Leipzig und das Vorgehen gegen den Widerstand gegen Miethaie: Nach dem Polizeiapparat (im Dienste der Mietpreistreiber) wird auch der Propagandaapparat (früher: Medien) in Gang gesetzt…

Kampf um Connewitz/Leipzig im September 2020„… Gegen 20:45 Uhr starteten wir mit einem kraftvollen Demozug vom Hildebrandpark durch die Hildebrandstraße und die Dölitzer Straße. Nach unseren Schätzungen beteiligten sich erfreulicherweise zwischen 600-800 Menschen an unserer Demonstration, was zeigt, dass unsere Anliegen in Leipzig und in Connewitz auf Gehör stoßen. Im Verlauf der Demonstration zündeten TeilnehmerInnen Feuerwerk, dies wurde durch die Polizei untersagt und wir wiesen auch vom Lautsprecherwagen aus darauf hin. Bedauerlicherweise kam es an der Ecke Wolfgang-Heinze Straße/Meusdorfer Straße, dazu, dass ein Stein in eine nach unserem Wissen bewohnte Wohnung geworfen wurde. Wir können es nicht gutheißen wenn unbeteiligte Menschen einer solchen Gefährdung ausgesetzt werden! Wir können die Wut über die Verdrängungsprozesse in unserem Viertel verstehen, doch wir denken nicht, dass die BewohnerInnen dieses Hauses die Hauptverantwortlichen in einem komplexeren Entwicklungsprozess sind. Obwohl wir beruhigend auf die Demonstration einwirken wollten um unsere genehmigte Route zu beenden, löste die Polizei die Demonstration um 21:00 Uhr auf und begann daraufhin Menschen in der Wolfgang-Heinze Straße und den umliegenden Straßen zu attackieren und festzusetzen. Wir forderten die Polizei dazu auf ruhig zu bleiben, damit es keine Verletzten gibt. Wir verständigten uns darauf den Lautsprecherwagen aus dem Bereich zu fahren. Deswegen können wir über den weiteren Verlauf des Abends zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage treffen. Für uns ist es unverständlich warum die Polizei Menschengruppen attackierte, die sich offensichtlich versuchten den Geschehnissen zu entziehen. Ebenso unverständlich ist für uns die massive Polizeipräsenz im Verlauf des Tages in Connewitz. Gerade nach den Geschehnissen der letzten Tage empfanden wir die Polizeistrategie als offensiv und eskalierend. Das Bedrohungsszenario, welches im Vorfeld wieder einmal aufgebaut wurde kritisieren wir. Es erweckte für uns den Anschein, dass die Polizei offensiv die Eskalation gesucht hatte, da sie heute die Kräfte vorhanden hatten die wohl in den letzten Tagen fehlten um Festnahmen zu machen und ihre Quoten zu erfüllen. Ein Verhalten welches leider für die deutsche Polizei typisch und die Verhältnismäßigkeit sehr zu bezweifeln ist. (…) Wir wünschen allen Betroffenen von Polizeigewalt und den Gefangenen viel Kraft. Des Weiteren appelieren wir an die Presse den Gesamtkontext zu berücksichtigen, kritisch und objektiv zu bleiben und nicht wie so oft die Pressemitteilung der Polizei nachzudrucken“ – aus der „Vorläufige Pressemitteilung zur Demonstration am 05.09.2020: „Kämpfe verbinden – Für eine solidarische NachbarInnenschaft!““ des Bündnis Fight For Your Future externer Link vom späten Samstagabend – samt abschließendem – völlig vergeblichen – Appells an die Beschäftigten des Propagandapparates. Zu den Auseinandersetzungen und Hintergründen sowie Vorgeschichte in Leipzig aktuell eine kleine kommentierte Materialsammlung:

