Polizei Bochum verletzt nach gewaltsamen Zutritt zur Wohnung mit Taser und Schusswaffe eine gehörlose Zwölfjährige mit 2 Küchenmessern

Dossier

Taser sind harmlos? Sagt das den Toten…In Bochum hat die Polizei auf ein zwölfjähriges Mädchen geschossen, es wurde lebensgefährlich verletzt. Das Kind ist offenbar gehörlos und war aus einer Wohngruppe verschwunden. Nach Aussage der Polizei ging das Mädchen mit zwei Messern auf die Polizisten los, als diese eintrafen. Bei einem Einsatz der Bochumer Polizei in der Nacht haben Beamte auf ein zwölfjähriges Mädchen geschossen. Das Kind liegt auf der Intensivstation und wurde notopertiert. Laut Polizei habe das Mädchen die Operation gut überstanden. Der Zustand des Mädchens sei kritisch, aber stabil…“ Beitrag von Maya Graef und Maximilian Werner vom 17.11.2025 im WDR externer Link („Bochum: Polizei-Schüsse auf Zwölfjährige – Zustand weiterhin kritisch“) und mehr Informationen:

  • Rechtsanwalt des lebensgefährlich verletzten Mädchens widerspricht Darstellungen der Polizei, weist den „Messerangriff“ durch die 12-jährige Mandantin zurück und ruft zu Spenden auf New
    • Pressemitteilung Simón Barrera González, LL.M. Eur. – anwaltlicher Vertreter des durch einen Polizeieinsatz lebensgefährlich verletzten 12-jährigen, gehörlosen Mädchens aus Bochum
      Im Namen meiner Mandantin weise ich ausdrücklich darauf hin, dass jegliche medialen Äußerungen durch die ermittelnden Strafverfolgungsbehörden mit Bezug auf den Gesundheitszustand meiner Mandantin leider nicht dem jeweils aktuellen Gesundheitszustand entsprachen.
      Im Interesse des Schutzes der Privatsphäre meiner Mandantin – eines 12-jährigen Kindes – verbieten sich entsprechende Äußerungen in den Medien an sich grundsätzlich.
      Den Gesundheitszustand konkret als „kritisch, aber stabil“ zu bezeichnen, während meine Mandantin um ihr Leben kämpft und ohne, dass zuvor eine Weitergabe von medizinischen Details an die Behörden erfolgte, schafft auf Seiten der Familie meiner Mandantin jedenfalls kein Vertrauen in eine objektive Ermittlung der Geschehnisse und lässt an der Neutralität der ermittelnden Behörden leider grundlegend zweifeln.
      Dasselbe gilt für die behördliche Behauptung gegenüber den Medien, dem Schusswaffen- und Tasereinsatz durch die beschuldigten Polizeibeamten sei ein „Messerangriff“ durch die 12-jährige Mandantin vorausgegangen. Bis dato haben keinerlei Zeugenvernehmungen der Familienangehörigen bzw. meiner Mandantin durch die Strafverfolgungsbehörden stattgefunden. Die strafrechtlichen Ermittlungen befinden sich am Anfang, weshalb auch diese medialen Äußerungen behördlicher Verantwortungsträger bis hin zum Innenministerium NRW einer sachlichen Grundlage entbehren, vorgriffig sind und Zweifel an der Objektivität der ermittelnden Behörden und deren Verfolgungsinteresse bzgl. der beschuldigten Polizeibeamten nähren. Die bereits erfolgten anwaltlichen Vernehmungen der familiären Zeugen stellen die Situation grundlegend anders dar und lassen massiv an den bisherigen Darstellungen einer angeblichen Notwehrsituation zweifeln
      …“ Pressemitteilung vom 25.11.2025 der Kanzlei Simon Barrera González dokumentiert auf presseportal.de externer Link
    • [Spendenaufruf] 12 Jähriges gehörloses Mädchen durch Polizei Bochum verletzt
      In der Nacht zum 17. November wurde ein gehörloses zwölfjähriges Mädchen in Bochum in einer psychischen Ausnahmesituation durch die Polizei Bochum angeschossen. Das Kind wurde seither mehrfach notoperiert. Die Spenden werden ausschließlich zur Deckung der Verfahrenskosten und der Unterstützung der Heilung des Mädchens, sowie zur Unterstützung der Familie verwendet…“ Spendenaufruf bei gofundme externer Link zur Finanzierung der Verfahrenskosten und zur Unterstützung der Betroffenen
    • Anwalt: Kein Messerangriff vor Bauchschuss
      Anwalt von angeschossenem Mädchen in Bochum widerspricht sämtlichen Darstellungen der Polizei (…)
      Nun äußert sich erstmals Simón Barrera González, der Anwalt des Mädchens. Sämtliche von Polizei und Staatsanwaltschaft verbreitete Schilderungen seien falsch oder verzerrt, erklärt González gegenüber »nd«. Sowohl die in der Wohnung anwesende Mutter als auch der Bruder der Zwölfjährigen widersprächen demnach der Annahme, ein Messerangriff habe bevorgestanden oder sei zu erwarten gewesen. Es habe sich also nicht um eine Notwehrsituation gehandelt.
