„#dankepolizei“ – Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit

Grundrechte-Report2016Beitrag von Elke Steven im Grundrechte-Report 2016 – Wir danken der Autorin!

Im Kontext von Versammlungen versucht die Polizei auf immer neuen Wegen die Oberhand über die mediale Berichterstattung zu gewinnen. Ende des letzten Jahrhunderts schienen zunächst die Aktivist*innen der Protestbewegung gegen den Castortransport überlegen zu sein. Mit „Castor-Ticker“, Pressewagen und Presseteam in der Aktionsbegleitung sorgten sie dafür, dass die Vertreter*innen der Medien mit Informationen aus Sicht des Protestes versorgt wurden. Seit den 2000er Jahren bemüht sich die Polizei erneut, die Medienberichterstattung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Nach dem G8-Treffen in Heiligendamm wurde ihr vorgeworfen, mit gezielten Falschmeldungen und Desinformationen Einfluss auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit genommen zu haben (Backmund u.a.). Der Polizeisprecher gab später zu, die Öffentlichkeit hätte sich zu Recht systematisch „falsch informiert“ gefühlt. Bei den Protesten gegen die Eröffnung der EZB in Frankfurt im März 2015 und die gegen das Gipfeltreffen der sieben reichen und mächtigen Staaten in Elmau im Juli 2015 nutzte die Polizei einen Twitter-Account, um die Öffentlichkeit unmittelbar zu „informieren“.

Wählt die Polizei eine solche Informationsstrategie, ist das jedoch anders zu bewerten als wenn Bürger*innen und deren Organisationen dies tun. Während Bürger*innen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, hat die Polizei die Aufgabe, sachlich und wahrheitsgemäß Auskunft zu geben. Polizeiliches Handeln ist hoheitliches Handeln, das sich nicht auf die Freiheit der Meinungsäußerung berufen kann. Einem Einfluss auf die politische Meinungsbildung hat sich die Polizei zu enthalten. Gerade im Kontext demonstrativen Geschehens hat sie Meldungen vorab sorgfältig zu prüfen, um nicht mit ungeprüften Meldungen die Stimmung anzuheizen.

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Alle Deutschen haben das Recht, sich zu versammeln

Art. 8 (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
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Getwitterte „Informationen“

In Frankfurt a. M. und im Umland von Garmisch-Partenkirchen hat die Polizei mit ihrem Twitter-Account versucht, nicht nur die Medien, sondern auch die Bevölkerung selbst unmittelbar zu beeinflussen. Sie setzte – erfolgreich – darauf, dass ihre Kurzinfos weitergegeben werden und die Wahrnehmung des Protestes dominieren. Die Frankfurter Polizei erreichte durch die Re-Tweets mehr Menschen als die Aktivist*innen von Blockupy. Sie selbst hatte 25.000 „Follower“.

Oft informiert die Polizei nur scheinbar. Tatsächlich prüft sie Meldungen nicht, wählt in eigenem Interesse aus, bewertet Verhaltensweisen und erteilt Aufforderungen. Nicht der Einsatzleiter, der Entscheidungen über die Strafbarkeit von Handlungen fällt oder Eingriffe befehligt, twittert, sondern Polizist*innen des sogenannten „Social Media Teams“. Dem Medium sozialer Netzwerke will die Polizei auch mit einem betont lockeren Umgangston entsprechen. Da, wo sie Teilnehmende direkt anspricht, nutzt sie das der Polizei nicht gemäße „Du“. Etwa: „Aktuell Rauchtöpfe – Hört auf damit! Das ist gefährlich!“ oder „… Das ist eine Straftat. Lasst das!“ Die Tweets suggerieren oft Gutmütigkeit und Kumpelei, sie lassen jedoch vor allem die Dauer-Überwachung sichtbar werden.

Im Kontext des Elmau-Gipfels suggerierte die bayerische Polizei eine erhebliche Straftat sei begangen worden. Sie twitterte: „Polizisten mit Fahnenstange angegriffen und mit benzingefüllter Flasche beworfen. Deshalb Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz.“ Selbstverständlich wurde dies sofort als Begründung für die wahrzunehmenden Unruhen von den Medien übernommen. Die Polizei lügt ja nicht. Später am Abend twitterte die Polizei dann die Korrektur: „Positiv ist aber, dass sich herausgestellt hat, dass die Flüssigkeit in den geworfenen Flaschen doch nicht brennbar war.“ Für die Medien war dies inzwischen unerheblich.