„Heftige Ausschreitungen bei Demo gegen Hausräumung in Leipzig – acht Polizisten verletzt“ ebenfalls am 05. September 2020 bei der Leipziger Volkszeitung online externer Link – Nachmittags über den Freitagabend machte schon deutlich, dass die Pressedienststelle der Polizei wieder einmal begierige Kundschaft erhalten hatte (und wird, auf derselben Seite, von mehreren Meldungen „abgerundet“ die allesamt vermutlich die gleiche Autorenschaft haben): „… In Leipzig-Connewitz ist es bei einer spontanen Demo gegen die Räumung eines besetzten Hauses am Freitagabend zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Augenzeugenberichten zufolge wurden dabei Polizisten aus einer Gruppe von etwa 200 bis 300 teils vermummten Personen heraus mit Pflastersteinen und Böllern beworfen. Nach Polizeiangaben wurden acht Polizisten leicht verletzt und mehrere Autos beschädigt, darunter sechs Wagen der Polizei. Die Demonstranten zündeten auch Mülltonnen an, mehrere Straßenbahnen wurden durch Barrikaden auf den Gleisen zum Halten gezwungen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Festnahmen gab es zunächst keine. Noch in der Nacht wurde mit der Spurensicherung begonnen. Polizeibeamte sammelten Steine ein, mit denen Demonstranten Polizeifahrzeuge beworfen hatten. Die Steine wurden in Plastiktüten verpackt und zur Auswertung mitgenommen…“

„Kretschmer verurteilt Gewalt in Connewitz – Polizei entschuldigt sich für Retweet“ am 06. September 2020 beim MDR externer Link ist einmal mehr ganz besonders staats- also eigentumstragend und wittert allüberall Gefahr für die Polizei: „… An der Kundgebung unter dem Motto „Kämpfe verbinden – Für eine solidarische Nachbar*innenschaft“ hatten sich am Sonnabend nach Polizeiangaben zwischenzeitlich bis zu 500 Menschen beteiligt. Trotz Verbots zündeten die Teilnehmenden Böller und Bengalos. In Seitenstraßen kam es zu Jagdszenen zwischen Vermummten und den Einsatzkräften. Ein MDR-Reporter berichtete, es wurden auch Gebäude beschädigt. Bei einem Neubau auf der Wolfgang-Heinze-Straße wurden beispielsweise zwei Fenster eingeschmissen und Farbbomben auf die Fassade geworfen.  In der Nacht folgten weitere Spontandemonstrationen gegen die Festnahme von Demonstranten. Mülltonnen und ein Einkaufswagen gingen in Flammen auf. Wie die Polizei weiter mitteilte, wurde der Pilot eines Polizeihubschraubers während des Einsatzes mit einem Laser geblendet, sodass auch wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr ermittelt wird. Gegen 01:30 Uhr hielten mehrere Menschen eine Straßenbahn an und besprühten sie mit Graffiti. Im etwas entfernten Leipziger Stadtteil Lindenau brannte laut Polizei auf dem umzäunten Gelände des Polizeiverwaltungsamts ein Streifenwagen…“

„Das ist unser Haus“ von Nele Rebmann am 26. August 2020 bei Kreuzer online externer Link war ein Beitrag über das besetzte Haus in der Ludwigstraße – vor der gewalttätigen Räumung durch die Polizei im Auftrag der Miethaie. Darin wurde unter anderem berichtet: „… Seit dem 21. August ist das Haus in der Ludwigstraße 71 im Leipziger Osten nun schon besetzt. Wie es weiter geht, bleibt unklar, die Besetzerinnen rechnen allerdings mit einer baldigen Räumung. Ein Aktivist der Initiative Leipzig Besetzen erklärt: »Die Menschen im Haus bereiten sich vor.