Nach dem neuen Mord in Celle: Muss die Polizei (ausnahmsweise) ihre übliche Verteidigung rechtsradikaler Mörder schnell (kosmetisch) korrigieren…

Dossier

Plakat zur Aufklärungskampagne des Mordes in CelleIm Rassismus-freien Polizeistaat BRD wird ein 15-jähriger ermordet, und die Polizei weiß sofort nur eines: Mit Rassismus hatte dieses Verbrechen nichts zu tun. Weiß sie auch noch im Jahr 2020, ohne auch nur einen Blick in die benutzten sozialen Medien des Mörders geworfen zu haben. Wo man dessen rassistische und nationalistische Gesinnung dermaßen schnell und deutlich erkennen konnte, dass sogar seine uniformierten BeschützerInnen dann doch lieber wenigstens so weit zurück ruderten, als sie gestanden, sie müssten da vielleicht erst noch mal nachgucken. Solch ein entlarvendes Eingeständnis öffentlich zu treffen, taten sie nicht freiwillig, sondern aufgrund eines öffentlichen Drucks, der geradezu lawinenartig anschwoll, weil der Geist des Verbrechers so eindeutig überdeutlich war und ist. Die schnell gezückte Puderdose ist aber auch schon das einzige, was an der Entwicklung nach dem Celler Mord neu ist – sonst folgt sie dem üblichen polizeilichen Vorgehen, wie es etwa das BKA in Bezug auf den Mörder von Hanau demonstrativ durchzuziehen gedenkt: Leugnen, lügen, immer frecher dabei werden, die Medien – viele davon auch privatisierte Polizei-Pressestellen genannt – für sich arbeiten lassen. In Verteidigung des Rassismus und ihrer Selbst: Wenn ein bisschen Menschen ermorden schon Rassismus sein soll, was wäre dann von einer Vereinigung mit dermaßen vielen Einzelfällen zu halten? Eben. Und wer jetzt dagegen zu demonstrieren gedenkt, kommt ohnehin in den Knast, verstanden? Zum neuerlichen Nazi-Mord in Celle und dem Wirken der Freunde und Helfer der Rassisten eine kleine aktuelle Materialsammlung vom 13.4.2020 und nun weiter dazu:

  • Der Nazi-Mord von Celle macht (wieder einmal) deutlich: Behördenversagen im Kampf gegen Nazi-Terror, aber auch Respektlosigkeit gegenüber den Opfern New
    • „… Dass die niedersächsischen Behörden nicht an ihren anfänglich eingeschlagenen Kurs festhalten können und nun ein rassistisches Motiv der Tat nicht ausschließen, ist einzig und allein der öffentlichen Kritik geschuldet. Das Ausblenden der politischen Dimension der Tat wurde durch die zahlreichen Pressemitteilungen und Recherchen der zum Großteil selbstorganisierten migrantischen Organisationen angeprangert. Welche eine lückenlose Aufklärung des Mordes fordern. Es gilt weiterhin den Verlautbarungen der staatlichen Institutionen mit Skepsis zu begegnen, diese und die Ermittlungen kritisch zu hinterfragen. (Aller-) Spätestens nach den öffentlich bekannt gewordenen Verstrickungen von Polizei und Verfassungsschutz in die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) sollte deutlich geworden sein, dass weder Verlass auf diese Behörden sein kann, noch dass diese Behörden, deren Existenz u.a. zum rassistischen Mord an Oury Jalloh führten, Verbündete im Kampf gegen Rassismus sein können…“ – aus dem Beitrag „Der Mord an Arkan und die Rolle der Behörden im Land der „Einzeltäter““ am 23. April 2020 bei der Antifaschistischen Koordination 36 externer Link. Siehe dazu auch ein Interview mit der Mutter des ermordeten Arkan:
    • „»Wir sind über das Wasser gekommen und hier in Blut ertrunken«“ am 19. April 2020 in neues deutschland online externer Link ist ein Interview von Leylan Uca mit Kochar Sido Khidir, in dem die Mutter des Opfers zum Abschluss festhält: „… Wir haben nur gesagt: Gott sei Dank, wir sind nun endlich von diesem Grauen erlöst. Wir hatten einen Völkermord und die Tortur der Flucht nach Deutschland hinter uns. Vorher hatten wir fast fünf Monate in Angst und Ungewissheit gelebt. Es war der reinste Alptraum. Ich dachte, nun ist der Alptraum beendet. Ich wusste doch nicht, dass wir hier auch in Angst leben müssen. Derjenige, der meinen Sohn auf dem Gewissen hat, ist für mich wie jemand vom Islamischen Staat. Wir sind aus Angst vor dem Tod aus Sindschar geflüchtet, und nun wurde mein Sohn hier in Deutschland getötet. Hätte ich gewusst, dass ich selbst hier nicht in Sicherheit leben kann, hätte ich meinen Sohn niemals nach draußen gelassen. Er war gerade mal 15, aber sein Mörder ist doppelt so alt. Wir sind über das Wasser gekommen und hier in Blut ertrunken“.