Auch mit dem Tweet „Feuerlöschpulver auf Polizisten sprühen und Flaschenwerfen ist NICHT friedlich und GEHT GAR NICHT!“ tut sie nur so, als würde sie informieren. Von anderen werden diese Verhaltensweisen als Reaktionen auf den massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock durch die Polizei interpretiert.

Neutralität ist Pflicht der Polizei

In Frankfurt verschickte die Polizei über Twitter Bilder von Demonstrierenden. Über die Frage der Rechtmäßigkeit von Videoaufzeichnungen durch die Polizei bei Versammlungen wird heftig gestritten. Veröffentlicht werden dürfen diese jedenfalls sicher nicht. Die Polizei behauptet zwar, die Gesichter würden unkenntlich gemacht. Auf einem Bild mit angeblich vermummten Personen ist jedoch eine Person erkennbar. Diese wurde auch nicht verpixelt.

Fotos von Krähenfüßen, die irgendwo in der Stadt ausgelegt waren, werden in Zusammenhang mit der Versammlung gebracht und mit dem Kommentar versehen „Verhindert, dass Straftäter eure Inhalte untergraben.“ Mit einem anderen getwitterten Hinweis auf eine über die Straße gespannte Kette tut die Polizei nur so – wie es auf den ersten Blick scheinen könnte – als warne sie vor einer Gefahr. Sie diffamiert damit aber den Protest. Es wäre ja vielmehr zu hoffen – und die einzig angemessene Reaktion -, dass Polizeibeamt*innen den Ort sofort absichern. Der Hinweis „In der Taubenstraße wurden bereits erste Steine aus dem Pflaster gebrochen!“ war mit einem Bild fehlender Pflastersteine versehen. Dabei war es gar nicht möglich, so schnell zu überprüfen, ob diese Taten im Zusammenhang mit der Versammlung standen. In der Öffentlichkeit wird jedoch das Bild erzeugt, die Teilnehmenden der Versammlung würden solche Straftaten begehen. Wer es darauf anlegt, eine Demonstration zu delegitimieren, erreicht das mit solchen Aktionen leicht.

Auch Beurteilungen des Protestgeschehens werden getwittert. Doch auch positive Bemerkungen verletzen die Neutralitätspflicht der Polizei. Etwa: „Trotz der gezeigten Bilder sind unter den 15.000 größtenteils ‚bunte‘ Teilnehmer. Was uns freut.“ Ein anderes Mal lobt sie Demonstrierende, weil die Demo friedlich war oder schreibt: „Wir vermissen ein wenig die Stimmung mit Musik und Samba von gestern. Wo sind denn die Trommeln?“

Polizeiliche Maßnahmen per Twitter?

Der Twitter-Account ist nicht der digitale Lautsprecher des Einsatzleiters, sondern der PR-Abteilung. Per Twitter werden jedoch Aufforderungen erteilt und rechtliche Hinweise gegeben. Geschrieben wird: „Jetzt #Vermummungen auf dem #Opernplatz in #Frankfurt – Legt sie wieder ab!“ oder „Seitentransparente wurden verknotet! Das ist gegen die Auflagen! Entknoten und Abstand halten, dann kann´s auch weiter gehen.“

Auch die rechtlichen Einschätzungen, können eigenwillige Interpretationen enthalten. „Es gibt erlaubte Formen des zivilen Ungehorsams, aber auch welche, die Ordnungswidrigkeiten o. Straftaten sind. Kommt ganz drauf an!“

So sieht also ein weiterer Schritt in repressive Öffentlichkeitsarbeit aus, dem die Bürger*innen Protest und Kreativität entgegensetzen müssen.

 

Literatur: Backmund, Michael, Donat, Ulrike, Ullmann, Karen: Feindbild Demonstrant, In: Feindbild Demonstrant, RAV, Legal Team (Hrsg.), Berlin, Hamburg 2008.

  • Inhalt und Vorwort der Herausgeber: 20 Jahre Grundrechte-Report sowie Vorwort des 1. Grundrechte-Reports 1997 von Till Müller-Heidelberg: Wer schützt die Verfassung? und schließlich Martin Kutscha: Grundrechte gegen die Arroganz der Macht – ein Rückblick auf 20 kämpferische Jahre als Leseprobe beim Verlag externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=99889
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