Diskriminierungsrisiken bei der Polizei: Polizei-Studie der Antidiskriminierungsstelle sieht Forschungslücken und mahnt Vertrauensbildung an
„Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beklagt Lücken bei der Forschung über Handeln und Entscheidungen der Polizei. Die Polizei spiele eine zentrale Rolle im Rechtsstaat, indem sie das Gewaltmonopol des Staates durchsetze, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Ferda Ataman, anlässlich der Veröffentlichung einer Studie über Forschungslücken am Donnerstag. Deswegen müsse Polizeiarbeit überprüfbar sein, sagte Ataman und forderte mehr Transparenz, mehr Beschwerdestellen, Sensibilisierung und Änderungen im Bundespolizeigesetz, um gegen Diskriminierung zu wirken…“ Meldung vom 22. Mai 2025 im MiGAZIN
(„Studie belegt Diskriminierungsrisiken bei der Polizei“) – siehe mehr daraus und zur Studie:
- „Das Dunkelfeld bei Polizeigewalt ist groß“: Experte fordert unabhängigere Ermittlungen
Dazu der Frankfurter Strafrechtler und Kriminologe Tobias Singelnstein im Interview von Pitt von Bebenburg am 26. Mai 2025 in der Frankfurter Rundschau online: „Ich glaube schon, dass der Polizei klar geworden ist, dass sie diese Themen Rassismus und Diskriminierung nicht ignorieren kann und dass sie auch auf lange Sicht ein Problem für die Legitimität der Polizei darstellen. Gleichzeitig sehen wir gegenläufige Entwicklungen. (…) In der Polizei wird immer noch häufig mit Abwehr auf eine entsprechende Thematisierung reagiert, das Ganze mitunter als „Rassismuskeule“ bezeichnet. (…) Die Studie, die die Deutsche Hochschule der Polizei im Auftrag des Bundesinnenministeriums durchgeführt hat, nimmt den Arbeitsalltag der Polizei insgesamt in den Blick. Sie ist keine Rassismusstudie, aber menschenfeindliche Einstellungen sind ein Aspekt, der untersucht wird. Parallel dazu gibt es eine Reihe weiterer empirischer Studien, die einzelne Bundesländer in Auftrag gegeben haben. Wir führen an der Goethe-Uni in Frankfurt gerade ein Projekt durch, bei dem wir die Betroffenenperspektiven in den Blick nehmen. Wenn all diese Projekte abgeschlossen sind und die Ergebnisse vorliegen, wird man sicher einen sehr viel klareren Blick haben, wie das Problem in der Polizei aussieht. (…) Wir diskutieren seit den 1990er Jahren darüber, ob die Probleme menschenfeindlicher und rassistischer Einstellungen in der Polizei genauso groß sind wie in der Gesellschaft insgesamt oder vielleicht ein bisschen geringer oder größer. (…) Die AfD vertritt offen rassistische Konzepte. Wir erleben infolgedessen einen Kriminalitätsdiskurs, der stark von Rassismus geprägt ist. Dabei wird Kriminalität insbesondere als fremd gelesenen Menschen zugeschrieben. Das sind Entwicklungen, die an der Polizei nicht spurlos vorbeigehen. Wenn wir wollen, dass Polizei nicht rassistisch handelt und ihrem verfassungsmäßigen Auftrag gerecht wird, die Diskriminierungsverbote umzusetzen, dann müssen wir auch aufhören, diese rassistisch geprägten Debatten über Kriminalität in der Gesellschaft zu führen. (…) Das Dunkelfeld ist jedenfalls groß. Die Polizei hat eine erhebliche Definitionsmacht, auch wenn es um die Aufarbeitung von übermäßiger Gewaltanwendung und Diskriminierung geht. Die Betroffenen sind in solchen Situationen in einer defizitären Lage. Deshalb wäre es wichtig, ihre Position zu stärken. Wir wären gut beraten, wenn es unabhängigere Ermittlungen in solchen Fällen gäbe. Heutzutage ermitteln Kollegen gegen Kollegen, und das ist natürlich eine problematische Situation. Andere Länder haben daraus Konsequenzen gezogen und unabhängige Ermittlungsstellen geschaffen. (…) Ich vermisse, dass Themen wie Diskriminierung und übermäßige Gewaltanwendung adressiert werden. Im Gegenteil ist ja sogar debattiert worden, ob der Polizeibeauftragte auf Bundesebene wieder abgeschafft werden soll. Insofern ist das, was im Koalitionsvertrag steht, ein Rückschritt.“
- Studie belegt Diskriminierungsrisiken bei der Polizei
Weiter aus der Meldung vom 22. Mai 2025 im MiGAZIN: „… Man müsse an vielen Stellen genauer hinschauen, sagte eine der Autorinnen, Daniela Hunold. Anlass der Studie war der fünfte Jahrestag der „Black Lives Matter“-Proteste vor allem in den USA nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd bei einer Polizeikontrolle. Ein Bereich dabei ist das sogenannte Racial Profiling, das heißt Kontrollen von Personen aufgrund äußerer Merkmale. (…) Ataman forderte, im Bundespolizeigesetz klarzustellen, dass es Racial Profiling nicht geben dürfe. (…) „Unsere Studie zeigt: Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft – und deshalb auch nicht frei von Diskriminierung. Wer das ändern will, braucht den Mut zur Verbesserung und muss Diskriminierungen klar benennen“, sagte Ataman. (…) Zuletzt waren zahlreiche Meldungen über rechtsextreme und rassistische Umtriebe in den Reihen der Polizei bekanntgeworden. Bundesweit werden gegen dutzende Polizeibeamte ermittelt. Experten zufolge tragen diese Fälle nicht dazu bei, das Vertrauen in den Sicherheitsapparat zu stärken. Wie oft solche Fälle vorkommen, zeigen zwei aktuelle Meldungen: Anders als in vielen anderen Fällen hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht am Mittwoch die Entlassung eines Polizisten im Probedienst wegen rechtsextremistischer und rassistischer Beiträge in Chatgruppen bestätigt (AZ: 6 B 1231/24). Am selben Tag teilte die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit, wegen des Zeigens des Hitlergrußes und des Verbreitens von rassistischen Fotos gegen zwei Polizisten zu ermitteln. Beide Beamte befinden sich nicht mehr im Dienst, hieß es. Es seien Disziplinarverfahren beziehungsweise Entlassungsverfahren eingeleitet worden.“
- Zu Details siehe die komplette 152-seitige Studie
„Polizei und Diskriminierung – Risiken, Forschungslücken, Handlungsempfehlungen“ von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom Mai 2025