wenn sie beispielsweise der Aufklärung oder der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen diente. „Wenn die Behörden tatsächlich strafrechtlich gegen die Veröffentlichung von Fotostrecken durch ‚Recherche Nord‘ vorgehen, in denen strafbare Tätowierungen und Abzeichen von Teilnehmenden der Neonazi-Konzerte im ‚Flieder Volkshaus‘ in Eisenach dokumentiert wurden, ist das auf jeden Fall erschreckend“, so der Sprecher weiter. Es sei die Aufgabe der Polizei, „Medienschaffende, die von rechtsextremen Zusammenkünften berichten, bei ihrer Arbeit zu schützen und damit in ihrem Einsatz für die Demokratie zu unterstützen.“…“ Artikel von Johanna Hemkentokrax, MDR Investigativ, vom 08. Februar 2024 beim MDR externer Link
  • Angriff auf Pressefreiheit in Thüringen: Polizei ermittelt gegen Journalisten
    „… Auch der freie Fotograf André Aden ist seit Jahren als Fachjournalist bekannt. Unter anderem im Sommer 2023 war er mehrfach in Eisenach. Am sogenannten „Flieder Volkshaus“ dokumentierte er von Mai bis Juli 2023 bei insgesamt vier Anlässen Rechtsrock-Konzerte externer Link. Das Haus ist auch die Thüringer Zentrale der Partei „Die Heimat“, ehemals NPD. Laut Aden seien jeweils zwischen 60 bis 120 Leute auf den Konzerten gewesen, darunter Neonazis aus zum Teil verbotenen Organisationen wie „Combat 18“ oder den sogenannten „Hammerskinsexterner Link. In seiner Beobachtung habe die Polizei erkennbar verfassungsfeindliche Symbolik weder erkannt noch geahndet. Die Bilder habe er verschiedenen Medien angeboten. Sie wurden auf dem Portal von Recherche Nord veröffentlicht, die Gesichter von Polizisten wurden verpixelt. Fotos zeigen einen Neonazi mit dem Tattoo einer SS-Rune, zeigen Odal-Rune und Wolfsangel oder eine Hand mit Siegelringen mit SS-Totenkopf. Mehrfach klärten die Bildunterschriften über den Kontext auf und wiesen explizit darauf hin, dass die Symbole strafbar, von der Polizei vor Ort jedoch nicht beanstandet worden seien. Der Polizei in Eisenach wird seit Jahren vorgeworfen, gegen die Aktivitäten im „Flieder Volkshaus“ nicht konsequent vorzugehen. Aden sagt, er habe sich wegen der unklaren Situation vor Ort jeweils telefonisch bei der Polizeiinspektion Eisenach angekündigt. Anscheinend störte sich die Polizei aber dennoch an der Berichterstattung.
    Gegenüber der taz erklärte Aden, ihm sei als Journalist von der Polizei gedroht worden. So habe ihm am 8. Juli 2023 am Rande eines Rechtsrock-Konzerts ein leitender Polizist aus Eisenach erklärt, die Berichterstattung „kritisch“ zu sehen. Diese würde die Arbeit der Polizei „in ein schlechtes Licht“ rücken. Zwar könne man seine Arbeit wegen seines journalistischen Status nicht verhindern, aber es gebe andere „Mittel und Wege“. Ein paar Monate später wurde Aden dann über Ermittlungen informiert, die die Kriminalpolizei in Eisenach gegen ihn führt…“ Artikel von Jean-Philipp Baeck vom 8.2.2024 in der taz online externer Link
  • Wir empfehlen https://recherche-nord.com/ externer Link

Siehe auch unser Dossier: Immer mehr (v.a. rechte und polizeiliche) Übergriffe auf JournalistInnen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=218051
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