  • Wer die Aufklärung des rassistischen Mordes von Celle will: Sollte nicht auf Polizei und Behörden setzen, sondern selbst… 
    „… Auch die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie schützen Migrant*innen nicht vor Nazis. Die Pressemitteilungen der Polizei Celle und der Staatsanwaltschaft Lüneburg deuten auf die uns bekannte Linie der deutschen Ermittlungsstellen, die wir bereits seit den 1990er Jahren kennen: Es ist eine Linie der Relativierung und Normalisierung rassistischer Attacken von völkisch gesinnten »besorgten Bürgern« und organisierten Nazis, die andere Nazis ermutigt zu morden. Wenn der Täter im Anschluss an seine rassistische Attacke nicht durch die Zeug*innen festgehalten und den eintreffenden Polizeibeamt*innen übergeben worden wäre, hätten die Ermittler*innen leichtes Spiel gehabt. Der Mord an Burak Bektas 2012 in Berlin-Neukölln beispielsweise beschäftigt bis heute Angehörige, Anwält*innen und Aktivist*innen, die um Aufklärung und Gerechtigkeit kämpfen. Seit acht Jahren ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft trotz konkreter Hinweise auf den Täter erfolglos. Auch im Mordfall in Celle wäre wohl niemand »wegen Verdacht des Totschlags« festgenommen worden, wenn der Täter nicht von mutigen Augenzeug*innen festgehalten worden wäre. (…) Als betroffene Migrant*innen und antirassistische Aktivist*innen sollten wir nach rassistischen Attacken den staatlichen Ermittlungsstellen kein Vertrauen mehr schenken und unser Schicksal nicht den manipulativen Behörden überlassen. Dies bedeutet, im Falle solcher Morde gleich eine möglichst interdisziplinäre Ermittlungskommission zu gründen und die Ermittlungen parallel und selbstorganisiert in die Hand zu nehmen. Das heißt, diese zivilgesellschaftlich kritisch zu begleiten, unabhängige Recherchen anzustellen und die Ergebnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen. Unabhängige Kommissionen würden dafür sorgen, den Druck auf die zuständigen Stellen zu erhöhen und den Angehörigen mehr und kontinuierlicheren Beistand zu leisten – anstatt es bei Beileidsbekundungen zu belassen und zur Tagesordnung überzugehen. Wir müssen endlich andere Wege gehen, denn die Nazis lachen über uns, wenn wir uns wie bisher darauf beschränken, lediglich das Übliche zu fordern – wissend, dass unsere Forderungen innerhalb der Blasen der bereits Bekehrten verhallen…“ – aus dem Beitrag „Lückenlos aufklären müssen wir selbst“ von Gürsel Yıldırım am 21. April 2020 bei analyse&kritik externer Link (Ausgabe 659) – der ältere Leserinnen und Leser vermutlich schnell an die keineswegs erfolglose Arbeit früherer „Ermittlungsausschüsse“ erinnert…
  • „Vorschnelles Vorgehen“ von Volkan Agar am 10. April 2020 in der taz online externer Link fasst die Entwicklung der Kritik am Wirken der polizeilichen Schutzstaffel so zusammen: „… Am Dienstagabend wurde in der niedersächsischen Stadt Celle ein 15-jähriger Junge mit jesidischen Wurzeln von einem 29-jährigen Deutschen getötet. Der Junge war mit dem Fahrrad unterwegs, als ein Mann auf ihn einstach. „Angriff aus dem Nichts“, titelte die Cellesche Zeitung tags darauf und verwies auf eine Polizeisprecherin. „Verdächtiger wirkt bei Festnahme verwirrt“, schrieb der NDR in einem Zwischentitel. Eine Presseagentur meldete, das