« Kampfloses Aufgeben kommt für die Besetzerinnen nicht in Frage. »Das ist unser Haus und wir lassen es uns nicht so einfach wieder wegnehmen«, heißt es auf dem Twitter-Account von Leipzig Besetzen. Offen für Gespräche mit dem anonymen Eigentümer wollen sie trotzdem bleiben. Ein Gespräch auf Augenhöhe – so lautete das Ziel der Aktivistinnen. Zu Beginn der Besetzung schien das auch möglich: Noch am selben Tag der Besetzung erfolgte die öffentliche Kundgebung. Es folgten Solidaritätsbekundungen, eine Debatte um bezahlbaren Wohnraum sowie die Legitimität von Hausbesetzungen, zwei sich solidarisch zeigende Hausbesetzungen – allerdings kein Gespräch zwischen Besetzerinnen und Eigentümer des Hauses. Der soll laut Angaben des MDR bereits am 22. August von der Polizei ermittelt worden sein und bereit gewesen, mit den Besetzerinnen zu sprechen. Doch am 25. August kippt der Plan: Die Aktivistinnen teilen mit, der Eigentümer habe das Gespräch platzen lassen. Und auch die Stadt ist nicht bereit, sich auf Gespräche einzulassen. Frank Amey, Leiter des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung, erklärt auf Anfrage des kreuzers: »Wir wollen ja gerne alternative Projekte unterstützen, das geht allerdings nur im legalen Bereich. Aber die Jugend darf und muss der älteren Generation auch Missstände aufzeigen«. Amey weiß, dass das Haus in der Ludwigstraße 71 einen »städtebaulichen Missstand« darstelle und dass Leerstand und Verfall eigentlich nicht sein sollten, betont aber dennoch seine neutrale Beratungsfunktion. Man könne dem Besitzer des Hauses zwar Ratschläge geben, aber die letztendliche Entscheidung obliege dem Eigentümer, betont Amey. Diese Entscheidung scheint nun gefallen. So sei den Aktivistinnen von Leipzig Besetzen mitgeteilt worden, dass der Eigentümer weiterhin anonym bleiben will und sich mittlerweile entschieden hat, das Haus privat nutzen zu wollen. Auch Amtsleiter Amey erklärt im Telefongespräch mit den Besetzerinnen seine Mediatorenrolle für beendet, er sei »amtlich und sachlich raus«...“ – unterstützen in jenem legalen Bereich der (sehr, sehr beispielsweise) durch ideologietreue Oberste Richter verbietet, die Vernichtung von Lebensmitteln zu verhindern

„Ein erstes Resümee“ am 03. September 2020 bei Leipzig besetzen externer Link unterstrich nach dem Polizeiüberfall: „… Gestern am 02.09.2020 wurde die Luwi71 geräumt. Gegen sechs Uhr morgens begannen Bullen den Versuch ins Haus einzudringen. Dank stabiler Barrikaden war das mit dem Rammbock nicht möglich. Erst Motorsägen verschafften der Staatsgewalt Zutritt. Nach etwa drei Stunden vermeldete die Polizei das Ende des Einsatzes auf Twitter. Damit stand die Luwi wieder leer und Träume von nicht-kommerziellen Freiräumen sowie günstigem Wohnraum lagen wie die Eingangstür in Trümmern. Dank solidarischer und wachsamer Anwohner*innen sowie einem eigenen Scout-System, welches Wannenbewegungen im Viertel beobachtete, konnten die Menschen im Haus allesamt rechtzeitig vor der Polizei fliehen. Trotzdem wurden vier Menschen in Hausnähe aufgegriffen und deren Identitäten festgestellt. Drei Personen wurden daraufhin vorläufig auf die Dimitroff-Wache verschleppt. Zwei Menschen aufgrund des Verdachts des Hausfriedensbruchs. Ihnen wird also vorgeworfen Besetzer*innen gewesen zu sein. Die dritte Person wegen eines offenen Haftbefehls, welcher auf ein nicht gezahltes Bußgeld wegen des falschen Anbringens einer Hundesteuermarke zurückzuführen ist. Nachdem das Geld bezahlt wurde, konnte die dritte Person gehen. Die anderen beiden konnten gegen halb elf ebenfalls die Wache verlassen, aber laut eigener Aussage nicht, bevor ihnen DNA entnommen und ihnen die Ohren abgemessen wurden. Es hat sich gezeigt, dass Profite und Kapital über den Bedürfnissen der Stadtbewohner*innen stehen. Das Privateigentum als höchster Wert dieses Systems hat mal wieder gewonnen. Der Staat schafft es wieder einmal nicht, Wohnraum für alle Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Bedürfnisse der Menschen sind in diesem System Nebensache.  