Ingelheim am 15.8.20: Ca 25 Neonazis, 300 Polizisten – und 116 Verletzte bei einer friedlichen und legalen antifaschistischen Gegen-Kundgebung

Dossier

Ingelheim am 15.8.20: Ca 25 Neonazis, 300 Polizisten - und 116 Verletzte bei einer friedlichen und legalen antifaschistischen Gegen-KundgebungAm heutigen Samstag hatte die ultra rechte Partei “Die Rechte” zur Demonstration in Ingelheim aufgerufen. Nur eine Hand voll folgte dieser Einladung. Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. sicherte die Gegenproteste ab, an denen deutlich mehr Menschen teilnahmen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot um den Bahnhof Ingelheim im Einsatz. Bereits kurz nach Ankunft der gemeinsamen Zuganreise gingen die Beamtinnen mit Pfefferspray gegen Teilnehmende der Gegenproteste vor um diese zur Kundgebung in der Nähe des Bahnhofs zu treiben und sie dort geschlossen über den ganzen Nachmittag festzusetzen. Der Kundgebungsort war dafür bereits vorher mit Absperrungen präpariert worden. Im Verlauf dieser in Gewahrsamnahme setzte die Polizei mehrfach Pfefferspray und Schlagstock gegen Versammlungsteilnehmerinnen ein. Dabei überrannte die Polizei auch eine deutlich erkennbare Verletztenablage des Sanitätsdienstes, trat medizinisches Material durch die Gegend und bedrohte unsere Sanitätskräfte mit dem Schlagstock. Auch wenn sich die Polizei ansonsten unseren Einsatzkräften gegenüber weitgehend kooperativ zeigte, kritisieren wir diesen Angriff auf uns aufs Schärfste. Insgesamt mussten unsere Sanitäterinnen heute 116 Verletzte versorgen, die Meisten aufgrund des Einsatzes von Pfefferspray (90 Versorgungen). Bemerkenswert ist die hohe Zahl von Panikattakten. Während eine LED Anzeige am Polizeifahrzeug dazu aufforderte 1,5 Meter Abstand zu halten, wurden der Raum für die Demonstrantinnen immer enger und die Brutalität der Polizeimaßnahmen trug zu Traumatisierungen bei, die von unserem Team für Psychosoziale Notfallversorgung behandelt werden mussten (12 Behandlungen). Wir zählten insgesamt 13 chirurgische Patient*innen und eine internistische Versorgung. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen…“ Pressemitteilung der Sanitätsgruppe Süd-West vom 15. August 2020 externer Link – siehe weitere Informationen:

  • Nach massiver Polizeibrutalität bei Demo gegen Rechts in Ingelheim: Rote Hilfe fordert Untersuchungsausschuss New
    „Im eher beschaulichen Rheinland-Pfalz hat sich am 15. August in Ingelheim am Rhein ein Polizeieinsatz ereignet, der in mehrfacher Hinsicht genauer untersucht werden sollte. Bei Protesten gegen den Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ zu Ehren des Kriegsverbrechers Rudolf Hess kam es zu einem der schlimmsten Polizeieinsätze gegen AntifaschistInnen in Rheinland-Pfalz. Die Rote Hilfe e.V. fordert einen Untersuchungsausschuss über den eskalierten Einsatz und klare Konsequenzen für die verantwortlichen BeamtInnen. „Wenn bei einer friedlichen antifaschistischen Kundgebung mit circa 250 TeilnehmerInnen mindestens 116 GegendemonstrantInnen durch die professionell agierenden Demosanitäter Süd-West e.V. als verletzt gemeldet werden (…), dann muss das im Nachgang untersucht und rechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen haben. Die Bilder erinnern an brutale Polizeieinsätze wie beim G20 Gipfel in Hamburg.“, erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe. (…) Laut Medienberichten wurden KundgebungsteilnehmerInnen wiederholt mit hochkonzentriertem Pfefferspray besprüht. Auch kam es zu einer Einkesselung in einem engen Bahnhofstunnel mit zahlreichen Verletzten. Angeblich werde jetzt gegen sechs BeamtInnen wegen Körperverletzung im Amt ermittelt. „Diese angeblichen internen Untersuchungen sind nicht als eine Beschwichtigungstaktik der Polizei, um Zeit zu schinden, damit das starke öffentliche Interesse nach Aufklärung nachlässt. Die Rote Hilfe e.V. fordert einen Untersuchungsausschuss über den eskalierten Einsatz und klare Konsequenzen für die verantwortlichen BeamtInnen.“ Pressemeldung vom 13. August 2020 von und bei Beobachter News externer Link mit Video und Pressemitteilung der Sanitätsgruppe Süd-West zum konkreten Ablauf der Polizeigewalt
  • Polizeigewalt bei Demo in Ingelheim: Blut und Panik im Tunnel / „Da ermitteln Polizisten gegen Polizisten“ 
    • Polizeigewalt bei Demo in Ingelheim: Blut und Panik im Tunnel
      Bei einer Demo in Ingelheim scheint die Polizei über hundert Menschen in Lebensgefahr gebracht zu haben. Zeug:innen berichten von massiver Gewalt. (…) Direkt nach Ankunft am Bahnhof Ingelheim wurden etwa 100 Bürger:innen von der Polizei in einem engen Tunnel getrieben. Videos zeigen den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray an beiden Ausgängen. Menschen schreien nach Luft. Auch Polizist:innen sind auf Videos im Tunnel externer Link zu erkennen. Sie schreien und schlagen mit ihren Schlagstöcken gegen die niedrige Decke. Sämtliche Zeu­g:innen sagen, sie wüssten nicht, warum die Polizei sie in den Tunnel drückte. Es sei nichts vorgefallen. (…) Zeug:innen berichten von Panikattacken, Platzwunden und Zusammenbrüchen im Tunnel. Artemis C. sagt: „Die Polizei hat von beiden Seiten gedrückt, sodass Leute Atemnot bekamen.“ Andere Zeug:innen schildern dasselbe. „Ich bin an Polizei gedrückt worden, die im Tunnel stand“, sagt Spike M. „Die waren auch vollkommen außer sich – ich hab auch keine Luft bekommen. Alle Leute, mit denen ich geredet habe – es war der absolute Horror.“ Irgendwann habe die Polizei einen Ausgang geöffnet: den, der wegführte von der Stadt. Die Bür­ger:innen im Tunnel seien von der Polizei dann zu einer Gegenkundgebung getrieben worden: Einer laufenden Kundgebung, die für 75 Menschen geplant war. „Als wir ankamen, war mit etwa 50 Fahrzeugen und Gittern ein Zaun um die Kundgebung gebaut und dann wurden wir reingedrängt“, sagt Amelie F. „Man kam nicht raus, es war wie eine Mauer. Alle wurden reingepfercht, ohne Grund.“ Zeug:innen sagen, die Polizei habe die Menschen in Gewahrsam trotz Hitze nicht mit Wasser versorgt. Frauen hätten in Begleitung männlicher Polizisten ohne Sichtschutz urinieren müssen. (…) Zweimal habe die Polizei die Kundgebung enger gezogen, bis Abstand unmöglich wurde. Jedes Mal seien Bürger:innen verletzt worden. Kommunikation habe nicht stattgefunden, die Polizei habe sich Schneisen freigeknüppelt und sei auch über am Boden liegende Verletzte gestürmt. Zeug:innen schildern mehrfache Schläge auf Bewusstlose und Fixierte, und das Umtreten einer Person im Rollstuhl. Richard G. sagt, er sei wegen einer Verletzung zwei Tage arbeitsunfähig geschrieben. In Rheinland-Pfalz gilt Kennzeichnungspflicht. Aber mehrere Bürger:innen schildern, dass Dienstnummern abgenommen oder verdeckt worden seien…“ Artikel von Anett Selle vom 18.8.2020 in der taz online externer Link, siehe auch auf ihrer Homepage die Interviews: „Blut und Panik im Tunnel“ externer Link
    • „Da ermitteln Polizisten gegen Polizisten“