Opfer sei „offenbar grundlos“ erstochen worden. Die Polizei Celle und die Staatsanwaltschaft Lüneburg hatten am Mittwochabend erklärt, dass dem Täter vorgeworfen werde, den Jungen „offenbar grundlos mit einem Messer niedergestochen zu haben“. Bisherige Ermittlungen lieferten „in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat“. Stattdessen sprachen sie bei ihrem derzeitigen Ermittlungsstand von einem „Zufallsopfer“. (…) Zeit Online veröffentlichte am Donnerstag eine Recherche, nach der „zumindest Zweifel“ an der Zufallsthese erlaubt seien: Drei Social-Media-Konten des Täters, deren Authentizität die Polizei bestätigt habe, belegten die Nähe des Täters zu rechtsextremen Verschwörungsideologien. Seiten, denen der Täter folge, verbreiteten Inhalte, auf die sich auch die Täter von Hanau und Halle bezogen hätten. Außerdem befänden sich unter den Onlinefreunden Neonazis...“
  • „Totschlag in Celle: Aus Hass erstochen?“ von Henrik Merker am 09. April 2020 im Störungsmelder der Zeit online externer Link ist der im vorigen Beitrag angesprochene Recherche-Artikel vom Donnerstag, worin am zweiten Tag nach dem Mord ganz ohne entsprechende polizeiliche Ermittlungen fest gehalten wird: „… Am späten Dienstagabend wurde der 15-jährige Flüchtling Arkan Hussein Kh. im niedersächsischen Celle erstochen. Zeugen hielten den mutmaßlichen Täter Daniel S. fest, bis die Polizei kam. Das Opfer ist ein irakischer Jeside, der 29-jährige Festgenommene ein Deutscher. Dennoch teilt die Polizei mit, die Ermittlungen hätten „in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat“ geliefert. Kh. soll demnach nur kurz mit seinem Fahrrad an einer Bushaltestelle am Bahnhof gestanden haben, als er von dem wegen Drogenbesitz vorbestraften Pflegehelfer anlasslos angegriffen wurde. Doch ob der Flüchtling ein Zufallsopfer war, daran sind zumindest Zweifel erlaubt. ZEIT ONLINE stieß bei Recherchen zu Daniel S. auf drei Social-Media-Konten, die eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungsideologien belegen. Die Polizei bestätigte, dass es sich beim Inhaber der Accounts um den Verdächtigen handelt. Mehrere Neonazis und Rechtsradikale befinden sich unter den Onlinefreunden von Daniel S. Nicht alle seine Onlinebekanntschaften scheinen indes politisch begründet. Auch Kurden und Türken sind darunter.  Auf Facebook folgt S. Seiten mit Titeln wie „Die Verschwörungstheorie“ und „Von wegen Verschwörungstheorie“. Sie verbreiten Inhalte der seit 2017 im Internet kursierenden QAnon-Ideologie, auf die sich bereits der Attentäter von Hanau bezog. Die Seitenbetreiber behaupten, die deutsche Geschichte sei gefälscht, sie zitieren die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion und stellen den Holocaust infrage. Auch der antisemitische Attentäter von Halle bekannte sich in dem Video, das seine Tat zeigt, als „Anon“. Neben judenfeindlichen Mythen verbreiten die Seiten auch Reichsbürger-Statements, nach denen die Bundesrepublik eine GmbH sei und das Deutsche Reich weiter existiere. Auch eine Seite der Flacherde-Verschwörungstheorie ist darunter. Deren Anhänger glauben, die Erde sei eine Scheibe. Inhaltlich steht die Seite der Reichsbürger-Bewegung nahe und bezweifelt ebenfalls die Existenz der Bundesrepublik. (…) Nach den Seiten gefragt, teilt die Pressestelle der Polizei Celle mit, diese seien den Ermittlern bislang nicht aufgefallen...“