Am Freitag, den 21.08.2020, besetzten wir die Ludwigstraße 71. Wir haben sofort der Stadt Leipzig, einigen Stadtratsfraktionen und der Presse unser Nutzungskonzept zukommen lassen bzw. um Verhandlungen gebeten. Leider haben zunächst weder die Stadtratsfraktionen noch Ämter der Stadt auf unsere Mail geantwortet. Erst am 22.08.2020 haben wir über einen Artikel der Leipziger Volkszeitung  erfahren, dass der Eigentümer ermittelt wurde und am Mittwoch, den 26.08.2020, nach Leipzig kommen will, „um mit den Aktivisten ins Gespräch zu kommen“. Wir haben für diese Verhandlung Räume organisiert und Rechtsanwält*innen kontaktiert. Am Dienstag, den 25.08.2020, besuchte uns der Leiter des Amts für Wohnbau und Stadterneuerung und teilte uns stellvertretend mit, dass der Eigentümer die Gespräche am Mittwoch nicht länger führen und weiter anonym bleiben will. Kommunikation zum Eigentümer könne allerdings über das Amt laufen. Er bot sich als “Mediator” und “Briefkasten” an. Der Amtsleiter informierte uns außerdem, dass der Eigentümer fragt, ob wir das Haus kaufen oder mieten könnten. Wir haben keine der Optionen abgelehnt, sondern unser Interesse bekundet, nach einer konkreten Summe gefragt und als weitere Alternative angeboten, dass wir uns auch einen Wächterhausstatus vorstellen könnten. Dies zeigt, dass wir konkrete finanzielle Abmachungen mit dem Eigentümer eingehen wollten, wodurch erneut unser Bemühen um Verhandlungen zur Legalisierung des Hausprojekts deutlich wurde...“

„Aktualisiertes Nutzungskonzept Luwi 71“ am 25. August 2020 bei Leipzig besetzen externer Link war eine konkretisierte Vorstellung der Vorhaben die von der Legalität der BRD verboten sind – unter anderem: „… Das Grundstück steht nun bereits seit über einem Jahrzehnt leer und wird nicht genutzt. Daher halten wir es für unsere kulturelle und soziale Nutzung für optimal geeignet. Das Haus besteht aus drei Etagen und ist unterkellert. Die oberen Etagen sind mit je zwei Wohnungen mit mehreren Zimmern ausgestattet. Zum Haus gehört ein Garten. Den Räumlichkeiten werden unterschiedliche Nutzungen zugeführt. Am 23.08.2020 fand eine Vollversammlung mit den Anwohner*innen und Interessierten der Besetzung statt. Aus den Wünschen und Bedürfnissen so wie der aktuellen Einschätzung des Zustandes des Hauses selbst nun ein überarbeitetes Konzept: Im Erdgeschoss kann ein Café und eine Bar mit integrierter Bibliothek entstehen. Der Verkauf der Getränke basiert auf Spendenbasis. Durch den Aufbau und die Aufteilung der Räume ist es möglich, auch eine Küche für Alle (Küfa) zu organisieren, welche ein bis zwei mal die Woche stattfinden kann. Es ist ebenfalls denkbar, die Räume für öffentliche Veranstaltungen, wie Vorträge, zur Verfügung zu stellen…“

„#LE0509“ ist der Hashtag externer Link unter dem zahlreiche Tweets zu den Ereignissen am 05. September 2020 dokumentiert sind – gibt in der Zusammenschau auch reichlich Aufschluss darüber, wie die Propagandakampagne zur Verteidigung der Eigentümer-Diktatur organisiert wird und wirkt – und wie die Konservativen und Rechten in Verteidigung der Mietpreistreiberei samt Gentrifizierung „Schaum vorm Mund“ haben… Siehe auch #Connewitz