      Wie das Opfer sind auch die Mutter und der Bruder gehörlos. Die Familie stammt aus Montenegro und ist die einzige nicht-polizeiliche Zeugengruppe. Von den Behörden wurden sie bislang nicht vernommen. Auch González, dessen Kanzlei sich in Würzburg befindet, konnte erst vergangene Woche mit ihnen kommunizieren. Da die Mutter deutsche, der Bruder jedoch serbische Gebärdensprache nutzt, ist der Anwalt auf Unterstützung aus der internationalen Gehörlosen-Community angewiesen.
      Nach diesen Gesprächen ergibt sich ein deutlich anderes Bild der von Beginn an martialisch angelegten Polizeiplanung. »Sie sind reingelaufen wie bei einem Einsatz gegen Schwerverbrecher«, sagt González zu »nd«. Die Sicherungen seien von außen abgestellt worden, anschließend habe die Polizei versucht, die Tür aufzubrechen. Als die Mutter aus der Dunkelheit der Wohnung heraus öffnete, hätten alle Polizist*innen ihre Waffen gezogen. »Die Eskalation entspricht nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen im Umgang mit vulnerablen, eingeschränkten Menschen«, sagt der Anwalt zu »nd«. (…)
      Inzwischen wurde auch bekannt, dass die Bodycams der Beamt*innen während des Einsatzes nicht eingeschaltet waren; angeblich, weil es sich um einen »Routine-Einsatz« gehandelt habe. Dem WDR teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium am Montag mit, die Polizei sei in diesem Fall »nicht von einer Gefahrensituation ausgegangen«. Auch diese Version steht im Widerspruch zu den Ausführungen des Anwalts. (…)
      Die Öffentlichkeitsarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium bezeichnet González als »schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung« der Zwölfjährigen. Das gelte ebenso für die Medienberichterstattung, durch die das Wohnhaus und damit die Familie identifizierbar seien. Einige Medien hätten zudem Kinderfotos veröffentlicht. (…)
      Am kommenden Freitag will die Polizei in einer gemeinsamen Sitzung des Innenausschusses sowie des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend über den Einsatz in Bochum berichten – vermutlich wird anschließend erneut eine einseitige Version des Schusswaffengebrauchs verbreitet. (…) Die Anwält*innen des Mädchens sowie der Mutter sind zu der Anhörung des Falles im Landtag nicht eingeladen. Auch die ermittelnden Behörden haben bislang weder die Familie noch ihre juristischen Vertreter*innen kontaktiert
      …“ Artikel von Matthias Monroy vom 27.11.2025 in ND online externer Link
    • Bochumer Polizeischüsse: Immer mehr Zweifel am Polizeieinsatz
      Mitte November wurde ein 12-jähriges Mädchen in Bochum durch Polizeischüsse verletzt. Der Anwalt bezichtigt die Polizei der Falschinformation. (…)
      Die Schilderung des Anwalts enthält bisher unbekannte Details: Laut ihm drangen die Po­li­zis­t*in­nen in der Nacht mit gezogener Waffe in die Wohnung ein, nachdem sie den Strom abgestellt hatten. Für die gehörlose Familie sei die plötzliche Dunkelheit besonders belastend gewesen. Die Mutter habe daraufhin die Tür geöffnet, sei zu Boden gebracht und gefesselt worden. Erst danach sei das Mädchen im Flur erschienen – mit zwei Küchenmessern, jedoch „ohne Angriffshandlung“, wie der Anwalt betont. (…)