  • „Polizei durchleuchtet Social-Media-Accounts“ von Christopher Menge am 11. April 2020 in der Celler Zeitung online externer Link zur erzwungenen Kurskorrektur der Ermittlungen in bester „embedded“ Manier, als ob die Polizei pausenlos sich aufzuklären bemühe und nicht ganz im gegenteiligen Sinne handelte: „… Die Polizei Celle und die Staatsanwaltschaft Lüneburg / Zweigstelle Celle haben sich am Ostersamstag in einer gemeinsamen Pressemitteilung geäußert. Nachdem am Dienstagabend der 15-jährige Arkan H.-K. unvermittelt von einem 29 Jahre alten Mann mit einem Messer in der Bahnhofstraße in Celle angegriffen und getötet worden sei, werde weiterhin mit Hochdruck an der vollumfänglichen Aufklärung des Tötungsdeliktes in Celle gearbeitet. „Im Fokus der Ermittlungen stehen die Beweggründe für die Tat des mutmaßlich drogenabhängigen und psychisch auffälligen Beschuldigten“, so Polizeisprecherin Birgit Insinger. „In diesem Zusammenhang werden auch das persönliche Umfeld sowie die Social-Media-Accounts des 29-Jährigen durchleuchtet…“
  • „Trauer und Wut am Tatort in Celle“ am 09. April 2020 bei der ANF externer Link meldete bereits zu ersten Reaktionen auf den Mord: „… Am Tatort sind Kerzen aufgestellt und Blumen niedergelegt worden. Immer wieder kommen Menschen dorthin, um ihrer Trauer und ihrer Verständnislosigkeit gegenüber dieser Tat Ausdruck zu verleihen. Um Arkan Hussein Khalaf zu würdigen, legten die Frauen Blumen und Bilder an die Stelle und zündeten Kerzen an. (…)Unter den Menschen am Tatort waren auch Jugendliche, die Arkan kannten. Sie beschrieben ihn als gutmütigen und respektvollen Menschen, den sie als Freund sehr geschätzt hätten. Einer von ihnen war Arkan zu Hilfe gekommen. Während andere aus Angst vor dem bewaffneten Täter wegrannten, hielt er ihn fest, bis die Polizei kam. Eine Anwohnerin bezeichnete ihn als Helden, der wahrscheinlich verhindert habe, dass weitere Menschen getötet oder verletzt wurden. Er habe in der Situation großen Mut bewiesen. Andere sammelten Ideen, wie sie trotz der derzeitigen Corona-Einschränkungen eine „sichere“ Demonstration organisieren könnten und welche andere Formen es gibt, um öffentlich und gemeinsam Trauer und Wut zum Ausdruck zu bringen, an Arkan Hussein Khalaf zu erinnern und ein deutliches Zeichen gegen die Tat und die in ihr sichtbare Verachtung des Lebens zu setzen. Sie rufen dazu auf, in den sozialen Medien Erinnerungen und Äußerungen zu teilen. Auf einem der niedergelegten Briefe war der Hashtag #GerechtigkeitFürArkan zu lesen…
  • „Arkan Hussein Khalaf: Vor dem IS geflohen-In Celle ermordet“ am 11. April 2020 bei ak36 externer Link ist ein Informations-Flyer zu dem Mord, worin es unter anderem heißt: „… Anderthalb Monate nachdem ein Rassist am 19. Februar in Hanau, 10 Menschen ermordete stirbt ein 15-jähriger Geflüchteter als er mit seinem Fahrrad Abends durch die Stadt fährt. Der 29-jährige Täter, Daniel S., pflegte Online-Kontakte zu Neo-Nazis, verkehrt auf Reichsbürger Seiten und beschäftigt sich mit rassistischen und antisemitischen Verschwörungstheorien. Dennoch steht für die Polizei, wie zu ewarten war, fest: Es gäbe in „keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat“. Das