„Drei Tage Krawall in Leipzig“ von Henrik Merker am 06. September 2020 in der taz online externer Link hat zwar eine fragwürdige Überschrift (ganz im Sinne einer dieser Zeitung nahe stehenden Partei, die laut verschiedenen Berichten von RentnerInnen einmal irgendwie progressiv gewesen sein soll), kommt aber immerhin am Ende noch auf die Ursachen der Proteste zu sprechen: „… Auslöser der Proteste war die Räumung eines besetzten Hauses am Mittwoch durch die Polizei nahe der Eisenbahnstraße. Seither kam es vor allem in dem für linke Proteste bekannten Stadtteil Connewitz zu Zusammenstößen mit der Polizei. Doch schon am Tag nach der Räumung setzten Beamte im Bereich der Eisenbahnstraße Tränengas ein. Zwischen Polizisten und den in Schwarz gekleideten Demonstranten kam es zu vereinzelten Rangeleien. Am Ende wurden 22 Personen ins Revier gefahren. Ihnen wurde unter anderem schwerer Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. (…) Am Sonntag dann wurden aus einer Demonstration heraus Neubauhäuser angegriffen, drei Scheiben zerstört und Fassaden beschädigt. Fotos zeigen, wie ein bengalisches Feuer auf einem Balkon brennt. Ein Polizist vor Ort sagte, es sei zumindest dabei kein größerer Schaden entstanden. Auch in eine bewohnte Wohnung flog ein Stein, der Mieter unterhielt sich anschließend mit der Spurensicherung am Fenster und versuchte, wenigstens noch die Jalousie zu schließen. Ein MDR-Reporter berichtet, dass Steine auch in Richtung von Journalisten geworfen wurden. Rechtsextreme behaupten unterdessen auf Twitter, Polizisten seien mit Brandsätzen angegriffen worden. Die Polizei hingegen erwähnt in ihren Mitteilungen keine Brandsätze. Auch in mehreren anderen Leipziger Stadtteilen kam es am Wochenende zu Auseinandersetzungen. So wurde beispielsweise in Lindenau am Sonnabend ein Streifenwagen angezündet. Linken-Politikerin Juliane Nagel sieht die Ursachen der Gewalt nicht zuletzt im hart umkämpften Wohnungsmarkt. „Steigenden Mieten und spekulativem Leerstand konnte die Politik bisher wenig entgegensetzen“, sagt sie...“

„Leipziger Straßenkampf“ von Jana Frielinghaus am 06. September 2020 bei nd online externer Link wird, was die Mietpreistreiberei betrifft ein bisschen konkreter, und verweist auch auf die ganz bbesondere Propagandaart des Polizei-Oberbosses: „… Juliane Nagel, Abgeordnete der Linken im sächsischen Landtag und Leipziger Stadträtin, sagte dem »nd«, sie sei »kein Fan von Gewalt«, zumal diese »das Schmieden von Bündnissen« gegen den Mietenwahnsinn erschwere. Zugleich könne sie verstehen, dass »Leute ausrasten«. In Connewitz würden Neubauwohnungen nicht mehr unter zehn Euro pro Quadratmeter nettokalt vermietet, »und das bei einem Durchschnittseinkommen von 1500 Euro im Stadtteil«. Nagel erinnerte daran, dass Sachsen eines von drei Bundesländern ist, die die Mietpreisbremse noch nicht umgesetzt haben. »Wir als Linke setzen uns seit mindestens zehn Jahren für Mechanismen ein, die Mieten begrenzen. Aber auf Stadt- und Landesebene ist das schwierig.«  Kritisch zur Darstellung der Ereignisse in Politik und Medien äußerte sich der Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek. Auf Twitter schrieb er: »Wenn wir gerade über Gewalt sprechen, sollten wir vielleicht auch über strukturelle Gewalt sprechen. Darüber, dass Menschen keinen Platz zum Wohnen haben, darüber, dass Menschen wohnungslos sind und Menschen zwangsgeräumt werden.« Zudem sieht Kasek Arbeitsverweigerung bei der Politik bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze heizte derweil die Stimmung an, indem er die Angriffe auf Beamte in Schutzausrüstung als »Tötungsdelikte« einordnete: »heimtückisch und mit Mitteln, die den Tod der Menschen, die getroffen werden, in Kauf nehmen«...“