      Nachdem Barrera González sich zuletzt öffentlich geäußert hatte, widersprach ein Sprecher der Polizei Essen umgehend gegenüber der dpa: Man versuche möglichst objektiv anhand „Aussagen aller beteiligten Zeugen zu berichten, was in der Nacht passiert ist.“ Auch mit der Mutter und dem Bruder habe man bereits gesprochen. (…)
      Am Mittwoch war die Zuständigkeit der ermittelnden Staatsanwaltschaft gewechselt: Weil man bemerkt habe, dass ein Mitarbeitender der Staatsanwaltschaft Bochum in verwandtschaftlichem Verhältnis zu einem der beteiligten Po­li­zis­t*in­nen steht, leitet nun aus Neutralitätsgründen die Staatsanwaltschaft Hagen die Ermittlungen der Mordkomission Essen. Informationen gibt fortan nur noch der dort zuständige Oberstaatsanwalt
      …“ Artikel von Friedrich Kraft vom 27.11.2025 in der taz online externer Link
  • Polizeischüsse in Bochum: Gegen Minderjährige eigentlich verboten
    Mutter des Opfers wurde – anders als zuvor von Behörden behauptet – vor der Tat aus der Wohnung gezerrt
    Nach den Schüssen auf eine gehörlose Zwölfjährige in Bochum korrigiert die Polizei ihre ursprüngliche Darstellung. Demnach habe die Mutter des Mädchens in der Nacht zum Montag den Einsatzkräften den Zutritt zur Wohnung versperrt. »Um zu dem Mädchen zu gelangen, zogen die Einsatzkräfte die Mutter in den Hausflur und fixierten sie«, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag externer Link. Zuvor hatte es geheißen, die Frau sei erst nach dem lebengefährlichen Einsatz nach draußen gebracht worden. Ebenfalls neu ist die Information, dass auch der Bruder des Mädchens in der Wohnung gewesen ist. (…) Weil die Polizei Hinweise gehabt habe, dass die Zwölfjährige nach Bochum-Hamme gefahren sein könnte, hätten Einsatzkräfte an der Wohnungstür der Mutter geklopft oder geklingelt – was die beiden offenbar nicht hören konnten. Die Polizei forderte einen Schlüsseldienst an, doch noch vor dessen Eintreffen öffnete die Mutter die Tür. Ein Gebärdendolmetscher sei bei dem Einsatz nicht dabei gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Nach Darstellung von Polizei und Staatsanwaltschaft sei das Mädchen dann mit zwei Messern in den Händen auf die Beamt*innen zugegangen. Diese hätten »zeitgleich« reagiert: einer mit einem Taser, ein anderer mit der Dienstwaffe. Warum das Mädchen die Messer gezogen habe, wisse sie nicht, sagt die Mutter. Sie vermute, dass ihre Tochter ihr nur habe helfen wollen. Dreimal habe die Zwölfjährige nach ihr gerufen, bevor geschossen wurde. Wie oft, ist unklar; die Mutter berichtet RTL von mehreren Schüssen
    …“ Artikel von Matthias Monroy vom 18.11.2025 in ND online externer Link
  • Mädchen soll vor Polizeischuss unmittelbar vor Beamten gestanden haben
    Nach der lebensgefährlichen Verletzung einer Zwölfjährigen durch einen Polizisten liegt ein erstes Ergebnis der Ermittlung vor. Demnach schoss der Mann im letzten Moment.