Schema nach dem die Taten und die Täter, nach einem rassistischen Mord, bewertet wird bleibt das gleiche: verwirrt, physisch krank, kein politischer Hintergrund, Einzeltäter. Weder Daniel S. noch der Attentäter von Hanau Tobias R. handelten alleine. Sie handelten aus einem rassistischen gesellschaftlichen Klima heraus in welchem Geflüchteten und Migrantinnen das Recht auf (ein unversehrtes) Leben abgesprochen wird. Ein Klima welches von Parteien, allen voran der AFD, Medien wie der BILD-Zeitung und alltäglicher stumpfer Hetze geschürt wird und den Nährboden für die Taten von Hanau und Celle bildet. Aus Worten werden Taten…“
  • „Gemeinsame Erklärung nach der Ermordung Arkan Hussein Khalafs in Celle“ am 10. April 2020 bei de.indymedia externer Link dokumentiert, ist eine gemeinsame Stellungnahme von dem Êzîdischer Frauenverein „Hêvî – Hilfe für Frauen in Not“, dem Êzîdischer Frauendachverband SMJÊ, dem NAV-YEK Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V., MŞD – Rat der Êzîden aus Şengal in Europa, dem MCÊ Mala Êzîdiya Celle/Êzîdisches Kulturzentrum Celle e.V., dem HCÊ Bündnis der Êzîdischen Jugend e.V., der VVN-BdA Celle, von Buntes Haus Celle, Gemeinsam Kämpfen Celle, Antifaschistische Linke Celle, Fridays for Future Celle und dem Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus, in der es unter anderem heißt: „…Vor diesem Hintergrund hat die Tat unvermeidbar eine politische Dimension. Sie erinnert an weitere Morde an Menschen mit migrantischem Hintergrund. Genau deshalb muss in dieser Situation über Rassismus als eine Motivation für diese tödliche Gewalt gesprochen werden. Auch wenn es bislang keine Erkenntnisse dafür gibt, dass der Täter Daniel S. ein organisierter Neonazi war, ist klar, dass er sich zumindest im Internet mit rassistischen und antisemitischen Gedanken umgeben hat. Unter seinen Facebook-Freund_innen befinden sich unter anderem auch Neonazis. Dies bestätigten Recherchen von Zeit Online, die am Donnerstag veröffentlicht wurden. Ähnlich wie bei den rassistisch motivierten Morden in Hanau wird bei dem Täter eine Mischung aus rechter Ideologie und Verschwörungstheorien erkennbar. Täter rassistischer Verbrechen legitimieren ihre Gewalt, sie suchen Schuld für gesellschaftliche Missstände bei „den Anderen“. Sie sehen sich selbst dazu befugt, mit Gewalt oder Mord zu richten. Gesellschaftliche Debatten, in denen beispielsweise Geflüchtete für Probleme verantwortlich gemacht werden, geben den Tätern die Rechtfertigung dazu. Rassismus ist ein tief sitzendes Problem in unserer Gesellschaft. Rassismus fördert Ungleichbehandlung, Gewalt und Morde. Rassismus wird von vielen geschürt, verbreitet und geduldet. Am selben Tag, an dem Arkan Hussein Khalaf ermordet wurde, wurde ein Geflüchteter aus Syrien in den Medien stellvertretend als Sündenbock für alle dargestellt, die sich nicht an die Corona-Kontaktbeschränkungen halten. So etwas ist keine Ausnahme, sondern alltäglich. Nachdem die Meldung vom Mord in Celle veröffentlicht wurde, vermuteten Kommentar-Schreiber sofort einen „Gast“ als Täter. Nach Meldung einer deutschen Staatsangehörigkeit wurde sofort nach dem Vornamen gefragt, erst dann könne man sagen, ob es wirklich ein Deutscher war. Diese Erwartungen in den Köpfen sind Rassismus. Die Staatsanwaltschaft vermutet psychische Erkrankungen des Täters Daniel S. Wir halten es für einen Fehler mit diesem Verweis vorschnell einen möglichen rassistischen Hintergrund kleinzureden. Psychische Erkrankungen sind kein Widerspruch für ideologische Motive…“