„Die Entleerung der Stadt“ von Georg Seeßlen am 03. September 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 36/2020) ist ein Beitrag, der die gesellschaftlichen Folgen der aktuellen Praktiken der Eigentumsdiktatur zum Thema hat und dabei unter vielem anderen unterstreicht:„… Sieben Hauptursachen hat die Enturbanisierung der Städte derzeit. Erstens: Die Transformation städtischer Bausubstanz in einen Gegenstand weitgehend unregulierter Immobilienspekulation, eine der Kardinalsünden der Neoliberalisierung, erzeugt nicht nur soziale und demographische Bewegungen, sondern auch ein anderes Verhältnis zum Wohnen. Wenn alles Besitz wird, ist nichts mehr daheim. Selbst die »Lindenstraße« als Bild des kleinbürgerlichen urbanen Zusammenlebens wird abgesetzt, damit Bergdoktoren und Provinzpolizisten noch mehr Sendezeit bekommen. Enturbanisierung und Provinzialisierung sind, zumindest was das Fern­sehen anbelangt, in der Tat: Programm. Zweitens: Damit verbunden sind Abfolgen von Gentrifizierung und Verelendung. In diesen Kreisläufen ist eine permanente und im Ganzen absolut brutale Vertreibung im Gange, eine mehrfache Fluchtbewegung, die ständige Vernichtung alles Wachsenden und Gedeihenden. Die Verlierer müssen entweder in die »ärmeren« Viertel (auf die nächste Genrifizierungswelle wartend) oder in »soziale Brennpunkte« umziehen, in den härteren Fällen geht es auch um Obdachlosigkeit oder »Heimunterbringung«. Diejenigen, die darauf hoffen können, ihren sozialen Status recht und schlecht zu bewahren, ziehen »aufs Land«, das aber dadurch gerade seine Ländlichkeit verliert und sich in ein endloses, gleichförmiges und Gleichförmigkeit produzierendes suburbia ­verwandelt, das sich von echter Urbanität ebenso unterscheidet wie von der agrarisch geprägten Provinz. Hier vereint sich, könnte man sagen, das Schlechteste beider Sphären und wirkt an deren beider Zerstörung gleichermaßen mit. Drittens: die Verödung der Innenstädte und die Erstickung der kulturellen Räume. Die sogenannten Fuß­gängerzonen zum Beispiel, die einst ein Motor der städtischen Ökonomien ­waren und sich zum sozialen ebenso wie zum kaufmännischen Antidot der ursprünglich vorherrschenden Organisation von Einzelhandel und Freizeitangebot entwickelten, verlieren in einer dritten Transformation ihre Bedeutung an Einkaufszentren in der Peripherie und an den Online-Handel. Die Gastronomie erlebt den Niedergang schon dadurch, dass sie für eine wachsende Zahl von Menschen zu teuer wird. Zwischen Fast Food und ­Schickilokal bleibt wenig Raum für gewöhnliche Leute, die gerne unter andere gewöhnliche Leute gehen, damit vielleicht nicht alles so gewöhnlich bleibt. Und die verzweifelten Versuche, etwas »gegen die Verödung der Innenstädte« zu tun, bewegen sich zwischen Kinderfasching und Kunsthandwerksmarkt – also weiter in Richtung Provinzialisierung…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177651
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