    Der Schuss eines Polizisten auf ein zwölfjähriges Mädchen in Bochum fiel laut den zuständigen Ermittlern im letztmöglichen Moment. Der Beamte habe erst geschossen, als das mit zwei Küchenmessern bewaffnete Mädchen „unmittelbar“ vor den Polizisten stand, teilten die Staatsanwaltschaft Bochum und die Polizei Essen mit. Demnach hatten die Polizisten zuvor die Mutter des Mädchens fixiert und sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung verschafft. Den Angaben zufolge hatten die Beamten die vermisste Zwölfjährige sowie ihren Bruder in der Wohnung der Mutter aufgefunden, die ihnen aber den Zutritt verwehrt haben soll. Die Beamten hätten die Mutter daraufhin in den Hausflur gezogen, sie fixiert und dann die Wohnung betreten. In dem Moment soll die Tochter mit zwei Messern auf die Beamten zugegangen sein. Einer der vier Beamten habe daraufhin einen Taser eingesetzt – eine Waffe, die den Getroffenen durch einen Stromstoß kurz handlungsunfähig macht. Ein anderer schoss noch im selben Moment mit seiner Dienstwaffe auf das Mädchen, wie ein Polizeisprecher auf Nachfrage der ZEIT sagte. „Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen erfolgte beides gleichzeitig“, sagte der Sprecher. (…)
    Sowohl die Mutter als auch ihre Tochter sind laut den Ermittlern gehörlos. Bisher ist unklar, wie die Kommunikation der Polizei mit dem Kind und der Mutter abgelaufen ist. Ein Gebärdendolmetscher sei bei dem Einsatz nicht dabei gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Man habe entschieden, den Einsatz noch in der Nacht durchzuführen, um das Mädchen möglichst schnell zu einem Arzt zu bringen. Ob die Bodycams der Polizisten während des Einsatzes angeschaltet waren und das Geschehen aufgenommen haben, sei „Gegenstand der Ermittlungen“, sagte der Polizeisprecher. Bodycams gehören zur Ausrüstung der Polizisten in Nordrhein-Westfalen, müssen aber in Einsätzen von den Beamten bewusst eingeschaltet werden, damit sie Aufnahmen machen. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind Anforderungen zum Schusswaffengebrauch gegen Kinder gesetzlich noch strenger gefasst als gegen Erwachsene…“ Agenturmeldung vom 18. November 2025 in der Zeit online externer Link
  •  Polizeischüsse in Bochum: Nachplappern statt nachfragen
    In der Nacht zu Montag wurde bei einem Polizeieinsatz eine Zwölfjährige schwer verletzt. Warum übernehmen Medien die Polizeierzählung des Geschehens?…“ Artikel von Friedrich Kraft vom 18.11.2025 in der taz online externer Link

  • Polizei schießt in Bochum auf Mädchen: Beamte setzten »zeitgleich« Taser und Schusswaffe ein
    Im Bochumer Stadtteil Hamme hat die Polizei in der Nacht zu Montag eine Zwölfjährige durch Schüsse schwer verletzt. Das Mädchen, der Polizei zufolge gehörlos, soll in einer Wohngruppe gelebt haben und wurde von Betreuern als vermisst gemeldet – offenbar benötigte sie wichtige Medikamente. Einsatzkräfte sollen sie in der Wohnung der ebenfalls gehörlosen Mutter entdeckt haben. Dort kam es zum Einsatz von Taser und Schusswaffe. (…) Der Fall wirft nicht nur Fragen nach dem konkreten Einsatzverlauf auf, sondern auch nach dem Umgang mit besonders vulnerablen Jugendlichen – und nach der Geschwindigkeit, mit der sich Deutungen verselbständigen. Offen bleibt, ob die Polizei versucht hat, wenigstens mit Gesten mit dem Mädchen oder der Mutter zu kommunizieren. Wurden weniger invasive Mittel oder ein Rückzug aus dem Wohnraum erwogen?...“ Artikel von Friedrich Kraft vom 17.11.2025 in ND online externer Link
  • 12-Jährige greift Polizisten mit Messern an – Schusswaffengebrauch durch Polizei
    Pressemitteilung der Polizei Essen vom 17. November 2025 externer Link
  • Unser spontaner Kommentar lautete: Mein Satz des Tages für eine schlaflose Nacht: „Aus Neutralitätsgründen hat die Essener Polizei die Ermittlungen in dem Fall übernommen“ nach Polizei-Schüssen auf eine 12jährige in Bochum…

Siehe u.a. unser Dossier: Taser sind harmlos? Sagt das den Toten…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=232078
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