  • „Nach Celle: Klare Statements aus Politik und Gesellschaft!“ am 10. April 2020 bei der ANF externer Link informiert zur Einordnung der obigen Erklärung (die anschließend dokumentiert wird): „… Am Dienstag hat ein Deutscher in Celle den 15-jährigen Flüchtling Arkan Hussein Khalaf erstochen. Arkan hatte mit seiner Familie nach dem ezidischen Völkermord durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) 2014 die Şengal-Region in Südkurdistan verlassen. Die Eltern flohen mit ihren drei Töchtern und drei Söhnen über die Türkei und Griechenland nach Deutschland und ließen sich in Celle nieder, wo viele Eziden leben. Am Tattag war Arkan mit dem Fahrrad in der Nähe des Bahnhofs unterwegs, als ihn ein 29 Jahre alter Mann mit einem Messer angriff und ihm schwere Verletzungen zufügte. Kurze Zeit nach dem Angriff starb Arkan im Krankenhaus. Der Tatverdächtige Daniel S. pflegt laut ZEIT-Recherchen eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungstheorien. Die Polizei vermutet dennoch kein politisches Motiv. Die Ermittlungen hätten „in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat“ geliefert. Deutschland, wieder mal das Land der Einzeltäter. Zwölf verschiedene Organisationen und Initiativen haben nun eine gemeinsame Erklärung zum Mord an dem Fünfzehnjährigen abgegeben und fordern klare Statements aus Politik und Gesellschaft: Gegen Gewalt, gegen Mord und gegen Rassismus…“
  • „War Rassismus in Celle das Motiv?“ von Peter Nowak am 11. April 2020 bei telepolis externer Link behandelt die Frage nicht nur in bezug auf den Mord in Celle so: „… Das sind doch wichtige Hinweise, die eine weitere Untersuchungen erfordern, ob Arkan Hussein Khalaf aus rassistischen Motiven sterben musste. Daher ist unverständlich, warum es in der erwähnten Pressemitteilung vorschnell heißt, dass die bisherigen Ermittlungen keinen Hinweis auf eine „ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat geben“. Davon abgesehen, dass hier immer noch das politisch falsche Adjektiv ausländerfeindlich verwendet wird, um nicht über Rassismus reden zu müssen, hätte eine exakte Formulierung lauten müssen. „Die Ermittlungen über die Motive sind noch nicht abgeschlossen. Ein rassistischer Hintergrund der Tat kann nicht ausgeschlossen werden.“ Nun ist das Problem seit langem bekannt, dass von den Ermittlungsbehörden oft schnell ein rechtes Tatmotiv ausgeschlossen wird. Mittlerweile ist es zivilgesellschaftlichen Gruppen in zahlreichen Fällen häufig nach vielen Jahren gelungen, den rechten politischen Hintergrund bei zunächst als unpolitisch erklärten Taten herauszuarbeiten. So dauerte es 18 Jahre, bis der Tod eines jungen Mannes im thüringischen Bad Blankenau als rechte Tat eingestuft wurde. Dazu hat wesentlich der Film „Das blinde Auge“ beigetragen, in dem der Regisseur Jan Smendek die fast vergessene Geschichte aufgearbeitet hat. Wo solche Initiativen fehlen, werden rechte Tatmotive oft gar nicht aufgedeckt. Bei der Aufklärung der Morde an 9 jungen Menschen am 19. Februar in Hanau schienen die Ermittlungsbehörden die Fehler der Vergangenheit vermieden zu haben. Das rassistische Motiv stand von Anfang im Mittelpunkt. Doch einige Wochen später wollte eine BKA-Analyse plötzlich behaupten, dass es dem Täter um Aufmerksamkeit gegangen sei und er seine Opfer zufällig auswählte. Also war es nach dieser Lesart auch Zufall, dass alle Opfer einen Migrationshintergrund hatten?…“