      Im Fall des umstrittenen Polizeieinsatzes in Düsseldorf ermitteln Duisburger Beamte. Eric Töpfer vom Deutschen Institut für Menschenrechte warnt vor möglicher Befangenheit. Es brauche eine unabhängige Beschwerdestelle wie in anderen Ländern.“ Interview im WDR 5 Morgenecho am 18.08.2020 externer Link
    • Nach dem Desaster der letzten Woche will es “Die Rechte” diesen Samstag nochmal versuchen – das Motto bleibt weiter: Nazis blockieren! #ing2208
  • Schwere Vorwürfe gegen Polizeieinsatz in Ingelheim: Mehr als 100 Verletzte bei Einkesselungen
    Am Samstag fand in Ingelheim bei Mainz eine Kundgebung der rechten Kleinstpartei „Die Rechte“ statt, die Partei wollte an Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß erinnern. Gegen den Aufmarsch der laut Polizeiangaben 24 Teilnehmer der rechten Kundgebung formierten sich nach Angaben der Polizei insgesamt drei Gegenkundgebungen mit rund 400 Teilnehmern. Nun gibt es heftige Vorwürfe gegen den Polizeieinsatz: Die Beamten seien mit unverhältnismäßiger Brutalität vorgegangen, Gegendemonstranten in einer Unterführung am Ingelheimer Bahnhof eingekesselt worden – das zeigt auch ein Video. Mehrfach habe die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke gegen die eingekesselten Gruppen eingesetzt, 116 Demonstranten seien verletzt worden, kritisierten am Sonntag gleich mehrere Gruppen. Die Stadt Ingelheim hatte versucht, den Aufmarsch der Rechten am Samstag zu verbieten, das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz genehmigte die Demonstration aber unter Auflafgen – unter anderem verbot das Gericht „das Abspielen und Singen glorifizierender Liedtexte“ über Rudolf Heß. Gegen die Kundgebung hatten mehrere linke Gruppierungen zu Gegendemonstrationen aufgerufen, unter anderem das Ingelheimer Bündnis gegen Rassismus und Gewalt sowie antifaschistische Gruppierungen. (…) Der Darstellung widersprachen am Sonntag jedoch gleich mehrere Gruppen und Organisatoren der Gegendemonstranten. „Die Polizei hat gestern einen extrem aggressiven Kurs gegenüber den Antifaschisten auf der einzigen angemeldeten Kundgebung gefahren“, berichtete etwa die „Gutmenschliche Aktion“, eine Mainzer Gruppierung, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert, auf ihrer Facebookseite. Die Polizeikräfte hätten „mehrfach ohne Vorwarnung“ in die Menge hinein geknüppelt und mit Pfefferspray gesprüht, dazu auch Sanitäter bedroht und Material zerstört. Eine große Gruppe Gegendemonstranten sei bereits im Tunnel des Ingelheimer Bahnhofs „durch ein Missverständnis gekesselt und gepfeffert“ worden, schreibt die Gruppe weiter, dabei seien mehrer Menschen durch Pfefferspray und Schlagstockeinsatz verletzt worden, mindestens eine Person habe genäht werden müssen. Ein auf Twitter verbreitetes Video zeigt eine große Gruppe Menschen externer Link , die in einer engen Unterführung von Polizisten festgehalten wird. In der Menge breitet sich offensichtlich Panik aus, viele schreien laut, Rufe „Lasst uns hier raus“ sind zu vernehmen. Angriffe gegen die Polizei zeigt das Video nicht. Zu sehen ist hingegen, wie ein Polizist mehrfach Pfefferspray direkt in die eingepferchte Menge sprüht, ein Anlass dafür ist nicht zu erkennen. „Ich werde diese Situation in dem Tunnel nie vergessen“, schreibt ein offensichtlich geschockter Twitterer...“  Artikel von Gisela Kirschstein vom 16. August 2020 in mainzund.de externer Link
  • Siehe für Berichte #ing1508 und u.a. den Thread von Michael Wilk externer Link sowie Videos von @artemisclyde_ externer Link bei Twitter
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176890
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