  • „Der rassistisch-motivierte Mord an Arkan Khalaf und das Schweigen der Behörden!“ von Julius Jamal am 12. April 2020 in der Freiheitsliebe externer Link berichtet und kommentiert zur Stellungnahme der hessischen Migrantifa: „… Die jungen Aktivistinnen und Aktivisten von Migrantifa Hessen fordern: „Die Sicherheitsbehörden müssen jetzt allen Hinweisen auf eine rassistische Motivation der Tat folgen. Sie müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und sofort handeln. Rassistische Tatmotive werden viel zu oft vorschnell in der Ermittlung und Berichterstattung ausgeschlossen und somit wird eine echte Aufklärung verhindert. Rassistische Strukturen und Nazinetzwerke bleiben dabei unaufgedeckt, Täterinnen und Täter werden zu psychisch kranken Einzeltäterinnen erklärt und so werden weitere Morde nicht verhindert.“ In den Medien wurde ebenfalls suggeriert, dass es sich um die Tat eines Verwirrten handelt, der Mord grundlos aus dem nicht passiert sei. Wie so häufig wird dabei suggeriert, dass der Täter verwirrt sei. Nur Zeit Online hat bislang als einziges Presseorgan die offizielle Darstellung der Ereignisse durch die Polizei hinterfragt und aufgedeckt, dass der Täter auf den sozialen Medien antisemitischen, rassistischen und verschwörungstheoretischen Seiten folgt und dass sich unter seinen Onlinefreunden mehrere Neonazis und Rechtsradikale befinden. Migrantifa erklärt dazu: „Dies ist eine Verharmlosung des Mordes und fördert Täterschutz, den die Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland seit dem NSU und vielen weiteren rassistischen Morden, die noch unaufgeklärt sind, zu gut kennen. Der April ist für die Menschen mit Migrationsgeschichte ein Monat des Trauerns und der Wut. Dieser Monat macht die Kontinuität rassistischer Morde und des Naziterros in Deutschland besonders sichtbar. Am 4. April 2006 wurden Mehmet Kubaşık, am 05. April 2012 Burak Bektaş, am 06. April 1991 Jorge Gomondai, und am 06. April 2006 Halit Yozgat aus rassistischen Motiven ermordet. Und nun gibt es Anlass für die Annahme, dass auch am 07. April 2020 Arkan Hussein Khalaf dem Rassismus in Deutschland zum Opfer fiel.“...“
  • „#GerechtigkeitFürArkan“ ist der Hashtag unter dem die zahlreichen Twitter-Mitteilungen externer Link dokumentiert werden, die es inzwischen zum Mord und der Rolle von Polizei und Medien dabei gibt…
  • „Ezidische Jugend Deutschland“ externer Link ist der Twitter-Kanal dieser Vereinigung, die mit dem ersten Tweet zum Mord etwas schneller als polizeilich eingestanden festgehalten hatte: „Während die Polizei von einer zufälligen Tat spricht, weisen Recherchen von @zeitonline auf Gegenteiliges hin. Der Täter,Daniel S., hegte rechtsextreme und antisemitische Gedanken. Auf drei Social-Media-Konten von Daniel S. befinden sich antisemitische und rechtsextreme Beiträge...“
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